Der Placeboeffekt im Bildungsprozess

Alles was Lerntechniken und Lernstrategien betrifft, insbesondere aber nicht ausschließlich gehören hier auch die Anwendungen von Mnemotechnik herein.
Wie kann ich am besten für Prüfungen lernen, wie merke ich mir Namen, wie lerne ich Zahlen oder Formeln etc.

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Horkas
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Der Placeboeffekt im Bildungsprozess

Beitrag von Horkas »

Gemeinhin wird heute unter einem Placebo ein Scheinmedikament verstanden, das in der pharmakologischen Forschung zu Versuchszwecken verwendet wird, um die Wirksamkeit des echten Medikaments zu beweisen. Doch von seinem theologischen Ursprung her (lat. Placebo = ich werde gefallen) ist der Begriff viel breiter angelegt. Wenn man die Wirkung für sich nimmt, also den Effekt des Scheinmedikamentes, stellt sich die Frage, was es denn ist, das da wirkt. Entweder sind es die ohnehin immer wirksamen Selbstheilungskräfte des Organismus oder es ist der Glaube an die Wirksamkeit, der den Effekt hervorruft. Dieter E. Zimmer schrieb in einem Artikel in der ZEIT 1998 unter anderem: „‘Hoffnung heilt‘ – es ist wie aus einem billigen Trostbuch. Wie kann etwas wirken, was dann keinerlei Wirkung hat, wenn man es aus bloßem Zufall schluckt, ohne zu wissen, dass man gerade ein Medikament zu sich nimmt? Das Placebo scheint sich über alle Kausalität hinwegzusetzen. Es ist, als funktionierte die Levitation doch, als bewegte der Geist die Materie– ein ständiger Juckreiz an der Schläfe der Medizin, der Psychologie, der Philosophie, eine Provokation, die an letzte Fragen rührt. Das Wunder jedoch ist nur eines, solange man an dem tiefverwurzelten Dualismus festhält, der uns in Körper und Seele spaltet. Die Biowissenschaften lehren uns heute etwas anderes: dass Seele, Geist, Bewusstsein spezielle Gehirnfunktionen sind und ihre materiellen Substrate haben. Das Geistorgan, das nur einen kleinen Teil seiner Tätigkeit dem Bewusstsein zugänglich macht, ist gleichzeitig damit befasst, zahllose Körpervorgänge zu steuern. Auch ‚Hoffnung‘ hat ihre neurophysiologische Signatur im Gehirn.“ Der nachlesenswerte Artikel ist im ZEIT-Archiv zu finden: http://www.d-e-zimmer.de/PDF/1998placebo.pdf

Tatsächlich wirkt der Placeboeffekt nicht nur bei der Heilung von Krankheiten, sondern auch im Lerngeschehen. Im Juni 2012 erscheint das Buch „Der pädagogische Placebo-Effekt- Essays über die ‚Wirksamkeit‘ von Erziehung“ des Würzburger Pädagogikprofessors Winfried Böhm. Ich bin gespannt, was der renommierte Pädagoge der Fachwelt da unterbreiten wird. Man braucht aber nicht so lange zu warten, um Belege dafür zu erhalten, wie der Placeboeffekt im Bildungs- und Erziehungsgeschehen wirkt. Im Jahr 2008 zählte das Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasium zu den fünf Trägern des Deutschen Schulpreises, dessen Schulleiter für seinen pädagogischen Leitspruch bekannt wurde, mit dem er seit Jahren die neuen Fünftklässler seiner Schule begrüßte: „Alle erreichen das Ziel!“ Das Erstaunliche ist, dass diese Schule es mit Vertrauen in die Lernbereitschaft und –fähigkeit ihrer Schüler, aber auch mit ständiger Beobachtung der individuellen Lernfortschritte und frühzeitiger Intervention und Förderung bei auftretenden Problemen geschafft hat, die Schulversagerquote gegen Null zu fahren. Das heißt: Keine Sitzenbleiber mehr! Eine überaus segensreiche, Leid und Kosten sparende Placebowirkung! Es gibt zahllose Lehrer aller Schularten im Land, die bei der stillen täglichen Arbeit mit ihren Schülern ähnliche Erfahrungen gemacht haben, die den Satz Zimmers bestätigen: „Auch ‚Hoffnung‘ hat ihre neurophysiologische Signatur im Gehirn.“

An all den Schulen, an denen das Prinzip Hoffnung und der Glaube an die Leistungsbereitschaft lebendig sind, spielt heute die Förderung der Eigenverantwortung für den Lernfortschritt der Schüler eine wichtige Rolle. Freies Lernen, aktive Arbeit am eigenen Lernfortschritt und Methodentraining aller Lernenden sind dabei in fortschreitender Entwicklung begriffen. In Baden-Württemberg sind gerade von der neuen Grün-Roten Landesregierung 34 Schulen zum Mitmachen am Aufbau der neuen Gemeinschaftsschulen eingeladen worden. Bei allen ist die Bereitschaft zur Arbeit mit diesen Prinzipien Voraussetzung. Aber die Entwicklung ist viel breiter und nicht auf diese wenigen Schulen beschränkt.

