Mnemotechnik - Anwendung auf einen längeren Zeitraum

Alles was Lerntechniken und Lernstrategien betrifft, insbesondere aber nicht ausschließlich gehören hier auch die Anwendungen von Mnemotechnik herein.
Wie kann ich am besten für Prüfungen lernen, wie merke ich mir Namen, wie lerne ich Zahlen oder Formeln etc.

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Smirkov
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Mnemotechnik - Anwendung auf einen längeren Zeitraum

Beitrag von Smirkov »

Guten Tag,
ich bin neu im Forum, habe aber bereits viele threads zum Thema Mnemotechnik gelesen. Von den erfahrenen Anwendern der Mnemotechnik hätte ich gerne folgende Fragen beantwortet:

1. Könntet ihr mir bitte eine schrittweise Annäherung an die Mnemotechnik -auch an eurem eigenen Beispiel - darstellen. Der Einstieg der hier offensichtlich von vielen empfohlen wird ist über die übungen bei memoryxl.de. Dies werde ich als erstes ausprobieren.
Aber könnt ihr mir bitte erklären, wie ich über einen Zeitraum von ca. 1 Jahr die Techniken entwickeln und planen kann? Also wann mache ich beispielsweise Loci, wann Major, etc.

2. Wann stellen sich die Erfolge ein, wenn man z.B. jeden Tag die Methoden übt und dann Schritt für Schritt in das eigenen Lernen einbaut?

3. DocTiger, du wirkst als sehr erfahren, zumindest lässt dich dies aus deinen interessanten Beiträgen herauslesen! Kannst du mir bitte als Laien einmal sagen, was du dir z.B. schon merken kannst und wie lange du hierfür gebraucht hast?

4. Ist es möglich, folgende Dinge sich wirklich auf Langzeit! mit dieser Technik zu merken: Definitionen, ganze Textpassagen (etwa 2-3 Absätze), d.h. ist das Merken von ganzen Sätzen möglich oder nur von Stichworten?

5. Vergebt meine Ignoranz, aber ist das Ausdenken einer umfangreichen Geschichte mit Bildern, "nur" um sich eine Definition zu merken, nicht etwas zu zeitaufwendig? Wenn nicht, dann muss die Merkwirkung ja offensichtlich beachtlich und mit der des normalen Lernens nicht vergleichbar sein!

6. Literatur: gibt es ein wirklich gutes Buch, mit der man Mnemotechnik lernen kann, und ich meine nicht Namen und Telefonnummern und Zahlenketten und wo die Geschichte von den griechischen Rednern durchgekaut werden ohne Hinweise zur tatsächlichen ANWENDUNG!sondern Texte? Wie ist denn z.B. Gregor Staub? Könnt ihr mir ein par Namen nennen?

7. Gibt es einen Kurs, den man u.U. belegen kann, der nicht irgend ein marktschreierisches Angebot ohne Inhalt ist? Hat jemand erfahrung mit www.mnemotechnik.info?

Vielen Dank für eure antworten, sie werden mir bestimmt weiterhelfen. Ich hoffe ich habe keine Themenwiederholung eingeführt, ich hatte vorher das Forum durchgeschaut.

Viele Grüße,

S.
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DocTiger
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Beitrag von DocTiger »

So wie ich das heraushöre hättest du gerne eine Garantie und eine klare Ansage was du machen sollst und was du erreichen kannst. Sowas gibt es natürlich nicht!

Ansonsten... Erstmal musst du dich fragen ob du wirklich "Langzeit" willst. Sobald man etwas Monate/Jahre statt einige Tage behalten will, steigt der Aufwand um ein Vielfaches, egal welche Technik man einsetzt, wohingegen gute Noten bei einer Prüfung mit einer kürzeren Zeitspanne zu erreichen sind, und man doch in Wirklichkeit nicht den ganzen Stoff für immer braucht. Wenn doch, dann ist der Stoff so dermaßen nützlich, dass man ihn beim Anwenden ständig wiederholt. Das geht ja oft so ... eine Information speichern, zwei Informationen vergessen. Da kommt man nur gegen an, wenn man viel mehr Zeit für bereits bekannten Stoff aufwendet als für neuen Stoff.

