Gravierender Anfängerfehler?

Alles was Lerntechniken und Lernstrategien betrifft, insbesondere aber nicht ausschließlich gehören hier auch die Anwendungen von Mnemotechnik herein.
Wie kann ich am besten für Prüfungen lernen, wie merke ich mir Namen, wie lerne ich Zahlen oder Formeln etc.

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Tobs
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Gravierender Anfängerfehler?

Beitrag von Tobs »

Hallo Brainboard,
obwohl ich die Loci-Methode schon seit über einem Jahr halbwegs erfolgreich anwende, glaube ich einen gravierenden Fehler zu begehen. Tatsächlich bin ich mir jedoch nicht sicher, ob es ein Fehler oder eine persönliche Präferenz ist. Bisher habe ich mir beim Ablegen von Bildern immer vorgestellt, dass ich wirklich in diesem Raum stehe, das Bild z.B. eines Affen, wirklich existiert und gleichzeitig eben auch alles Kleinigkeiten des Raumes außen herum. Wenn ich die Routenpunktwahl von Profis betrachtet habe (z.B. Musterhaus auf Memo-Camp.de), habe ich mich oft gewundert, wieso, für mich scheinbar unbequeme Punkte gewählt werden. Nun bin ich beim erneuten Durchlesen von "Lernen wie ein Weltmeister"(Gunther Karsten) auf eine Abbildung zu einer Beispielroute von ihm gekommen, die nur die Gegenstände zeigt. Da ist mir dann der Gedanke gekommen, dass meine Vorgehensweise möglicherweise komplett falsch ist und eine Route tatsächlich nur eine Abfolge von Gegenständen sein soll, mit denen und nur mit denen, ohne Fußboden drunter, Wand im Hintergrund, etc., das Bild verknüpft wird. Dann leuchten nämlich auch die Routenpunkte im Musterhaus besser ein. Zumindest ich finde es etwas bequemer. Es gibt ja auch Routen aus den ersten Einfällen in ABC-Listen, wo das auch erfolgreich gemacht wird.
Ist das nun Geschmackssache oder habe ich wirklich lange Zeit etwas falsch gemacht? Oder war die Vorgehensweise davor sogar "richtig"?

Bitte um Aufklärung!
FrASo
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Re: Gravierender Anfängerfehler?

Beitrag von FrASo »

Das ist eine der Fragen, die schwer zu beantworten ist, weil so vieles hineinspielt.

Du hast Dich der Mnemotechnik mit Gunther Karstens Buch genähert? Je nach Ziel, Vorbildung und Persönlichkeit ist das nicht der beste Weg. Er ist eben ein Gedächtnissportler, wendet sich eher den sportlichen Disziplinen statt Alltagsproblemen zu und bietet kein Zuviel an Theorie, was sowohl Vor- als auch Nachteil sein kann. Wenn Du schreibst, was Du möchtest, schaue ich mal, was ich empfehlen kann.

Es ist viel Tinte darüber vergossen worden, ob eine Route reale Orte oder ausgedachte Orte zeigen soll. Ebenso was nötig ist, damit die Merkpunkte thematisch und örtlich weit genug auseinanderliegen. Die vernünftigste Antwort ist wohl, dass das von der jeweiligen Person abhängt.

So ist es in Deinem Fall auch. Es ist sogar gut, wenn Du nicht nur die Merkpunkte vor Augen hast. Solange es funktioniert. Denn es gibt Techniken, die bedingen, dass in dem Haus noch mehr passiert.

Aber auch eine abstrakte Route tut es, wenn Du sie Dir merken kannst. Willst Du die Technik nicht weiterentwickeln reicht das. Sonst musst Du die Vorstellung weiter füllen und flexibler gestalten.

Das Musterhaus finde ich eine Katastrophe. Die Gegenstände der Bilder sind mitunter nicht mal zu erkennen. Nimm lieber die eigene Vorstellung oder reale Gegenstände. Und wenn es für den Autor funktioniert, heißt das nicht, dass es für Dich funktioniert. Das liegt an unterschiedlichen Erfahrungen, unterschiedlichen Assoziationen. Bei mir funktioniert das Musterhaus nicht, ich bin aber überzeugt, andere, wenigstens der Autor, finden es toll.

