Der 500 Zeichen memory stunt von Matteo Ricci (Chinesisch)

Hierein gehört alles was die Geschichte und Methoden der Mnemotechnik betrifft. Z.B. Was ist die Geschichtenmethode? Was sind Routen? Des Weiteren geht es auch um die historische Betrachtung und Analyse der Mnemotechnik.


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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben:
Die Gefahr ist eher, die Chinesen links liegen zu lassen als Ricci.

Ich komme auf Ricci zurück. Versprochen!
O.k. = go on!
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

後宮佳麗三千人,三千寵愛在一身。
10――棒球——佳麗(漂亮的小姐)
我到房子的後院去打棒球,結果那裏擠滿了3000個漂亮的小姐,都在等著寵愛我一個人。
Die erste Zeile ist die Gedichtzeile: 後宮佳麗三千人,三千寵愛在一身。 Man braucht sie, so der chinesische Mnemotechniker nicht genau zu verstehen, um sie zu lernen, denn auch den Chinesen geht es so, dass sie Schwierigkeiten beim Verstehen alter Texte haben.

Dann folgt die Zeile mit dem Anker, hier der Zahl, und den wichtigsten Merkzeichen, die aus der Gedichtzeile ausgewählt worden sind: 10――棒球——佳麗(漂亮的小姐)

Und in der dritten Zeile ist der mnemonische Merksatz, der den Anker, Sinn der Gedichtzeile und die Schlüssel-Zeichen der zweiten Zeile zu einem Bild verbindet: 我到房子的後院去打棒球,結果那裏擠滿了3000個漂亮的小姐,都在等著寵愛我一個人。

Die Zahl 10 ist ein Basketballschläger plus Ball. Der Mnemotechniker merkt sich als Schlüsselzeichen 佳麗 "ausergewöhnliche Schönheit" und identifiziert diese mit 漂亮的小姐, einem "schönen Fräulein".

Die Verankerung hilft, in dem riesigen Text die Ordnung zu bewahren.

Hier die Übersetzung des mnemonischen Bilds: "Ich gehe in den Hof hinter dem Haus und spiele Baskettball (= 10. Stelle). Nach einiger Zeit füllt sich der Hof mit 3000 hübschen Frauen, die es alle nur darauf abgesehen haben, mich zu verhätscheln".

Liest man nun wieder die Gedichtzeile, dann fällt auf, dass der Mnemotechniker sehr viel von ihrem Sinn in die Fantasie gepackt hat: 後宮佳麗三千人,三千寵愛在一身。Statt "Hinterhof" ist es im Gedicht der "hintere Palast". 佳麗 ist schon verschlüsselt worden. Dann kommen da 三千人 3000 Menschen vor, drei tausend 三千 die verhätscheln 寵愛 gezielt fokussiert 在 auf "einen Körper" 一身.

Das mnemonsiche Bild ist wie eine variierte Übersetzung des klassischen chinesischen Originals ins moderne Chinesisch, in den jetzigen Alltag, mit der heutigen Sprache.

Offenbar eine Wunscherfüllungsfantasie, so ganz nach der Art, wie sie Freud für den Nacht- und Tagtraum als konstitutiv auffasste.

Das Bild, finde ich, ist nicht schlecht. Es bleibt haften. Basketball - 10. Stelle - hübsche Frauen, alle ein Faible für mich, ja diese Assoziation sitzt. Und es evoziert den Sinn der Gedichtzeile, die nun, wenn man die Gedichtzeile wieder geben will, zurück ins klassische Chinesisch übersetzen muss. Ich bin im Hinterhof -> hinterer Palast, spiele Baksetball -> 10. Stelle, 3000 Schönheiten kommen -> wie im Gedicht, "verhätscheln" -> wie im Gedicht, "mich" - 身 den Köper, wie im Gedicht.
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Ich nehme an, dass die Sprachhürde des Chinesischen zu hoch ist, und deshalb chinesische Beispiele nicht oder nur sehr begrenzt hier im Forum diskutiert werden können.

Sinologen interessieren sich zumeist nicht für Mnemotechnik, und Mnemotechniker sind zumeist keine Sinologen, ergo: es bleibt unbekanntes intellektuelles Dschungelgebiet.

Nur, was sich sicher nicht stimmt:
* Chinesen haben keine Mnemotechnik
* Chinesen interessieren sich nicht für Mnemotechnik
* Chinesen haben keine "strukturierte" Mnemotechnik

Ich glaube, dass die Chinesen es viel leichter haben als wir aufgrund der Homophonität der chinesischen Sprache. Ich erinnere an die "keyword Methode", die den Gleichklang von Wörtern ausnützt. Und jetzt muss man nur 1 + 1 zusammen zählen: Gleichklang + Homophonität = strukturelle Überlegenheit der chinesischen Sprache in Hinblick auf Mnemotechnik.

