Simonides und die Klumpenmethode oder Kombinatorik

Hierein gehört alles was die Geschichte und Methoden der Mnemotechnik betrifft. Z.B. Was ist die Geschichtenmethode? Was sind Routen? Des Weiteren geht es auch um die historische Betrachtung und Analyse der Mnemotechnik.


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Klaus Horsten
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Simonides und die Klumpenmethode oder Kombinatorik

Beitrag von Klaus Horsten »

In dem Posting
http://www.frontreporter.de/phpbb/viewt ... c&start=40
fand ich eine halbvolle Flasche mit einem Erklärungsinhalt,
darauf stand "Klumpen".

Ich schütte sie in die Marmorschale meines Denkariums und
sinierte darüber. Da fiel mir ein, ich könnte doch, Gedanken
sind frei, einfach einmal Simonides besuchen. Und ihn fragen, was
er dazu meint.

Simonides hat bekanntlich an einer Festtafel teilgenommen.
Das Haus fiel infolge eines Erbebens ein, die Menschen - außer
Simonides, der zufällig draußen war, starben.
Simonides erinnerte sich an jeden einzelnen Platz und wer ihn
besetzte, und vermochte so die unkenntlichen Leichen zu
identifizieren. Er erfand damit die Loci-Methode.

Ich dachte mir, ich besuche Simonides b e v o r das Haus
einstürzt.

Da erschien mir der Geist von Simonides.
Ich fragte ihn: Was hat es mit der Klumpenmethode auf sich?

Er sprach zu mir: "Sieh wie sie einander zuprosten."
Ich zählte 7 Leute. Sie tranken Wein aus bronzenen Bechern und
prosteten einander zu. "Ja und?", fragte ich.
"Wie oft prosten sie einander zu?"
"Jeder hat 6 gegenüber, es sind 7 Menschen, also 6 x 7 = 42".
"Na, sagte er, geht Dir jetzt ein Licht auf?"
Da verschwand der Geist von Simonides und ich war wieder allein
in meinem Zimmer.

Ja!, da kam mir die Erhellung: Das ist Kombinatorik! Das ist die
Formel n x (n-1). Bei n Elementen können die Elemente
untereinander n x (n-1) miteinander kombinieren. Und genau das
ist das Wesentliche, egal wie man das nun nennt. Ob Klumpen oder
anders. So muss man die mnemonischen Geschichten machen.

Ich nehme ein Beispiel von mir aus dem Board:
http://www.frontreporter.de/phpbb/viewtopic.php?t=793

Beispiel:
72
1. Ginseng (Gegenstand)
2. Konrad (Name)
3. Kenia (Ort)

Merkgeschichte:
Konrad ist extra nach Kenia gefahren, um dort Ginseng zu kaufen.
Aber die Kenianer haben keinen Ginseng. Sie importieren ihn selbst aus Asien.
Da musste Konrad entdecken, dass Ginseng in Kenia um sage und schreibe 72 EUR! verkauft wird.

Kritik:
Das ist eine Fadenmethode, aber kein Klumpen.
Ein Klumpen würde es erst werden, wenn die 3 Elemente n x (n-1),
also insgesamt 3 x (3-1) = 6 Mal miteinander kombinierten.
Das müsste zumindest das formale Ziel sein, selbst wenn man diese
entworfene Form nicht vollständig ausfüllen müsste.
Ich müsste alle drei Elemente nacheinander zum Satzsubjekt machen und sie auf ihre Gegenüber beziehen.

Also so ungefähr:

Formal:
Konrad -> Kenia
Konrad -> Ginseng
Ginseng -> Konrad
Ginseng -> Kenia
Kenia -> Konrad
Kenia -> Ginseng

Konrad -> Kenia, Konrad -> Ginseng
Konrad ist extra nach Kenia gefahren, um dort Ginseng zu kaufen.
Konrad liebt Ginseng über alles.

Ginseng -> Konrad, Ginseng -> Kenia
Ginseng tut Konrad sehr gut, weil es wie ein Antidepressivum
wirkt. Aber Ginseng gedeiht nicht in Kenia. Die Sonne ist ihm zu
stark.

