Die größte Leistung der Memnotechnik im 20. Jh.

Hierein gehört alles was die Geschichte und Methoden der Mnemotechnik betrifft. Z.B. Was ist die Geschichtenmethode? Was sind Routen? Des Weiteren geht es auch um die historische Betrachtung und Analyse der Mnemotechnik.


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Klaus Horsten
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Die größte Leistung der Memnotechnik im 20. Jh.

Beitrag von Klaus Horsten »

Ich möchte hier eine These aufstellen, die es zu umstreiten gilt:

Die größte Leistung der Mnemotechnik des 20. Jahrhunderts besteht nicht in irgendeinem mnemonischen Text, sondern im Beginn des Einsatzes des Computers.

Plausibilisierung:
* These: Der Gedächtnissport beginnt mit dem Beginn des Gebrauchs des Internets. Vorher gab es keinen Gedächtnissport.
* Beinahe alle Gedächtnissportler benutzen den Computer zum Trainieren. Ich vermute, dass es einige Ausnahmen wie die speed cards gibt. Hier kann ich Spielkarten auf den Tisch legen und brauche keinen Computer.
* Wer einen Weltrekord aufgestellt hat - wie etwa ich Rezitieren von Pi - der hat einen Computer zum Üben benutzt.
* Der Einsatz des Computers beginnt im 20. Jahrhundert.
* Auch dieses Forum hier ist ein Beispiel dafür, wie die Mnemotechnik durch das Internet eine Förderung und Verbreitung findet.

Frühere Zeiten haben uns allerdings etwas voraus, was wir vielleicht nie wieder, und wenn, dann nur in Ausnahmen haben werden: Zeit. Ich meine: alle hatten etwa im 17. Jahrhundert mehr Zeit. Das war sehr förderlich zum Imprignieren der Bilder.

Conclusio für mich: Wenn man in der Mnemotechnik etwas weiter bringen will, dann muss man den Computer einsetzen. Ich meine das auch etwa für das mnemonische Abc, für das es nichts zu geben scheint, aber ein Programm sehr wohl möglich ist.

Wer beispielsweise ein chinesisches Lexikon auswendig lernen will, wird sich ein Computerprogramm zulegen müssen, mit dem er/sie es übt. Gleiches gilt für juristische Paragraphen, für chemische Formeln, für medizinische Anatomie ...
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Ulrich Voigt
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Re: Die größte Leistung der Memnotechnik im 20. Jh.

Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben: Die größte Leistung der Mnemotechnik des 20. Jahrhunderts besteht [...] im Beginn des Einsatzes des Computers.
Widerspruch:
Die These ergibt keinen Sinn, denn der Einsatz eines PC stellt keine mnemotechnische Leistung dar.
Klaus Horsten
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Re: Die größte Leistung der Memnotechnik im 20. Jh.

Beitrag von Klaus Horsten »

Ulrich Voigt hat geschrieben:der Einsatz eines PC stellt keine mnemotechnische Leistung dar
Concessio. Stimmt!

Aber: Der Einsatz des PCs führt zu großen mnemotechnischen Leistungen. Der Computer ist die Bedingung der historischen Möglichkeit, dass es im 20. Jahrhundert zu denjenigen mnemotechnischen Höchstleistungen gekommen ist, wessen sich dieses Jahrhundert rühmt. Der Beginn des Einsatzes des Computers ist dasjenige Distinktive, welches das 20. Jahrhundert in mnemotechnischer Hinsicht von vorhergehenden wesentlich unterscheidet.

Begründung:
1. Das Internet hat die verstreuten Mnemotechniker zusammen gebracht und zu Konkurrenzverhältnissen geführt, die den Einzelnen dazu bewogen haben, weit über seine/ihre bestehenden persönlichen Grenzen hinaus zu gehen. Die Entstehung des Gedächtnissports ist der reinste Ausdruck dieses Entstehen von Konkurrenzverhältnissen. Das Entstehen des Gedächtnissports geht gleichzeitig mit der Verbreitung des Internets in den 90er Jahren vor sich.

2. Es ist vor allem die Seite der Wiederholung, welche sich durch den Einsatz des Computers verändert hat.

Wenn man den Rat gibt: "Wiederhole den Merkstoff nach einem Tag, nach einer Woche, nach einem Monat, nach drei Monaten", dann liegt man völlig falsch, dann liegt man hinter den Fortschritten des 20. Jahrhunderts zurück.