Einkaufszettel merke ich mir, wenn nötig, in einem Raum des vor Jahrzehnten abgerissenen Hauses meines Patenonkels. Da hängen an allen Orten Erinnerungen aus meiner Kindheit. Sogar an Gerüche erinnere ich mich. So ein Ort wird nicht für alle funktionieren. In der Schule sollten wir uns eine Route ausdenken. Ich nahm dies Zimmer. Auch die Route gehört somit zu den Kindheitserinnerungen. Der Vorderlader an der Wand, die Jagdtrophäen, die Schneeglöckchen vor dem Fenster gehören zur Route. Eins der Sofas und die Stühle nicht. Daran hängen aber Erinnerungen. Ich werfe das nicht durcheinander. Auch an den Boden und die Decke erinnere ich mich. Ich kann sie gar nicht beiseite lassen. Dennoch funktioniert es. Aber nur für Dinge, die nach ein paar Tagen nicht mehr gebraucht werden. Länger kann ich da nichts ablegen. Bei anderen Routen mit nicht so vielen Erinnerungen, aber ähnlicher 'Ausarbeitung', ist die Belegungsdauer nicht begrenzt, wenn, wie üblich, wiederholt wird, bis es sitzt.

Und wenn ich mir einen Raum oder einen Weg vorstellen soll, brauche ich zumindest einige Details drumherum. Wenn Cicero das Forum Romanum nutzte, sich etwas zu merken, hatte er eine lebendige Vorstellung von dem Platz. Für uns stünde ein hochwichtiges Gebäude neben dem anderen, denen wohl fast allen die unterscheidenden Assoziationen fehlten. Zudem kannte er einige der Gebäude noch nicht, die wir als Ruinen sehen.

Es hängt also zunächst von Dir selbst ab. Dann aber auch davon, was Du willst. Beim Gedächtnissport mögen schlichte Routen hilfreicher sein, dass kann ich nicht sagen. Ich nutze Mnemotechnik für den Alltag, um mir Zahlen zu merken und für ein paar umfangreichere Informationen. Und mit der Weltgeschichte habe ich so einige lange Routen auf Lager.

Hast Du mal versucht aus einer Geschichte Routen zu bilden. Nimm z.B. den Roman Die drei Musketiere. Das Büro des Herrn von Tréville, das Vorzimmer, wo d'Artagnon nicht von den Damen beachtet wird, die Treppe mit der Tür zum Krankenzimmer, wo er Athos anrempelt, der von Musketieren bevölkerte Innenhof, das Tor, wo er sich in Porthos Mantel verheddert, die Straße, wo er Aramis das Taschentuch aufhebt, das Karmeliterkloster mit dem verhinderten Duell und so weiter, zur Not bis zum Tod des historischen d'Artagnon beim Sturm auf Maastricht Jahrzehnte später. Das ist eine Route, die auch Römische Räume verbinden kann, wenn man sie etwas ausbaut.

Probier einfach aus, welcher Detailreichtum für Dich der richtige ist.

Ich kann mich gerade nicht erinnern: Erklärt Karsten, was Römische Räume sind?
Tobs
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Re: Gravierender Anfängerfehler?

Beitrag von Tobs »

Hallo FrASo,

Danke für die Antwort. Meine wird jetzt erstmal kurz ausfallen, wollte eigentlich nur kurz reinschauen und dann sofort ins Bett springen.
Nein, römische Räume erwähnt Karsten in "Lernen wie ein Weltmeister" nicht. Kern deiner Antwort: Techniken ausprobieren, da jeder
andere Vorlieben hat?

Könntest du mir noch erklären, was römische Räume sind und
wo es Quellen gibt, in denen Cicero über die Loci-Methode schreibt?
Ich kenne nur eine übersetzte, lateinische Quelle.

Mit freundlichen Grüßen, Tobias, der jetzt gleich einschläft
FrASo
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Re: Gravierender Anfängerfehler?

Beitrag von FrASo »

Guten Morgen,

und ja, um herauszufinden, wie es für Dich am Besten funktioniert, musst Du die Optionen ausprobieren.

Welche Entfernung müssen Deine Routenpunkte haben? Kannst Du an einer Wand mehr als einen Routenpunkt unterbringen und welchen Abstand musst Du dann einhalten?