Ich persönlich erwarte mir deshalb die Weltrekorde der Zukunft sicherlich unter den Chinesen, nicht weil es so viele sind, sondern weil die chinesische Sprache bessere Halte- und Fassungsflächen bietet.
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

soll die Sache hier stehen bleiben? Ich hatte erwartet, dass Du zunächst den angekündigten Bogen schlagen würdest über die chinesische Mnemotechnik zurück bzw. hin zu Matteo Ricci. :?
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Vielleicht will ja irgend jemand darauf eingehen.

Ich dachte, es geht letztlich um Methode? Und wie sollte man sich da nicht mit einem chinesischen Beispiel beschäftigen wollen?

Man kann ja einen Bogen verlässlich nur dann schlagen, wenn man ihn wieder holt, wenn man etwas schon einmal gemacht hat, wenn er schon einmal Vergangenheit war, nicht aber, wenn man Neues erforscht. Und der Sinn eines Forums ist der Dialog. Wenn der nicht da ist, dann höre ich auf.

Ich schlage den Bogen, nun aber etwas anders zurück, löse damit mein Versprechen ein.

Zwei Gesichtspunkte:
A. Das Rückwärtsgehen im Stunt
B. Was von den Zeichen man sich merkt

A. Das Rückwärtsgehen im Stunt
Ricci sagt, egal was man ihm aufschreibt, er kann die Schriftzeichen in umgekehrter Sukzession wieder her sagen. Das scheint das ganze Setting zu beeinflussen, die ganze Struktur, den Aufbau der Methode.

Wichtig hier zu beachten ist, dass es sich um klassisches Chinesisch handelt, und nicht um modernes. Im klassischen Chinesisch ist ein Schriftzeichen ein Wort, im modernen besteht ein Wort sehr oft aus mehr als einem Schriftzeichen, am häufigsten aus zwei. Wenn man also im Geist rückwärts geht, so ist das bei 1 Schriftzeichen = 1 Wort sehr viel leichter, als bei 1 Wort >= 1 Schriftzeichen.

Nun bist Du, ich glaube unter anderen auch aus diesem Grund, der Überzeugung, dass Ricci je ein Schriftzeichen an einen Ort gebunden hat. Ich glaube das nicht. Es mag aus der Xiguo jifa so hervorgehen, aber wir können nicht einfach die Erläuterung in diesem Buch mit der Beschreibung der Methode des Stunts gleich setzen.

Ich persönlich, wenn ich Chinesisch kann, würde mir einfach Sätze und Satzteile merken, und diese an einen Ort binden. Ich würde sie mir inhaltlich merken und dann wieder geben. Nur wenn ich auf ein unbekanntes Schriftzeichen träfe, dann würde ich die Methode des Schriftzeichenspaltens verwenden, und das Schriftzeichen an einen Ort binden. Und hier komme ich zum zweiten Punkt.

B. Was von den Zeichen man sich merkt
Generell kann man sich im Deutschen ein Wort auf zwei Arten merken:
1. inhaltlich z.B. Laryngoskop, ich kenne dieses Instrument und stelle es mir vor. Ich verbinde die Vorstellung davon mit einem Anker.
2. lautähnlich z.B. Laryngoskop = "Larrys Engels-Mikroskop" (ein Mikroskop von Larry, mit dem Engel sichtbar werden)

Wenn ich ein unverständliches Wort habe, muss ich zweitens nehmen; wenn ich ich es verstehe, dann habe ich die Wahl.

1. entspricht bei den chinesischen Schriftzeichen: ich merke mir die Bedeutung des Schriftzeichens.
2. ich verwende das "Schriftzeichenspalten".

Ich würde 2. nur dann verwenden, wenn ich die Bedeutung des Schriftzeichens nicht kenne.

Du hast - wie auch ich in meinem Beispiel - überall 2. angewandt. Das erscheint mir den Ablauf der Wiedergabe während des Stunts zu verlangsamen und zu hemmen, denn da muss ich jeden Ort einzeln abgehen und je ein Schriftzeichen suchen. Es gibt keine Bündelung. Die natürliche Bündelung ist in Satzteilen und Sätzen. Diese würde ich, nach dieser Überlegung, mit einem Ort zu verbinden versuchen.
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben:
後宮佳麗三千人,三千寵愛在一身。
10――棒球——佳麗(漂亮的小姐)
我到房子的後院去打棒球,結果那裏擠滿了3000個漂亮的小姐,都在等著寵愛我一個人。
Die erste Zeile ist die Gedichtzeile: 後宮佳麗三千人,三千寵愛在一身。 Man braucht sie, so der chinesische Mnemotechniker [,] nicht genau zu verstehen, um sie zu lernen, denn auch den Chinesen geht es so, dass sie Schwierigkeiten beim Verstehen alter Texte haben.

