Dr Yip Swee Chooi - Wörterbuchmethode - Fragen

Alles was Lerntechniken und Lernstrategien betrifft, insbesondere aber nicht ausschließlich gehören hier auch die Anwendungen von Mnemotechnik herein.
Wie kann ich am besten für Prüfungen lernen, wie merke ich mir Namen, wie lerne ich Zahlen oder Formeln etc.

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Erlkoenig
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Dr Yip Swee Chooi - Wörterbuchmethode - Fragen

Beitrag von Erlkoenig »

Ich interessiere mich hauptsächlich für die Anwendung von Mnemotechnik für das Fremdsprachenlernen.
Ich verwende zum Beispiel bei einigen Sprachen die Linkwordmethode, finde aber generell eine Verknüpfung mit etymologisch ähnlichen Wörtern oder Kognaten hilfreicher und verwende deshalb die Linkwordmethode nur für nicht-indoeuropäische Sprachen.
Ich habe das Forum nach relevanten Beiträgen durchsucht, aber relativ wenig gefunden.
Ich bin bei meiner Suche auf das bekannte Video mit Ed Cooke und Dr Yip Swee Chooi gestoßen, in dem er seine Methode zum Auswendiglernen eines kompletten Wörterbuchs andeutungsweise erklärt. Ganz klar ist mir seine Methode aber noch nicht.
Wenn ich das richtig verstanden habe, hat er für jede Seite des Wörterbuchs einen Locus mit mehreren Ankerpunkten für die einzelnen Einträge auf der Seite definiert. Wie kann er aber für jeden Eintrag noch die dazugehörige Seitennummer abrufen?
Hat jemand diese oder eine andere Methode erfolgreich zum Auswendiglernen eines Wörterbuchs oder größerer Vokabelmengen verwendet?
Verwendet jemand außer Vokabeltrainern wie Anki noch andere Software oder andere Mnemotechniken. um gezielt Vokabeln zu lernen?
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DocTiger
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Beitrag von DocTiger »

Es gibt keine magische Kugel für Vokabeln. Die Schlüsselwortmethode ist gut, egal ob mit rein fiktiven oder etymologischen Verknüpfungen.

Ich habe experimentiert mit der Locimethode, aber noch keinen signifikanten Vorteil darin gesehen. Der Grund ist, dass wir zwar eine Art "Wörterbuch" anstreben, wir denken "Was war Hund auf Englisch? Ach ja, Dog". Aber nur vorübergehend: Wir wollen die Vokabeln solange wiederholen bis sie ohne Zeitverzögerung verfügbar sind.

Also kann man auch gleich mit Anki die Wörter trainieren und bei Problemwörtern memotechnisch aktiver werden. Wichtig ist natürlich langfristige Wiederholung.

Eine andere Beobachtung ist, dass ich besser vorankomme, wenn ich mich "überfordere", also 20-30 Vokabeln auf einmal neu hinzufüge, während ich alte wiederhole. Die dabei entstehende Verwirrung vermeidet diese Kurzzeiteffekte, also dass man ein Wort fünf Minuten lang weiß, aber nach einer halben Stunde nicht mehr.
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Hugin und Munin
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Beitrag von Hugin und Munin »

Ein bisschen zur Methode wie ich sie verstanden habe:

Bedingungen:
1.774 Seiten
56.000 Wörter
Pro Seite also ca. 30 Wörter

Methode:
Eine 1000er-Route oder 100er-Route, welche mehrmals benutzt wird.
Beispiel mit Major:
S. 683 = Schwimmen ≈ Swimmingpool
S. 1683 = Schwimmen ≈ Schwimmbad

Nun werden die 30 Wörter von S. 683 um/am/im Swimmingpool verstaut.

Fraglich ist für mich wie er dabei die Reihenfolge der Wörter innerhalb des Routenpunktes sich merken kann.

Vielleicht benutzt er eine feste 30er-Garderobe für alle Routenpunkte.
Beispielsweise örtlich: 1. Am Eingang (des Routenpunktes), 2. linke Ecke unten, 3. linke Ecke oben, etc.
Oder mit Personen: 01. Saddam, 02. Sindbad, etc.
Mit interagierenden Personen ließe sich auch ein Scheinklumpen erzeugen.