Ich denke, dass in diesem Entwicklungskonzept eines besonders wichtig werden könnte, das in unserem Board im Mittelpunkt steht, das mnemotechnische Lernen. Ich möchte alle Mitglieder und Gäste in diesem Forum ermuntern, mit ihren praktischen Erfahrungen zu dieser positiven Entwicklung beizutragen. Ich widme bewusst meinen 50. Beitrag im Forum diesem wichtigen Aspekt und hoffe auf eine lebhafte und konstruktive Diskussion zum pädagogischen Placeboeffekt.
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AndreasF
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Re: Der Placeboeffekt im Bildungsprozess

Beitrag von AndreasF »

Wow. Nachdem du die Diskussion in dem anderen Thread dem Himmel (sky) sei Dank selbst beendet hast, startest du die Diskussion hier neu. Der Placebo-Effekt scheint es dir ja richtig angetan zu haben. Es dauert wohl nicht lange und du schwärmst von morphogenetischen Feldern.

Du betreibst nicht zufällig eine Naturheilpraxis, oder?

SCNR ^^
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Horkas
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Re: Der Placeboeffekt im Bildungsprozess

Beitrag von Horkas »

AndreasF hat geschrieben:Du betreibst nicht zufällig eine Naturheilpraxis, oder?
Nein, keineswegs, ich bin nur für eine unvoreingenommene Betrachtung der Phänomene und scheue mich nicht, unkonventionelle Möglichkeiten auf den Prüfstand zu nehmen. Da habe ich selbst (als Lehrer und Schulleiter) einige überaus positive Erfahrungen sammeln können. Daher weiß ich auch, dass das, was ich angesprochen habe, nichts mit Kaffeesatzleserei zu tun hat. Du kannst ja zum Beispiel in Marbach beim Schillergymnasium nachfragen, liegt schließlich in deiner weiteren Umgebung und wirst vielleicht überrascht sein, was dort läuft. Kontrolle könnte Vertrauen schaffen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es den Placeboeffekt in der Pädagogik gibt und dass (und wie) man ihn sogar ein Stück weit befördern kann. Ich hoffe, dass sich hier der eine oder die andere findet, die das aus eigener Erfahrung bestätigen können. Ich würde mich freuen.
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AndreasF
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Re: Der Placeboeffekt im Bildungsprozess

Beitrag von AndreasF »

Horkas hat geschrieben:
AndreasF hat geschrieben:Du betreibst nicht zufällig eine Naturheilpraxis, oder?
Nein, keineswegs, ich bin nur für eine unvoreingenommene Betrachtung der Phänomene und scheue mich nicht, unkonventionelle Möglichkeiten auf den Prüfstand zu nehmen. Da habe ich selbst (als Lehrer und Schulleiter) einige überaus positive Erfahrungen sammeln können.
Wie sehen diese Erfahrungen aus?

Ich frage, weil ich grundsätzlich auch der Meinung bin, daß so viel wie irgend möglich wissenschaftlich untersucht werden sollte. Beim Thema "Placebo im Bildungs-/Lernprozess" fällt es mir allerdings schwer, mir eine plausible Arbeitshypothese vorzustellen. Bzw. einen Versuchsaufbau der Sinn macht.

Wie soll ich mir den Placebo-Effekt beim Lernen konkret vorstellen?
„Alle erreichen das Ziel!“ Das Erstaunliche ist, dass diese Schule es mit Vertrauen in die Lernbereitschaft und –fähigkeit ihrer Schüler, aber auch mit ständiger Beobachtung der individuellen Lernfortschritte und frühzeitiger Intervention und Förderung bei auftretenden Problemen geschafft hat, die Schulversagerquote gegen Null zu fahren. Das heißt: Keine Sitzenbleiber mehr! Eine überaus segensreiche, Leid und Kosten sparende Placebowirkung! Es gibt zahllose Lehrer aller Schularten im Land, die bei der stillen täglichen Arbeit mit ihren Schülern ähnliche Erfahrungen gemacht haben, die den Satz Zimmers bestätigen: „Auch ‚Hoffnung‘ hat ihre neurophysiologische Signatur im Gehirn.“
Ist nicht dein ernst, oder? Wenn das dein Begriff von "Placebo im Bildungsprozeß" ist, ist eigentlich jede Diskussion hier hinfällig. Die Erkenntnis ist nun wirklich trivial und ich bin sicher, dass diese beobachteten Effekte unter anderem Namen in den Sozialwissenschaften und in der Padagogik nicht nur in der neueren Zeit intensiv bearbeitet wurden.

Unter Placebo im Lern- und Bildungsprozess stelle ich mir ein "Buch unter dem Kopfkissen" vor oder soetwas wie "unbewußtes Lernen".
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DocTiger
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Re: Der Placeboeffekt im Bildungsprozess

Beitrag von DocTiger »

Sorry, Horkas, aber dein Post macht für mich wenig Sinn. Es klingt wie ein Flame, ich hab nur nicht verstanden wogegen. Wenn ich das richtig verstanden habe, geht es um die Wirkung guter Vorsätze, die Du uns hier als Plazeboeffekt verkaufst. Jedenfalls wären gute Vorsätze eine wesentlich einfachere und solidere Erklärung.
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Re: Der Placeboeffekt im Bildungsprozess

Beitrag von Horkas »

