Der 500 Zeichen memory stunt von Matteo Ricci (Chinesisch)

Hierein gehört alles was die Geschichte und Methoden der Mnemotechnik betrifft. Z.B. Was ist die Geschichtenmethode? Was sind Routen? Des Weiteren geht es auch um die historische Betrachtung und Analyse der Mnemotechnik.


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Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Radikale finden sich hier:

http://www.univie.ac.at/Sinologie/teach ... ad2b-3.htm

http://de.wikipedia.org/wiki/Radikal_(c ... e_Schrift) - ganz unten, das "(chinesische_Schrift)" muss man per Hand mit in die Adresszeile kopieren

aus beiden lassen sich die Zeichen kopieren
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Ulrich Voigt hat geschrieben:2 亞 (= böse): ein böser Mensch (惡), dessen Herz (心) herausgeschnitten ist.
Matteo Ricci hat geschrieben:“亞”字惡人割去其心
亞 erscheint im modus deficiens. Es ist etwas da, das nicht da ist. Sartre schreibt sinngemäß: "Paul ist im Lokal abwesend. Weshalb weiß ich, dass es das Nichts an Paul gibt? Weshalb weiß ich um das bestimmte Nichts? Weil er gerade da war. Nun ist er nicht mehr da."

Wieso wissen wir, dass es hier ein Nichts an ... gibt? Wir können es nur wissen, wenn wir das vollständige Zeichen wissen: 惡. Unten ist das 心 "Herz". 亞 ist also 惡, dem das Herz fehlt.

Wieder, wie im ersten Zeichen, ist es eine Person, welche eine Handlung vollzieht: der Böse. Der Böse 惡人 hat das Herz heraus geschitten. Aber er hat es nicht jemand anderem heraus geschnitten, sondern es fehlt ihm selber. Er hat sein 其 "eigenes" 心 "Herz" heraus geschnitten.

Damit wir uns 亞 merken können, müssen wir uns 惡 merken. 惡 ist die Voraussetzung. Man muss zuerst 惡 lernen, um sich 亞 zu merken. Hier wird das Erlernen einer zusammen gehörigen Gruppe von Zeichen angedeutet.
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben:Hier wird das Erlernen einer zusammen gehörigen Gruppe von Zeichen angedeutet.
Jedenfalls unterstreicht das Beispiel, dass Ricci die Kenntnis der Zeichen grundsätzlich voraussetzt. Seine Mnemotechnik ist insofern keine Lern-, sondern eine Erinnerungstechnik.
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Ulrich Voigt
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Re: ~500 Zeichen

Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben: Ja, nehmen wir 20 Zeichen aus Ricci her und versuchen sie zu verorten.
Vielleicht ist es doch besser, lieber 50 Zeichen zu nehmen, so dass die Sache vom Volumen her etwas realistischer wird:

01 學 (= lernen): ein feiner junger Schüler bei der Betrachtung seiner Bücher steht da und lernt.
02 亞 (= böse): ein böser Mensch (惡), dessen Herz (心) herausgeschnitten ist.
03 萌 (= Sprossen): Sprossen von Gräsern (草), die auf Sonne (日) und Mond (月) wachsen und mit ihnen leuchten.
04 矮 (=Zwerg): eine zwergwüchsige Frau (女), die Korn (禾) aufgeladen hat und in der Hand einen Pfeil (矢) hält.
05 時 (= Zeit, Jahreszeit): die Sonne (日), die vor einem Tempel () leuchtet: und ein Mensch betrachtet die regelmäßige Form des Tempels im Sonnenglanz, an der sich die Jahreszeiten zeigen.
06 簡 (= Dokument): ein auf Bambus (竹) geschriebenes Dokument hängt an einer Tür (門) und glänzt in der Sonne (日).
07 緝 (= Fahndung): Der Steckbrief eines Menschen, nach dem man fahndet: Man erkennt den Gesuchten daran, dass er seinen Mund (口) und sein Ohr (耳) mit einem Seidenfaden (絲) verbunden hat.
08 姦 (= Ehebruch, Unzucht): Drei Frauen bei einem recht unzüchtigen Ehebruch.
09 闖 (= hereinplatzen ): Ein Pferd (馬) inmitten der Tür (門) platzt herein.
10 馗 (= Kreuzweg): Neun (九) Köpfe (首) sind aufgehängt, so dass sie aussehen wie ein Kreuzweg.
11 切 (= schneiden): hier hängen sieben (七) Messer (刀), mit denen man sich gar leicht schneiden kann.
12 猾 (= verschlagen): Ein Hundeknochen: „Im Umgang des Hundes (犬) mit seinem Knochen (骨) zeigt sich seine Verschlagenheit“.
13 琢(= Steine polieren): Ein polierter Jade (玉)stein in der Form eines Schweins (豕).
14 表 (= Pelz): Ein Kleidungsstück (衣) aus Fell (毛).
15 為簸 (= Staubkorb): Ein Korb (箕) aus Leder (皮), in dem Staub gesammelt wird.
16 林 (= Wald): Zwei Bäume (木) aus dem Wald.
17 出 (= hervorkommen): Ein Doppelberg. Aus dem unteren Berg (山) kommt ein zweiter Berg (山) hervor.
18 伏 (= Hinterhalt): Ein Mensch (人) liegt mit seinem Hund (犬) im Hinterhalt.
19 件 (= Sache): Ein Mensch (人), falls er sich anstellt wie eine Kuh (牛), ist nur eine Sache („ist so eine Sache“).
20 休 (= Ruhe, Muße): Ein Mensch (人) lehnt sich gegen einen Baum (木) und genießt seine Ruhe.
21 楙 (= Üppigkeit): Der Wald (林) wächst so üppig, dass in seiner Mitte sogar aufrecht stehende Lanzen (矛) wachsen.
22 毎 (= jeder): Das hat jeder schon mal erlebt, dass sich Mutter (母) einen Hut aufsetzt.
23 習 (= üben): „Wenn Du regelmäßig übst, so wirst Du nicht nur leuchten wie eine Sonne (日), sondern es werden Dir regelrecht Flügel (羽) wachsen.“
24 桕 (= Talgbaum): Das Holz (木) des Talgbaums eignet sich für Mörser (臼).
25 檎 (= qin-Baum): Das Holz (木) des qin-Baums gefällt den Vögeln (禽).
26 珊 (= Koralle): Die sog. Jade (王), mit denen man Buchrollen (冊) verziert, sind tatsächlich Korallen.
27 姥 (= Matrone): Die alte (老) Frau (女) möchte gern „Matrone“ genannt werden.
28 絶 (= abschneiden): der abgeschnittene farbige (色) Seidenfaden (絲).
29 鍾 (= Glocke): Ein dicker Knabe (童) steht vor einer Glocke aus Gold (金) .
30 朋 (= Freund): Zwei Monde (月) haben sich befreundet.
31 子 (= Sohn): Der schlanke Knabe ohne seine Bücher.
32 輦 (= Leiterwagen): Zwei Männer (二夫) , die eine Karre (車) ziehen, die sich bei näherer Betrachtung als Leiterwagen herausstellt.
33 鮮 (= delikat): Ein besonders delikates Essen; es gibt Fisch (魚) mit Schaf (羊) .
34 穌 (= Wiederbelebung): Eine gewisse Zeitlang lassen sich Fische (魚) mit Hilfe von Korn (禾) wiederbeleben.
35 憃 (= Dummheit): Stößel (杵) und Mörser (臼) für den Zweck, ein Herz (心) zu zerstoßen (舂): Ein Gerät aus dem Zeitalter der Dummheit.
36 張 (= Bogen anspannen): Ein langer (長) Bogen (弓), den es anzuspannen gilt.
37 矩 (= Regel): Wichtige Regeln werden häufig in Quadrate (巨) geschrieben, die aus Pfeilen (矢) bestehen.
38 料 (= Material): Ein wichtiges Maß (斗) für Material besteht aus Reis (米) .
39 錦 (= Brokat): Echter Brokat aus Gold (金) und Seide (帛).
40 輠 (= Schmiertopf eines Wagens): Ein offener Wagen (車), der mit Früchten (果) beladen ist und daher selbst als „Schmiertopf“ bezeichnet werden kann.
41 壟 (= Erdhaufen): Dieser Hügel (土), um den sich ein Drache (龍) herumschlängelt, ist wahrlich ein besonderer Erdhaufen.
42 翔 (= schweben): Ein Schaf (羊), dem Federflügel (羽) gewachsen sind, schwebt daher.
43 舫 (= Lustfahrt): Mit dem viereckigen (方) Boot (舟) eine Lustfahrt zu unternehmen!
44 枚 (= Strauchwurzel): Die Strauchwurzel ist natürlich aus Holz (木). Bemerkenswert ist, dass sie beschriftet (文) ist.
45 具 (= Gerät): Ein großes (大) Gerät, das ausschaut wie ein Auge (目).
46 告 (= Mitteilung): Das Rind (牛) sperrt sein Maul (口) auf, um uns etwas mitzuteilen.
47 刲 (= ausweiden): Das fachmännische Ausweiden geschieht mit einem ganz gewöhnlichen Messer (刀) auf einem Tablett (圭).
48 梟 (= Eule): Der Vogel (鳥), der auf jenem Baum (木) nistet, ist eine Eule.
49 蠱 (= Zauberei): Die Zauberei begann damit, dass allerlei Würmer (蟲) auf einen eckigen Teller (皿) gelegt wurden.
50 雷 (= Donner): Wir stehen im Regen (雨) mitten auf einem quadratischen Feld (田). Plötzlich donnert es.
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Re: ~500 Zeichen

Beitrag von Klaus Horsten »

Ulrich Voigt hat geschrieben:03 萌 (= Sprossen): Sprossen von Gräsern (草), die auf Sonne (日) und Mond (月) wachsen und mit ihnen leuchten.
Matteo Ricci hat geschrieben:記萌以日月蓡草而同光
Was soll die deutsche Übersetzung bedeuten? Die Gräser wachsen doch nicht auf Sonne und Mond. Vielleicht sind es Sonne 日 und Mond 月, die gemeinsam leuchten 同光. Zu genau der Abenddämmerungszeit, da beide am Himmel zu sehen sind. Und vielleicht ist 蓡 Ginseng. Vielleicht sprießt Ginseng, diese medizinische Pflanze, dann am besten, wenn Sonne und Mond gleichzeitig auf sie scheinen.
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Ulrich Voigt
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Re: ~500 Zeichen

Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben: 萌 (= Sprossen): Sprossen von Gräsern (草), die auf Sonne (日) und Mond (月) wachsen und mit ihnen leuchten.