Weiterhin scheint er die korrekte Schreibweise zu beherrschen, darüber wird jedoch, glaube ich, nichts im Video gesagt.

Der Vorteil, den ich bei dieser Methode meine erkennen zu können, ist eben jener von Wörterbüchern. Nämlich, dass man beim Nachschlagen nicht nur ein einziges Wort findet (wie bei elektronischen Wörterbücher oft der Fall), sondern eine ganze Seite vor sich hat und auch die Wörter davor und dahinter kurz anschaut.
Erlkoenig
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Beitrag von Erlkoenig »

@Hugin und Munin: Vielen Dank für Deine informative Antwort!
Hugin und Munin hat geschrieben:Mit interagierenden Personen ließe sich auch ein Scheinklumpen erzeugen.
Von Scheinklumpen hatte ich bis jetzt noch nicht gehört. Ich habe dazu einige Beiträge im Forum gefunden, die ich eingehender lesen werde.
Hugin und Munin hat geschrieben:Weiterhin scheint er die korrekte Schreibweise zu beherrschen, darüber wird jedoch, glaube ich, nichts im Video gesagt.
Das sehe ich nicht so problematisch. Wenn ich ein Wort gelernt habe, dann kann ich es i.d.R. auch korrekt schreiben.

Der gute Doktor hat aber anscheinend die IPA-Umschrift nicht mitgelernt, weil er einige der Wörter mit falscher Betonung und/oder leicht falsch ausgesprochen hat, was seine Leistung natürlich in keinster Weise schmälert.
Hugin und Munin hat geschrieben:Der Vorteil, den ich bei dieser Methode meine erkennen zu können, ist eben jener von Wörterbüchern. ämlich, dass man beim Nachschlagen nicht nur ein einziges Wort findet (wie bei elektronischen Wörterbücher oft der Fall), sondern eine ganze Seite vor sich hat und auch die Wörter davor und dahinter kurz anschaut.
Das sehe ich auch so. Deshalb finde ich seine Methode so faszinierend.
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Ulrich Voigt
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Re:

Beitrag von Ulrich Voigt »

Hugin und Munin hat geschrieben:Der Vorteil [...] ist eben jener von Wörterbüchern. [...] dass man beim Nachschlagen nicht nur ein einziges Wort findet [...], sondern eine ganze Seite vor sich hat und auch die Wörter davor und dahinter kurz anschaut.
Welchen Nutzen hat man denn davon, die Wörter "davor" und "dahinter" jeweils mit aufzuschlagen? Im Wörterbuch sind die Einträge nach dem Alphabet geordnet, was hinsichtlich des Wortverständnisses nicht viel besser ist als eine Zufallsreihenfolge.
Ich halte die Aufgabe, ein Wörterbuch "Seite für Seite" zu memorieren, für verfehlt. Sie ist nicht am Sprachverständnis orientiert, sondern daran, Eindruck zu machen. Wenn es nur hierum ginge, fände ich sie auch nicht mehr so dumm, sondern ausgesprochen elegant.
FrASo
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Re: Dr Yip Swee Chooi - Wörterbuchmethode - Fragen

Beitrag von FrASo »

Vokabeln dürften in den meisten Sprachen tatsächlich besser etymologisch zu merken sein. Besonders gut klappt das bei Latein. Denn dazu gab es einst entsprechende Wortkunden, z.B. Habenstein, Lateinische Wortkunde, Stuttgart 1948. Heutige Vokabelsammlungen verlassen sich zumeist auf die Statistik von Grund- und Aufbauwortschatz, welche seit einiger Zeit nach Themen geordnet sind und, wenn überhaupt, nur schlecht nach Wortverwandtschaft gelernt werden können. Beim Klettverlag ist zumindest der Grundwortschatz nach der Wortverwandtschaft geordnet. (Die Beispiele nehme ich aus den genannten Werken. Der Grund- und Aufbauwortschatz Latein von Klett ist der 'Nachfolger' der Habensteinschen Wortkunde und schon Habenstein berücksichtigte auch die Häufigkeit für die Auswahl der Vokabeln.)