AndreasF hat geschrieben:
Wie sehen diese Erfahrungen aus?
Zwei Beispiele:
1. Manuela war in meinem Kurs für die schwächsten Rechtschreiber unserer 5 Parallelklassen der neu aufgenommen Schüler (5. Klasse). Sie litt unter einer ausgeprägten Versagensangst im Rechtschreiben, erhielt in Diktaten schon in der Grundschule nur Fünfen und Sechsen. Auch die anderen Kinder in meinem Kurs litten ähnlich, fürchteten sich vor jeder schriftlichen Leistungsüberprüfung. Ich übte mit den Kindern nicht nur die Rechtschreibung, sondern machte auch Entspannungsübungen wie Jacobsons Muskelentspannung u.a. Ich zeigte den Kindern auch, wie sie sich im größten Getümmel wie in der kleinen Pause vor einem Diktat mit einer einfachen Atemübung sammeln und selbst Mut machen können. Die Kinder wollten zuerst nicht glauben, dass das funktioniert und ich bat sie, die einfache Meditationsübung im Laufe der Woche in der Klassensituation auszuprobieren und nächstes Mal wieder zu berichten. Nach der zweiten Woche der kleinen Versuche wurde ich von den Kindern mit ungewöhnlichem Hallo empfangen: „Manuela hat eine Drei im Diktat!“, riefen sie durcheinander. Freudestrahlend berichtete das Kind selbst von seinem Erfolg. Auch andere Kinder erlebten offenbar ähnliche Erfolge der kleinen Übung. Zwei Jahre später berichtete mir die Klassen- und Deutschlehrerin: „Stellen Sie sich vor, die Manuela ist jetzt die Beste der Klasse in Deutsch.“ Sie machte am Ende der zehnten Klasse eine der jahrgangsbesten Abschlussprüfungen und besuchte anschließend das Wirtschaftsgymnasium.

Offenbar hat das Erfolgserlebnis bei Manuela (bisher) ungeahnte Kräfte frei- und eine positive Entwicklung eingesetzt. In der Suggestopädie (deren Methoden ich teilweise eingesetzt habe) spricht man von den Belief Systems, also von dem, was einer glaubt, dass er könne (oder auch nicht). Allgemein bekannt sein dürfte der Effekt der Selffulfilling Prophecy (Selbsterfüllende Prophezeiung).
Ich könnte mir vorstellen, dass sich der Effekt der kleinen Übung auch leicht in einem wissenschaftlichen Großversuch nachweisen ließe. Den genauen Übungsverlauf habe ich im Handbuch kreative Lernpraxis (2006) S. 69 beschrieben. Das Buch ist leider nicht mehr im Handel, wer sich dafür interessiert, erhält die Beschreibung von mir gerne per PN.

2. In einer zehnten Klasse hatte sich zum Halbjahr eine krisenhafte Situation entwickelt. Fast der Hälfte aller Schülerinnen und Schüler drohte das Scheitern. Besonders in Mathematik hagelte es mangelhaft. Es herrschte Krisenstimmung unter Schülern wie Lehrern der Klasse. Auch die Eltern waren ziemlich aufgebracht. Die Lehrer verständigten sich darauf, dass ab sofort niemand mehr vom Durchfallen spricht, dass das Wort Abschlussprüfung möglichst gar nicht oder höchstens im Zusammenhang mit der Organisation und niemals mit drohendem Unterton verwendet wird. Sie kamen überein, jeder Schülerin und jedem Schüler das Bestehen der Prüfung zuzutrauen und jede Hilfe zu bieten, die von den Schülern verlangt wird. Der Schulleiter verkündete den Schülern und Eltern in einer Klassenvollversammlung in Anwesenheit aller Lehrer der Klasse diese Auffassung der Lehrer und versicherte seinerseits, dass er fest daran glaube, alle können es schaffen. Allerdings erwarte er nun auch, dass sich ab sofort jeder und jede in der Klasse sich alle Mühe gibt, dieses Ziel zu erreichen. Und das kleine Wunder geschah: Am Ende bestanden tatsächlich alle die Abschlussprüfung.

Das sind zwei von vielen praktischen Erfahrungen. Andere Kollegen könnten wahrscheinlich ihrerseits weitere beitragen. Ich denke, es gibt diesen Effekt, mag man ihn so oder anders nennen! Diese Möglichkeiten sind nach meinem Wissen allerdings bisher zu wenig im Blick.

Ist nicht dein ernst, oder? Wenn das dein Begriff von "Placebo im Bildungsprozeß" ist, ist eigentlich jede Diskussion hier hinfällig. Die Erkenntnis ist nun wirklich trivial und ich bin sicher, dass diese beobachteten Effekte unter anderem Namen in den Sozialwissenschaften und in der Padagogik nicht nur in der neueren Zeit intensiv bearbeitet wurden.

Unter Placebo im Lern- und Bildungsprozess stelle ich mir ein "Buch unter dem Kopfkissen" vor oder soetwas wie "unbewußtes Lernen".
Also: Mein Ernst ist das schon. Ich schreibe ihn sogar groß. Ich denke auch, dass manches trivial daher kommt, das so trivial nicht sein kann, sonst würde manches wichtige und gute Wissen und Können eher zum Allgemeingut wie etwa die Mnemotechniken. Ich denke daher auch nicht, dass jede Diskussion darüber überflüssig wäre. Im übrigen bin ich gespannt darauf, was das erwähnte Buch dazu bringt.
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Re: Der Placeboeffekt im Bildungsprozess

Beitrag von DocTiger »

Ich sehe da keinen Plazeboeffekt. Es klingt teilweise, als ob du von der "Schule" des positiven Denkens gehört hast oder auch von NLP/Hpynose. Das was Du beschreibst ist, den Kindern eine Kontrolle über ihre Gefühle beizubringen. Wenn das gelingt, sehe ich nicht warum man diese Methode als Plazeboeffekt degradieren sollte.