Wie ist es mit dem Drumherum? Klappt es besser, wenn Deine Räume auch jenseits der Routenpunkte ausgearbeitet sind? Dabei sollte man sicher nicht übertreiben, aber ein klassischer Anfang wäre ein Haus zu den Baustilen. Dabei hat dann das Drumherum selbst Informationswert. Können Deine Routen bevölkert sein?

Wie abstrakt können Deine Routen sein? Räume so kahl wie uralte Vektorgrafik?

Das schlimmste, was Dir passieren kann, ist, dass Du ein paar Routen entwirfst, die Du dann nicht nutzt, weil sie für Dich nicht praktikabel sind. Du wirst sie mit der Zeit einfach vergessen.

Cicero und das Forum Romanum sollten nur als Beispiel dafür dienen, dass Assoziationen und damit das, was uns das Merken erleichtert, notwendigerweise unterschiedlich sind. Aber die hauptsächlichen Texte zur Mnemotechnik aus der Antike zur Kenntnis zu nehmen, ist eine gute Idee. Es handelt sich um:

Auctor ad Herennium, Ad Herennium III, 28-40 (Lies "Buch 3, Kapitel 28-40", wobei die Kapitel von der Länge her meist nur heutigen Abschnitten entsprechen.)
Cicero, de oratore II 350-360
Quintilian, Institutio oratoria XI 2, 1-33, 40, 50-51

Darüber hinaus sind einige Fragmente und Andeutungen erhalten. Aristoteles hat ein Buch über die Erinnerung verfasst, das aber verloren ist. Aus Andeutungen und Fragmenten aus anderen Werken kann ein kleiner Teil seiner Ansichten entnommen werden. Die kontroversen Diskussionen dazu gingen für den Anfang aber zu weit. Ich bin da auch nicht so Sattelfest. Es geht z.B. darum, ob Aristoteles bei der Erfindung des wissenschaftlichen Modells auch die Mnemotechnik als Anregung nutzte. Damit sollte man sich erst befassen, wenn man tiefer in das Thema der Entwicklung der Mnemotechnik einsteigen will. Bis auf wenige Ausnahmen steht die Mnemotechnik in der Tradition der drei genannten Texte. Ein nachhaltiger Neuanfang, der aber nicht ohne Kenntnis und Berücksichtigung dieser Texte stattfand, fand erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts statt.

Im Wikipedia-Artikel 'De oratore' findet sich ein Link zu einer Übersetzung.
Der Wikipedia-Artikel 'Quintilian'bietet einen Link zu einer Englischen Übersetzung.
Zu ad Herennium habe ich so schnell keine online Übersetzung gefunden, hier zumindest der Wikipedia-Artikel 'Rhetorica ad Herennium', wo der Text verlinkt ist.

Zu Römischen Räumen schreibe ich in einem weiteren Post, damit es nicht zu unübersichtlich wird.

Edit: Jetzt sind Links auch da. So was kommt davon, wenn man schnell sein will...
Zuletzt geändert von FrASo am So 19. Feb 2017, 10:34, insgesamt 1-mal geändert.
FrASo
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Re: Gravierender Anfängerfehler?

Beitrag von FrASo »

So, jetzt habe ich doch noch eine Englische Übersetzung von Ad Herennium online auf der Lacus Curtius-Seite gefunden: Hier geht es gleich zu Buch III.

Wenn Englisch nichts für Dich ist, schreib es, dann schaue ich noch mal, was man da tun kann.
FrASo
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Re: Gravierender Anfängerfehler?

Beitrag von FrASo »

So, Römische Räume:

Das sind sozusagen Routenpunkte ohne Route. Im Deutschunterricht nimmt man sie als Vorübung für Routen. (Zumindest um 1990 gehörte in NRW Mnemotechnik zum Deutschunterricht an Gymnasien. Anscheinend war es nicht überall so, also wird es ein fakultativer 'Programmpunkt' gewesen sein.)

Ein typisches Badezimmer umfasst: Waschbecken, Badewanne, Dusche, WC, Fenster, Badezimmerschrank. Jeder hat ein Bild, was typischerweise dazu gehört. Also kann man diese Bestandteile wie Routenpunkte nutzen und sich später in den Raum begeben und das betrachten, was man möchte. Andere Beispiele sind Pkw, der menschliche Körper, Spielplatz, ... Man darf aber nur nutzen, was man wirklich damit verbindet, da ja die Stütze der Route fehlt. Auch mit fiktiven Orten geht das.

