Hallo,
dass die von Dir zitierte Anleitung des "Best-of" von Dr. Voigt in Englisch ist, muss Dich nicht kümmern.
Dabei handelt es sich um eine sehr fortgeschrittene, zum Teil hochabstrahierende Darstellung. Zwar ist sie uns, die wir selbst uns bereits längere Zeit mit Mnemotechnik beschäftigt haben, inituitiv verständlich und darum wissen wir seine feine Ideen zu schätzen (wenn wir wohl nichtauch alle allem immer zustimmen wollen), Dich als Anfänger würde es aber maßlos überfordern.
www.memoryxl.de ist für Deine Zwecke zunächst völlig ausreichend.
Letztlich geht es am Anfang nur um
Bilder und Orte.
Das Problem ist, dass Du zu hohe Erwartungen hast von dem, was Mnemotechnik anfangs für Dich leisten kann. Mnemotechnik lebt sehr von der Klarheit und Präzision der Bilder, von der Erfahrung mit der Erstellung der Orte und von der guten Verbindung beider Dinge, so dass eins zum anderen führt.
Aus meiner Erfahrung bedarf es bei vielen (wenn auch nicht bei allen), die es neu versuchen, einer gewissen anfänglichen Übung und Schulung, um das entsprechende Vorstellungsvermögen zu entwickeln.
Ich denke hier gerne in Schwellen: Ein Bild, eine Geschichte hat kein proportionales, lineares Verhältnis von visueller Klarheit und Einprägsamkeit. Gemeint ist: Wenn ein Bild doppelt so klar und "wirklich" in der Vorstellung ist, ist es nicht notwendigerweise auch doppelt so einprägsam. Vielmehr gibt es eine
Schwelle, bis zu der die Erinnerungsqualität langsamer anwächst als die Klarheit und ab deren Erreichen die Erinnerungsqualität sprunghaft ansteigt.
Die Schwelle ist aus meiner Erfahrung ein Punkt, ab dem das Bild so ausreichend nahe an einer lebensechten Darstellung ist, dass das Gehirn es in seiner Wahrnehmung als real behandeln kann und aufgrund des "Erkennens" des realen Objekts eine erhöhte Erinnerungsaktivität entfaltet.
Ähnlich ist es bei Orten und beim Visualisieren der Verbindung.
Zudem bedarf es auch gewisser Erfahrung, um Stoff in eine effektive bebilderte Form zu bringen. Die Anordnung, Dichte und Verbindung der Bilder muss dem Stoff entsprechen, auf ihn
abgestimmt sein.
Mnemotechnisches Einprägen hat immer einen
intellektuellen, künstlerischen und technischen Aspekt:
Der intellektuelle Aspekt ist das Verstehen des Stoffes als Vorbereitung des Einprägens,
der künstlerische die effektive und ästhetische Erstellung und harmonische Anordnung der Bilder
und der technische die Anpassung der Grundtechniken an den konkreten Stoff, die Erstellung einer Entsprechung der Bilder zur Struktur des Einzuprägenden.
Gerade beim letzten Aspekt entscheidet sich oft, ob das mnemotechnische Konstrukt gegenüber einem bloßen Einprägen ohne Techniken effektiver und nachhaltiger ist oder nur eine träge, aufgeblähte Farce darstellt.
Wie Maschinen oft für spezielle Zwecke erst neu entworfen werden müssen, so muss auch die konkrete Anwendung dem jeweiligen Stoff folgen. Mnemotechnik ist immer Maßarbeit, sonst "sitzt" sie nicht. Es versteht sich von selbst, dass es gehöriger Erfahrung bedarf, um solche Maßanfertigungen, solche technischen "Auftragsarbeiten" zu erstellen.
Das erklärt auch, weshalb gerade Anfänger schnell aufgeben und scheitern. Sie versuchen eine Rakete zu bauen und wundern sich dann, dass ihre Seifenkiste nicht fliegt.
Dabei spielt Erfahrung und ein Erreichen des eigenen, intuitiven Gefühls für die Erstellung der Bilder eine größere Rolle als Intelligenz.
Weil es aber zumindest anfangs keine rein intellektuelle Aufgabe ist, schnell effektive Ergebnisse zu erreichen, sondern eine des Sammelns von Erfahrung und des Anpassens der eigenen Technik an diese Erfahrung (wobei ein vernünftiges Vorgehen natürlich nicht schadet), kam es im Laufe der Jahrhunderte zu einigen stark ablehnenden Bewertungen der Mnemotechnik durch große Denker (z. B. Kant und Hegel). Jene haben nach meiner Einschätzung das Ganze nicht lange genug versucht, so dass sie (zwar noch auf der "Novizenstufe" befindlich, aber natürlich aufgrund des Bewusstseins der eigenen Geistesgröße davon überzeugt, alles Potential dieser Methode innerhalb kürzester Zeit erschließen zu können) basierend auf ihren "Anfängerergebnissen" zum dem falschen Schluss kamen, die Methode erschöpfend erforscht zu haben und sie mit dem Stigma der Uneffektivität belegten. Vielleicht war in diesen Fällen ein negativer Nebeneffekt der Fixierung auf das Primat der Vernunft, dass die Notwendigkeit der Erfahrung nicht genug beachtet wurde.
Mein Rat:
Du solltest klein anfangen und zuerst lernen, wie Du Dir längere Listen merkst.
Wenn Du kein Zahlensystem lernen willst, geht das auch mit den Wörterlisten und dem MemoryXL-Trainer. Da entstehen die Bilder von selbst. Wenn Du dann halbwegs verstanden hast, wie das effektiv geht (was sehr schnell gehen kann, aber auch ein wenig dauern darf), dann kannst Du besser einschätzen, wie Du diese Techniken in Deinem Schulalltag einsetzt.
Wichtig dabei ist aber immer, dass der Einsatz von Mnemotechnik nie ersetzend, sondern
stets ergänzend, komplementär, ist. Wo Dein bisheriges Lernen funktioniert, bedarf es keiner Änderung. Wo Du aber Schwierigkeiten hast, z. B. mit größeren Informationsmengen wie Daten oder Faktensammlungen, dann kann sich die Anwendung der von Dir in diesem Stadium schon beherrschten Techniken empfehlen. Dabei solltest Du die Information zunächst in eine Reihenfolge bringen (es gehört also immer auch Vorarbeit dazu) und dann einprägen.
Beste Grüße
Simon