Gedächtnispalast

Alles was Lerntechniken und Lernstrategien betrifft, insbesondere aber nicht ausschließlich gehören hier auch die Anwendungen von Mnemotechnik herein.
Wie kann ich am besten für Prüfungen lernen, wie merke ich mir Namen, wie lerne ich Zahlen oder Formeln etc.

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Njord
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Gedächtnispalast

Beitrag von Njord »

Hallo

Kennt jemand von euch die genaue Methodik sich einen "Gedächtnispalast" wie hier beschrieben
Eine besonders eindrucksvolle Schilderung der Loci-Methode findet man in dem Roman "Hannibal" von Thomas Harris. Dort beschreibt er auf eine granidiose Art und Weise den Gedächtnispalast (also eine Ansammlung von Loci in Form eines Palastes) von Dr. Hannibal Lecter - dieser sucht während einer Flugreise seinen Gedächtnispalast aus zwei Gründen auf:

Um der Atmosphäre im Flugzeug zu entgehen
Um die Adresse von Clarice Starling zu memorieren
Es zeigt sich an diesem Beispiel sehr schön das Zusammenspiel von Assoziationstechnik und Loci-Methode sowie eine weitere Dimension der Mnemotechnik: man kann sich mit Ihrer Hilfe "in seinen Kopf zurückziehen" in emotional oder optisch angenehmere Gefilde. Man kann "Reisen" in seinen Kopf unternehmen... Die Möglichkeiten, welche sich einem durch Verwendung der Mnemotechnik eröffnen sind grandios
(Quelle:http://www.mnemotechnik.info/display.php?id=loci/0011)
zu erstellen? Oder wie man an Werke des erfinders des Gedächtnispalastes Simonides von Ceos herankommt?
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Ulrich Voigt
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Re: Gedächtnispalast

Beitrag von Ulrich Voigt »

Njord hat geschrieben:Werke des Erfinders des Gedächtnispalastes Simonides von Ceos
Von Simonides gibt es zwar Werke: http://litlinks.it/sx/simonides_k.htm - aber nicht zur Mnemotechnik. Über Simonides von Keos als Erfinder der Mnemotechnik gibt es nur eine Legende.
Eine wissenschaftliche Beurteilung ihrer Glaubwürdigkeit findet man bei Herwig Blum, Die antike Mnemotechnik (1969) S.41-46.
Ich habe mich der Blumschen Beurteilung angeschlossen und behandle dementsprechend Simonides in ESELS WELT als historische Realität (statt, wie z.B. Cicero es wollte, nur als Legende). Von einem Gedächtnispalast ist bei Simonides nicht die Rede. Ich interpretiere ihn als Erfinder einer bestimmten Assoziationsmethode (die ich als "einfache Garderobenmethode" bezeichne). Es gibt eine interessante französische Webseite zu Simonides: http://simonide.net/chrono.htm.

Zum Thema "Gedächtnispalast" ist Jonathan Spence, The Memory Palace of Matteo Ricci (1984) zu empfehlen.
Bei Harris geht es um Phantasie, bei Spence um Realität.
Phantasie = Phantasie von einer Phantasie, von der man phantasiert, daß sie phantastische Lernergebnisse ermöglichen würde; -
Realität = Beschreibung einer Phantasie, von der man weiß, daß sie tatsächlich benutzt wurde, um phantastische Lernergebnisse zu ermöglichen).

U.V.
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Njord
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Beitrag von Njord »

Danke für ihre Antwort :) . Eine Frage hätte ich noch bzgl. "The Memory Palace of Matteo Ricci". Steht in diesem Roman eine Technik für die Erstellung eines Gedächtnispalastes drinnen oder wird lediglich wie im "Schweigen der Lämmer" auf die Möglichkeiten solch einer Konstruktion eingegangen?
gandalfthewhite
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Beitrag von gandalfthewhite »

Soweit ich das noch in Erinnerung habe, wird auch im Detail darauf eingegangen wie ein solcher Palast zu erstellen ist. Auf jedem Fall war das Buch höchst interessant!