Was soll die deutsche Übersetzung bedeuten?
Die Übersetzung stammt von Lackner, ich habe sie nur abgeschrieben. Rügenberg / Stange, Chinesisch-Deutsches Wörterbuch, übersetzt mit {Keim, Knospe, Trieb, Anzeichen, keimen, sprießen, entstehen}

Diese Sprossen sprießen auf Sonne und Mond, um die Form des Zeichens anzudeuten.
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Ulrich Voigt
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Re: ~500 Zeichen

Beitrag von Ulrich Voigt »

Ulrich Voigt hat geschrieben:50 Zeichen
Hier sind dieselben Zeichen als bloße Formen, also ohne Bedeutung. Auf diese Weise bilden sie die Grundlage für den Matteo-Ricci stunt. Es ist offensichtlich, dass, hinreichende Kenntnis der chinesischen Schriftzeichen vorausgesetzt, für das Ausdenken der einzelnen Bilder in den meisten Fällen nur Sekunden nötig sind.

01 Ein feiner junger Schüler bei der Betrachtung seiner Bücher.
02 Ein böser Mensch, dessen Herz herausgeschnitten ist.
03 Gräser, die auch auf Sonne und Mond wachsen.
04 Eine Frau, die Korn aufgeladen hat und in der Hand einen Pfeil hält.
05 Ein Sonnen-Tempel.
06 Ein auf Bambus geschriebenes Dokument hängt an einer Tür und glänzt in der Sonne.
07 An einem Seidenfäden hängt ein Mund-Ohr.
08 Drei Frauen.
09 Ein Pferd inmitten der Tür.
10 Neun Köpfe.
11 Sieben Messer.
12 Ein Hundeknochen.
13 Ein Stück Jade in der Form eines Schweins.
14 Ein Kleidungsstück aus Fell.
15 Ein Korb aus Leder.
16 Zwei Bäume.
17 Ein Doppelberg.
18 Ein Mensch mit seinem Hund.
19 Ein Mensch mit einer Kuh.
20 Ein Mensch lehnt sich gegen einen Baum.
21 Zwischen zwei Bäumen steht eine aufrecht stehende Lanze.
22 Meine Mutter, sie hat sich einen kleinen Hut aufgesetzt.
23 Der Sonne sind zwei Flügel gewachsen.
24 Ein hölzerner Mörser.
25 Ein großer, dicker und seltener Vogel sitzt auf einem Baum.
26 Eine mit Jade verzierte Buchrollen.
27 Eine alte Frau.
28 Ein farbiger Seidenfaden.
29 Ein dicker Gold-Junge.
30 Zwei Monde.
31 Ein schlanker Schüler.
32 Zwei Männer ziehen eine Karre.
33 Ein Schaf-Fisch.
34 Fische im Korn.
35 Stößel und Mörser für den Zweck, ein Herz zu zerstoßen.
36 Ein Langbogen.
37 Ein Quadrate aus Pfeilen.
38 Ein Scheffel Reis.
39 Gold-Seide.
40 Ein offener Wagen, der mit Früchten beladen ist.
41 Der Drachenhügel.
42 Ein Schaf mit Flügeln.
43 Das viereckige Boot.
44 Beschriftetes Holz.
45 Ein großes Auge.
46 Ein Rindermaul.
47 Ein Messer auf einem Tablett.
48 Ein ziemlich gewöhnlicher Vogel auf einem Baum.
49 Allerlei Würmer auf einem eckigen Teller.
50 Ein quadratisches Feld im Regen.

Hinzuzufügen ist, dass sich Chinesen ganz ähnlich über ihre Zeichen unterhalten, jedoch mit einem unscheinbaren und zugleich dramatischen Unterschied. Sie verdinglichen die Phantasien nicht, stellen sie also auch nicht auf irgendwelche Örter, bewahren sie auch gar nicht auf. "Westliche Gedächtniskunst" wäre ihnen neu ...
Zuletzt geändert von Ulrich Voigt am So 16. Nov 2008, 21:36, insgesamt 1-mal geändert.
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Ulrich Voigt
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Schriftzeichen in zufälliger Reihenfolge

Beitrag von Ulrich Voigt »