Natürlich hatte auch der reale Herr von Tréville ein Büro, aber für mich ist sein Büro eine Mischung aus dem Roman und den Filmen. Im Roman werden der Schreibtisch, ein Erker mit gutem Ausblick zur Straße, ein Kamin und -ich meine- ein Globus erwähnt. Der Globus mag auch aus einem Film stammen. Dazu kann man Athos, Porthos und Aramis mit bedröppeltem Gesichtsausdruck stellen, die gerade von Tréville gemaßregelt werden, wie im Roman. Athos schwer verletzt. D'Artagnon, der sich vorstellen will, schaut neugierig zu. Allerdings sollte man sicher sein, dass nichts verloren geht. Aber da gibt es ja die Routen (s.u.).

Doch zunächst, warum ich es erwähne. Römische Räume stellt man sich so vor, als ob man darin oder in der Tür steht und sich die eben als Bestandteile angeschaute Gegenstände, die ja mit unseren Bildern/Geschichten/u.s.w. belegt sind. Da hilft, wenn man sich auch Decke, Boden und Lampe vorstellen kann.

Wenn man eine Route lange genug eingeübt hat, sollte man sie sich so gut eingeprägt haben, dass man sie wie Römische Räume nutzen kann. Und genau dazu ist es gut, sich bei Routen auch das Drumherum dabei sehen zu können. Ein Gedächtnispalast ist eigentlich erst dann fertig, wenn man den Routen nicht mehr folgen muss. Natürlich sollte man die Routen weiter ab und an abgehen, insbesondere wo es auch um die Reihenfolge geht.

Das ist natürlich vereinfacht, und es mag Widerspruch kommen. Aber für den Anfang erscheint es mir ausreichend.

Ich kann mich nicht erinnern, von wem die folgende Übung ist. Versuche die Namen der Disney-Schneewittchen-Zwergezu merken, indem sie ein Badezimmer (oder einen anderen Römischen Raum) bevölkern.

Karsten beschreibt die Mnemotechnik für Gedächtnissportler. Da stehen bestimmte Disziplinen im Vordergrund. Im Forum finden sich Empfehlungen und Beschreibungen anderer Bücher. Ein Beispiel ist Ulrich Bien, Einfach. Alles. Merken., Hannover 2011. Dazu ist eine Art Übungsbuch erschienen. (Trainiere. Dein. Gedächtnis.) Da es oftmals an Beispielen und einem Training mangelt, nenne ich dieses Buch. Wie gesagt, im Forum gibt es weitere Literaturhinweise.

Wenn du es genau und systematisch magst und wissenschaftliche Literatur gewöhnt bist, wirst Du irgendwann zu Ulrich Voigt, Esels Welt, Hamburg 2001 greifen. (2. Auflage 2011)
Flossi
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Re: Gravierender Anfängerfehler?

Beitrag von Flossi »

Ein interessanter Aspekt, über den ich auch schon gestolpert bin. Meiner Meinung nach gibt es zwei gegensätzliche Richtungen:
  1. Man stellt sich nur den Gegenstand vor, mit dem das Bild verknüpft wird, also ohne das ganze Drumherum.
    • Vorteil: Die Umgebung lenkt nicht ab. Der Gegenstand ist 'schärfer' und greifbarer, da man sich darauf konzentrieren kann.
    • Nachteil: Es entstehen weniger Verknüpfungen im Gehirn, da die Umgebungseindrücke wegfallen. Damit wächst auch die Gefahr, dass man die Stationen und Bilder wieder vergisst, denn sie sind weniger stark auf der Route verankert. (Nebenbei bemerkt denke ich, dass aus diesem Grund auch reale Routen besser sind als ausgedachte oder virtuelle.)
  2. Der Routenpunkt enthält eine detailierte Umgebung.
    • Vorteil: Mehr Verknüpfungen und eine lebhaftere Erinnerung, etwa an Gerüche.
    • Nachteil: Die Loci werden diffuser. Male ich sie mir zu detailiert aus, dann lenkt der ganz Kleinkram vom Wesentlichen ab. Schlimmstenfalls entsteht das Gefühl, in einem Kramerladen zu stehen, aus dem man sich die Gegenstände zum Ablegen bzw. Abwandern erst heraussuchen muss.
Das Optimum dürfte irgendwo dazwischen liegen. Ich denke, dass der Umstand vielleicht mit dem Kurzzeitgedächtnis zusammenhängt. Es kann im Schnitt sieben Elemente gleichzeitig jonglieren, unter Belastung eher noch weniger. Bei mehr als sieben Eindrücken - das Aussehen des Locigegenstands samt Details, das Bild samt Details, die Verknüpfung zwischen den beiden, Fußboden, ein Geruch, Lichteinfall etc. - passt der Locus nicht mehr als Ganzes hinein. Ich stelle deshalb mal die Vermutung auf, dass der ideale Routenpunkt genau so viele Eindrücke/Details enthält, wie das Kurzzeitgedächtnis aufnehmen kann. Das abgelegte Bild ist dabei inbegriffen.