Gandalf
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Jonathan Spence, The Memory Palace of Matteo Ricci (1984) ist kein Roman, sondern eine wissenschaftlich fundierte Biographie des berühmten Matteo Ricci, der als Missionar Ende des 16. Jahrhunderts China betrat und dort bis zu seinem Tode 1610 verblieb.
Matteo Ricci war eine überaus bedeutende Persönlichkeit, die in der Geschichte Chinas und in der Geschichte der Beziehung zwischen China und Europa eine Rolle spielt. Nach China ging er sorgfältigst vorbereitet, er sprach bereits die Sprache, war ein ausgezeichneter Mathematiker und Kartograph und Astronom und Komponist. Sein Gedanke war der, "China" und "Europa" durch eine Verknüpfung von Christentum und Konfuzianismus miteinander zu befreunden und zu verbinden. Wenn Leibniz sich später so sehr für "China" interessierte, dann eben unter dem Eindruck der Reiseberichte Riccis.
Für uns ist Ricci interessant, weil er eine Mnemotechnik der chinesischen Schriftzeichen entwickelt hat. Er schrieb auch ein komplettes Chinesisch-Portugiesisches Wörterbuch zusammen mit seinem italienischen Freund und Mitstreiter Ruggiero. Im Jahre 1595 trat Ricci einmal als Gedächtnisakrobat in China auf: Er ließ sich 500 willkürlich ausgesuchte chinesische Schriftzeichen aufschreiben, las sie einmal durch und schrieb sie rückwärts fehlerfrei wieder auf. Eine Meisterleistung, die durch Mnemotechnik ermöglicht war. Ricci tat das, um die Chinesen zu beeindrucken, ihnen die Überlegenheit westlicher Kultur drastisch vor Augen zu führen. Dazu ist posthum von Ricci ein Büchlein mit dem Titel "Westliche Gedächtniskunst" überliefert. Ein Höhepunkt der Mnemotechnik jener Zeit, eigentlich, wie ich meine, allem weit voraus, was man sonst aus dem 16. und frühen 17. Jahrhundert kennt. Eben nicht wieder diese Trivialbeispiele, sondern der wohldurchdachte Versuch, ein komplexes und wichtiges Lernobjekt (das chinesische Zeichenmaterial) mnemotechnisch zu bearbeiten. Das Buch ist auf Chinesisch geschrieben und nicht für europäische Lerner gedacht, sondern für Chinesen, die sozusagen "wie wir" irgendwelche Wortlisten auswendig lernen wollen. Implizit allerdings enthält es sehr wohl eine Mnemotechnik zum Erlernen chinesischer Zeichen. Ich darf hinzufügen, daß das von uns projektierte Buch zur Mnemotechnik der chinesischen Schriftzeichen (s. Eintrag hier auf dem Forum) den Untertitel "auf den Spuren von Matteo Ricci" tragen soll. Und dem Leser von ESELS WELT wird schwerlich entgangen sein, wie hoch ich Matteo Ricci als mnemotechnischen Stilisten hänge. Er ist, was die Intensität seiner Bilder betrifft, ein absoluter Höhepunkt.
Spence benutzt einige der mnemotechnischen Bilder Matteo Riccis als Leitmotive für seine Kapitel und deutet in etwa an, wie Ricci gearbeitet hat.
Wen aber Ricci selbst interessiert, wird sich schwerlich mit Spence begnügen, denn der Originaltext ist ja inzwischen ins Deutsche übersetzt worden:
Michael Lackner, Das vergessene Gedächtnis. Die jesuitische mnemotechnische Anhandlung XIGUO JIFA. Übersetzung und Kommentar, Stuttgart 1986.
(XIGUO JIFA = Westliche Gedächtniskunst)

U.V.
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isegrim
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Beitrag von isegrim »

Mich erstaunt, dass sich die Mnemotechnik in China zum einen im Anschluss an das Wirken von Ricci nicht dauerhaft hat durchsetzen können, zum anderen, dass die Mnemotechnik in China (oder auch in Japan, wo ja meines Wissens auch mit chinesischen Schriftzeichen oder einer Variante davon geschrieben wird) keine eigenständigen Wurzeln hatte.