Was ist gemeint? Im Lateinischen heißt z.B.

os, oris n Mund, Gesicht

osculare küssen

os Tiberis Tibermündung
ostium Mündung, Eingang
Ostia Hafen an der Tibermündung
ora, orae f Küste

coram (von 'co-ore'; etwa: 'zusammen bezüglich des Gesichts') vor jemandes/aller Augen, persönlich

Schon dies wird man einfacher lernen können, als eine Liste aus den Lexika. Hinzu kommt das Wissen um die Wortbildungslehre:

Zuerst helfen schon - wie im Deutschen - Vorsilben ('Bestimmungsvorsilben') weiter:

(für folgendes Beispiel: com/co/col/con/cor-zusammen oder bloße Verstärkungsvorsilbe; de-ab, weg, herab; ex-aus, heraus; in/im- hinein/ein/herauf; pro hervor/vor/fort/für; nach Habenstein sind es 24 Silben)

ponere, posui, positum setzen, stellen, legen
componere zusammensetzen, ordnen, abfassen
deponere niederlegen
exponere heraussetzen, auseinandersetzen, darstellen
imponere einsetzen, auferlegen
proponere vorlegen, vorschlagen, in Aussicht stellen

(Dabei sollte man natürlich gleich auch die Redewendungen lernen, hier z.B. in casu positum esse auf Zufall beruhen oder sibi proponere sich etwas vorlegen.)

Auch Suffixe haben ihre Bedeutung:

-scere Bezeichnet ein Tätigkeitswort des Beginns einer Handlung/eines Vorgangs, z.B.:
senex, senis alt, Greis
senescere alt werden

Natürlich können Wörter auch zusammengesetzt werden:
iudex, iudicis Richter entspricht einem deutschen Rechtssprecher (ius, iuris - Recht, dicere - sprechen)


Natürlich muss man es sich merken, wenn die Bedeutung von der eigentlich zu erwartenden Bedeutung abweicht.
Habensteins Wortkunde bietet auch Übungen mit dem Ziel, aus einer unbekannten Vokabel eine begründete Vermutung zu deren Bedeutung abzuleiten. Der Mnemotechniker hat auch mit ihm seine Mühe, da die weniger gebräuchlichen Vokabeln, die wir heute als Aufbauwortschatz betrachten würden, im alphabetischen Hauptteil nicht wiederholt werden. Zum einen hoffte man, diese nicht mehr auswendig lernen zu müssen, zum anderen sind sie nach den Bildungsmechanismen eingeordnet, so dass man selbst leicht zuordnen kann. Zur Not hilft der Index. (Das Prinzip ähnliche Vokabeln zusammen zu lernen ist noch nicht so alt.)
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Ulrich Voigt
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Re: Dr Yip Swee Chooi - Wörterbuchmethode - Fragen

Beitrag von Ulrich Voigt »

FrASo hat geschrieben:os osculare ostium Ostia ora coram
Ist es doch offensichtlich, dass man nicht alle Wörter einzeln lernen muss, sondern viele verstehend mit auffassen kann!
Ich würde bei einem Lernprogramm nur das eine Wort os aufnehmen und die übrigen gleichsam als Fußnote mitlaufen lassen.
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Ulrich Voigt
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Re: Dr Yip Swee Chooi - Wörterbuchmethode - Fragen

Beitrag von Ulrich Voigt »

FrASo hat geschrieben:Heutige Vokabelsammlungen verlassen sich zumeist auf die Statistik von Grund- und Aufbauwortschatz, welche seit einiger Zeit nach Themen geordnet sind und, wenn überhaupt, nur schlecht nach Wortverwandtschaft gelernt werden können. Beim Klettverlag ist zumindest der Grundwortschatz nach der Wortverwandtschaft geordnet. (Die Beispiele nehme ich aus den genannten Werken. Der Grund- und Aufbauwortschatz Latein von Klett ist der 'Nachfolger' der Habensteinschen Wortkunde und schon Habenstein berücksichtigte auch die Häufigkeit für die Auswahl der Vokabeln.)
Diese etablierten Systeme zum Vokabellernen haben meines Erachtens zwei grundsätzliche Schwächen. Sie nehmen Etymologie nicht ernst (a) und sie kennen keine Mnemotechnik (b).
(a) bedeutet, dass das gesamte Unternehmen auf die sog. praktische Sprachbeherrschung abzielt und auf tieferes Verständnis verzichtet. Es ist aber nicht dasselbe, ob ich das Wort Kartoffel kenne oder ob ich zugleich weiß, wie es mit dem Wort Trüffel verwandt ist. Otto von Bismarck (1890): "Sprachkenntnisse, wie auch Oberkellner sie besitzen ..."
(b) Es handelt sich nicht nur um Unkenntnis, sondern um Unwillen, kurz, um den Hochmut der Ungebildeten.