Plazeboeffekt ist immer auch eine Art Beleidigung/Herabstufung der Maßnahme/Pille/Technik. Ich finde was Du beschreibst hat mehr mit der Kontrolle über Gefühle zu tun, mit Selbstbewusstsein und mit Vermeidung übermäßig ausgeprägten "negativen Motivationsstrategien" seitens der Lehrer. Manche lassen sich durch Drohungen motivieren, aber in einer Klasse von 30 oder mehr Schülern gibt es halt auch einen großen Teil bei dem das Gegenteil der fall ist. Ich kann mich erinnern, dass meiner Klasse damals gedroht wurde, sie aufzulösen, weil wir ungelogen drei Viertel aller Mitschüler im Laufe der Zeit verloren hatten. Einige Lehrer hatten sogar Spaß dran sich vor der Klasse über uns lustig zu machen. Ich glaube nicht, dass es einen großen positiven oder negativen Einfluss hatte, da wir die betreffenen Lehrer eh für bescheuert hielten in dieser Hinsicht ...

Dann ist da noch die Seite der Lehrer mit gutem Willen... sie vergeben ja Noten und gestalten zum größten Teil die Klausuren/Arbeiten und Tests. Es besteht eine nicht ganz geringe Gefahr, dass wenn man seitens der Schule eine große Motivationsaktion startet, sich die Bewertungsgrundlage etwas ändert, auch bei besten Bemühungen das nicht zu tun. Das ist aber auch kein Plazeboeffekt sondern schlicht eine verzerrte Wahrnehmung. Das dominante Schulsystem, also Benotung und Lehre in die Hände derselben Personen zu legen, hat eben diesen Nachteil der volatilen Bewertung. Es gibt aber auch keine vernünftigen Alternativen, die einwandfrei erwiesen sind.
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Re: Der Placeboeffekt im Bildungsprozess

Beitrag von Horkas »

DocTiger hat geschrieben: Plazeboeffekt ist immer auch eine Art Beleidigung/Herabstufung der Maßnahme/Pille/Technik.
Da haben wir's! :lol: Wir haben zwei völlig gegensätzliche Konnotationen zum Begriff des Placeboeffektes. Bei dir ist er grundsätzlich negativ, bei mir ist der Begriff positiv besetzt. Bei mir ist er ein Beleg für die positive Wirkung des guten Glaubens an die Wirksamkeit (der Heilkraft für die Gesundheit, des Vertrauens in die eigenen geistigen Kräfte), bei dir stört er die gute Wirkung eines Medikaments. Er ist für mein Verständnis in unterschiedlicher Weise positiv wirksam und hat immer mit dem guten Glauben zu tun.
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Re: Der Placeboeffekt im Bildungsprozess

Beitrag von Frederica »

Ist das nicht so etwas wie die Selbstwirksamkeitserwartung:
Ich erbringe eine höhere Leistung, wenn ich von meinem Erfolg überzeugt bin, als wenn ich gar keine oder Versagenserwartungen habe (Self-efficacy therory nach Bandura)?


Allgemein - unabhängig von der Bezeichnung -finde ich es schon wichtig, dass Schüler entdecken, dass sie etwas können und wie sie sich in wichtigen Situationen so konzentrieren können, dass sie ihre (best-) mögliche Leistung erbringen.
Und gerade auch bei Kindern, die Misserfolge erlebt haben und Überzeugungen daraus abgeleitet haben ("Diktate sind bei mir immer schlecht."/ "Mathe kann ich nicht/ Sobald ich Zahlen sehe, blokiere ich." etc.).

Einen Teil dieser Haltung kann sicher auch ein Lehrer vermitteln, der immer wieder solche kleinen Schritte zum Ziel durchgehe und einfach "ausstrahlt", dass er an den Erfolg seiner Schüler glaubt.

Diese Idee finde ich unabhängig vom Label auf jeden Fall wichtig.

LG
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Re: Der Placeboeffekt im Bildungsprozess

Beitrag von DocTiger »

Ja sorry, Horkas, aber vielleicht einigen wir uns auf die Bedeutung, die in der Medizin üblich ist und in Enzyklopädien steht? Ich glaube Deine spezielle Definition schadet nur jeder klaren Verständlichkeit. Das was Du beschreibst wird seit jahrzehnten unter Hypnose, NLP und allgemein Psychotherapie diskutiert...

Du kannst hoffen, dass einige Geisteswissenschaftler Plazebo nicht als negativ empfinden und vielleicht deiner Darstellung folgen, aber für alle Naturwissenschaftler wird es grundsätzlich gleichbedeutend mit Selbsttäuschung sein. Das was Du beschreibst ist aber keine Selbsttäuschung sondern ein echter Effekt auf eine recht logische Maßnahme. In jedem Falle empfinde ich deinen Plazebobegriff als völlig nutzlos, da andere Authoren/Forscher deine eigentliche Grundidee wesentlich klarer bezeichnen und behandeln.
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Re: Der Placeboeffekt im Bildungsprozess

Beitrag von Horkas »