Schließlich ist der Schrifterwerb für jeden Lernenden (unerheblich ob einheimisches Schulkind oder ausländischer Sprachstudent) mit einer gewaltigen Gedächtnisleistung verbunden: Viele Hundert oder Tausend verschiedene Zeichen (kein Vergleich zu unseren 26). Wenn es sonst keinen Grund für das Beschäftigen mit Mnemotechnik gäbe, das wäre einer!

Erstaunlich ferner, dass etwa das Schulsystem in Japan trotz dieser Schwierigkeiten erheblich weniger Analphabeten produziert als die Schulsystme westlicher Industriestaaten.

isegrim
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

isegrim hat geschrieben:Mich erstaunt,
Gut gefragt! Ich habe dazu aber keine gründlichen Antworten, nur ein paar Gedanken und Beobachtungen:
Einmal ist es doch so, daß in Japan (nicht in China) Mnemotechnik zunehmend eine Rolle beim Erlernen der Schriftzeichen spielt. Schwer zu sagen, wohin das führen mag.
Dann muß man sagen, daß die einzigen systematisch angelegten mnemotechnischen Systeme in dieser Sache europäischer Provenienz sind, für Europäer geschrieben und für Asiaten nicht unbedingt brauchbar.
Dann meine ich, daß die Grundidee der Mnemotechnik (die willkürliche Zweckassoziation) chinesischen Denkgewohnheiten eher fremd und schwer zugänglich ist. Mnemotechnik gibt es in China (soweit ich weiß) nur immer in der verdeckten Form von "Volksetymologie".
Interessant ist die Rezeptionsgeschichte Matteo Riccis in China. Riccis (chinesisch geschriebener) Traktat über die Freundschaft z.B. wurde immer wieder bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein neu aufgelegt. Seine Weltkarte war über lange Zeit in China berühmt. Aber seine (ebenfalls chinesisch geschriebene) Gedächtniskunst wurde (soweit ich weiß), außerhalb seines engsten Schülerkreises gar nicht beachtet.
Schließlich denke ich, daß eine Mnemotechnik der chinesischen Zeichen in dem Moment erfolgversprechend wird, in dem es erstens gelingt, ein umfassendes System auf den Tisch zu legen, zweitens die Effektivität des Systems praktisch zu demonstrieren.
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

isegrim hat geschrieben:Mich erstaunt,
Dieselben Fragen lassen sich ohne weiteres auch an uns selbst richten. Hierzulande werden mit großem Aufwand Sprachen gelernt, ohne daß dabei Mnemotechnik eine ersichtliche Rolle spielen würde.
Meine Antwort wäre in etwa dieselbe: Vorurteile verhindern den Zugang / Die Mnemotechnik bietet nichts hinreichend Überzeugendes. :arrow: Eine Thema für die Zukunft.

Es ist aber herzlich wenig Bewegung zu beobachten. Die Nichtmnemotechniker sind mit ihren Büffelmethoden zufrieden. Die Mnemotechniker wiederum sind mit ihrer keyword-Methode zufrieden. Jeder schüttelt den Kopf über den anderen. Kein Weg, so scheint`s, führt über den Abgrund.

U.V.
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isegrim
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Beitrag von isegrim »

Meine Theorie, warum die Mnemotechnik für pädagogische Belange nicht den Stellenwert hat, den sie eigentlich haben müsste:

1. Der Mnemotechnik-Novize muss eine "Erleuchtung" durchmachen. Für jemanden, der Mnemotechnik nur am Rande wahrnimmt, macht das ganz einen esoterischen Eindruck! (Nicht hilfreich ist es übrigens meiner Meinung nach in diesem Zusammenhang, dass der von mir geschätzte und an anderer Stelle ziterte Roland Geisselhart offenbar auch einen Astrologie-Ratgeber geschrieben hat...)

2. Einem Lehrer, so meine Einschätzung, behagt die Vorstellung ganz und gar nicht, dass man in seinem Fach gute Erfolge mit "mechanischen" Gedächtnisleistungen erzielen kann. Es gibt akademische Disziplinen, bei denen kommt man in den Examina alleine mit eingepauktem Wissen ausgesprochen weit, so weit, dass man zumindest die Prüfungen besteht. Das schmälert natürlich irgendwo den akademischen Glanz.