Die folgende story gruppiert dem Rat Riccis entsprechend jeweils etwa 10 Zeichen zusammen.
Im Hiintergrund findet man eine entsprechende Einteilung in Örter, jedoch betone ich sie nicht, sondern decke sie mit einer fortlaufende Geschichte zu.
Da jedes Zeichen nur einmal vorkommt, darf ich jedes Zeichen nach Belieben wiederholen.
Füllwörter sind unvermeidlich, jedoch halte ich es für möglich, dass jemand, der die obige Zeichenliste nicht kennt, dennoch nach dieser Geschichte "Diktat" schreiben könnte, vorausgesetzt, er erfüllt die Riccianischen Voraussetzungen und kennt sich also in den Elementarzeichen bestens aus ...
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Am Eingang der großen Tempelanlage, die ich mir zu besichtigen vorgenommen habe, steht ein feiner junger Schüler in Betrachtung seiner Bücher. Ich möchte ihn ansprechen, doch da kommt ein Mensch herbei, der mich abschreckt, ein böser Mensch offenbar, denn ihm ist das Herz herausgenommen worden. Da ich dergleichen Leute kenne, gehe ich lieber still vorbei und betrete die Anlage. Man geht zunächst über eine grasbewachsene Strecke, auch hier kenne ich mich aus, es sind Gräser, von denen gesagt wird, dass sie auch auf dem Mond wachsen und sogar auf der Sonne. Eine Frau, die Korn aufgeladen hat, begegnet mir und weist mit einem Pfeil, den sie in der Hand hält, den Weg. Endlich stehe ich vor dem Tempel, der ein Sonnen-Tempel ist. An seinem Eingangstor hängt ein auf Bambus geschriebenes Dokument und glänzt tatsächlich in der Sonne. Ich gehe durch das Tor, das tief ist, ein etwas dunkler Torbogen, in dem mir plötzlich etwas merkwürdig wird, denn an der Wand hängen Mundohren an Seidenfäden. Nun öffnet sich eine Halle, in der ich mich, da es nicht sehr hell ist, erst einmal orientieren muss. Ich wende mich nach rechts und stoße auf eine Art Vitrine an der Wand, in der sind drei Frauen eingesperrt. „Wegen Ehebruch“ steht dazu geschrieben. Damit hatte ich nicht gerechnet, auch bin ich etwas abgestoßen und gehe schnell weiter. An derselben Wand öffnet sich eine Tür, die ich öffne, um den unheimlichen Ort zu verlassen, stelle aber fest, dass es kein Hindurch gibt, denn die Türöffnung ist vollständig durch ein regungslos dastehendes Pferd ausgefüllt. Hastig weiche ich zurück in die Mitte des Saales und stolpere beinahe über einen Haufen von Schädeln. Da erst merke ich, dass der feine schlanke Schüler offenbar hinter mir hergekommen ist. Er beruhigt mich und macht mir klar, dass ich doch als Tourist an einem bedeutenden Ort bin und weist mich darauf hin, dass es genau neun Schädel sind, vor denen wir stehen. „Und sehen Sie einmal nach oben!“ Ich hebe den Kopf und zucke doch etwas zusammen, denn dort hängen Messer herab. „Es sind genau sieben Messer, das ist Ihnen gewiss auch gleich aufgefallen.“ Dabei schaut er bedeutungsvoll und ich sehe, dass er sogar seine Bücher mitgenommen hat und offenbar auch mit dem Lernen gar nicht innegehalten hat. „Gehen Sie dort vorn durch den Flur, dort kommen Sie bequem hinaus aus dem Tempel in den Park.“ Ich gehe also, ohne mich lange zu verabschieden, geradeaus. Der Boden in dem Flur, der mich zum hinteren Ausgang führen soll, ist voller Hundeknochen. Endlich am Ausgang angelangt, schaue ich mich gar nicht lange um, sondern gehe geradeaus und verlasse den merkwürdigen und unheimlichen Ort.
Ich gehe jetzt auf einem eher einsamen Weg, habe die Stadt schon verlassen, vor mir liegt ein bergiges Waldgebiet. Wie gut, dass ich meinen Glücksbringer mitgenommen habe, das fein polierte Stück Jade in der Form eines Schweines. Ich habe mir Kleidung aus Fell besorgt und freue mich, wie ich plötzlich einen leeren Lederkorb liegen sehe. Ich hänge ihn mir über das Fell und schreite wohlgemut weiter. Bald bin ich mitten im Wald, der ein besonderer Wald zu sein scheint, denn die Bäume wachsen in ihm fast immer zu zweit. In der Entfernung sehe ich einen Berg, der ausschaut, als habe er sich selbst Huckepack genommen, einen Doppelberg also. Dort möchte ich wohl hinauf. Jedoch sehe ich plötzlich rechter Hand im Gebüsch einen Mann mit seinem Hund. Ich sehe ihn nur ganz kurz, er grüßt mich nicht zurück und macht mir Sorgen. Wenig später begegne ich auf der anderen Seite des Weges einem Mann mit einer Kuh. Ich grüße ihn, aber er schaut mich an, als sei ich nur irgendein Ding. Dennoch gehe ich meinen Weg weiter in den Wald hinein, es ist aber noch weit bis zu meinem Ziel, so lehne ich mich gegen einen Baum und ruhe mich aus.
