Esels Welt - Kapitel 2: 1. Subkapitel (Fragen, Meinungen,..)

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Martin
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Esels Welt - Kapitel 2: 1. Subkapitel (Fragen, Meinungen,..)

Beitrag von Martin »

Anknüpfend an die im April begonnene und angekündigte Postingreihe von Konglomeraten aus Fragen, Meinungen u.ä. zu ausgesuchten Textpassagen des Buches „Esels Welt“ (Dr. Ulrich Voigt, Likanas Verlag), folgt heute sozusagen der zweite Teil mit dem Fokus auf das 1. Subkapitel des 2. Kapitels „Esels Brücken“.
Generell habe ich den betreffenden Textauszug per Seitenzahl und entsprechender Zeilenposition gekennzeichnet, wobei als Zeile auch Überschriften gelten und sich so die jeweils angeführte Zeilenzahl ergibt.
In Kursivdruck stehen bei den einzelnen Beitragspunkten die Zitate bzw. Stichworte, auf die nachfolgend jeweils Bezug genommen wird. Neben Ulrich Voigt im besonderen sind selbstredend alle User und Likanas- Leser zur Diskussion und natürlich auch zum Stellen weiterer, kapitelbezogener Fragen eingeladen.

Kapitel 2 Esels Brücken

1.Mnemotechnik

S.32 (Zeilen 12-14 von oben) Francis Bacon 'Pränotion – Emblem‘
Zum genaueren Verständnis der Baconschen Nomenklatur von Pränotion und Emblem werden die beiden Begriffe zunächst vermittels „Gebiet umschreiben“ für die Pränotion und „Objekt bezeichnen“ für das Emblem erklärt. In Anlehnung an S. 10 (Inhaltsverzeichnis Kapitel 2, 2.Subkapitel) werden einerseits Haken, Fächer, Garderoben, Tableaus und Apparate unter Pränotion subsumiert, andererseits repräsentiert lt. S.36 das Emblem die fertige Erinnerungsstütze B. Das „umschriebene Gebiet“ scheint also mit der Gesamtheit zusammengehöriger Haken/Fächer im Sinne einer bestimmten Garderobe, eines Tableaus oder Apparates gleichbedeutend zu sein, während das „bezeichnete Objekt“, wie bereits oben geschrieben, die konstruierte Gedächtnisstütze B ist. Ist diese Interpretation zutreffend oder liege ich da falsch?
Auf die seit dem 16. Jahrhundert gängige und bis heute gültige, kunsthistorische Emblem- Charakterisierung mittels der Dreiteilung aus Motto, Pictura und Subscriptio jedenfalls hatte Bacon im genannten Kontext , wie mir scheint, eher nicht rekurriert. Vielmehr dürfte die angelsächsische Bedeutung von „emblem“ als schlichter Allgemeinbegriff für allegorische und symbolische Bilder und Zeichen in Bacons Ausführungen federführend gewesen sein.(?)

S. 32 (Zeilen 25-26 von oben)
„Während Bacon vom Allgemeinen zum Besonderen konstruierte...“
Heißt das, das Allgemeine sei die Garderobe bzw. das Tableau oder der Apparat, hingegen das Besondere die Erinnerungsstütze B respektive die Eselsbrücke A-μ-B?

S.32 (Zeilen 18-19 von oben) Giordano Bruno „Prinzip der Bezeichnung“
Was genau verbirgt sich hinter diesem Prinzip?

S.32 (Zeilen 23-24 von oben) Gregor Reisch „locus, imago und ordo“
Hier wird im Zusammenhang mit ordo das erste Mal von Assoziation gesprochen. Ordo müsste dem Kontext zufolge also der auf S.45 eingeführten Esels Assoziation entsprechen, hier nämlich der Verbindung der einzelnen imagines innerhalb einer zurechtgelegten Route!? Trifft das zu?

1.1Spielregeln

S. 36 (Zeilen 2-4 von oben)
‚A-μ-B ist eine objektive Struktur bzw. ein Modell der universalen Spielregel der Mnemotechnik‘
Anstelle der Brücke ist folglich auch synonym z.B. ein Band vorstellbar mittels dessen zwei Elemente verbunden/zusammengeknotet werden, die dann eine Einheit bilden, dennoch aber, ähnlich den Brückenpfeilern, ihre individuelle Eigenständigkeit bewahren. Je nachdem wie das Band um die Elemente geschlungen wird (im oder gegen den Uhrzeigersinn respektive von welchem der beiden Elemente das Band seinen Anfang nimmt oder eben endet), so kann man ebenso die Brücke in zwei Richtungen beschreiten.