Fazit: Die Mnemotechnik in der (Hoch-)Schule muss sich meiner Meinung nach "von unten" durchsetzen: Die Schüler schmeißen ihre Spickzettel in den Papierkorb, benutzen die Mnemotechnik, und die Lehrer wundern sich 8)

isegrim
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AlterSchlapfen
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Re: Gedächtnispalast

Beitrag von AlterSchlapfen »

Ulrich Voigt hat geschrieben:Zum Thema "Gedächtnispalast" ist Jonathan Spence, The Memory Palace of Matteo Ricci (1984) zu empfehlen.
Argh, die letzte Ausgabe dieses Buches ist von 1994, längst vergriffen. :(
Dabei würde mich gerade dieses Thema so interessieren. :cry:
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Myelin-Maennchen
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Beitrag von Myelin-Maennchen »

die version ist nach wie vor erhältlich bei amazon.de, sogar beim marketplace für lausige 9 euro nochwas
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/0 ... 19-8188856

ich hab da ein originalverschweißtes exemplar vor einem halben jahr ohne probleme erstanden...
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AlterSchlapfen
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Beitrag von AlterSchlapfen »

Hab's mir inzwischen schon besort, trotzdem danke. :D
Ulysses
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Beitrag von Ulysses »

Was steht denn in dem Buch von Spencer genau?

Die Anleitung für einen Gedächtnispalast kann wohl kaum ein paar hundert Seiten lang sein.
slash7
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Beitrag von slash7 »

gibt es ein deutsches Buch wo eine Anleitung für einen Gedächtnispalast steht, das nicht vergriffen und preiswert ist ?
Ulysses
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Beitrag von Ulysses »

Nein, gibt es leider nicht.

Du findest eine Anleitung aber hier im Board oder in Wikipedia.
Garnol
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Beitrag von Garnol »

Hm
Die Anleitung auf dem Wiki ist nicht so toll.
Also die lädt nicht wirklich dazu ein.
Wenn jemand Zeit hat und im gegensatz zu mir
schon weiß wie man einen anfertigt, kann er den
Artikel ja erweiter :-)
Danke
Der Max
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Registriert: Mo 04. Sep 2006, 18:43

Beitrag von Der Max »

Der Bau eines Gedächtnispalstes ist eigentlich fast dasselbe wie die bloße Loci-Methode.

Meiner Erachtens sollte man, um einen (guten) Gedächtnispalst bauen zu können, erst einmal Erfahrungen mit der Loci-Methode gewinnen.
Bild
Pat
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Registriert: Mo 04. Apr 2005, 14:36

Beitrag von Pat »

Es geht ja letztlich um die folgenden grundlegenden Fragen:

1. Wie müssen Orte beschaffen sein, um möglichst gute und dauerhafte Informationsträger darzustellen?

2. Wie ordnet man Orte so an, daß jedem einzelnen Ort auch stets sein Aufenthaltsort im Gesamtraum zugeordnet werden kann (Es geht also um die Unterscheidbarkeit der Orte und die daran ausgerichteten Prinzipien ihrer Anordnung) ?

3. Wie erstellt man am geeignetsten Bilder, die die zu speichernde Information codieren?

4. Wie verbindet man diese Bilder am nachhaltigsten mit den erstellten Orten?


Bevor man sich nicht für sich selbst über diese vier Fragen zumindest ansatzweise klar geworden ist, ist die Frage nach einem Gedächtnispalast sinnlos. Wenn man nämlich einfach dazu ansetzt, einen solchen zu konstruieren, wird man jedenfalls bei Punkt Nr. 2 scheitern: Man wird versuchen, den Palast wie in den alten Mantel-und-Degen-Filmen mit zwar opulenter Ausschmückung, aber mit recht gleichförmigen Gängen und Türen zu bauen. Dies kann nicht gutgehen.

Wo man die vorgegebene Wirklichkeit, die sich oft als Modell eignet, abändern muß, um sie 'orttauglich' zu machen, bedarf Erfahrung und Übung.

