Spiegel vom 09.11

Wie funktioniert Schnelllesen? Welche Techniken gibt es? Wie kann man es erlernen?

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Boris
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Spiegel vom 09.11

Beitrag von Boris »

http://www.spiegel.de/unispiegel/wunder ... 28,00.html

Zeilen-Turbo einschalten, Seiten fressen

Tolstois "Krieg und Frieden" zum Frühstück, den Brockhaus in der Mittagspause - das kann doch nicht so schwer sein. Spezielle Trainings sollen das Lesetempo verdoppeln. Dirk Engelhardt trat zum Selbstversuch an. Jetzt bitte nicht schwächeln: Turbo-Leser brauchen für seinen Text keine Minute.

Das normale Lesetempo liegt bei etwa 240 Wörtern pro Minute, behaupten Leseforscher. Zu den Analphabeten zähle ich mich nicht gerade, und zum Lesen eines Buches benötige ich selten länger als vier Monate. Doch die Werbung zog: "Im Durchschnitt verdoppeln unsere Kursteilnehmer ihre Lesegeschwindigkeit." Oder: "Im Durchschnitt erhöhen unsere Kursteilnehmer ihr Leseverständnis von 63% auf 82%."

Schließlich beseitigte der fettgedruckte Satz im Prospekt von "Improved Reading" letzte Zweifel. "Falls sich ihre effektive Leserate nicht mindestens verdoppelt, bieten wir eine kostenfreie Wiederholung des Kurses an", hieß es dort. Wer solche Versprechen macht, muss sich seiner Sache einigermaßen sicher sein.

Ein ganzes Wochenende sollte ich mich nun in einem abgelegenen Nebengebäude der Freien Universität Berlin im Affentempo durch dicke Bücher und dürre Wortkolonnen arbeiten. Um zwei Wochen später ein Zertifikat zu erhalten, auf dem schwarz auf weiß zu lesen ist, dass meine Lesegeschwindigkeit sich von anfänglichen 355 Wörtern pro Minute auf sagenhafte 722 Wörter pro Minute erhöht hat, und meine "effective reading rate" (dazu später) parallel von 142 Wörter pro Minute auf 439 Wörter pro Minute.

[...]

Dazu ein klobiges Gerät mit einer Zeitschaltuhr. Das nennt sich "Reading Accelerator", auf Deutsch Lesebeschleuniger.

Mit einem nonchalanten Lächeln stellt der Kursleiter die Zeitschaltuhr bei jedem Teilnehmer auf die doppelte Geschwindigkeit ein, die jeder für sich am Anfang des Kurses ermittelte. Ein dicker Balken läuft surrend von oben nach unten über jede Buchseite, und für langsame Leser gibt es kein Pardon mehr. "Wenn ihr am Anfang überhaupt nicht wisst, was ihr gelesen habt, macht das nichts", versucht der Lesemeister zu beruhigen.

[...]

Mittels der neuen Techniken wie "Chunking", "Peripheres Sehen", "Scanning" und "Skimming", die jeweils mit speziellen Übungen trainiert werden, kommt es nach einigen Seiten "Cafe Berlin" doch noch zu Erfolgserlebnissen. Meine Reading Rate steigt wieder. Zwischendurch streut der Kursleiter nützliche Tipps für das richtige Lesen ein - er erinnert zum Beispiel an die gute alte Bücherstütze, die das Buch in die richtige Leseposition bringt. Liegt ein Buch nämlich flach auf dem Tisch, knickt der Hals beim Lesen ein, und wichtige Nervenstränge, die die Wörter in die richtigen Gehirnwindungen flutschen lassen, sind in dieser Position eingezwängt.

Witzigerweise fand der Schnell-Lesekurs genau in jenem Universitätsgebäude statt, in dem ich vor 15 Jahren begann, Kommunikationswissenschaften zu studieren. Hätte es damals diesen Kurs schon gegeben, hätte ich vielleicht die Literaturempfehlungen meiner Professoren gewissenhafter befolgen können...



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daywalker
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Registriert: Di 12. Aug 2003, 19:36

Beitrag von daywalker »

Kommentar zum Text:

"Reading Accelerator" hört sich ziemlich mysteriös an und ich habe meine Bedenken, ob diese Art von Lesebeschleunigung gesund ist.

"Zwischendurch streut der Kursleiter nützliche Tipps für das richtige Lesen ein - er erinnert zum Beispiel an die gute alte Bücherstütze, die das Buch in die richtige Leseposition bringt. Liegt ein Buch nämlich flach auf dem Tisch, knickt der Hals beim Lesen ein, und wichtige Nervenstränge, die die Wörter in die richtigen Gehirnwindungen flutschen lassen, sind in dieser Position eingezwängt." Information durch die richtigen Gehirnwindungen flutschen lassen? Das klingt höchst unwissenschaftlich, ist wohl aber dennoch richtig, weil man in einer entspannteren Haltung liest.

Letzendlich kommt es nicht darauf an, ob man "25-Synonym-Paare" im Text findet, sondern, dass man den Text und vor allem den Sinn sowie die Kernaussage verstanden und verinnerlicht hat.
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