Auf der anderen Seite bieten die Mnemotechniker heutzutage kaum mehr als eben die vielgelobte keyword-Methode, die nur dazu dient, dass man sich einzelne Wörter schnell einprägen kann und die hinsichtlich (a) ebenfalls auf dem untersten level angesiedelt ist.
Das hauptsächliche Problem bei der Aneignung eines Wortschatzes ist aber ein ganz anderes, nämlich die Wiederholung und Verankerung einer großen Anzahl von Wörtern. Hier sind die einfachen Fäden und Ketten und Garderoben der Mnemotechniker durchaus nicht besonders hilfreich, denn sie werden durch die Länge zu schwer. Die Einteilung in Themengebiete in den Lehrbüchern ist sicher hilfreich, aber zum Lernen zu trocken.

Die erfolgversprechende Methode findet man meines Erachtens bei Johannes Buno (1617 - 1697): Klumpen, durch die sich eine lockere Geschichte hindurchzieht. Die Geschichte nimmt man im Fluge auf, ihre Bestandteile (die "Vokabeln") können in ihrer Reihenfolge variieren, es können welche weggenommen werden und auch immer beliebig viele neue hinzugefügt werden. In Esels Welt S. 164 f. findet man mit der "Geschichte vom Rebhuhn" dazu ein Musterbeispiel.

Der Grund dafür, dass die Ordnung nach Themen nicht greift, ist der, dass sich mit gleichförmigem Material keine guten Geschichten bilden lassen. Die beiden 100-Garderoben, mit denen ich in Das Jahr im Kopf die Mnemotechnik der Kalender bestreite, sind absichtlich inhomogen zusammengesetzt; ohne weiteres tragen sie mnemotechnische Geschichten über 100 Seiten. Geschichten für Vokabeln zu finden, ist im Vergleich dazu einfach, denn man muss ja auf keine mathematischen Zusammenhänge achten, sondern höchstens auf grammatikalische.
FrASo
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Re: Dr Yip Swee Chooi - Wörterbuchmethode - Fragen

Beitrag von FrASo »

Eine Mnemotechnik des Vokabellernens hätte das Problem, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt der lernende individuell seine Vokabeln auswählt. Daher gehört auch eine geeignete Vorauswahl zu einem solchen Werk. Als Beispiel bleibe ich bei Latein.

Zum Einen sind da natürlich die besonders häufigen Vokabeln, wie sie die Grund- und Aufbauwortschätze ja darbieten. Unikurse bieten meist nicht einmal mehr den Aufbauwortschatz. Jedenfalls nach Angabe von ein paar auf 3 Semester ausgelegten Lehrwerken. Wie da die Latinumsprüfung zeitlich zu schaffen sein soll, bleibt mir rätselhaft.

Hinzu sollte man meiner Meinung nach noch kulturell besonders wichtige Vokabeln nehmen, die z.B. im Lateinischen heute meist weggelassen werde. (z.B. ecclesia - Gemeinde, Kirche)
Zur Motivation sind dann noch einige die Phantasie anregende Vokabeln wie rosa - Rose oder das oben in meinem letzten Post erwähnte osculare nützlich.
Zwar ist es unsinnig Latein für Verkaufsgespräche zu üben, aber ein paar Begriffe und Redewendungen auch in der Richtung Deutsch-Latein zu beherrschen, um einem Gelehrten/Geistlichen/Arzt einen Notfall klar machen zu können, mag mehr als nur ein paar Schüler interessieren. (Ich habe selbst einmal bei einem Notfall mitten in Deutschland zwischen einem Jugoslawischen Arzt und zwei Patienten Lateinisch radebrechend vermitteln müssen, weshalb man mir diese Forderung nachsehen mag.)