Dann folgt die Zeile mit dem Anker, hier der Zahl, und den wichtigsten Merkzeichen, die aus der Gedichtzeile ausgewählt worden sind: 10――棒球——佳麗(漂亮的小姐)

Und in der dritten Zeile ist der mnemonische Merksatz, der den Anker, Sinn der Gedichtzeile und die Schlüssel-Zeichen der zweiten Zeile zu einem Bild verbindet: 我到房子的後院去打棒球,結果那裏擠滿了3000個漂亮的小姐,都在等著寵愛我一個人。

Die Zahl 10 ist ein Basketballschläger plus Ball. Der Mnemotechniker merkt sich als Schlüsselzeichen 佳麗 "ausergewöhnliche Schönheit" und identifiziert diese mit 漂亮的小姐, einem "schönen Fräulein".

Die Verankerung hilft, in dem riesigen Text die Ordnung zu bewahren.
Wer ist hier "der chinesische Mnemotechniker"? Mir kommt es so vor, als würdest Du Deine zum Memorieren deutschsprachiger Gedichte erarbeitete Technik hier anwendet.
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben: Nur, was sicher nicht stimmt:
* Chinesen haben keine Mnemotechnik
* Chinesen interessieren sich nicht für Mnemotechnik
* Chinesen haben keine "strukturierte" Mnemotechnik
Hier wird deutlich, dass wir ziemlich konsequent an einander vorbeireden. In meinem Sprachgebrauch ist Mnemotechnik immer strukturiert, immer konstruktiv. Ich bleibe damit bei dem ursprünglichen Wortsinn, den dieses Kunstwort dank seines Erfinders (Aimé Paris) nun einmal besitzt. Um die Strukturen, die auf der Grundlage eigentlicher Mnemotechnik möglich sind, zu erkunden und zu beschreiben, habe ich ein ganzes Buch gebraucht.
Natürlich gibt es in jeder Kultur Mittel, mit denen man sich dies und jenes merkt, so hatten auch z.B. die Griechen des Altertums ihre Mittel, um z.B. lange Texte wie Homers Dichtungen auswendig zu können. Dennoch ehrten sie (zurecht!) Simonides von Keos als den Erfinder der Gedächtniskunst, denn er hatte als erster die Idee, dass es unter Umständen Sinn macht, sich künstliche Hilfsstrukturen zu konstruieren, und zwar Hilfsstrukturen, die sich von den sonst irgendwie auch immer schon benutzten Hilfsstrukturen qualitativ dadurch unterscheiden, dass sie getrennt vom jeweiligen Merkinhalt vorstellbar und lernbar sind. Ich habe noch kein einziges Beispiel gesehen, das in diesem Sinne die Existenz einer chinesischen Mnemotechnik erweisen würde.
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben: Ricci sagt, egal was man ihm aufschreibt, er kann die Schriftzeichen in umgekehrter Sukzession wieder her sagen. Das scheint das ganze Setting zu beeinflussen, die ganze Struktur, den Aufbau der Methode.

Wichtig hier zu beachten ist, dass es sich um klassisches Chinesisch handelt, und nicht um modernes. Im klassischen Chinesisch ist ein Schriftzeichen ein Wort, im modernen besteht ein Wort sehr oft aus mehr als einem Schriftzeichen, am häufigsten aus zwei. Wenn man also im Geist rückwärts geht, so ist das bei 1 Schriftzeichen = 1 Wort sehr viel leichter, als bei 1 Wort >= 1 Schriftzeichen.

Nun bist Du, ich glaube unter anderen auch aus diesem Grund, der Überzeugung, dass Ricci je ein Schriftzeichen an einen Ort gebunden hat. Ich glaube das nicht. Es mag aus der Xiguo jifa so hervorgehen, aber wir können nicht einfach die Erläuterung in diesem Buch mit der Beschreibung der Methode des Stunts gleich setzen.

Ich persönlich, wenn ich Chinesisch kann, würde mir einfach Sätze und Satzteile merken, und diese an einen Ort binden. Ich würde sie mir inhaltlich merken und dann wieder geben. Nur wenn ich auf ein unbekanntes Schriftzeichen träfe, dann würde ich die Methode des Schriftzeichenspaltens verwenden, und das Schriftzeichen an einen Ort binden. Und hier komme ich zum zweiten Punkt.
"Rückwärts"
Ich verstehe das so: Ricci konnte die vorgelegten Zeichen sowohl vorwärts wie auch rückwärts wiedergeben. Letzteres dürfte größeren Eindruck gemacht haben und wird daher von ihm entsprechend betont. Gerade trat John Louis Louis in Istanbul mit 40 zweistelligen Zahlen auf, die ihm im Sekundentakt vorgesprochen wurden, und die er danach erst vorwärts, dann rückwärts aus dem Gedächtnis wiederholte.