Trainiere erstmal ein paar Gedächtnissportdisziplinen, zum Beispiel Zahlen, Karten und Worte, dann kannst du dir überlegen wie du es in der Praxis anwendest. Es wird mit Sicherheit einige Wochen dauern, bis du den eigentlichen Erfolg begreifst.
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Smirkov
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Beitrag von Smirkov »

Hallo Tigerdoc,

danke für deine schnelle Antwort. Erlaube mir dir kurz zu antworten:

1. Dass es keine Garantie für einen etwaigen Erfolg gibt sondern dieser vielmehr von eigenem Einsatz und Fähigkeit abhängt, ist mir klar, aber ich wollte auch keine Garantie von dir. Eine "klare Ansage", wie du es nennst, allerdings schon. Und anders als du schreibst muss es sie wohl doch geben. Du hast an anderer Stelle im Forum geschrieben, dass du "nach all deinen Bemühungen immer noch auf halber Strecke deines Ziels bist", d.h. dass du offensichtlich einen Zeitplan für die Mnemotechniken und den damit verbundenen Lernerfolg vorgesehen hast. Nach diesem Zeitplan habe ich gefragt.

2. Natürlich möchte ich Langzeit. Was sonst sollte ich wollen. Besteht denn nicht der Vorteil der Mnemotechnik ggü anderen konventionellen Lernmethoden darin, sich Dinge lange merken zu können? Für Kurzzeitgedächtnis braucht man doch keine Mnemotechnik, sondern stinknormales Auswendiglernen. Das brauche ich aber nicht. Ich muss für einen Zeitraum von mehreren Monaten Dinge wirklich behalten können. Geht das oder nicht?

3. Was genau meinst du mit Erfolg "begreifen". Entweder man hat eine Steigungs der Gedächtnisleistung oder man hat sie nicht.

4. Könntest du bitte nochmal auf meine Fragen eingehen, und etwas genauer? Vor allem: Literatur, deine eigenen Erfahrungen etc.

Vielen Dank für deine Bemühungen, ich weiß sie sehr zu schätzen!
Bis hoffentlich bald,

S.
Anevay
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Beitrag von Anevay »

Der Vorteil besteht vor allem darin, sich Dinge schnell und präzise merken zu können, so empfinde ich es als Neuling. Ansonsten hängt die Dauer sich Dinge zu merken von der Wiederholfrequenz/Anzahl der Wiederholungen ab.

Erfolg begreifen, ich meine ich bin da grade bei. Zufällig bestellte mein Freund zwei Bücher von Gunther Karsten. Seit Ende August, also gerade mal drei Wochen, haben wir das Mastersystem installiert* und ein paar kleine Routen angelegt und schon viele Kleinigekeiten herausgefunden und ausprobiert. Im Alltag spüre ich jetzt schon eine erhebliche Verbesserung meiner Merkfähigkeit.

Zum Vergleich: vor wenigen Wochen hätte ich mir keine sechsstellige Telefonnummer merken können ohne sie aufschreiben zu müssen. Nun memoriere ich 80 Ziffern fast fehlerfrei nach mündlicher Ansage von ca. 10-15 Minuten (wir nehmen keine Zeit, ist grob geschätzt). Darüber lächelt ein Gedächtnissportler sicherlich müde, ich finde das ganz fantastisch.

Gerade das Visualisieren und Verknüpfen finde ich toll und keinesfalls aufwendig.

Wir üben seit drei Wochen täglich 1-2 Stunden und haben sehr viel Spaß dabei. Ich bin mir sicher, dass jeder, nachdem er die Methoden verinnerlicht hat, auch in der Lage ist selbst zu merken, wann welche Methode sinnvoll eingesetzt werden kann. Sieh es nicht als Anleitung, sondern als Werkzeuge.

Ich bin ansonsten grundweg ein zeitloser Mensch, ich glaube auch nicht, dass sich Erfolge wirklich planen lassen, dafür sind Menschen doch zu verschieden.

Ja, mehrere Monate sollten locker drin sein, meine Zeitspanne beträgt zwei Jahre bis zur Prüfung, wo ich die Inhalte, die mir nicht "zufliegen" und die ich so behalten kann, merken möchte.

Probiere es doch einfach mal aus. :)

Anevay

*installiert = Route ausgedacht, Begriffe übernommen/modifiziert aus den Vorschlägen von Gunther Karsten und diese ablegen auf der Route und abrufen können.
Glaube nicht alles was Du denkst. ^^
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DocTiger
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Beitrag von DocTiger »

Ich würde dir einen möglichst "minimalen" Einsatz von Literatur empfehlen. Das was in memoryxl.de steht, reicht eigentlich schon aus für die Techniken, maximal noch ein Buch wie "Erfolgsgedächtnis". Sinnvoll fand ich auch "Lernen zu Lernen" von Metzig und Schuster, wobei dort weniger Anleitungen zu finden sind als theoretische Hinweise.