Schließlich mögen noch die ein oder anderen Stammwörter oder Stammsilben, von denen die anderen Worte abgeleitet werden, in der Aufzählung fehlen.

Die Aufgabe wäre also einen solcherart zustande gekommenen Wortschatz, vielleicht 3000-3500 Wörter (Klett bietet einen Wortschatz von 2700 Wörtern) einfach merkbar zu machen und Mechanismen zur leichten Erweiterung zu bieten. Hierzu ist die Etymologie mit der Wortbildungslehre, wie oben schon gesagt m.E. der entscheidende Schlüssel.

Schauen wir auf die Stammwörter. Habensteins Wortkunde führt 761 Stammwörter auf, der Klett-Grundwortschatz 488. Diese Zahlen lassen die Aufgabe schon weniger groß erscheinen.

Bezüglich der Methode gebe ich Ihnen im Prinzip Recht, Herr Voigt. Allerdings braucht es noch einen Mechanismus, die Ableitungen aufzuführen. Mag es bei Latein genügen, die Vokabeln mit unerwarteten Bedeutungen festzuhalten, müssen in anderen Sprachen die Vokabeln auch von der deutschen Sprache her zugänglich sein, weshalb diese Inhalte nicht ganz beiseite gelassen werden können. Und so braucht man einen Mechanismus, der einen davon abhält, nicht vorkommende Ableitungen zu produzieren. Dies ist mir durchaus ein paar mal passiert. Will man Latein, wie die meisten, nur lesen, ist dies eigentlich kein Problem.

An dieser Stelle muss ich zugeben, dass ich mir seit einiger Zeit Geschichten zu Lateinischen Wortfamilien ausdenke. Zur Zeit habe ich das Problem, diese nicht verbunden zu haben, sondern sie teilweise sogar bei Nachhilfestunden spontan erdacht zu haben, jedenfalls in 2 oder 3 Fällen. Mein Augenmerk dabei liegt allerdings auf einem 'Fundament'-Wortschatz, wie er oben skizziert wird und nicht auf einem ganzen Wörterbuch.

Die weitere Herausforderung besteht ja darin, dass System für den Rest des Wörterbuchs, um das es hier im Thread ja geht, offen zu lassen. Oben habe ich ja nur von 3.000-3.500 der 40.000 Vokabeln gängiger Lateinlexika gesprochen. Hier sind natürlich Fremdwörter, seltenere Stammwörter und die aufgeblähte Bedeutungswiedergabe eines Wörterbuchs zu berücksichtigen.

Da ich zu einem Termin muss, muss ich leider den Abschnitt zu den Ableitungen später hinzufügen.
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Ulrich Voigt
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Re: Dr Yip Swee Chooi - Wörterbuchmethode - Fragen

Beitrag von Ulrich Voigt »

FrASo hat geschrieben:An dieser Stelle muss ich zugeben, dass ich mir seit einiger Zeit Geschichten zu Lateinischen Wortfamilien ausdenke.
Johannes Buno, Lateinische Grammatica In Fabeln und Bildern, Danzig 1651, ist das weithin unbekannte Meisterwerk, von dem man meines Erachtens ausgehen muss.
Das 19. Jahrhundert hat diesen Ansatz verlacht (Kant an erster Stelle!) und durchs Pauken ersetzt.
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Re: Dr Yip Swee Chooi - Wörterbuchmethode - Fragen

Beitrag von Klaus Horsten »

Noch ein unbekanntes Werk:

Johanne Rauen:
Kurtzer Bericht/ Welcher massen die von M. Johanne Bunone angelegte Grammatica, Damit Er in Fabeln und Mährlein die Regulas und Exempla der Jugend innerhalb 2 Monathen mit grosser Lust/ vollkömmlich/ und auch zugleich fest einbilden kan/ Recht und wol gegründet sey / Allen/ so der zarten und höchstgeliebten Jugendt Bestes gern befordert sehen/ zu guter Information wohlmeinend auffgesetzet von Johanne Rauen