"Klassisches- und modernes Chinesisch"
Der Unterschied spielt keine Rolle. Damals wie heute ist (fast) jedes einzelne Zeichen zugleich auch Sinnträger. Für den von uns diskutierten Stunt ging es jedenfalls um einzelne Zeichen.

"Wörter / Sätze"
Auf keinen Fall ging es bei Ricci um Sätze. Es ist also ohne Belang, wie wir uns ganze Sätze merken würden.

"Bindung der einzelnen Zeichen an Örter"
Der überlieferte Text lässt keine andere Deutung zu. Die Frage ist nicht, ob Ricci die Zeichen an Örter gebunden hat, sondern, wie. Ich habe dazu oben einen Vorschlag gemacht: Er fasste etwa zehn Örter zu einem hao zusammen und konnte sich damit Gruppen von etwa zehn Bildern zusammen vorstellen.

"Schriftzeichenspalten"
Hier gilt dasselbe. Wo es ihm möglich war, benutzte Ricci ausnahmslos dieses Mittel. Die Frage ist nicht, ob, sondern, wie er diese Methode verwendet hat.

"Chinesen / Nicht-Chinesen"
Auch aus Sicht des chinesischen Muttersprachlers genügt es zum Memorieren einer willkürlichen Zeichenliste nicht, den Sinn der einzelnen Schriftzeichen zu erinnern, denn es gibt häufig genug sehr unterschiedliche Zeichen mit sich überschneidender Bedeutung. Er muss am Ende aber die Zeichen hinschreiben und nicht nur wissen, was sie bedeuten. Also benötigt er ein Mittel, die Zeichen einzeln als Formen festzunageln. Und schon wird die Riccianische Methode für ihn interessant!"
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Der Eindruck, dass wir aneinander vorbei reden, hat möglicherweise folgende Ursachen:

1. Die historischen Quellen haben Unbestimmtheiten. Diese ermöglichen es, sie verschieden aufzufüllen.

U.V. sagt: Wir haben es mit einer aleatorischen Schriftzeichenliste zu tun. K.H. sagt dazu: Du weißt es nicht. Es ist nicht so sicher, wie Du behauptest. Die Quellen geben darüber keine gesicherte Auskunft.

K.H. sagt: Wir können es dann und wann mit aleatorischen Listen zu tun haben, aber per analogiam im Schluss von der Jetztzeit hält er es für möglich und wahrscheinlich, dass Satzteile und Sätze im Riccis Stunt zu memorieren waren. U.V. sagt dagegen: das weißt Du nicht, die Quellen sagen, es handelt sich rein um willkürliche Zeichenlisten. K.H. sagt dagegen: willkürliche Zeichenlisten können auch aus Satzfetzen und zusammenhanglosen Sätzen bestehen. K.H. weiß aus der Computerprogrammierung, dass es unmöglich ist, einen echten Zufall zu erzeugen, und er weiß, dass psychologisch jede Zufallsassoziation psychisch determiniert ist. Deshalb hat er starke Zweifel an einer echt, wirklich und rein zusammen gewürfelten Liste.

2. Verschiedene Ziele

U.V. und K.H. unterscheiden sich auch in der Zielsetzung. U.V. will ein chinesisches Wörterbuch auswendig lernen, und da hat er es mit einzelnen Zeichen zu tun. K.H. will kein chinesisches Wörterbuch auswendig lernen, da er meint, die gängigsten chinesischen Schriftzeichen schon zu beherrschen. Sein Ziel ist vielmehr, chinesische Sätze oder Texte auswendig zu lernen.

Aber trotz dieser Unterschiede in der Auffüllung dessen, was historisch unbestimmt ist, und in der Unterschiedlichkeit der Zielsetzungen, befinden wir uns gleichwohl in einem thematischen Kreis, der unsere Gemeinsamkeit bildet.