Der Einsatz des Computers hat die Wiederholung dadurch zum Training gemacht, dass er die Rolle des Prüfers unpersönlich übernommen hat. Die Leistung des Computers besteht darin, dass er einen Zufall erzeugt, den ein Mensch für sich selber nicht erzeugen kann, den vordem nur ein anderer Mensch für ihn erzeugen konnte.

Nehmen wir: 5000 chinesische Zeichen eines Lexikons. Der Computer nimmt willkürlich das 2354ste Zeichen heraus und fragt nach seiner Schreibweise, Bedeutung, Lautung und Etymologie.

Der Mnemotechniker selbst ist nicht imstande für sich selber diesen Zufall zu erzeugen, und zwar laufend zu erzeugen.

Der Computer erzeugt laufend einen Zufall. Er nimmt laufend zufällig ein bestimmtes Zeichen aus dem Reservoir und fragt es ab. Indem nun noch die Antwort-Zeit, die Zeit, die zwischen Frage und Antwort verstreicht, mitgemessen wird, mit dem Ziel, diese zu verkürzen, wird die Wiederholung mit dem Hinblick auf das Übertrumpfen des Konkurrenten zum Training.

Dadurch hat sich im 20. Jahrhundert die Wiederholung strukturell geändert. Es ist nicht so sehr eine neue Erkenntnis, welche die Mnemotechnik verändert hat, sondern die Art und Weise der Wiederholung.

Die Entstehung von Konkurrenzverhältnissen kraft der Verbindung durch das Internet und die Übernahme der Erzeugung einer zufälligen Abfrage aus dem Lernstoff durch den Computer hat zur Umstrukturierung der Wiederholung zum Training geführt. Und das gab es erstmals im 20. Jahrundert. Und das vor allem ist es, was die Mnemotechnik des 20. Jahrhundert von den vorhergehenden unterscheidet. Sie erzeugte dadurch mnemotechnische Leistungen, die sie über die vergangen zu stellen können glaubte, indem sie ihre Leistungen als "Weltrekorde" bezeichnete.
Klaus Horsten
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Re: Die größte Leistung der Memnotechnik im 20. Jh.

Beitrag von Klaus Horsten »

Ulrich Voigt hat geschrieben:der Einsatz eines PC stellt keine mnemotechnische Leistung dar
Die Chiffrierung stellt ebensowenig eine mnemotechnische Leistung dar. Chiffrierung gehört etwa ins Militärwesen. Beispiel für Chiffrierung: 1 = t, 2 = n, 3 = m ... - diese Chiffrierung stellt keine mnemotechnische Leistung dar. Und doch befähigt sie zu mnemotechnischen Leistungen.

Gleiches gilt für den PC. Wer, so möchte ich alle hier im Forum fragen, die irgend einen Rekord aufgestellt haben, hat diesen Rekord ohne PC vollbracht? (Ausnahme: Speed Cards)
Pat
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Beitrag von Pat »

1. Verschiedene Gebiete

Man sollte hier vielleicht Mnemonik und Gedächtnissport unterscheiden.

a) Gedächtnissport

Der Computer ist über gewisse Programme ein Übungshilfsmittel,

in Verbindung mit dem Internet ein Kommunikationskatalysator.

Unerlässlich ist er aber weder zum Üben noch wäre er es zum Austragen von Wettkämpfen. Man fände eben nur wesentlich schwerer interessierte Personen.

b) Mnemonik

Von virtuellen graphischen Umgebungen abgesehen hat der Computer nach meiner Meinung nichts zur Mnemonik beigetragen, gerade Entwicklungen in der Grundlagenmethodik wurden von ihm nicht gefördert.


2. Leistung der Mnemotechnik

a) Codierung

Die Mnemotechnik als zweckgebundene Wissenschaft mit überdisziplinärem Anspruch nimmt naturgemäß Anleihen aus verschiedenen Gebieten der Forschung.