Gibt es in der Wolfenbütteler Digitale Bibliothek (WDB) zu lesen:
http://diglib.hab.de/drucke/ko-288/start.htm
Lässt sich auch herunterladen: auf "Download" rechts oben klicken.
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Ulrich Voigt
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Re: Dr Yip Swee Chooi - Wörterbuchmethode - Fragen

Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben:http://diglib.hab.de/drucke/ko-288/start.htm
Danke! Faszinierend!!
Sekundärliteratur gibt es wenig, denn die Mnemotechniker des 19. und 20. Jahrhunderts kümmerten sich - von mir einmal abgesehen - überhaupt nicht um Buno.
Lesenswert ist aber Barbara Kuhn, Gedächtniskunst im Unterricht, München1993
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Re: Dr Yip Swee Chooi - Wörterbuchmethode - Fragen

Beitrag von Klaus Horsten »

Ulrich Voigt hat geschrieben:Sekundärliteratur
Bitte beachten: Das Buch ist vor der Grammatik erschienen.
Rauen veröffentlicht es 1649. Es ist eine Apologie, eine Verteidigungsschrift.
Bunos "Neue Lateinische Grammatica" erscheint 1651. Es ist ein avantgardistisches Buch.
Die Rechtfertigung erscheint vorher.

"Kurtzer Bericht/ Welcher massen die von M. Johanne Bunone angelegte Grammatica" - "angelegt" = im Entwurf, noch nicht veröffentlichte
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Ulrich Voigt
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Re: Dr Yip Swee Chooi - Wörterbuchmethode - Fragen

Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben:Bitte beachten: Das Buch ist vor der Grammatik erschienen.
Man kann davon ausgehen, dass Buno in dem Buch sozusagen mit den Mund seines Freundes und Kollegen spricht.
Stefan Rieger, Speichern/Merken. Die künstlichen Intelligenzen des Barock, München 1997, S. 262 schreibt verächtlich über Raue:
"Was den Gedächtniskünstlern bleibt, sind Werbestrategien und Mogelargumente. Ein Buno-Apologet namens Johann Raue versucht, Buno gar vor der Zugehörigkeit zu den verfehmten Mnemotechnikern zu schützen und liefert dazu eine wundersame Apologie seiner Grammatik.
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Re: Dr Yip Swee Chooi - Wörterbuchmethode - Fragen

Beitrag von Ulrich Voigt »

Ulrich Voigt hat geschrieben:Man kann davon ausgehen, dass Buno in dem Buch sozusagen mit den Mund seines Freundes und Kollegen spricht.
Johann Raue (1610 - 1679) und Johann Buno (1617 - 1697) waren zu der Zeit Kollegen in Danzig.

Johann Raue (auch: Ravius; * 1610 in Berlin; † November 1679) war der erste Bibliothekar der „churfürstlichen Bibliothek zu Cölln an der Spree“, der späteren Staatsbibliothek zu Berlin; Professor am Joachimsthalschen Gymnasium in Berlin und Schulinspektor der Mark Brandenburg.
Er begann seine Laufbahn 1629 als Student in Wittenberg, später ging er als Professor nach Erfurt und Rostock, wo er den lateinischen und theologischen Unterricht zu reformieren versuchte. Vor den darauf folgenden Anfeindungen floh er 1639 an die dänische Ritterakademie Sorö. 1645 besuchte er Jan Amos Comenius in Elbing und wurde bald darauf Professor in Danzig. Doch auch hier führten seine Reformbestrebungen zur Feindschaft der Traditionalisten und so folgte er 1654 der Berufung des Großen Kurfürsten nach Berlin, der ihn 1658 zum kurfürstlichen Bibliothekar bestellte. 1661 wurde die von Raue geleitete Bibliothek der öffentlichen Benutzung zugänglich. 1668 verfasste er „den ersten ‚Catalogus Manuscriptorum‘, worin die Handschriften in der Reihenfolge ihrer Aufstellung (‚Repositorien‘) beschrieben wurden.“ Wikipedia
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Re: Dr Yip Swee Chooi - Wörterbuchmethode - Fragen

Beitrag von Klaus Horsten »