Man kann die beiden unterschiedlichen Voraussetzungen und Zielsetzungen anerkennen, und trotzdem die unterschiedlichen theoretischen Ansichten miteinander integrieren.
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben: U.V. sagt: Wir haben es mit einer aleatorischen Schriftzeichenliste zu tun. K.H. sagt dazu: Du weißt es nicht. Es ist nicht so sicher, wie Du behauptest. Die Quellen geben darüber keine gesicherte Auskunft.
Die einzige Quelle ist die von Dir zitierte Äußerung Riccis. Sie handelt von „400 bis 500 Schriftzeichen“. Hätte Ricci damit keine einzelnen Schriftzeichen gemeint, sondern vollständige Sätze oder gar einen einzigen zusammenhängenden Text, so wäre seine Aussage äußerst irreführend. Genau genommen wäre sie eine starke und angeberische Übertreibung, die seine Leistung gewaltig schmälern würde. Ich schließe diese Variante für den historischen Vorgang aus. So weit reicht die dichterische Freiheit des Historikers einfach nicht, dass er ohne irgendeine Stütze in den Quellen freie Annahmen treffen dürfte. Hinzu kommt: Die einzige Stelle in Riccis Schrift, in der von einem zusammenhängenden literarischen Text gehandelt wird, zeigt, dass Ricci diesen Text so angeht, als existiere er gar nicht als Sinnzusammenhang, sondern nur als willkürliche Zeichenfolge.
Willkürliche Zeichenlisten können auch aus Satzfetzen und zusammenhanglosen Sätzen bestehen.
Ich habe oben versucht, aus dem Text Riccis eine zufällige Zeichenliste von 50 Zeichen zu erstellen, indem ich rauf und runter aus den relevanten Abschnitten und dann der Reihe nach Zeichen herausgeschrieben habe. Wir könnten das als Beispiel nehmen, um Deine Überlegung zu überprüfen: „Satzfetzen“? Vielleicht, aber: was nützt uns das? „Ganze Sätze“? Hm. Dass es nicht um „echten Zufall“ geht, wird wohl so sein, aber auch hier stellt sich die Frage, was derjenige, der diese Zeichen nun memorieren soll, davon wohl hat? Ich behaupte: Gar nichts. Die Folge der Nachkommastellen von Pi ist auch nicht zufällig, sondern mathematisch berechenbar. Für denjenigen, der sie über eine halbwegs lange Strecke lernen möchte, ist diese Tatsache aber vollkommen bedeutungslos. Es geht also nicht darum, ob die Liste von Zeichen, auf die sich Ricci bezieht, in einem strengen Sinne „echt, wirklich und rein zusammen gewürfelt“ war, sondern darum, dass sie von Ricci so aufgefasst werden musste.
Auf der Memoriade in Istanbul wurden mir aus dem Publikum Zahlen zwischen 1 und 10.000 zugerufen und ich sollte dazu die entsprechenden Nachkommastellen von Pi sagen. Natürlich waren diese Zahlen nicht „wirklich zufällig“, Günther Karsten z.B. fragte mich nach der 2008. Stelle. Die Tatsache, dass diese Zahl (als Jahreszahl) für ihn einen „Sinn“ hatte, nützte mir aber nichts. Aus diesem Grund sind die Überlegungen über objektive Zufälligkeit, die Du anstellst, ziemlich irrelevant.
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben:U.V. und K.H. unterscheiden sich auch in der Zielsetzung. U.V. will ein chinesisches Wörterbuch auswendig lernen, und da hat er es mit einzelnen Zeichen zu tun. K.H. will kein chinesisches Wörterbuch auswendig lernen, da er meint, die gängigsten chinesischen Schriftzeichen schon zu beherrschen. Sein Ziel ist vielmehr, chinesische Sätze oder Texte auswendig zu lernen.
Unsere Missverständnisse setzen sich munter fort: Aus meiner Sicht ist es ganz belanglos, ob wir die chinesischen Zeichen schon kennen oder nicht. Es geht nicht darum, dass ich aus irgendeiner Verrücktheit heraus den Wunsch hätte, ein chinesisches Zeichenlexikon auswendig zu wissen. Mein Ziel ist es vielmehr, eine mnemotechnische Lernmethode zu etablieren. Wenn ich besser Chinesisch könnte, wäre das eine Hilfe und würde mich keineswegs demotivieren.
Ich hatte in einem früheren Beitrag von „meinen“ ca. 4.000 Zeichen gesprochen. Diese Zeichen sind zu 75 % ohne praktischen Wert, da sie viel zu selten sind. Der Punkt ist aber der, dass sie innerhalb weniger Monate erlernbar sind, und zwar mit qualitativ erhöhtem Anspruch. Wäre meine Methode bereits von 4.000 auf die geplanten 12.000 Zeichen erweitert, so könnte man diese 12.000 Zeichen in einem oder zwei Jahren erlernen, und zwar sozusagen nebenbei, was im Vergleich zu dem Aufwand, der in Asien zum Erlernen der notwendigen Zeichen stattfindet, vollkommen unglaublich wäre. Ich möchte überhaupt bezweifeln, dass es in Asien jemanden gibt, der 10.000 Zeichen beherrscht. In Japan benötigt man laut offiziellem Lehrplan für ca. 2.000 Kanji zehn Jahre. Man kann dann 80 % dieser Zeichen aktiv (schreiben), den Rest nur passiv (lesen). Einmal etabliert, wäre die mnemotechnische Lernmethode allen sonst üblichen Methoden haushoch überlegen.
Eine effektive mnemotechnische Lernmethode der chinesischen Schriftzeichen wird man niemals durch Analyse der chinesischen Lernmethoden finden, vielmehr wird man aus der "chinesischen" Perspektive heraus stets die Möglichkeit eines erfolgreichen mnemotechnischen Systems anzweifeln.
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Ulrich Voigt hat geschrieben:Hätte Ricci damit keine einzelnen Schriftzeichen gemeint, sondern vollständige Sätze oder gar einen einzigen zusammenhängenden Text, so wäre seine Aussage äußerst irreführend. Genau genommen wäre sie eine starke und angeberische Übertreibung, die seine Leistung gewaltig schmälern würde.
Ricci übertreibt tatsächlich hie und da. Ich führe als Beispiele an:

"In speaking it, there is so much ambiguity that there are many words that can signify more than a thousand things" (Spence 136) Das ist eine krasse Übertreibung oder einfach: schlichtweg falsch.

"Thus when [the Chinese] are speaking to each other they write out the words they wish to say so that they can be sure to understand - for all the written letters are different from each other" (Spence 136) Wieder eine blanke Übetreibung. Das kommt im Leben eines Chinesen vielleicht ein Mal pro Quartal vor, dass er das macht.

"They have as many letters as there are words and things, so that there are more than 70,000 of them." (Spence 137) Noch eine überspannte Übertreibung.

Nehmen wir trotzdem an, da wir ja wissen, dass das mittels der Loci-Technik möglich ist, dass es stimmt: "I told them that they should write down a large number of Chinese letters in any manner they choose on a sheet of paper, without there being any order among them". (Spence 139)

Wir wissen wie es geht: mehrere hundert Örter plus je Ort zumeinst ein Schriftzeichen.

Und ist das nicht die Andeutung von Angeberei (Spence 139 f.): "And though he claimed to be vigorously denying Chinese rumors that he could remember any book that he came across after only one reading, a letter to his friend ... shows that he was, in fact, quite deliberately fanning the flames of Chinese enthusiasm: Und obwohl ich ständig abstritt, dass ich ein Buch nach einmaligem Lesen aus dem Gedächntis rezitieren kann, "on some occasions for fun [per ricreazone] I would take from my memory one of their compositions and then at once recite it, word for word, and backwards", (Spence 140) Das ist Angeberei! Denn Ricci sagt damit den Chinesen: Ja, ich kann ein Buch nach einmaligem Lesen auswendig. Sein Abstreiten mussten die Chinesen als Bescheidenheitshöflichkeit auffassen, so wie es etwa jetzt noch üblich ist - wie auch ich es gemacht habe -, vor Chinesen ständig zu betonen, wie schlecht man Chinesisch spricht.

Und es bestätigt, was ich gesagt habe, dass Ricci Teile der Klassiker auswendig gekonnt hat, um so zumindest seine Beeindruckungskunst aufzupfeffern.
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben:Ricci übertreibt tatsächlich hie und da. Ich führe als Beispiele an:
Vielen Dank für den Beitrag. Solche Informationen sind ein heilsames Gegenmittel gegen überspannte Vorstellungen.
Ich würde übrigens vorschlagen, die beiden Themen (Memorieren von Texten / Memorieren einzelner Zeichen) einfach und deutlich zu trennen. Wir müssen nicht das eine mit dem anderen erschlagen. Unsere unterschiedlichen Einschätzungen der historischen Gegebenheiten können wir einfach so stehen lassen.
Die Zahl 70.000 ist schon recht phantastisch, das finde ich auch. Immerhin beinhaltet das Zihui (http://en.wikipedia.org/wiki/Zihui), das ja bald nach Riccis Tod in China erschien, mehr als 30.000 Zeichen. Dass die meisten dieser Zeichen das Licht außerhalb der Lexika nie erblickt haben, ist eine andere Frage.
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Ulrich Voigt hat geschrieben:Es geht nicht darum, dass ich aus irgendeiner Verrücktheit heraus den Wunsch hätte, ein chinesisches Zeichenlexikon auswendig zu wissen.
Das wäre keine Verrücktheit, sondern eine grandiose mnemotechnische Leistung. Sie hätte den Wert, der dabei verwendeten Methoden Autorität, Glauben und Gültigkeit zu verschaffen. So wie ja auch jetzt etwa Gunther Karsten seine Erfolge zur Authorisierung und Beglaubigung der Gültigkeit des Inhalts seiner Bücher verwendet.