Ist aber wie gesagt nur eine Vermutung. Jetzt wäre es natürlich interessant, zu erfahren, wie detailiert sich die Weltklasseprofis ihre Routen ausmalen :D
FrASo
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Re: Gravierender Anfängerfehler?

Beitrag von FrASo »

Das ist ja auch eine widersprüchliche Sache. Dinge wie Gerüche und anderen Zufälligkeiten behindern uns sonst beim Lernen, da ungewollte, falsche Assoziationen entstehen. Und nun schaffen wir Routen, Räume, Gebäude, die wieder nebensächliche Eindrücke enthalten.

Hier müssen wir bedenken, dass die Hauptsache die Lerninhalte sind. Die Routen, wenn sie denn nicht für mehrfachen Gebrauch da sind, oder ein großes Wissensgebiet über einen langen Zeitraum festhalten sollen, sollen ja irgendwann in den Hintergrund treten und verblassen, das Wissen zurücklassend, dass nunmehr unseren Ansprüchen gemäß sicher ist.

Aber auch die Routen, eigentlich bloßes Mittel, müssen behalten werden. Auch sie kann man stützen. Ich halte die Phantasie für besser geeignet als die Realität, weil dass, was über die Routenpunkte hinaus hinzugefügt wird, bewusst ist. Ich sage nicht bewusst hinzugefügt wird. Denken wir uns einen Park mit Ligusterhecken, haben wir Erinnerungen an Dinge, die mit Ligusterhecken zu tun haben. Vielleicht haben wir als Kind ein Vogelnest in einer solchen Hecke beobachtet. Oder ein Versteck darin eingerichtet. Ähnliches gilt für den Rasen und den blauen Himmel, die den neutralen Hintergrund für die Topologie und die Statuen, die die Routenpunkte bilden sollen, darstellen sollen.

Doch haben diese Assoziationen eine Verbindung mit der Route, evt. auch mit den Routenpunkten. Sie gehören zur Merkhilfe und sind mit zu vergessen.

Aber wie vollgestopft darf unsere Vorstellung sein, damit es funktioniert. Das oben genannte Beispiel aus dem Haus meines Onkels ist sicher eine Ausnahme. Wegen einer Hausaufgabe, die ich dort erledigte, zustande gekommen. Jene Route ist aber eine lange Zeit unbenutzt lebendig geblieben, eben weil ich an den Raum (und jenen Tag) viele Erinnerungen habe. Als nach langen Jahren wieder mit der Mnemotechnik begann, reaktivierte sie sich gleichsam von selbst. Empfehlen würde ich eine so vollgestopfte Vorstellung nicht. Sie reicht, wie gesagt, auch mir nur als Einkaufsliste, wenn ich denn mal eine Route dafür benötigte. Meist reicht es ja, sich vorzustellen, was man kaufen will, statt es nur aufzuzählen. Rezepte und Bedürfnisse sind ja in der Regel bekannt.