Was ich nicht verstehe, ist, dass Raue in der Schrift Buno gegen Comenius zu verteidigen scheint, obwohl doch Comenius im gleichen Sinn zu agieren scheint, wenn auch mit anderen Mitteln (Orbis sensualium pictus (1658, Nürnberg) – sein Bilderbuch für den Sprachunterricht http://de.wikipedia.org/wiki/Orbis_sensualium_pictus).
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Ulrich Voigt
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Re: Dr Yip Swee Chooi - Wörterbuchmethode - Fragen

Beitrag von Ulrich Voigt »

Ulrich Voigt hat geschrieben:Man kann davon ausgehen, dass Buno in dem Buch sozusagen mit den Mund seines Freundes und Kollegen spricht.
Allerdings hegte Raue eine gewisse, an Comenius orientierte, Skepsis gegenüber Mnemotechnik. Wenn er aber versuchte, Bunos Grammatik als Nicht-Mnemotechnik zu verorten
- (Johann Raue, Kurzer Bericht etc., Danzig 1649, S. 39 f.: Gedachte Fabular=und BilderGrammatik richtet sich durchaus nicht auf die Imagines Artis Mnemonicæ, sive Memoriæ illius Localis, quae Artificialis propriè dicitur, nach demmahl sie nicht per fictas ab ipso puero aut sic fingendas Imagines, loca Locorumque Dispositiponem lehret die Knaben Imagines machen / oder sich einbilden / da keine sind; sondern gleich wie Sie das Subjectum, de quo agitur, als eine gewisse Anzahl der Nominum oder Verborum alsobald selbst angreifet und die gantze Fabulam ex Nominibus aut Verbis quidem istis Contextam, pro Materia substrata, so wie dieselbe lautet, immediatè durch einen Holtz=oder Kupferstich repræsentieret / also ist zugleich hell und Sonnenklar / daß gedachte Fabular=Grammatik sich mitnichten in der Mnemonicæ, sondern in der Historiæ formâ propriâ , als in Narratione per Circumstantias, eigentlich fundiere.) -,
so geht es nicht, wie Stefan Rieger (1997) meinte, darum, Buno von dem Verdacht zu befreien, er sei einer dieser dummen Mnemotechniker, sondern darum, einen grundlegenden Unterschied zwischen dieser Art von Fabulier-Grammatik und der Ars Mnemonicæ, wie sie seit den Tagen Ciceros bekannt ist, festzustellen.
Dieser Unterschied besteht darin, dass Buno hier die lateinischen Wörter nimmt, wie sie sind, sie von ihrem Inhalt her anschaulich macht und dann in eine übergreifende Phantasie hineinbringt. Die Ars Mnemonicæ im engeren Sinne würde, z.B. mit der keyword Methode, die einzelnen Wörter angehen.
Die keywort Methode war Buno andererseits eines seiner liebsten Werkzeuge. Hier ein öfter zitiertes Beispiel:
Um sich die Namen der drei Söhne Noahs zu merken (Sem, Cham, Japhet), stelle man sich Sem vor "mit den Semmeln", Cham "hat einen Kamm", Japhet "ist ja fett und dicke". Das ist aber nicht der Weg seiner Fabular=Grammatik.
Rieger studierte diese Dinge als ein Historiker, der gewissermaßen von außen durchs Fenster hineinschaut in die Stube, so konnte er solche Unterschiede nicht ernst nehmen.
Ich jedoch befinde mich schon lange mitten in der Wohnstube, in der ich gewissermaßen zu Hause bin. Sogar arbeite ich "auf den Spuren Bunos", aber nicht fürs Lateinische, sondern fürs Chinesische. Eine Transformation des Chinesischen Zeichenlexikons in Phantasie mittels entsprechender Definitionen (unter Einschluss der keywort Methode auf der Grundlage von entsprechenden Schlüsselwörtern für die 410 chines. Laute), die ich immerhin teilweise fertig vor mir habe, ist die eine Sache. Sie würde dazu führen, dass man die chines. Schriftzeichen einzeln kennt.
Gerade jetzt arbeite ich aber an einem neuen System nach dem Vorbild der "Grammatik", in der die Zeichen, bereits vielfältig in Wörter verpackt und natürlich auch hinreichend analysiert, im übrigen aber auf ganz normale Weise gelernt, in den Rahmen einer Fabula gestellt sind, die es erlaubt, sie stets nach Belieben zu wiederholen. Es geht also nicht einfach nur um Kenntnis der einzelnen Zeichen, sondern um Spracherwerb, nicht um reine Mnemotechnik, sondern um mnemotechnisch inspirierte Didaktik. Johann Raue beschreibt den Unterschied in dem obigen Zitat recht genau.
Zuletzt geändert von Ulrich Voigt am Mo 16. Dez 2013, 23:05, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Dr Yip Swee Chooi - Wörterbuchmethode - Fragen