Auch gibt es dafür Vorläufer. In "Perfect Memory" hat Dominic O'Brien ein Kapitel "Wie man ein Wörterbuch auswendig lernt" (146). Er erwähnt Dr. Yip Swe Chooi, der ein Englisch-Chinesisches Wörterbuch mit 58.000 Einträgen beherrscht.

Also von Verrücktheit würde ich nicht sprechen. In jedem Gebiet muss man die Gültigkeit von Leistungen und Methoden irgendwie beglaubigen und in der Mnemotechnik sind es eben Höchstleistungen in der Wiedergabe aus dem Gedächtnis, welche die Gültigkeit von mnemonischen Theorieren und Methoden beweisen.
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Beitrag von Klaus Horsten »

Ulrich Voigt hat geschrieben:Mein Ziel ist es vielmehr, eine mnemotechnische Lernmethode zu etablieren [... das Erlernen chinesischer Schriftzeichen ...] der Punkt ist aber der, dass sie innerhalb weniger Monate erlernbar sind, und zwar mit qualitativ erhöhtem Anspruch. Wäre meine Methode bereits von 4.000 auf die geplanten 12.000 Zeichen erweitert ...
Die Methode ist bereits da. Sie muss nicht erst entwickelt werden. Sie muss auch nicht ausgefeilt werden. Sie ist schon da. Das ist meine persönliche Überzeugung.

Ich glaube, dass die Grundlage Deiner Methode richtig und gültig ist, und zwar deshalb, weil ich dieselbe Grundlage gewählt habe, völlig unabhängig, schon viele Jahre zuvor. Ich habe damit die chinesischen Schriftzeichen gelernt.

Natürlich kannte ich noch nichts von der Geschichten-Methode mit ihren Aspekten.

Was ich nicht verstehe, ist, wieso es 12.000 Zeichen sein müssen. Wenn mit 4000 Zeichen die Methode etabliert ist, wenn die Methode in einem Buch im Einzelnen beschrieben wird, dann dienen die Geschichten von den 4000 Zeichen als Beleg, als Muster, wie man es tun kann. Man kann die Geschichten als Beispiele verwenden. Der Leser wird aber seine eigenen Geschichten nach den Mustern machen wollen, weil er etwa andere Zeichengruppen lernen will, vor allem aber weil er eigene Fantasien entwickeln will, in meinen Augen sollte, denn um die Entwicklung fokussierter Fantasien zwecks Erlernen geht es in der Mnemotechnik eigentlich doch.

Ein nie veröffentlichtes Buch, das darauf abzielt, was schlechthin sein könnte, ist bei weitem weniger wert, als ein veröffentlichtes Buch, das das jetzt Mögliche umsetzt.
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben:Die Methode ist bereits da.
Es gibt einen Unterschied zwischen "Methode" und "Anwendung der Methode". Die Methode zu entwickeln, hat zwei bis drei Jahre Arbeit gekostet. Sie ist in der Tat fertig. Ob sie etwas taugt und wie weit sie trägt, erweist sich erst in der Anwendung. Zwar ist diese für etwa ein Drittel des anvisierten Zeichenlexikons geleistet, es geht aber darum, sie für das gesamte Material durchzuziehen. Erst dann kann sie mit Eklat zur Geltung kommen.
Was ich nicht verstehe, ist, wieso es 12.000 Zeichen sein müssen.
Der Grund ist der, dass - vorausgesetzt, die mnemotechnischen Geschichten sind einmal fertig - der Aufwand, 12.000 Zeichen zu lernen nicht größer ist als der Aufwand, 1.200 Zeichen zu lernen. Mnemotechnisches Lernen sollte, das ist meine Auffassung, mit weniger Aufwand sowohl quantitativ wie auch qualitativ mehr ermöglichen als herkömmliche Methoden. Nur dadurch erweist sich, dass Mnemotechnik ein wichtiges Kulturgut ist.
Man kann die Geschichten als Beispiele verwenden. Der Leser wird aber seine eigenen Geschichten nach den Mustern machen wollen, weil er etwa andere Zeichengruppen lernen will, vor allem aber weil er eigene Fantasien entwickeln will, in meinen Augen sollte [...]
Nein, das ist naiv. Die Konstruktion dieser Geschichten ist nicht so leicht. Ich kenne niemanden, dem ich das zutrauen würde, was Du hier für normal erachtest. Die Ansicht: "weil er etwa andere Zeichengruppen lernen will" geht ganz an der Sache vorbei.
Ein nie veröffentlichtes Buch, das darauf abzielt, was schlechthin sein könnte, ist bei weitem weniger wert, als ein veröffentlichtes Buch, das das jetzt Mögliche umsetzt.
Das mag sein. Aber so etwas kommt eben vor und wir sollten das mit Gelassenheit betrachten. Die Zeit ist für diese Art von Mnemotechnik offensichtlich noch gar nicht reif. Nachdem mir das klar geworden ist, betreibe ich Mnemotechnik nur noch nebenbei und konzentriere mich auf historische Forschung.
Vielleicht ist hier eine kleine Anekdote interessant. Vor etwa 15 Jahren machte ich den Fehler, ein ausgedrucktes Exemplar "meines Systems" dem sinologischen Seminar in Hamburg vorzulegen. Ich bekam es nach ein paar Monaten mit der Bemerkung zurück: "Derlei Arbeiten verdienen es eigentlich nicht, dass man sie auch nur von Ferne anschaut, geschweige denn durchliest. Uns reut schon die Mühe, die wir darauf verwenden mussten, den Umschlag zu öffnen." So viel zur Vertrautheit von Sinologen mit Mnemotechnik!
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Ulrich Voigt hat geschrieben:Die Konstruktion dieser Geschichten ist nicht so leicht.
Ja, auch das mag sein. Für mich geht es in der Mnemotechnik immer mehr um die Entwicklung von Fantasien. Ich sehe zunemend den Streit um die Methoden als relativ unwichtiges Drumherum an. Ich sehe bei mir persönlich eine unentwickelte Fähigkeit zur Entwicklung kräftiger Fantasien, welche die Lerninhalte behaltbar machen. Das ist der Grund, warum Mnemotechnik bei mir so lange dauert. Aber mit fortschreitender Beschäftigung mit Mnemotechnik wird etwa das Einfließenlassen von Bildern in die Sprache besser bei mir. Für mich gehört Mnemonik eher in das Gebiet "Persönlichkeitsentwicklung".

