Buchvorstellung: Das Jahr im Kopf

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Ulrich Voigt
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Buchvorstellung: Das Jahr im Kopf

Beitrag von Ulrich Voigt »

Ulrich Voigt
Das Jahr im Kopf
Kalender und Mnemotechnik
Likanas Verlag 2003

358 Seiten / 14 Zeichnungen / 2 Photos / 50 Tabellen / EUR 35

Dieses Buch war in seinem Kern bereits fertig, als ich daran ging, seine Einleitung zu einem eigenen Buch auszubauen und unter dem Titel ESELS WELT zu veröffentlichen.
Sein Ausgangspunkt war die Meinung, daß Kalender ein passendes Thema darstellen, um die Kraft mnemotechnischer Methoden zu erweisen. Außerdem wollte ich gern wissen, ob es mir gelingen würde, die bislang zu diesem Thema vorliegenden Arbeiten grundsätzlich zu überholen und somit zu einem Fortschritt innerhalb der Mnemotechnik selbst zu kommen.
Das Motiv war also ein externes. Es hatte ursprünglich mit einem besonderen Interesse an Kalenderfragen nichts zu tun, sondern war nur das Motiv eines ehrgeizigen Mnemotechnikers auf der Suche nach geeigneten Anwendungen.
Das war 1990 in Rio de Janeiro. In jenem Jahr wußte ich auch schon, dass es einen gegenüber den bekannten Formeln deutlich einfacheren Rechenweg für das Osterdatum gibt. Somit war die Bahn frei für eine vernünftige Mnemotechnik des Osterdatums; der tiefere Grund nämlich, daß es hier zu einer befriedigenden Mnemotechnik nie gekommen war, lag ja nicht so sehr in der Mnemotechnik selbst, sondern in der mathematischen Präsentation der „Osterrechnung“, mit der sich die Mnemotechniker herumplagen mußten. Natürlich gehört zu einer Mnemotechnik der Kalenderrechnung auch die übliche Frage nach dem Datum des Wochentags, das versteht sich. Aus meiner Sicht lag es aber auch nahe, Pessach mit zu bedenken, „das jüdische Ostern“, wie Gauß es nannte. Nicht nur, weil dies von der Sache her einleuchtet, sondern eben auch wieder aus mnemotechnischem Ehrgeiz; eine Mnemo-technik dieses Datums war ja noch nie versucht worden! Damit begann recht eigentlich das Abenteuer, denn diese jüdischen Zahlen sind nicht mehr so einfach und regelmäßig wie die christlichen. Gewissermaßen dazwischen steht schließlich auch noch der reale Mond, auf den sich beide Feste beziehen, und den ich deshalb nicht mit gutem Gewissen hätte ausklammern können. Überflüssig zu erwähnen, dass auch eine Mnemotechnik der Mondphasen noch nie versucht worden ist. Damit lag die Aufgabe fest, die jetzt zu meinem Vergnügen erledigt und hübsch eingebunden vor mir auf dem Tisch liegt.
Nun, was das Vergnügen betrifft, so steckt es in der Tat vor allem im mnemotechnischen Teil. Geschichten zu entwerfen, Szenen aufzubauen, Bilder zu skizzieren, die einem bestimmten Fluß folgen, das war mir eine Lust und eine rechte Erholung.
Da Kalender weitgehend mathematische Objekte darstellen, ist es klar, daß Mathematik eine Rolle spielt. Es ging darum, mathematische Sachverhalte und Formeln so aufzubereiten, daß sie fürs Kopfrechnen und für Mnemotechnik leicht werden, oder sogar überhaupt erst zugänglich. „Kopfrechnen“ und „Mnemotechnik“, die ja häufig als konkurrierende Gegensätze auftreten, gehören weitgehend zusammen; ich suche nach einem Optimum an effektiver Kooperation. Irgendwo stößt man dann an eine scharfe Grenze, an der die Möglichkeit des Kopfrechnens aufhört und die reine Mnemotechnik beginnt.
Dann gibt es noch die Geschichte, oder, wie ich lieber sagen würde, die Realität, in die alles eingebettet ist. Unversehens spitzte sich der Versuch, das Osterdatum zu verstehen, auf die Frage zu, wie denn nun eigentlich unsere Jahreszahlen definiert sind. Ich habe dazu eine Antwort gefunden.

Ulrich Voigt
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daywalker
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Beitrag von daywalker »

Vielen Dank für Ihre Rezension. Ich habe aber mal eine andere Frage. Wann erscheint eigentlich Ihr Buch Fu-Wu-Li und um was genau geht es darin. Danke!
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Vielen Dank für die interessierte Nachfrage!

Worum geht es? Worum geht es nicht? Wann wird veröffentlicht?
Fu Wu-lis Mnemotechnik der chinesischen Schriftzeichen ist das Modell. DAS JAHR IM KOPF entstand im Anschluß daran. Die Arbeitsmethode ist dieselbe: Das Material so zu bearbeiten, daß Mnemotechnik greift. "Mnemotechnik" wird dann zur Konstruktion von Geschichten gemäß eindeutigen Grunddefinitionen.
Fu`s Buch ist also die Grundlegung einer neuen Art von Mnemotechnik der chinesischen Zeichen. Die Sache ist auch hinreichend getestet. Sie könnte, da der Text längst ausformuliert ist (ESELS WELT S. 128 gibt dazu ein Beispiel), jetzt veröffentlicht werden.
Wird sie aber nicht, da sonst der Likanas Verlag pleite gehen würde. Was er ja nicht soll. Es müßte schon gelingen, die Veröffentlichung von Fu`s System durch den Verkauf von ESELS WELT und DAS JAHR IM KOPF zu finanzieren.