Die spezielle den Zweck fördernde Anwendung, Ziffern über einen Zahlencode in Bilder umzuwandeln, kann deshalb als Leistung der Mnemotechnik gesehen werden.

b) 20. Jahrhundert

Wesentlich interessanter fände ich es, die Leistungen der Mnemotechnik
selbst im 20. Jahrhundert zu betrachten. Wer hat hier Entscheidendes geleistet ? Was ? Gab es echte methodische Unterschiede ? Eine genaue Untersuchung würde den Anspruch so vieler Gedächtnisanpreisungen in Büchern und Kursen stark relativieren.


Simon
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Simon, ich stimme eigentlich fast überall mit Dir überein.

Der thread hier mit seiner übertriebenen Fragestellung und seiner absichtlich einseitigen Behauptung soll thought provoking sein.

Kritik war immer auch ein Teil der Mnemonik neben Theorie, Geschichte und Übungsanleitung. Ich will in gewisser Weise die Hybris des 20. Jahrhunderts zerstören. Ich tue das, indem ich die herausragendste Leistung dieses Jahrhunderts auf den Computer reduziere.

Mir persönlich fällt es schwer, nachdem ich nun doch Einiges über Mnemotechnik gelesen habe, zu sehen, wo die differentia specifica des 20. Jahrhunderts liegt. Und da sehe ich einfach dies, was uns schon so selbstverständlich geworden ist: dass kein Mnemoniker vor dem 20. Jahrhundert mit einem Computer gübt hat, und dass nach dem 20. Jahrhundert dies nun fast jeder tut. Und diese - fast triviale Tatsache - möchte ich nicht übersehen, sie ist es, was ich mit dem 20. Jahrhundert hauptsächlich verbinde.
Pat hat geschrieben:Der Computer ... Unerlässlich ist er aber weder zum Üben ...
Genau da widerspreche ich Dir. Der Computer ist seit dem 20. Jahrhundert unerlässlich geworden für das Üben. Ich gehe weiter, indem ich die Forderung aufstelle:

Zu jedem Gebiet, das man mnemonisch beherrschen will, muss man ein Computerprogramm schreiben und mit diesem trainieren. Erst dadurch hat man - von Ausnahmen abgesehen - Chancen, der gleichen großartigen Leistungen teilhaftig zu werden, welche die Mnemonik im 20. Jahrhundert tatsächlich vorweisen kann.

Der Computer ist deshalb nicht entbehrlich, weil er etwas kann, was niemand von uns kann, nämlich: in unendlicher Wiederholung einen Zufall erzeugen. Jeder von uns ist außerstande, eine Reihe von nur 10 Zufällen zu erzeugen. Immer wird es eine innerpsychische Notwendigkeit geben, wehalb wir aus einer Liste von etwa 100 Punkten gerade diese 10 auswählen. Nie werden wir dadurch eine Sicherheit bekommen, dass wir den Stoff wirklich beherrschen. Weil uns das unmöglich ist, brauchen wir entweder einen Prüfer, der uns abbrüft oder einen Computer.

Ich gebe zu: Wenn ein reicher Mnemoniker in früheren Zeiten, sich einen Sekretär leisten hätte können und wollen, der ihn regelmäßig abbrüft, dann hätte er das Gleiche (wohl mehr) gehabt wie wir von einem Computer. Aber dem war in den meisten Fällen nicht so.

Man muss die Konsequenz ziehen: Wenn ich mir beispielsweise Geschichtsdaten mit der Häuser-Methode, welche Ulrich Voigt - ich glaube, ganz richtig - erarbeitet hat, aneignen will, dann muss ich, der oberen Forderung gemäß, mir ein Computerprogramm besorgen/schreiben, dass mich die geschichtlichen Daten von 1000 bis zur Gegenwart, abfrägt. Und nur dann, wenn ich das Beherrschen dieser Fakten trainiere - gerade auch ohne dezidierter Gedächtnissportler zu sein - werde ich Chancen haben, sie so schnell und sicher zu beherrschen, wie wir das von den Rekordleistungen des 20. Jahrhunderts her kennen.