Ich sehe das Entwickeln von Fantasien als das Zentrum der Mnemotechnik an. Das ist der Grund, weshalb, wenn ich anderen Mnemotechnik beibringen wollte, ich gerade auf dieses Thema den Schwerpunkt der Förderung setzen würde. Deshalb auch meine Ansicht, wie in einer schön gelungenen chinesischen Tuschmalerei eine Leerstelle im Buch frei zu lassen.

Man müsste einmal hinter das selbstverliebt klingende "Nichts für Anfänger" graben. Es würden einem wohl tausenderlei Dinge entgegen purzeln, die einen auf Anhieb überfordern.
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben:Ich glaube, dass die Grundlage Deiner Methode richtig und gültig ist, und zwar deshalb, weil ich dieselbe Grundlage gewählt habe, völlig unabhängig, schon viele Jahre zuvor. Ich habe damit die chinesischen Schriftzeichen gelernt.
Damit ist gemeint: Wir analysieren die chinesischen Schriftzeichen beide auf der Grundlage von Léon Wieger.
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben:Ich sehe das Entwickeln von Fantasien als das Zentrum der Mnemotechnik an.
Das kann man so sehen, ich neige aber zu einer anderen Ansicht. Da es insgesamt um eine Struktur der Form (A, μ, B) geht, bei der A = Erinnerungsinhalt, B = Phantasie, μ = Definition des Zusammenhangs zwischen A und B, erscheint mir doch μ das Zentrum zu sein: Das Setzen von Definitionen.
Hinsichtlich der Mnemotechnik der chines. Schriftzeichen war die Ausarbeitung von μ der wesentliche Schritt. Der Rest ("B") macht zwar sehr viel mehr Arbeit, aber nur wegen des gewaltigen Datenmaterials.
Die Phantasien sind streng gebunden an die Definitionen. Für die Ausarbeitung von Phantasien, die auf einem Definitionsgeflecht von höherer Komplexität beruhen (Stichwort: "Multiple choice vom Grad 5"), gibt es meines Wissens außerhalb von meinem Schreibtisch überhaupt keine zeitgenössischen Erfahrungen, jedenfalls keine, die publiziert worden wären.
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Ulrich Voigt hat geschrieben: Damit ist gemeint: Wir analysieren die chinesischen Schriftzeichen beide auf der Grundlage von Léon Wieger.
Ja. Oder anders gesehen: ein etymologischer Zugang zu den Schriftzeichen, der sich an die Entwicklung der Zeichen hält, siehe z.B. hier http://hishiki77.ld.infoseek.co.jp/2-2s ... /k-5/5.htm die Entwicklung des Zeichens von "Tiger" oder "Elefant", von der Abzeichnung bis zum heutigen Schriftzeichen. Außerdem das Aufspalten der Schriftzeichen insbesondere nach den Radikalen aber auch nach anderen in sich geschlossenen atomaren sinnhaften Elementen, die allesamt etymologisch durchsichtig gemacht werden. Ich weiß, schon da gibt es Unterschiede zwischen unseren Zugängen, aber "Wieger" als der gemeinsame Ausgangspunkt möge stehen bleiben.
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