Kenia -> Konrad, Ginseng
Die Kenianer hatten Konrad freundlich aufgenommen, weil seine
Nase wie eine Ginseng-Wurzel aussieht.

etc.

Auf was ich hinaus will: wenn man versucht, alle Elemente
miteinander zu kombinieren, und zwar so, dass jedes Element Satzsubjekt
wird und einen Bezug zu den gegenüberliegenden Elementen aufbaut,
dann knetet man gleichsam tatsächlich einen schönen festen
Gedächnisklumpen.

Klaus
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Ulrich Voigt
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Re: Simonides und die Klumpenmethode oder Kombinatorik

Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben:Simonides / Loci-Methode / Klumpenmethode / 6 x 7 = 42
Der sog. loci-Methode habe ich in meiner Systematik der mnemotechnischen Assoziationsmethoden (Esels Welt Kap. 4) keinen eigenen Platz gegönnt, denn sie ist ja nichts anderes als eine spezielle Garderobenmethode. Simonides sehe ich als Erfinder der Garderobenmethode schlechthin (Esels Welt S. 134), da ich zu der Ansicht gekommen bin, daß der Gedanke der Mnemotechnik bei den Griechen von Anfang an ein ihnen gemäßer war und über die einfache Feststellung, daß man sich über Örtlichkeiten etwas gut merken kann, hinausging. Wie anders hätte Simonides sonst bei den Griechen als Erfinder einer Kunst geehrt werden können! Bei Aristoteles ist topos (= Ort) abstrakt gemeint und bezieht sich vor allem auf Begriffe.
Wenn andererseits Simonides statt der einzelnen Plätze wirklich das gegenseitige Sich-Zuprosten der Gäste als Grundlage gesehen hätte, so wäre dies als allgemeiner Gedanke formuliert worden, was aber nicht der Fall ist. Ich halte daher die Idee, Simonides die Klumpenmethode zuzutrauen, für grundlos. Den einzigen antiken Text, der die Klumpenmethode andeutet, finde ich bei Quintilian (Esels Welt S. 136). Überblick über das antike Material: Herwig Blum, Die antike Mnemotechnik, Hildesheim 1969.
Die antike Mnemotechnik insgesamt unter die Überschrift "loci-Methode" zu bringen, wie das ja manchmal getan wird, ist überhaupt nicht nach meinem Geschmack. Der Bezug zu "Örtern" ist ein ganz elementares Thema der Mnemotechnik, weshalb ihm in Esels Welt ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Gerade deshalb aber, weil dieser Bezug so elementar ist, entspricht ihm keine einheitliche Methode.

U.V.
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Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Der Bezug Simonides - Klumpenmehtode ist rein literarisch und nicht historisch.

Ich habe mir erlaubt, Simonides Geist erscheinen zu lassen. Ich bin mir bewusst, dass Simonides nichts mit der Klumpenmethode zu schaffen hat.

Sicherlich ist es wichtig, darauf ausdrücklich hinzuweisen, um Missverständnisse zu vermeiden.

Der Erfinder der Klumpenmethode ist: Ulrich Voigt. Anwendungen finden sich schon vor ihm, aber die Methode so zu bezeichnen und sie als Methode zum ausdrücklichen Bewusstsein zu erheben, ist, so weit ich sehe, Dein Verdienst. Es gibt Methode und Methodenbewusstsein und derjenige, welcher eine Methode anwendet, muss nicht automatisch ein klares Bewusstsein seiner Methode haben.

Aber auch in Esels Welt sehe ich den Gedanken - dieser eine Aspekt - nicht so klar ausgesprochen, wie ich es getan habe. Da ist - ich erinnere mich nun ohne Buch - unter "Klumpenmethode" davon die Rede, die Inhalte untereinander zu "vertäuen". Genau das meine ich nun anders ausgedrückt mit dem Hinweis auf die Kombinatorik.