Ich bin aber eingeschlafen und träume. Ich träume, dass ich zwischen zwei Bäumen eine aufrecht stehende Lanze finde. Ich nehme sie in die Hand und in dem Moment steht meine Mama vor mir. Sie hat sich einen kleinen feschen Hut aufgesetzt und schaut auf mich herab, Ich habe aber Mühe, sie klar zu erkennen, ich bin irgendwie geblendet und sehe hinter ihr – oder durch sie hindurch? – die Sonne, der fesche Schwingflügel gewachsen sind. Im Traum wache ich auf und befinde mich also ganz richtig auf der Terrasse meines elterlichen Hauses. Der alte vielgebrauchte und schon fast vergessene hölzerne Mörser liegt da herum. Ich nehme ihn in die Hand und schaue mich um. Auf dem qin-Baum im Garten sehe ich den großen dicken und seltenen Vogel sitzen, den ich früher schon so häufig und gerne beobachtet habe und von dem es hieß, dass er eine besondere Vorliebe für diese Art von Bäumen hegt. Plötzlich fällt dort etwas herab, es sieht aus wie eine mit Jade verzierte Buchrolle. Ich will schon aufspringen, um sie mir näher anzuschauen, da erscheint eine alte Frau, bückt sich zu der Buchrolle und ich sehe, wie sie einen farbigen Seidenfaden daraus hervorzieht. Ehe ich mir noch überlegt habe, was zu tun sei, kommt sie damit zu mir und sagt: „Hier, für Dich, mein dicker Goldjunge.“ Es ist aber kein Seidenfaden, was sie mir in den Lederkorb legt, sondern es sind zwei Möndchen.
Nun bin ich wirklich wach und habe etwas Mühe, mich zurechtzufinden zumal sich in meinem Lederkorb tatsächlich zwei Möndchen befinden. Ich möchte jetzt eigentlich nur noch hier weg und nach Hause. Da steht der feine junge Schüler wieder vor mir, allerdings hat er seine Bücher nicht mehr dabei und er macht auch nicht den Eindruck, als sei ihm zum Lernen zumute. Mir fällt erst jetzt auf, wie markant doch sein Kopf ist und wie gerade und breit er seine Arme ausstrecken kann. Aber da sehe ich, dass seine Arme auf zwei Männer zeigen, die eine Karre ziehen. Sofort stehe ich auf und eile den Männern nach. Ich darf auf ihre Karre und fahre also mit. Allerdings ist es gar nicht so leicht, auf die Karre hinaufzukommen, denn sie haben Fische geladen. Zuerst sehe ich nur große Schaf-Fische, über die muss ich erst mal hinüber. Weiter hinten liegen Fische im Korn, dazwischen nehme ich Platz. Ein Mörser liegt dort, ein Mörser nebst Stößel, einer von denen, mit denen man so richtig etwas zerstoßen kann. „Ja“, sagt einer der beiden Männer, die den Karren ziehen, „mit dem haben wir schon so manch ein Herz zerstoßen.“ Oh weh, wo befinde ich mich? Ich schaue mich jetzt auf dem Karren genauer um und sehe, dass an seiner rechten Seite ein Langbogen hängt, eine gefährliche Waffe. An seiner linken Seite hängen Pfeile in einem Quadrat. Das ist keine Dekoration! Aber es kommt alles halb so schlimm. Wir machen Halt und essen zusammen einen Scheffel Reis, den ich allerdings mit Gold-Seide bezahlen muss. Dann fahren die beiden fort und lassen mich allein.
Die Gegend ist hier gar nicht mehr so einsam, sie gilt sogar als touristische Attraktion und ich werde gewiss bald sehen, warum. Zunächst freue ich mich darüber, dass dort ein mit Früchten beladener offener Wagen steht. „Ja richtig“, so sagt man mir, „dort vorne sehen Sie den berühmten Drachenhügel.“ Schon bin ich auf dem Weg, obwohl ich mir gar nicht so besonders viel von einem „Drachenhügel“ verspreche. „Schließlich gibt es doch gar keine Drachen“, so sage ich mir, während ich den ziemlich unscheinbaren Hügel umwandere. Aber was ist denn das? Fliegende Schafe? Nichts wie weg, denn wo es geflügelte Schafe gibt, gibt es, wer weiß, vielleicht auch den einen oder anderen Drachen. Ziemlich hastig springe ich in ein Boot, das dort am Wegesrand steht. Es ist ein quadratisches Boot und wenn es auch mangels Wasser nicht fährt, so bietet es doch Schutz vor den fliegenden Schafen. Das Holz, aus dem es besteht, ist beschriftet, ich kann die Schrift aber nicht lesen. Erst nach einiger Zeit traue ich mich, rechts aus dem Boot hinauszulugen, sehe mich aber zu meinem Schrecken Auge in Auge mit einem großen Auge. Nein, das gefällt mir gar nicht. Ich luge also vorsichtig zur linken Seite heraus und sehe mich ebenso schrecklich konfrontiert mit dem aufgesperrten Maul einer Kuh. Auch das gefällt mir nicht und ich muss nun überlegen, wie ich da wieder heil herauskomme. Plötzlich wird mir ein Tablett hereingereicht mit einem Messer drauf. Und wie ich das entgegennehme merke ich, dass das Boot in Bewegung geraten ist. Wieder luge ich vorsichtig rechts heraus und sehe zu meiner Beruhigung einen ganz normalen Vogel auf einem ganz normalen Baum sitzen. Das Boot steht schon wieder und ich steige heraus, da mich der ganz normale Vogel so recht beruhigt hat. Vor seinem Baum hat jemand einen eckigen Teller hingestellt mit allerlei Würmern. Das Boot ist aber nun fort, und wie ich mich wieder nach dem Vogel umschaue, ist der auch verschwunden, und zwar mitsamt dem Baum, auf dem er saß. Stattdessen befinde ich mich in der Mitte eines quadratisch angelegten freien Feldes und es beginnt zu regnen. Und zu donnern! Was nun?
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Re: ~500 Zeichen