Frederica hat geschrieben: Diese Idee finde ich unabhängig vom Label auf jeden Fall wichtig.
Danke, Frederica, das freut mich ungemein! Schließlich geht es um die Phänomene, die es zu ergründen und die Kräfte, die es für das Lernen zu nutzen gilt. Und es geht, ich wiederhole mich, nicht um Kaffeesatzleserei, sondern um sehr konkrete Vorgänge im Zusammenspiel zwischen hirnorganischen Funktionen und dem, was wir als positive und negative Emotionen erfahren, die wiederum das menschliche Verhalten steuern (auch wenn dem "Laien" da die letzten Einsichten in die Materie der Neurowissenschaften fehlen, kann er doch das Prinzip verstehen und nutzen). Wenn man das, was der "gute Glaube" oder das "Vertrauen in die eigenen Kräfte" ausmacht, mit dem Begriff Placeboeffekt bezeichnet, stiftet man daher - so denke ich - bei aufgeklärten Zeitgenossen keine Verwirrung. Es gibt schon immer eine Menge von Begriffen, die einmal so und ein anderes Mal anders benutzt werden. Wenn der Geflügelzüchter vom Hahn redet, meint er schließlich was anderes als der Installateur, um nur ein Beispiel zu nennen. Von der theologischen Wurzel des Begriffes her erscheint das nur logisch, ist der Zusammenhang einfach gegeben. Da hat eher die Pharmakalogie den Begriff in ihrer Deutungsmacht von seinem Ursprung entkoppelt, um nicht zu sagen, sie hat ihn missbraucht.
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Re: Der Placeboeffekt im Bildungsprozess

Beitrag von Horkas »

DocTiger hat geschrieben:Ja sorry, Horkas, aber vielleicht einigen wir uns auf die Bedeutung, die in der Medizin üblich ist und in Enzyklopädien steht? Ich glaube Deine spezielle Definition schadet nur jeder klaren Verständlichkeit. Das was Du beschreibst wird seit jahrzehnten unter Hypnose, NLP und allgemein Psychotherapie diskutiert...
Ja, das ist mir wohl bekannt. Gerade deswegen komme ich auf die Idee, dafür die zusammenfassende Bezeichnung Placeboeffekt zu verwenden. Ich bin wirklich sehr gespannt auf das, was der Würzburger Pädagogikprofessor Winfried Böhm in seinem Buch „Der pädagogische Placebo-Effekt- Essays über die ‚Wirksamkeit‘ von Erziehung“ zum Thema zu sagen hat. Ich bin mir fast sicher, dass er dabei die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse mit im Blick haben wird. Der Begriff ist also auch ohne mein Zutun schon in der Welt. Ich denke, dass das zur rechten Zeit auch bei Wikipedia und in anderen Kompendien seinen Niederschlag finden wird. Der Fortschritt ist vielleicht eine Schnecke, aber es gibt ihn und nicht nur in der reinen Naturwissenschaft. Schaun wir mal!
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Re: Der Placeboeffekt im Bildungsprozess

Beitrag von DocTiger »

Das mit der theologischen Wurzel hab ich nicht verstanden. Was bitte hat die Definition des Plazebos mit Gott zu tun?

Ich empfinde die ganze Diskussion quatsch, denn eigentlich geht es Dir doch nur darum, Strategien, die bereits bestens beschrieben und benannt wurden, mit einem Begriff zu überschreiben, der eine völlig andere, etablierte Bedeutung hat. Für mich macht es einen riesigen Unterschied ob ich sowas "positive Grundhaltung" oder "Plazeboeffekt" nenne. Ersteres ist leicht zu verstehen und nachzumachen, während Plazebo immer etwas mit Täuschung zu tun hat. Man kann Patienten keinen Plazebo unterschieben ohne sie zu täuschen, und das macht die Plazebogabe in Deutschland weitgehend illegal, außer im Rahmen von Studien wo Arzt und Patient gleichermaßen getäuscht und verwirrt werden sollen damit sie keinen Einfluss auf das Ergebnis haben sollen.

Groß angelegte Doppelblind oder Einfachblindstudien verbieten sich in der Pädagogik aus ethischen Gründen. Wenn man einen signifikanten Effekt erwartet, dann darf man dem einen Teil der Gruppe diesen Effekt nicht vorenthalten. Ähnliches gilt für viele medizinische Eingriffe. Man kann nicht einfach den einen Patienten ein Herz transplantieren und bei den anderen nur so tun und schauen ob es denen danach trotzdem besser geht ...
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Re: Der Placeboeffekt im Bildungsprozess

Beitrag von Flauwy »

Sehr spannende Thematik, auch wenn die Begrifflichkeitsdebatte hier anödet und völlig kontraproduktiv ist. Als ich die Überschrift dieser Diskussion gelesen habe, hatte ich eine Erwartungshaltung an den Inhalt, die im wesentlich erfüllt wurde. Von daher kann ich gut mit dem gegebenen Begriff leben. Müssen wir denn alles immer so pedantisch sehen?

Ein Placebo setzt in uns einen Selbstheilungsprozess frei, die Seele heilt ihre Hülle. Dies gelingt nur, weil erst der Glaube an die Genesung die dafür nötigen Energien freigibt. Übertragen auf Bildung brauchen wir also erst die positive Einstellung, dass der Lernstoff problemlos von uns verarbeitet wird, damit wir erfolgreich sind. Haben wir jedoch das Gefühl, von dem Stoff erschlagen zu werden, blockieren wir und die Leistung tendiert gegen Null.