Beitrag von Ulrich Voigt »

Klaus Horsten hat geschrieben:obwohl doch Comenius im gleichen Sinn zu agieren scheint
Comenius und Buno waren antagonistische Geistesbrüder. Beide präsentierten explizite Bilder zu den Lerninhalten, beide wendeten sich an Kinder, beide waren liebevolle Pädagogen.
Die Bilder des Comenius sind Bilder von Realien, für das Wort "Löwe" zeichnete er einen Löwen.
Die Bilder Bunos sind Bilder von mnemotechnischen Zweckphantasien, für Japhet, den dritten Sohn Noahs, zeichnete er einen fetten Knaben.
Buno hatte zwar zu Lebzeiten durchaus Erfolg (als Direktor des Gymnasiums in Lüneburg), sein Ansatz ging aber in der Folge unter, während der Ansatz des Comenius bis zur Entwicklung der Fotografie gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine beherrschende Stelle in der europäischen Pädagogik einnahm.
Heute gilt allgemein Comenius als wegweisende Gestalt der Pädagogik, Buno dagegen als verrückter Spinner.
Klaus Horsten
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Re: Dr Yip Swee Chooi - Wörterbuchmethode - Fragen

Beitrag von Klaus Horsten »

Gedachte Fabular=und BilderGrammatik richtet sich durchaus nicht auf die Imagines Artis Mnemonicæ, sive Memoriæ illius Localis,
...
daß gedachte Fabular=Grammatik sich mitnichten in der Mnemonicæ, sondern in der Historiæ formâ propriâ , als in Narratione per Circumstantias, eigentlich fundiere.
Ich glaube, dass Raue hier in einem gewissen Sinn richtig/konsequent denkt. Das erschließt sich einem erst dann, wenn man in dem Schubladen-System der alten Rhetorik denkt.

Da waren die Loci/Imagines in der Memoria (1.inventio, 2.disposition, 3.elocutio, 4. memoria, 5. actio. = Heute: 1. Stoffsammlung, 2. Anordnung der Argumente nach ihrem Gewicht, 3. in Worte fassen, 4. auswendig lernen, 5. vortragen).

Das Erstellen von Geschichten (narratio, fabula (Äsops Fabeln, auf die sich Raue so oft bezieht), griech. mythos) war aber nicht in der Memoria-Schublade. Also mussten die mnemonischen Geschichten dort sein, wo mythos, narratio, fabula sind - woanders; dort passten sie aber auch nicht so recht hin.

Ein Problem der Klassikation. Raue stand vor dem Problem, etwas zu klassifizieren, was er in dem alten Apotheker-Schrank nirgends unterbringen konnte. Er hätte ein neues Fach für die Schublade "memoria" zimmern müssen.

Kurz: Da war etwas, was in die alte Klassifikation nicht mehr hineinpasste.
FrASo
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Re: Dr Yip Swee Chooi - Wörterbuchmethode - Fragen

Beitrag von FrASo »

Ulrich Voigt hat geschrieben:Johannes Buno, Lateinische Grammatica In Fabeln und Bildern, Danzig 1651, ist das weithin unbekannte Meisterwerk, von dem man meines Erachtens ausgehen muss.
Das 19. Jahrhundert hat diesen Ansatz verlacht (Kant an erster Stelle!) und durchs Pauken ersetzt.
Dem widerspreche ich nicht. Allerdings ist es mir bisher nicht gelungen ein Exemplar oder ein Digitalisat aufzutreiben.
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