Beitrag von Klaus Horsten »

Ulrich Voigt hat geschrieben:Die Übersetzung stammt von Lackner
Ich weiß, leider konnte ich nicht anders Bezug nehmen.

Also hier ein für allemal: die Übersetzungen, auf die ich Bezug nehme, stammen von Lackner.
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Ulrich Voigt
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Re: Schriftzeichen in zufälliger Reihenfolge

Beitrag von Ulrich Voigt »

Auswertung der Übung

Es wäre ohne weiteres möglich, die Sache weiter fortzusetzen.

Mit Übung wird man dabei, entsprechende Kenntnisse vorausgesetzt, ziemlich schnell werden.

Der Matteo-Ricci stunt wäre damit prinzipiell nach meiner Einschätzung möglich, aber nicht ohne Training.

Die Örtlichkeiten müssen nicht vorbereitet sein. Man benötigt kein "leeres" System von Routenpunkten, sondern kann dies während des "Lesens" mit entwickeln. Immer wieder lassen sich auch Zeichen, die in der Reihe vorkommen, als Örtlichkeiten ausnutzen. 雷 = quadratisches Feld im Regen, mit dem die obige Entwicklung endet, ergäbe z.B. einen geeigneten Ort für die nächsten zehn Zeichen.

Dass die Örter vollkommen unwirklich sind, bildet keine Beeinträchtigung. Im Gegenteil! Sie schmiegen sich nur deshalb so sympathisch an die Zeichen an, weil sie nicht vorgegeben sind. Hier hätte man also ein geeignetes Exempel für das "Setzen auf unwirkliche Weise". Ricci ist in dieser Einschätzung zuzustimmen. Er fügt hinzu: "Nichts für Anfänger ...".

Ricci ordnet an, etwa 9 bis 10 Zeichen zusammen unter eine Örtlichkeit zu bringen, woran ich mich gehalten habe. Man könnte auch sagen: " 8 ≤ n ≤ 12". Der Sinn der Gruppierungen ist nicht etwa, bestimmte Nummern finden zu können (denn dafür müsste man streng n = 10 halten), sondern die Visualisierung zu erleichtern. Man rekapituliert die obige Sequenz, indem man die fünf Örtlichkeiten (Tempelanlage / Weg in den Wald / Traum von Zuhause / Fahrt auf dem Karren / Am Drachenhügel) durchgeht und dabei die jeweils vorkommenden Zeichen der "Geschichte" entsprechend zusammenbündelt.

Das System funktioniert nur dann wirklich gut, wenn in den Grundzeichen hinsichtlich ihrer mnemotechnischen "Bedeutung" Ordnung herrscht. Z.B. hat Ricci 皿 = eckiger Teller und 圭 = Tablett, was ich aufgenommen habe durch z.B. 子 = schlanker Knabe und 童 = dicker Knabe, 鳥 = gewöhnlicher Vogel und 禽 = seltener Vogel.

Es ist zu bezweifeln, dass Ricci hier ein auch nur einigermaßen vollständiges System hatte, zumal er die Zeichen nicht nach Radikal + Lautgeber ordnet, sondern einfach nur als Kombination von Zeichen sieht. Ich vermute, dass er hierin ununterbrochen improvisiert und damit seinen Schatz an vorbereiteten "Bedeutungen" fortlaufend erweitert und auch revidiert hat.

Die Linie, die er vorgibt, ist aber klar: Man ersetze die Zeichenbestandteile durch "Bedeutungen" und merke sich die Zeichen dementsprechend.
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Beitrag von Klaus Horsten »

Was Ricci macht, entspricht dem, was in der chinesischen Stilistik "Schriftzeichenspalten" = Xizi 析字 genannt wird.

In dem Beispiel auf http://www.chinesischerhetorik.at/08.html oben wird zum Beispiel das Schriftzeichen 男 nan "Mann" in 田 tian "Feld" und 力 li "Kraft" gleichsam "aufgespalten". Haargenau dasselbe würde Ricci machen: Er würde das Zeichen in genau derselben Weise aufspalten.

Wir können einen Teil der Methode Riccis also chinesisch autochton benennen: Es ist die Methodes des "Schriftzeichenspaltens". Ein Schriftzeichen wird in weitere Schriftzeichen aufgespalten und zwar so, dass die Spaltprodukte wiederum eigenständige Schriftzeichen ergeben. Das ist die Grundlage - nicht die einzige natürlich - seiner Mnemotechnik der chinesischen Schriftzeichen.

Vielen herzlichen Dank für die ausführliche Geschichte! Ich muss sie erst ausdrucken und möchte sie in Ruhe durch arbeiten.
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Beitrag von Klaus Horsten »

Wie blind ich war: sogar dasselbe Zeichen kommt in dem zweiten Beispiel vor: 山山出 "(Dies Holz ist Brennholz,) allerorts auf den Bergen 山山wächst 出 es." (siehe http://www.chinesischerhetorik.at/08.html unten)

Wir hatten: 17 出 (= hervorkommen): Ein Doppelberg. Aus dem unteren Berg (山) kommt ein zweiter Berg (山) hervor.

In beiden Fällen wird aus 出: Berg 山 und Berg 山, gemacht.
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Beitrag von Klaus Horsten »

Nun das Ganze mit der Loci Technik. Ich verwende 3 Routen. Jede Route besteht aus exakt 20 Routen-Punkten. Von der dritten Route wird nur die Hälfte benötigt.