Beim Lernen soll man sich wohl fühlen, sich konzentrieren können. Wird es zu abstrakt behindert mich das, wenn ich meine Phantasie benutzen soll. Schon bei mathematischen Beweisen ist ein leerer Schreibtisch von Nachteil. Da muss ich dann erst die Einbildungskraft anders aktivieren. Angeblich geht es anderen damit anders. Ich kann das für mich nicht nachvollziehen. Darum brauchen auch meine Routen eine gewisse Umgebung. Zusätzlich zu Ligusterhecke, Rasen und Kiesweg eine Stelle, wo die Grasnarbe wegen einer Abkürzung zerstört ist. Oder etwas Unkraut, dass am Rand zur Hecke nicht ganz beseitigt ist. Das entsteht bei mir von selbst. Es gehört zur Visualisierung. Einen perfekten Park gibt es nun einmal nicht. Nur kann ich mir die Routenpunkte ohne diese Umgebung vorstellen, die Statuen für sich nehmen, sie von der Route abstrahieren.

Dies ist ein weiterer Grund, warum ich die Römischen Räume erwähnte. Wie voll kann ich einen Raum stopfen und dennoch noch das Einzelne schnell abstrahieren?

Ich hatte bisher immer den Eindruck, dass die Menschen sich auch beim Lernen unterscheiden. Wann man sich wohlfühlt ist unterschiedlich, was einen zu sehr ablenkt auch. Der eine wird schon von einer Tasse Tee abgelenkt, weil er ihn nur selten trinkt und den Geruch mitlernt. Dem anderen mag es mit Kakao so gehen, mir mit Kaffee. Auch welche Umgebung gefällt ist unterschiedlich. Der eine braucht weiße Wände, für den anderen können die Wände im Schatten 'zurücktreten' oder vertäfelt sein, oder grün gestrichen.

Daher halte ich die Aussagen für vernünftig, die besagen, dass das jeder für sich erproben muss. Vielleicht könnte man sich ein Experiment ausdenken. Eine Anzahl von Teilnehmern, geordnet nach Anfängern und Fortgeschrittenen, die sich Routen mit zwei oder drei unterschiedlichen Abstraktionsgraden erstellen und feststellen, wie leicht ihnen Erstellung, Memorierung und Erinnerung jeweils fallen. Eine Schwierigkeit wäre die Unterscheidung der Fortgeschrittenen.

Natürlich gibt es einen gewissen Rahmen der feststeht. Wenn die Routenpunkte nicht schnell oder unmittelbar vom Gesamtbild abstrahiert, für sich betrachtet werden könne, dürfte es die Technik behindern. Ebenso, wenn sie nicht mehr einzeln erfassbar sind. Aber genau das ist dann sicher wieder individuell unterschiedlich. Wer gewohnt ist, genau zu beobachten, für den ist recht naheliegendes meilenweit auseinander. Aber ein Raum wie ein vollgestopftes Antiquariat dürfte in aller Regel eine sehr schlechte Route geben.

Ich habe es nie bewusst ausprobiert, doch ist es vermutlich vernünftig, sich nach verschiedenen Vorgaben zu testen. Ich weiß mittlerweile, dass ich mit einem Park aus Hecke, Rasen, Wegen und Marmorstatuen nicht gut klar komme. Der Hintergrund muss etwas lebendiger, echter wirken. Die Statuen sind, schon nach den Grundregeln, besser Unterschiedlich. Die Venus mag aus weißem Marmor sein, Mars aus Granit, Jupiter aus Sandstein, und Bacchus aus Sandstein. Dazu dann kleine Eigenheiten. Venus Makellos, Mars mit Beschädigungen, Jupiter ist nicht so gut herausgearbeitet und Bacchus hat der Regen verwittern lassen und abgenutzt. So kann ich es mir wirklich vorstellen. Doch das ist nur was der Vorstellung Farbe verleiht, die Bilder so real macht, dass sie gut gemerkt werden können. Die zu kaufende Milch sammelt sich bei Mars in einer Bruchstelle, folgt bei Bacchus den Wegen, die der Regen schon bereitete und perlt an Venus eher ab. Hier gehört es zum Bild und bleibt erhalten. Dabei darf dann die kahle Stelle im Rasen, wo die Fußgänger eine Kurve abkürzen, oder die Pfütze vor Bacchus nicht stören. Die Pfütze wäre natürlich zu integrieren. Aber dann gehörte sie zum Routenpunkt. Und bei dieser Zuordnung muss man sich sicher sein.
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