Was kann ich also tun, um mir selbst einen Bildungs-Placebo zu verabreichen? Autosuggestion? ("Ich verstehe und beherrsche Mathematik?") Das würde bei mir vermutlich nicht funktionieren, weil...ich glaube das es vermutlich nicht funktionieren würde. ;) Motivation von außen? "Du schaffst das auf alle Fälle!" Wenn ich daran denke, wie mir damals die Sicht verschwommen ist, wenn ich vor einem Französischbuch oder einer Matheaufgabe saß, wird mir heute noch ganz schwindelig. Prinzipiell bin ich jedoch überzeugt, das ich heute beides gut lernen könnte, sofern ich wollte.

P.S. Ich hätte damals gerne so einen Lehrer wie Horkas gehabt!

P.P.S. "Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft ist blind." - Einstein (Ich finde das passt ausgezeichnet zur Debatte)
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Re: Der Placeboeffekt im Bildungsprozess

Beitrag von Horkas »

DocTiger hat geschrieben:Das mit der theologischen Wurzel hab ich nicht verstanden. Was bitte hat die Definition des Plazebos mit Gott zu tun?
Wikipedia zur Ethymologie des Begriffes: "Der Begriff Placebo entstammt der christlichen Liturgie. Der Vers Placebo domino in regione vivorum (Ps 116,9 Vul) „Ich werde dem Herrn gefallen im Lande der Lebenden.“ (Ps 116,9 EU) wurde im 12. Jahrhundert Bestandteil des Totenoffiziums und war zeitweise ein Synonym für die „Totenandacht“. Im 14. Jahrhundert bezeichnet „Placebo“ die musikalische Einlage eines Begräbnischores, der für Geld den Toten besang. „Placebo“ galt als etwas Scheinheiliges, eine schmeichlerische und unechte Ersatzleistung. Im 18. Jahrhundert schließlich wurde „Placebo“ zum Bestandteil des medizinischen Wortschatzes in der heute gängigen Bedeutung."

Pardon, aber deine Vereengung der Sicht ist ziemlich nervig. Flauwy hat leider Recht. Übrigens hat hier niemand von Doppelblindversuchen geredet. Es wäre schön, wir könnten mit der Diskussion inhaltlich weiter kommen, statt uns hier im sinnlosen Kleinkarierten zu verlieren!
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Re: Der Placeboeffekt im Bildungsprozess

Beitrag von AndreasF »

Pardon, aber deine Vereengung der Sicht ist ziemlich nervig. Flauwy hat leider Recht. Es wäre schön, wir könnten mit der Diskussion inhaltlich weiter kommen, statt uns hier im sinnlosen Kleinkarierten, in Rechthaberei gar, auszutoben, mit Unfehlbarkeitsanspruch! Es gilt das Prinzip Augenhöhe, nicht Asymmetrie der Diskussion. Und Diskussionsverbote gibt es, wenn ich die Regeln richtig lese, in diesem Board schon gar nicht. Übrigens findest du im Netz auch einiges zum Stichwort Placeboeffekt in der Pädagogik. Also, bitte!
Sorry Horkas, aber mit obiger Bemerkung hast du dich nun in meinen Augen endgültig als Gesprächspartner disqualifiziert. Nicht nur mit deinem indifferenten und teilweise missionarischem Post.
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Re: Der Placeboeffekt im Bildungsprozess

Beitrag von DocTiger »

Jo, nur andere Beiträge zum Thema Plazeboeffekt beim Lernen meinen in der Regel eine unwirksame Maßnahme die subjektiv als wirksam wahrgenommen wird.

Wenn Du das beibringen von Meditation als Plazeboeffekt bezeichnest, sagst Du, diese Maßnahme ist objektiv unwirksam und wird nur subjektiv als wirksam wahrgenommen. Stattdessen scheint doch gerade die objektiv gesteigerte Emotionskontrolle ein tatsächlich existierendes Problem zu lösen?

Ich würde dringen abraten solche Techniken als Plazebo zu verkaufen. Das kann der Sache nur schaden.

Ich glaube ich bin in dieser Diskussion nicht der Rechthaberischste. Ich habe jedoch eine feste Definition von Plazeboeffekt und Nullhypothese im Kopf, die ich durch die Verwendung in Medien, Wissenschaft und Kultur abgesichert sehe. Was irgendwelche Theologen vor ein paar hundert Jahren dazu erzählt haben könnte mich nicht weniger interessieren.

Die einfache Antwort: Die Gesellschaft, und speziell die Krankenkasse zahlt für psychologische Interventionen, aber nur selten für Plazebos. Jetzt kann man sich aussuchen welchen Begriff man über die eigenen Ideen verwenden will, nur bei Plazebos ist für mich die Diskussion gestorben, weil es impliziert, dass es hunderte vielleicht einfachere Techniken gibt dasselbe zu erreichen und man darüber hinaus die Empfänger/Patienten zu verarschen sucht.
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Re: Der Placeboeffekt im Bildungsprozess

Beitrag von Horkas »