[Bauernhof-Route]
01 Kuhstall: Ein feiner junger Schüler bei der Betrachtung seiner Bücher.
02 Pferdestall: Ein böser Mensch, dessen Herz herausgeschnitten ist.
03 Schweinestall: Gräser, die auch auf Sonne und Mond wachsen.
04 Hühnerstall: Eine Frau, die Korn aufgeladen hat und in der Hand einen Pfeil hält.
05 Hasenstall: Ein Sonnen-Tempel.
06 Milchkannen: Ein auf Bambus geschriebenes Dokument hängt an einer Tür und glänzt in der Sonne.
07 Melkmaschine: An einem Seidenfäden hängt ein Mund-Ohr.
08 Heuschober: Drei Frauen.
09 Gras-Silo: Ein Pferd inmitten der Tür.
10 Melker: Neun Köpfe.
11 Traktor: Sieben Messer.
12 Misthaufen: Ein Hundeknochen.
13 Haupthaus: Ein Stück Jade in der Form eines Schweins.
14 Mistrinne: Ein Kleidungsstück aus Fell.
15 Mistgabel: Ein Korb aus Leder.
16 Ferienwohnung: Zwei Bäume.
17 Bienenstock: Ein Doppelberg.
18 Gästezimmer: Ein Mensch mit seinem Hund.
19 Balkon: Ein Mensch mit einer Kuh.
20 Bäuerin: Ein Mensch lehnt sich gegen einen Baum.

[Kirchen-Route]
21 Kirchturm: Zwischen zwei Bäumen steht eine aufrecht stehende Lanze.
22 Wetterhahn: Meine Mutter, sie hat sich einen kleinen Hut aufgesetzt.
23 Uhr: Der Sonne sind zwei Flügel gewachsen.
24 Glocke: Ein hölzerner Mörser.
25 Aussichtsfenster: Ein großer, dicker und seltener Vogel sitzt auf einem Baum.
26 Schiff: Eine mit Jade verzierte Buchrollen.
27 Dach: Eine alte Frau.
28 Kapelle: Ein farbiger Seidenfaden.
29 Sakristei: Ein dicker Gold-Junge.
30 Vordereingang: Zwei Monde.
31 Seiteneingang: Ein schlanker Schüler.
32 Tor/Tür: Zwei Männer ziehen eine Karre.
33 Kirchgänger: Ein Schaf-Fisch.
34 Weihwasser: Fische im Korn.
35 Orgel: Stößel und Mörser für den Zweck, ein Herz zu zerstoßen.
36 Kerzenständer : Ein Langbogen.
37 Informations-Tisch: Ein Quadrat aus Pfeilen.
38 Opferstock: Ein Scheffel Reis.
39 Sitzbänke: Gold-Seide.
40 Altar: Ein offener Wagen, der mit Früchten beladen ist.

[Theater-Route]
41 Garderobe: Der Drachenhügel.
42 Garderobistin: Ein Schaf mit Flügeln.
43 Theke: Das viereckige Boot.
44 Kleiderständer: Beschriftetes Holz.
45 Kleiderticket: Ein großes Auge.
46 Bühne: Ein Rindermaul.
47 Vorhang: Ein Messer auf einem Tablett.
48 Auditorium: Ein ziemlich gewöhnlicher Vogel auf einem Baum.
49 Balkon: Allerlei Würmer auf einem eckigen Teller.
50 Loge: Ein quadratisches Feld im Regen.

Würde das nicht auch gehen?

Ich glaube, dass ich mich mit der Geschichten-Methode bei 500 Zeichen verirren würde. Bei 25 Routen (pro Route 20 Orte) wäre für mich zumindest die Ordnung gesichert.
Zuletzt geändert von Klaus Horsten am Mo 17. Nov 2008, 19:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben:Würde das nicht auch gehen?
Klar geht das auch!

Ein gewisser Nachteil dieser Methode besteht vielleicht darin, dass sich die einzeln aufgehängten Objekte nur sehr wenig gegenseitig stützen. Sie kommunizieren nicht. Insgesamt wirkt das dann alles eher künstlich als surrealistisch.

Eine Frage: Wie merkt man sich die Reihenfolge dieser Routenpunkte?
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Ulrich Voigt hat geschrieben:Wie merkt man sich die Reihenfolge dieser Routenpunkte?
Die Routen selbst - bei 25 Routen - würde ich (Verzeihung, ich bin jetzt ganz Theoretiker) - nach dem ABC ordnen. Die Routen sind nach Berufen erstellt: also in diesem Fall "Bäuerin", "Priester", "Schauspieler".

Ich habe sie anhand von Zeichnungen erstellt (Duden Bildwörterbuch).
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben:nach dem ABC ordnen.
Wie funktioniert das mit dem ABC? Wie findet man 36 = Kerzenständer?
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Ulrich Voigt hat geschrieben:Wie findet man 36 = Kerzenständer?
Wie findet man "Melkmaschine"?
Wie findet man "Loge"?
Wie würde man "Laryngoskop" finden?

Alle diese Wörter gehören zu einem semantischen Feld, einem von 25. Zumindest das Feld würde ich sicherlich finden.