Hm, ich weiß garnicht mehr wann ich das geschrieben habe. Also ich glaube, meine persönliche Lerntechnik wird sich nicht mehr groß ändern. Meine letzte Prüfungsphase steht bevor.

Ich halte es für absolut falsch, zu behaupten, dass eine bestimmte Lerntechnik für einen bestimmten Lernzeitraum (kurz oder lang) am Besten ist.

Lernzeitspanne, Lernzeitaufwand, Abrufgeschwindigkeit und "Verfallsdatum" werden bei gleichem Stoff und gleicher Lerntechnik durch das Wiederholungsschema (wie oft, in welchem Abstand/Rhythmus) bestimmt. Mnemotechnik ist, wie ich finde, effizienter, aber sie befreit nicht von den Naturgesetzen des Lernens.

Du findest wahrscheinlich, "über mehrere Monate behalten" ist schon eine detailreiche Zielvorstellung, aber das ist es nicht. Wiederholst du den Stoff zwischendurch oder nicht? Musst du multiple Choice Fragen beantworten? Feingehacktes(ala Vokabeln)? Kleine Vorträge halten können? Es kann durchaus sein, dass du deine eigentliche Zielvorstellung mit einem realistischeren Aufwand erreichen kannst, als "Alles für immer behalten".

Manchmal steckt dahinter auch ein Planungsproblem. Sagen wir man hat zwei Prüfungen innerhalb einer Woche, und denkt sich, man kann den Stoff der ersten Prüfung ein paar Monate vorher schon lernen, sich dann ein paar Wochen nur auf die zweite Prüfung konzentrieren. Daher ist das Wiederholungsschema so entscheidend.

Mit Erfolg begreifen meine ich, dass es bei Mnemotechnik eine Reihe von Aha-Erlebnissen gibt, die man nicht durch Beobachtung oder Zuhören begreifen kann. Eines dieser Aha-Erlebnisse wirst du zum Beispiel haben, wenn du zum ersten mal 20 Ziffern in kurzer Zeit auswendig lernen kannst, oder das erste mal ein Kartendeck richtig wiedergibst. Dann wirst du merken, dass sowas ohne Mnemotechnik schlichtweg nicht geht, aber es mit dieser Technik wirklich jeder lernen kann...

Ich habe unter http://bit.ly/6hpNI ein paar Blogartikel verfasst, die meine Einstellung zu Lerntechnik widerspiegeln, unter anderem habe ich Fehler aufgelistet die praktisch jeder (und insbesondere ich) macht, wenn er anfängt sowas praktisch anzuwenden.
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DocTiger
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Beitrag von DocTiger »

ach ja... und die Frage mit "ganzen Sätzen" lässt sich nicht richtig beantworten. Ich lerne immer Stichworte, und ich bin geizig. Ich versuche so wenig Stichpunkte zu haben, wie unbedingt nötig um auf alle Details zu kommen. Der Wortlaut ist mir meistens egal, und wenn einmal nicht, zum Beispiel bei Gesetzen, dann blieb mir trotzdem oft die ganze Passage hängen, weil es Sinn machte. Wenn der exakte Wortlaut wichtig ist, muss man diese Stichpunkte halt enger legen, aber für mich war das bislang nie notwendig.

Gedächtnissport beschäftigt sich mit "bedeutungsarmen" Informationen. Wendet man das ganze auf sinnvollere Informationen an, wird es eher leichter als schwerer!
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xfalke
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Beitrag von xfalke »

Hallo Smirkov,
hallo Doc,
hallo alle,

ich habe übermorgen meine Prüfung zum (ganzheitlichen) Gedächtnistrainer; und ich hatte dazu in den letzten Monaten einiges zu lernen - und habe diesmal die Gelegenheit genutzt, einfach testhalber mehrere Lernmethoden zu vergleichen;

meine Erfahrungen:

1. es geht nichts über die Locitechnik;

2. auch die Geschichtentechnik ist ok - da besteht aber das Problem, dass ab einer bestimmten Anzahl von (längeren) Geschichten die Einzelfakten weit schwerer (= langsamer) abzurufen sind, als bei der Loci-Technik (es ist so, als ließen sich Routen eben einfach schneller "überfliegen");