AndreasF hat geschrieben: Sorry Horkas, aber mit obiger Bemerkung hast du dich nun in meinen Augen endgültig als Gesprächspartner disqualifiziert. Nicht nur mit deinem indifferenten und teilweise missionarischem Post.
Ich stehe nicht im entferntesten der Tea-Party nahe, die mir einfällt, wenn vom missionarischen Eifer die Rede ist oder auch die zwei komischen Tanten, die mir immer mal wieder - an der Haustüre läutend - vergeblich den Wachtturm vor die Nase halten. Auf dein Verdikt "endgültig disqualifiziert" fiel mir zuerst Dante ein: Lasciate ogni speranza voi ch'entrate!" Aber dann dachte ich an das darin angesprochene Prinzip Hoffnung, dieses wichtige Moment in meinem Verständnis vom System Schule. Schließlich weckte der Gedanke an meine "kluge Tama", meine bewährte Eselsbrücke zu den vier Kardinaltugenden, Zweifel, der vierten, dem Maß hier vielleicht nicht ganz gerecht geworden zu sein. Sorry! Wenn diese vier Tugenden hier jederzeit jedermanns Leitschnur wären, könnte jede Diskussion voll konstruktiv verlaufen. Nein, ich rede nicht vom P-Wort. Da warte ich geduldig bis Juni. Du weißt schon, da kommt ein Buch raus ...Ich sage einfach System Schule und daran kann man einiges ändern, damit es besser und immer besser wird. Ja, das japanische Kaizen ist auch einer der Momente, die eine wichtige Rolle spielen. Auch wenn Toyota zuletzt ziemlich viel Mist gebaut hat, muss das nicht bedeuten, dass dieses Prinzip nicht wirkt. Eher ist seine Beachtung in Zeiten der globalen Finanzkrise sogar in Japan unter die (Toyota-) Räder gekommen.

Dann gibt es da etwas, was du als missionarisch empfinden magst, was aber nicht so gemeint ist, das ist eine gewisse Begeisterung (des guten Lehrers), die die Lernenden ansteckt, gar beflügelt. Das, wovon Augustinus sagte: "In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst." Und das in Verbindung mit dem Grundsatz Maria Montessoris: Hilf mir, es selbst zu tun! Das spielt im oben dargestellten Beispiel 1 mit den Rechtschreibproblemen Manuelas eine Rolle. Dass die Kinder dazu eine einfache Meditationsübung einzusetzen lernten und dabei erfreulicherweise ihre Versagensangst los wurden, kann hierfür als Beispiel dienen.

Was glaubst du, ist in einer ganz normalen staatlichen Schule los, wenn da einige plötzlich anfangen, dem viel beklagten Schulstress mit Entspannungsübungen im Unterricht zu begegnen (mit "Du spürst unter deinen Füßen das Gras")! So geschehen an meiner Schule Anfang der 1980er Jahre, als in Stuttgart Gerhard Meyer-Vorfelder residierte und dabei gelegentlich auch nächtens (am Rande einer CDU-Versammlung) einen Hausmeister Matratzen aus einem Klassenzimmer (in der Nähe Pforzheims) entfernen ließ. Noch immer ist das nicht viel anders, auch 2012, auch wenn man da vielleicht etwas toleranter ist. Die Beharrungskräfte sind enorm. Da kommt man mit missionarischem Eifer nirgends hin als in Dantes Hölle. Wohl aber mit breitem Kreuz und der inneren Gewissheit, dass gute Ideen - realisiert - Früchte tragen. Das System Schule muss angereichert werden. Und dabei denke ich auch immer an die gute alte Mnemotechnik. Es ist also sehr konkret, konstruktiv und erfolgversprechend, um was es hier geht. Wie immer (Pst!) :lol: :lol: wir das nennen!
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Re: Der Placeboeffekt im Bildungsprozess

Beitrag von DocTiger »

Vielleicht hilft es, diese Meditations/Entspannungs-Geschichten in Zusammenhang zu bringen mit anerkannten Problemen. Ein anerkanntes Problem, was zur Zeit schlichtweg keine Lösung hat, ist ADHDS, und verwandte Probleme bei Kindern, die sich vielleicht nicht optimal konzentrieren (was nicht auffällt weil sie vielleicht allgemein gut mirarbeiten können), wo man aber keine Diagnose stellen kann oder will. Ritalin hilft ansatzweise, hat aber Nebenwirkungen, und es ist definitiv keine Lösung wenn das Problem nicht so gravierend wirkt. Die einzigen Methoden die noch eine Chance haben sind Mindfulness-meditation, Neurofeedback und vewandte Techniken. Ich sage "noch eine Chance", weil die Wirksamkeit nicht zweifelsfrei erwiesen ist, aber es sehr positive Berichte gibt. Studien zu Neurofeedback gegen ADHDS bei Kindern und Erwachsenen sind durchwachsen mal positive Effekte, mal keine nachweisbaren Effekte, aber das Forschungsinteresse ist hoch. Leider ist konventionelles Neurofeedback finanziell und logistisch recht aufwändig. Aber neue Entwicklungen, zum Beispiel das Neurosky Mindwave Headset, ermöglichen das Training alleine zu Hause und im Prinzip wird es langsam erschwinglich, eine ganze Schulklasse gleichzeitig zu trainieren (Für solche Projekte bietet der Anbieter wahrscheinlich auch Rabatt an, speziell wenn man vielleicht noch einen Pädagogik oder Psychologie-professor einbinden kann).