Ich möchte mich aber auf dieses Thema nicht näher einlassen, weil ich keine Erfahrung damit habe. Alles wäre Spekulation.

Aber dass ich das semantische Feld finde - dass wird mir doch niemand anzweifeln?

Und wenn ich, wie Umberto Eco es mit seinem "Namen der Rose" gemacht hat, ein Landkarte anlegen würde; und jede Route wie eine Klavieretüde üben würde; und die Routen mit selbstgemachten Erfahrungen auffüllen würde, wäre es dann nicht möglich unter 20 Punkten - ich weiß, er gehört zur Kirche - den Kerzenständer heraus finden?
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Es gehört nicht zur Aufgabe des Stunts, das 36. Zeichen zu wissen.

Es würde aber gehen: Allen 25 Berufen einen Zahlenbereich zuordnen und dann durchzählen. Z.B. Priester = 21-40. Nun die Route durchgehen. Schnell wäre es nicht. Aber möglich.

ABC und Zahlen schließen sich immer gegenseitig aus.

Man wird also immer, wenn jemand ein mnemonisches ABC in irgend einer Form verwendet, auf die Unzulänglichkeit aufmerksam machen können, dass der direkte Zugriff über die Zahl nicht möglich ist.

Man kann selbstverständlich das ABC durchnummerieren und bekommt dann auch den Zugriff über die Zahl.

Braucht man aber immer den Zugriff über die Zahl? Sicherlich nicht.
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben:Es gehört nicht zur Aufgabe des Stunts, das 36. Zeichen zu wissen.
Das ist fraglos so.
Ich habe die Frage nicht gestellt, um auf eine Unzulänglichkeit aufmerksam zu machen, sondern deshalb, weil ich keinen Zusammenhang mit dem ABC sehen kann. "Die Routen selbst - bei 25 Routen - würde ich (Verzeihung, ich bin jetzt ganz Theoretiker) - nach dem ABC ordnen " schien mir anzudeuten, dass hinter der Bilder-Duden Garderobe noch etwas verborgen ist, - und das hätte ich dann gern verstanden.
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Ulrich Voigt
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Ricci 1595

Beitrag von Ulrich Voigt »

Die Frage, wie Matte Ricci seinen Stunt damals (1595) tatsächlich durchgeführt hat, könnte ich nicht genau beantworten. Auf S. 50 f. (Lackner) gibt er Hinweise, wie man drei, vier bis fünf, fünf oder auch sieben Schriftzeichen in einem einzigen Bild zusammenfasst. Schwerlich wird er aber dieses Verfahren 1595 angewendet haben, denn es erfordert zu viel Nachdenken. Außerdem wird dabei die Verbindung von vielen solchen Gruppen zum Problem.
Ich halte mich an S. 30 (Lackner):
"Hat man derartige Überlegungen [die Rede ist vom "Setzen der Positionen", also von der Konstruktion einer Route] kurzfristig anzustellen und kann sich nicht eines Vorbildes bedienen, kann sich auch nicht auf Erörterungen von wirklich bzw. unwirklich ein lassen, so stellt man ordentlich eine Reihe zusammen und faßt die Bezeichnung der Schriftzeichen zusammen. Für jeweils bis zu zehn Örter so eine Bezeichnung - so merkt man sich auf einmal zehn Schriftzeichen."

Meine Interpretation:

"kann sich nicht eines Vorbildes bedienen" = Man muss improvisieren.

"kann sich auch nicht auf Erörterungen von wirklich bzw. unwirklich ein lassen" = Man muss (wohl oder übel) Unwirkliches setzen.

"so stellt man ordentlich eine Reihe zusammen" = man ordnet die vorgelegten Zeichen der Reihe nach. Das ist in dem Vorgang, den wir hier analysieren, vorgegeben, muss (bzw. darf) also nicht mehr von uns gemacht werden.

"faßt die Bezeichnung der Schriftzeichen zusammen " = verwandelt die Schriftzeichen in geschlossene Bilder. (Lackner übersetzt hier 字 mit "Bezeichnung des Schriftzeichens" um klarzustellen, dass es nicht einfach um das Schriftzeichen geht, sondern bereits um seine Bedeutung.)

"Für jeweils bis zu zehn Örter so eine Bezeichnung" = Bis zu zehn jeweils auf einem bestimmten Ort deponierte Bilder gehören in ein Anwesen, das also jeweils aus bis zu zehn Örtern besteht.

Da auf einem einzigen "Ort" bei Ricci auch mehrere Zeichen zusammengefasst stehen können, ist die Anzahl der Zeichen pro Anwesen eventuell größer als 10.
Da ich auf das Zusammenfassen von Bildern verzichte, sage ich nicht "bis zu zehn", sondern "ungefähr zehn".

Ich interpretiere "Bezeichnung" = 号= {Name, Zeichen, Marke, Nummer, Merkmal, Geschäft, Firma, Trompete, benennen, bezeichnen, mit Nummern versehen} (Rügenberg/ Stange)
= Anwesen.
Etwas anderes kann ich mir als Menge von bis zu zehn Örtern nicht vorstellen. Ricci schreibt ausführlich über die verschiedenen Formen von Anwesen: Gasthaus, Tempel, Straße, Raum, Nische, was immer man will. Hier besteht vollkommene Handlungsfreiheit.
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