3. eine Kombination von Routen und Geschichten scheint mir vielfach sehr sinnvoll, wobei aber die an die einzelnen Routenpunkte angehängten Geschichten eher kurz sein sollten; das habe ich aber nicht gemacht um Routenpunkte zu "sparen", sondern weil es mir vielfach strukturell einfacher erschien, gleich einen ganzen Klumpen abzulegen;

4. interessanterweise scheint das Hirn visuelle Vokabel zu bilden, die auch gleich bleiben können; so kam etwa das Stichwort "dekodieren" öfter vor - Ihr glaubt gar nicht, in welchen Zusammenhängen man Kothaufen visualisieren kann ...

5. eine andere interssante Erfahrung: Ich habe versuchsweise ein paar verschiedene Listen an die selben Zahlensymbol-Reihen angehängt - also 1 bis 12 der Liste A an die Symbole für 1 bis 12, dann 1 bis 12 der Liste B an die selben (!) Symbole für 1 bis 12 - erstaunlich, dass nichts durcheinander kommt, wenn die Themen der Listen nur weit genug auseinander liegen (verschieden sind);

6. weil hier immer wieder zu lesen ist, dass der Aufwand, den Stoff zu codieren Mühe macht; diese Mühe spart man auf jeden Fall beim Wiederholen ein; nicht, weil man weniger oft wiederholen müsste - aber die Qualität der Wiederholung ist deutlich besser, sprich: ich musste bei kaum einer Wiederholung irgend etwas nochmals von Grund auf lernen; also Merktechniken lohnen auf alle Fälle

7. am angenehmsten war, dass ich die Routen mit mir spazieren tragen und immer wieder abschreiten kann wenn ich z.B. im Zug fahre oder wandern gehe; auch wenn es dann fallweise die eine oder andere Lücke gibt - mit der Routentechnik kein Problem, man geht einfach zum nächsten Routenpunkt und frischt dann daheim einfach den Item des fehlenden Routenpunktes auf;

8. wie Doc schon geschrieben hat, am besten man speichert auf den Routen gerade so viel wie nötig, jedoch so wenig wie möglich; den Rest erledigt das Wunder Gehirn von alleine (eine gute Strategie, wenn einem dennoch einmal nichts einfällt: raten! meist rät man richtig, weil das Unbewusste auch ein bisserl mithilft und vieles hervorholt, was einmal gelernt wurde);

also, Ihr Zweifler: Gebt Euch die Chance und probiert es einmal ernsthaft mit Routen/Loci-Technik; beginnt auf jeden Fall klein, setzt Euch kleine Ziele, etwa ein Kapitelchen, ein Abschnitt, steigert Euch dann langsam; Der Appetit kommt mit dem Essen - so auch hier; und viel Spaß beim Lernen ...

Euer
xfalke
Smirkov
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Beitrag von Smirkov »

Hallo Doc, guten Morgen Anevay, hallo zusammen,

vielen Dank für eure Antworten. Jetzt kann ich mir ein Bild machen, wie das ganze funktioniert!

Und danke auch für eure Erfahrungsberichte und links!

Ich werde bald beginnen und euch dann wieder berichten.

Bis dahin alles Gute,

Smirkov
Georg
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Registriert: Do 22. Mai 2008, 19:56

Beitrag von Georg »

Bitte tu dir selbst und deiner Geldbörse einen Gefallen und kauf auf keinen Fall irgendwelche Bücher über Mnemotechnik. Lies dich stattdessen in wissenschaftliche Bücher der Psychologie zu diesem Bereich ein, obwohl dort eher wenig über Mnemotechnik direkt geschrieben wird. Mnemotechnik ist im Internet sehr gut beschrieben.

Ach ja zur Frage warum denn Mnemotechnik und insbesondere die Loci Technik so gut ist kann ich nur eines sagen: Man hat beim Erinnern wenigstens irgendetwas, das man aufgreifen kann, wenn man daran zieht, dann kommt oft der Rest (wenn auch etwas verblasst) hoch. Ohne Mnemotechnik fehlen dieses Gerüst und damit geht die Struktur und die Reihenfolge mitsamt den Gesamtzusammenhang flöten.

Mfg
Lernen ohne Mnemotechnik ist wie der Versuch ein Flugzeug mit einem Autoführerschein zu fliegen
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