Ich kann auch nicht mehr den Unterschied, was das Wiederholen des Lernstoffs anbetrifft, zwischen Mnemonik und Gedächntnissport machen. Alles Üben ist seit dem 20. Jahrhundert zu einem Trainieren vor allem mit dem Computer geworden, selbst wenn man kein Gedächtnissportler ist, will man die gleiche Schnelligkeit und Sicherheit erzielen, welche die Gedächtnissportler in großartiger und vorbildlicher Weise tatsächlich erzielen.
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Mindman
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Beitrag von Mindman »

Der Computer ist deshalb nicht entbehrlich, weil er etwas kann, was niemand von uns kann, nämlich: in unendlicher Wiederholung einen Zufall erzeugen. Jeder von uns ist außerstande, eine Reihe von nur 10 Zufällen zu erzeugen. Immer wird es eine innerpsychische Notwendigkeit geben, wehalb wir aus einer Liste von etwa 100 Punkten gerade diese 10 auswählen. Nie werden wir dadurch eine Sicherheit bekommen, dass wir den Stoff wirklich beherrschen. Weil uns das unmöglich ist, brauchen wir entweder einen Prüfer, der uns abbrüft oder einen Computer.
Hmm... ich kann aber doch jede Einzelinformation z. B. auf eine Karteikarte schreiben. Dann mische ich alle und nach einer gewissen Mischzeit sind sie zufällig angeordnet, so daß ich durch Herausziehen einer beliebigen Karte einen Zufall erzeuge.

Gruß,
Mindman
Haben wir eine Gedächtnisförderung?
Und wenn ja - warum nicht?
Pat
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Beitrag von Pat »

Meine ich auch.

Es ist vielleicht unbequemer, aber nicht unmöglich.
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Ja, das geht für bestimmte Fälle.

Tust Du es?

Das geht schon nicht mehr mit Karten: "Programm zum Kalenderrechnen üben" siehe http://www.frontreporter.de/phpbb/viewtopic.php?t=1183

Pi-Permutation wird - nicht zwingend - mit einem Programm geübt (download bei likanas.de).

Wie erzeugst Du die Random-Numbers unten zum Üben?

Aber damit verlassen wir das Thema dieser Diskussion.

De facto ist der Computer das Übungstool, mit dessen Hilfe seit dem 20. Jahrhundert die höchsten Gedächtnisleistungen erzielt werden.

random numbers:
18 48 30 20 23
14 85 93 18 17
72 14 39 13
13 94 32 73 62
14 39 80 55 82
35 54 16 51 2
12 72 49 92 74
15 37 72 87 5
78 50 91 02 2
20 03 59 22 33
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Mindman
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Beitrag von Mindman »

Tust Du es?
Jepp, ich lerne z. B. mit Karteikarten und mische diese dabei auch immer wieder durcheinander.

Die Random-Nummern sind ganz einfach mit Karteikarten zu erzeugen, die mit zweistelligen Zahlen beschrieben sind. Nach jedem zufälligen herausfischen einer Zahl wird die entsprechende Karte wieder untergemischt. So habe ich mir auch meine 100-Majorgarderobe gemerkt bzw. das Abrufen durch Training (Wiederholung) beschleunigt.

Abgesehen davon kannst du das Meiste, was ein Computer macht, auch ohne Computer machen, betreffend die Mnemotechnik. Nur der Aufwand ist eben viel größer. Insofern ist der Computer eine riesige Erleichterung und begünstigt das Weiterkommen in der Mnemotechnik bwz., wie schon genannt, vorallem auch deren Verbreitung bzw. den Austausch darüber.
Ob Computer jedoch grundsätzlich notwendig zur Weiterentwicklung der Gedächtnistechniken sind, das möchte ich bezweifelt. Denn was die Mnemotechniken weiter bringt, das sind neue Ideen, neuartige Erinnerungserleichterungen. Und für die Idee brauche ich keinen Computer. Maximal für die Umsetzung.
Haben wir eine Gedächtnisförderung?
Und wenn ja - warum nicht?
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Mindman hat geschrieben:Ob Computer jedoch grundsätzlich notwendig zur Weiterentwicklung der Gedächtnistechniken sind, das möchte ich bezweifeln.
Zurecht.

Für mich ist es eine Tatsache, dass Computer nicht notwendig sind, dass sie nun einmal da sind, und dass sie in vielen Bereichen zu besseren Trainingsergebnissen führen als mit anderen Mitteln, und deshalb stelle ich die Forderung auf, sie zur Bewältigung großer Stoffmengen auch zu benutzen.
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