Hier zeigt sich bereits, daß ein 'Palast' jedenfalls morphologisch vielgestaltig geplant werden müsste. Was hält einen dann aber davon ab, einfach externe, unter freiem Himmel gesammelte Wege zu nehmen und diese unter einer dachartigen Konstruktion zu einem 'Gebäude' zusammenzufassen?

Auch muß vielen, die nach einem Gedächtnispalast suchen, folgendes gesagt werden:
Es kann gut sein, daß das räumliche Vorstellungsvermögen eines Ungeübten für eine solche Aufgabe schlicht noch nicht bereit ist.

Ich gehe hier nur von mir selbst aus: Als ich begann, Wege bei meiner Übung mit dem MemoryXL-Gedächtnistrainer zu verwenden, waren diese unscharf und verschwommen, farb- und leblos, eher grau in grau und ohne solide Konturen als eine wahrhaftige Repräsentation der Wirklichkeit.
Erst nach ungefähr einem Jahr wenn auch nicht intensiver aber doch konstanter Beschäftigung mit der Erstellung und internen Darstellung von Routen sehe ich diese auch in befriedigender Weise scharf und lebendig.
Der Vorteil einer genaueren Wahrnehmung vor dem geistigen Auge ist auch eine bessere Orientierung in der visuellen Umgebung.

Wenn ich an die Wege denke, die ich zu Anfang erzeugt habe, wäre es mir wohl nicht möglich gewesen, mich in einer recht komplexen räumlichen Umgebung, die sich über mehrere Stockwerke erstreckt und in der diese Stockwerke mit einzelnen Treppen und Zugängen ineinanderübergehen, zurechtzufinden.

Wer den Palast sucht, sollte sich erst auf den kleinen Pfaden und den Hütten bewegen lernen.

Wenn man dann unbedingt noch auf einem prächtigen Palast besteht, sollte man diesen unter Beachtung der für einen selbst richtigen Antworten auf die Fragen 1 bis 4 erstellen.

An die Gäste, die das lesen:
Laßt Euch trotzdem nicht entmutigen, versucht es einmal mit dem MemoryXL-Trainer, und wer weiß: Vielleicht könnt ihr ja auch die Übungsphase überspringen.

Viel Glück

Simon
Der Max
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Registriert: Mo 04. Sep 2006, 18:43

Beitrag von Der Max »

1. Wie müssen Orte beschaffen sein, um möglichst gute und dauerhafte Informationsträger darzustellen?
Bei mir persönlich würde ich sagen, dass der Ort (meist, nicht immer) auch in gewisser Weise die Information ist, entweder sofort durch die Konstruktion, oder durch diese feste Verbindung und das Gefühl/die bloße Assoziation.

Ich habe in meinem Gedächtnispalast beispielsweise einen Raum, durch den ein Fluss aus Feuer fließt. Das ist der Feuerbach. (dt. Philosoph).
Und wenn ich den Raum betrete (ich sehe das Feuer ja schon von außen), dann erblicke ich einen Spiegel. Und was sagt mir dieser Spiegel? Was der Mensch nicht aus sich selbst erkennt, das erkennt er gar nicht. :lol:

Rechts des Baches ist dann eine ganz bunte Schar von Menschen, welche wild wild herumhüpft. So viele Menschen sind, so viele Kräfte, so viele Eigenschaften hat die Menschheit.

Etc.
2. Wie ordnet man Orte so an, daß jedem einzelnen Ort auch stets sein Aufenthaltsort im Gesamtraum zugeordnet werden kann (Es geht also um die Unterscheidbarkeit der Orte und die daran ausgerichteten Prinzipien ihrer Anordnung) ?
Bei mir ist es nicht DER Palast, sondern mehr einzelne Teile. Der Palast ist eher ein Mittel der Übersichtlichkeit.
3. Wie erstellt man am geeignetsten Bilder, die die zu speichernde Information codieren?
Von allen Vieren bedingt diese Frage, denke ich, am stärksten Versiertheit seitens des Konstrukteurs.
4. Wie verbindet man diese Bilder am nachhaltigsten mit den erstellten Orten?
Meiner Erachtens ist der einzige Weg zu einer langfristigen und zuverlässigen Abspeicherung die Wiederholung.