Den Gedanken, den ich ausspreche, habe ich praktisch erprobt. Es ist nicht graue Theorie. Ich habe gemerkt, dass mir diese Sichtweise hilft, viel festere Gedächnisklumpen zu formen. Anders ausgerückt: ich formalisiere, was Du mit "Vertäuen" (ein sehr schönes Wort) bezeichnet hast.
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben:Aber auch in Esels Welt sehe ich den Gedanken - dieser eine Aspekt - nicht so klar ausgesprochen, wie ich es getan habe. [...] Anders ausgerückt: ich formalisiere, was Du mit "Vertäuen" (ein sehr schönes Wort) bezeichnet hast.
Von der Sache her kann ich Dir nur zustimmen. Und "Kneten" ist in Bezug auf Klumpen ein schönerer Ausdruck als "Vertäuen". Schade, daß mir das Wort nicht beizeiten selbst eingefallen ist!
Andererseits ist der durch die Gleichung 7 x 6 = 42 ausgedrückte Gedanke des Knetens in Esels Welt S. 165 ausführlich erörtert.

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Beitrag von Klaus Horsten »

Könnten wir dann diesen Aspekt "Kneten der Klumpenmethode" nennen? Ich meine diesen Aspekt der Kombinatorik und des Kombinierens im Unterschied etwa zu dem Aspekt, dass es sich bei dem Klumpen um eine ungeordnete Menge von Elementen handelt.
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben:Kneten der Klumpenmethode"
Kneten des Klumpens gefällt mir nicht schlecht, die Klumpenmethode würd ich nicht so gern kneten. Unlängst hab ich zu dem Vorgang hier auf dem brainboard (Gedächtnissport > Pi-Permutation) zum Kneten des Klumpens geraten (ohne das Wort zu benutzen).
Ich finde den Ausdruck "Kombinatorik" etwa stressig, so als solle man wirklich alles durchkneten. Tatsächlich knetet man nach meiner Erfahrung überall ein bißchen und das genügt dann. Schließlich soll das ja auch noch alles Spaß bringen!

U.V.
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Beitrag von Klaus Horsten »

Die Stilblüte - ich hatte es gemerkt, aber doch stehen lassen. Denn dieser Genitiv kann auf zwei Weisen gedeutet werden:
1. Der Knet-Aspekt der Klumpenmehtode, das Kneten als Teil der Klumpenmethode
2. Das Kneten der Methode - ich würde sagen, dass das vielleicht gar nicht so unsinnig ist, wie es auf Anhieb scheint. Man müsste selbstverständlich den Kontext fallen lassen, und sich völlig frei und offen machen für einen neuen Sinn. Haben wir in diesem Thread nicht auch etwas die Klumpenmethode geknetet? :wink:
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben:Das Kneten der Methode
Du hast Recht und ich entschuldige mich für meine kleinlich-penetrante Kritik.
Wichtig ist mir allerdings, daß das Kneten als Umgang mit der Klumpenmethode kein neuer Gedanke ist, sondern in Esels Welt deutlich betont wird.
Meine eigene Vorstellung ist übrigens nicht so sehr die des Knetens, denn "Kneten" evoziert bei mir die Vorstellung eines Objekts, das vor mir auf dem Tisch liegt, dem ich nun zwar mit meinen Händen nahekomme, das ich aber nicht unbedingt nahe an meinen Körper heranlasse. Ich könnte mir z.B. gut vorstellen, wie ich als Bäcker einen Teig knete und gleichzeitig mit einem Kollegen plaudere. Relativ zum Klumpen verharre ich bei aller Aktivität in der Position des Betrachters.
Meine Vorstellung ist eher die eines Eindringens, eines Sich-Hineinversetzens, es entspricht eher dem, was Dilthey von dem Historiker verlangt hat. Ich nehme alle möglichen Positionen ein, verwandle jedes Element des Klumpens in ein Subjekt, von dem aus ich das Ganze ins Auge fasse, ein Vorgang, der meine ganze Konzentration erfordert. Eben das habe ich in Esels Welt hinsichtlich der Geschichte vom Rebhuhn geschrieben.

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Beitrag von Klaus Horsten »

Tatsächlich ist der Gedanke in Esels Welt ausgesprochen: "Von jedem einzelnen der 56 Wörter aus einen Blick in die Geschichte tun" (S. 165).
Es gibt keinen Grund, sich zu entschuldigen.
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