Wenn also die "Entspannungstechniken" als Konzentrations und Kreativitätstraining verkauft werden, besteht vielleicht eine größere Chance auf Akzeptanz. Leider haben viele Versuche in dieser Richtung ein starkes "New Age" Feeling, also so ein wenig zwischen Hippietum und Scharlatanerie. Das muss in Zukunft vermieden werden. Je weniger Revolutionsgehabe desto besser. Wer Revolution mag, wird sie auch erkennen wenn diese sich versteckt, aber konservative Elemente hauen drauf bevor sie Fragen stellen. Leider wird alles was mit Meditation und Gehirnwellen zu tun hat als unseriös und betrügerisch empfunden (besten Dank an Maharishi und seine transzendentale Meditation -.-).

Ich glaube nicht, dass das deutsche Schulsystem besonders schlecht ist. Ich glaube wir strengen uns bei PISA zu wenig an, um die Ergebnisse zu manipulieren. Die deutschen Schulen glauben wirklich, die asiatischen Länder würden einen repräsentativen Durchschnitt testen lassen. Zum Beispiel die Werte von Shanghai basieren komplett auf Kindern mit städtischem Houkou, wenn man die Migrantenkinder dazu nähme, dann sähe es ausgesprochen düster aus. Jedenfalls nützt PISA reichlich wenig bei der Verbesserung innerhalb einer Schule, während man es prima als Treibstock gegen Politiker einsetzen könnte.

Mindfulness ist die simpelste und gleichzeitig anspruchsvollste dieser Techniken, Neurofeedback zum Beispiel mit dem Neurosky Mindwave EEG Headset (120€) macht das ganze zum Computerspiel und liefert besseres und schnelleres Feedback, als das bei Konzentrationsübungen ohne EEG Kontrolle der Fall ist. Wer schonmal Mindfulness-Meditation gemacht hat kennt das Problem, dass man abschweift und dann fünf Minuten später denkt "Ach, ich war doch am meditieren...."
Horkas
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Re: Der Placeboeffekt im Bildungsprozess

Beitrag von Horkas »

Flauwy hat geschrieben:Sehr spannende Thematik, auch wenn die Begrifflichkeitsdebatte hier anödet und völlig kontraproduktiv ist. Als ich die Überschrift dieser Diskussion gelesen habe, hatte ich eine Erwartungshaltung an den Inhalt, die im wesentlich erfüllt wurde. Von daher kann ich gut mit dem gegebenen Begriff leben.

Was kann ich also tun, um mir selbst einen Bildungs-Placebo zu verabreichen? Autosuggestion? ("Ich verstehe und beherrsche Mathematik?") Das würde bei mir vermutlich nicht funktionieren, weil...ich glaube das es vermutlich nicht funktionieren würde. ;) Motivation von außen? "Du schaffst das auf alle Fälle!" Wenn ich daran denke, wie mir damals die Sicht verschwommen ist, wenn ich vor einem Französischbuch oder einer Matheaufgabe saß, wird mir heute noch ganz schwindelig. Prinzipiell bin ich jedoch überzeugt, das ich heute beides gut lernen könnte, sofern ich wollte.
Auch auf die Gefahr hin, missverstanden zu werden, versuche ich es: Autosuggestion kann eine wichtige Rolle spielen. Ich selbst habe in der Zeit, als wir vor rund 30 Jahren an meiner Schule auf der Suche nach neuen Wegen waren, in einem Antiquariat zufällig das berühmte Buch von Emile Coué Die Selbstbemeisterung durch bewusste Autosuggestion in einem Druck aus dem Jahre 1925 entdeckt. Der Autor galt seinerzeit in Frankreich als eine Art Wunderheiler, dabei brachte er seinen Klienten nur die einfache Formel nahe: "Es geht mir von Tag zu Tag immer besser und besser!" Außerdem lehrte er sie, sich dabei meditativ zu entspannen, also die Aktivität des Verstandes während der Übung abzuschalten (vereinfacht ausgedrückt). In jener Zeit wurde hierzulande auch die Methode der Suggestopädie des bulgarischen Neurologen Georgi Lozanow bekannt, die auf die gleichen Kräfte setzte. Wir beschäftigten uns ziemlich intensiv mit diesem Methodenpaket, das sich für uns in einzelnen Elementen und vor allem auch in der zu Grunde liegenden positiven Einstellung zu den Lernenden adaptieren ließ. Lozanow sagte zum Beispiel einmal bei einem Kongress auf die Frage eines teilnehmenden Lehrers, was er denn im Alltag tun könne: "Seien Sie ein total positiver Lehrer!" Ich habe mit diesem Satz im Kopf erlebt, dass der Tag als Lehrer und Schulleiter einfach anders verlief, wenn ich damit morgens in der Frühe den Tag meditierend begonnen hatte. Übrigens halfen uns damals als Lehrer auch das Autogene Training und insbesondere die Muskelentspannung nach Jacobson bei der Bewältigung des turbulenten Alltages. Apparaturen? Sind teuer und nicht immer verfügbar. Der Mensch Lehrer(in) ist auf nicht absehbare Zeit buchstäblich unersetzlich.

Wenn eine gewisse Anzahl von Lehrerinnen und Lehrern einer Schule damit und ähnlichen Methoden (Chi Gong, Zen usw.) arbeiten, verändert sich nach meiner Erfahrung der geistige Zustand wie die praktische Arbeit eines Kollegiums. Es geht also um eine Umsteuerung des Systems einer Schule, und die kann nicht verordnet, sondern nur von innen heraus gewollt und bewirkt werden. Wie auch immer dieser Effekt genannt werden möge, er existiert.
Zu allen wirklichen Abenteuern gehört, dass man einen Schatz sucht.
David Loye
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