Bevor man sich nicht für sich selbst über diese vier Fragen zumindest ansatzweise klar geworden ist, ist die Frage nach einem Gedächtnispalast sinnlos. Wenn man nämlich einfach dazu ansetzt, einen solchen zu konstruieren, wird man jedenfalls bei Punkt Nr. 2 scheitern: Man wird versuchen, den Palast wie in den alten Mantel-und-Degen-Filmen mit zwar opulenter Ausschmückung, aber mit recht gleichförmigen Gängen und Türen zu bauen. Dies kann nicht gutgehen.
D´Accord!
Hier zeigt sich bereits, daß ein 'Palast' jedenfalls morphologisch vielgestaltig geplant werden müsste. Was hält einen dann aber davon ab, einfach externe, unter freiem Himmel gesammelte Wege zu nehmen und diese unter einer dachartigen Konstruktion zu einem 'Gebäude' zusammenzufassen?
Nichts.
Ich gehe hier nur von mir selbst aus: Als ich begann, Wege bei meiner Übung mit dem MemoryXL-Gedächtnistrainer zu verwenden, waren diese unscharf und verschwommen, farb- und leblos, eher grau in grau und ohne solide Konturen als eine wahrhaftige Repräsentation der Wirklichkeit.
Erst nach ungefähr einem Jahr wenn auch nicht intensiver aber doch konstanter Beschäftigung mit der Erstellung und internen Darstellung von Routen sehe ich diese auch in befriedigender Weise scharf und lebendig.
Mir ging es genauso. Aber ich denke, dass das nicht bei jedem der Fall ist. Mein Denken war immer schon recht abstrakt, was sicherlich seinen Beitrag zu dem damals eher schlechten Vorstellungsvermögen geleistet hat.
Wer den Palast sucht, sollte sich erst auf den kleinen Pfaden und den Hütten bewegen lernen.
Richtig.
Wenn man dann unbedingt noch auf einem prächtigen Palast besteht, sollte man diesen unter Beachtung der für einen selbst richtigen Antworten auf die Fragen 1 bis 4 erstellen.
Yes, Sir!

Einen schönen Abend dir, Simon!
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Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Max Hester hat geschrieben:Der Bau eines Gedächtnispalstes ist eigentlich fast dasselbe wie die bloße Loci-Methode.
30 Routen verbunden zu einem System - dann vielleicht ja.

Mit "Route" bist Du natürlich auf der sicheren Seite - eine Gedächntnisstadt ohne Lokalisation ist nicht möglich.

Meiner Meinung reduzierst Du Gedächntnisstadt auf Route (Reduktionismus).

Für mich ist "Gedächtnisstadt" einfach der anschauliche Ausdruck für "menmotechnisches System", ein großes Merksystem, in dem alles miteinander zusammen hängt, und das fähig ist, gleichsam große Datenmengen abzuspeichern.

Zu Simon:

Haben wir nicht etwas vergessen?

Ich meine: das mnemonische Alphabet. Döbel hatte es.

Mein Eindruck ist, dass das Alphabet im englischsprachigen Raum viel verbreiteter ist als Garderobe, und dass eigentlich fast niemand im deutschsprachigen Raum es verwendet (bitte widersprechen!).

Ich meine auch die Geschichte, die Murden in "Art of Memory" bringt: er erzählt von einer Frau, die ihren Kindern die "Hieroglyophen", also die Merkhaken, anschaulich auf die Wand gemalt hat oder diese bebildert hat.

Diese kleine Anekdote, die man so leicht überliest, ist vielleicht ganz zentral. Wir haben Google Bilder - und das sollte man nützen.

Zu allem! Bilder suchen und diese in Tableaus ordnen. Immer probieren zu 9 zu ordnen und das 10. bleibt übrig als Überschrift oder Verbindung oder einfach nur als Krönung - und das Ganze zur Gruppe machen mit thematischem Gravitationszentrum, welche den Titel des Tableaus bildet.

Klaus
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