Ulrich Voigt
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Ulrich Voigt
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Re: Buchvorstellung: Das Jahr im Kopf

Beitrag von Ulrich Voigt »

Ulrich Voigt hat geschrieben: Dieses Buch war in seinem Kern bereits fertig, als ich daran ging, seine Einleitung zu einem eigenen Buch auszubauen und unter dem Titel ESELS WELT zu veröffentlichen.
Ulrich Voigt
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Konsequenz: ESELS WELT wird sich nach der Lektüre von DAS JAHR IM KOPF deutlich anders lesen als "auf nüchternen Magen".

Der Grund ist einfach. ESELS WELT ist durchzogen von ziemlich allgemeinen Aussagen, die vielleicht einleuchten, die aber mangels adäquater Anschauung eventuell nicht richtig einleuchten.

Ein Beispiel aus der Vorrede (S. 6):

"Man muß sich an ein Nebeneinander und Ineinander von Scherz und Ernst, von Skurrilität und Rationalität gewöhnen, wenn man sich in unserer Kunst zurechtfinden will."

Was soll z.B. ein Leser, der Mnemotechnik noch gar nicht kennt, dazu sagen? "Man muß?" "Oh je."
Ein Leser andererseits, der mit Mnemotechnik vertraut ist, wird an seine eigenen Erfahrungen denken. Vielleicht fällt ihm gerade so ein bizarres Bild ein, mit dem er sich eine Telephonnummer gemerkt hat. Er wird denken: "Etwas hochgestochen formuliert, aber meinetwegen richtig. Nur, wo ist die Schwierigkeit bei der Sache?"
Er hat den Satz nämlich auch nicht verstanden, jedenfalls nicht so, wie er gemeint ist.
Ein Leser von DAS JAHR IM KOPF aber, der mit mir zusammen durch die Monate und Jahrhunderte gereist ist, versteht sofort, daß hier überhaupt nicht übertrieben wird, denn er hat eben diesen Gewöhnungsprozeß durchlebt und sieht die Welt bereits mit veränderten Augen.
Oh, und ich habe dazu eine Äußerung Giordano Brunos gefunden, die mich heiter stimmt:
Se vedete seriosi, et giocosi propositi: pensate que tutti sono equalmente degni d`essere con non ordinarii occhiali remirati.
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isegrim
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Re: Buchvorstellung: Das Jahr im Kopf

Beitrag von isegrim »

Ulrich Voigt hat geschrieben:[...]"Man muß sich an ein Nebeneinander und Ineinander von Scherz und Ernst, von Skurrilität und Rationalität gewöhnen, wenn man sich in unserer Kunst zurechtfinden will."

Was soll z.B. ein Leser, der Mnemotechnik noch gar nicht kennt, dazu sagen? "Man muß?" "Oh je."
Das ist meiner Meinung nach ein wichtiger Punkt, den man vielleicht mit "Didaktik der Mnemotechnik" überschreiben könnte.

Um zu verstehen, wie Mnemotechnik funktioniert, braucht es nämlich in der Regel ein Aha-Erlebnis auf elementarer Ebene. Bloßes Lesen und verständnisvolles Nicken reichen nicht. Das ist jedenfalls meine Erfahrung, und ich könnte mir denken, dass es bei anderen ebenso ist.

Mein erstes Buch, in dem es um Mnemotechnik ging (Buzan "Kopftraining") hat seinerzeit diesen Aha-Effekt bei mir leider noch nicht ausgelöst (ich will das aber nicht nur auf das Buch schieben).

Wenn ich beim mnemotechnisch unbelasteten Leser diesen Effekt erzielen will, muss ich ihn dazu bringen, beispielsweise 20 greifbare Gegenstände durch die Link-Methode selbst zu lernen und zu reproduzieren. Wenn das gelungen ist, kann ich ihn auch an komplexere Methoden heranführen. Und Kern der Sache ist es in diesem Zusammenhang natürlich, das Grundprinzip der Visualisierung zu vermitteln. Ein mnemotechnisches Einsteigerbuch muss meiner Meinung nach diesen Grundlagen größte Aufmerksamkeit schenken. Das macht übrigens Roland Geißelhart in seinem Buch "Das perfekte Gedächtnis" recht gut, und der wiederum hat in der Darstellung deutliche Anleihen bei Harry Lorayne gemacht.

Für den Nicht-Mnemotechniker ist es außerhalb jeglicher Vorstellung, dass sich jemand nur durch einmaliges Zuhören 50 Wörter merken kann (von 100- oder 1000-stelligen Zahlen mal ganz zu schweigen). Wenn man einem Laien erzählt: Da ist jemand, der kann Pi auf 1000 Stellen nach dem Komma wiedergeben, so gibt es in Regel nur zwei Erlärungen dafür:

1. Es wird geschummelt, es handelt sich um einen Trick
oder
2. Es handelt sich um einen abnorm veranlagten Menschen, wie jemand der mit 6 Fingern an einer Hand oder mit 3 Nieren geboren wurde. Oder jemanden wie den von Dustin Hoffman gespielten Raymond in "Rain Man". Kommt halt vor, ist aber eine Laune der Natur
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