S.37 (ab Zeile 4 von oben) ‚Brücke – Modell‘
In meinen Augen sind die Brückenbauer einerseits und Modellbauer andererseits wie folgt metaphorisch zu charakterisieren:
Der Brückenbauer ist der vergnügte Kasperletheater- Regisseur während der Modellbauer sich als ernst(haft)er Theaterdrama- Regisseur versteht. Aber Vorsicht: Nicht ausschließlich die Dramainszenierung allein muss Tiefgang haben! ;-)

S. 38 (Zeilen 9-11 von oben)
„Unser Interesse richtet sich nicht auf den Inhalt,..., sondern auf das Konstrukt, das wir an ihn knüpfen.“
Ist hier mit Inhalt der Erinnerungsinhalt A gemeint und unter Konstrukt die Erinnerungsstütze B zu verstehen? Wenn nein, was genau meint Inhalt und vor allem Konstrukt?

Der Erinnerungsinhalt A

S.39 (Zeilen 3-6 von oben)
‚Mnemotechnik ist eine Technik aus zwei Komponenten: Ars memoriae und ars reminiscentiae.‘
Ist es zu gewagt und oberflächlich, wenn ich konstatiere:
Ars memoriae: Die Brücke A-μ-B wird von A in Richtung B begangen und damit A gelernt. (Lernen im Sinne von „Verankern eines Inhalts im Gedächtnis“, vgl. S. 38 Zeile 9 von unten)
Ars reminiscentiae: Die Brücke A-μ-B wird von B in Richtung A begangen und damit A wiedererinnert.

S.39 (Zeilen 6-9 von unten)
„Mnemotechnik ist also nur in einem sehr speziellen Sinne eine Technik, die hilft, Erinnerungen wachzurufen. Hier irrte sich Alsted (1610), indem er keinen Unterschied sehen wollte zwischen allgemeinem und mnemonischem Wiedererinnern,...“
Ist mit ‚speziellem Sinne‘ die mnemonische bzw. aristotelische Wiedererinnerung im Unterschied zur allgemeinen Erinnerung gemeint?
Prinzipiell erscheint es mir nomenklaturtechnisch durchaus günstig, allgemeines (passives) Erinnern als Erinnern und mnemonisches (aktives) Erinnern als Wiedererinnern festzulegen. (s. hierzu ausführlich 3. Subkapitel S.50-51)

S.39 (Zeilen 1-3 von unten)
„Ich unterscheide grundsätzlich zwischen Lerntechnik und der ihr untergeordneten Mnemotechnik. Das, was Alsted vertrat, war eine mnemonische Lerntechnik,...“
Mnemotechnik ist also, sofern ich das richtig interpretiere, eine Variante unter vielen Techniken auf dem Gebiet des Lernens. Wenn man Lernen allerdings mit „Verankern eines Inhalts im Gedächtnis“(s. S. 38 Zeile 9 von unten) gleichsetzt, also die ars memoriae sozusagen allein in den Fokus rückt, lässt man die ars reminiscentiae- Komponente vollends außer Acht und wird der Sache damit nicht mehr gerecht. Lernen müsste demzufolge dann weitreichender gefasst werden (im Vergleich zur oben genannten Lernen- „Definition“, s. S. 38 ), um Mnemotechnik in vollem Umfang darin ein- bzw. unterordnen zu können. Wenn Lerntechnik neben anderen die Mnemotechnik subsumiert („untergeordnet“), offenbart sich dann eine „mnemonische Lerntechnik“ nicht fast als Pleonasmus? Es stellt sich mir letztlich die Frage: Was zeichnet Alsteds Mnemotechnik aus und was fehlt ihr gewissermaßen?
Letztgenannte Frage bleibt bestehen, auch gesetzt den wahrscheinlichen Fall, dass ich mit meiner obigen „untergeordnet“- Interpretation falsch liege. Ich bitte mithin um nähere Erläuterung oder andere Interpretationen der zitierten Textpassage.

Die Erinnerungsstütze B

Fortsetzung folgt... ;-)
Um den Thread nicht von Beginn an zu überfrachten, führe ich hier an gleicher Stelle das Posting fort, wenn obige Punkte „ausdiskutiert“ und geklärt sind.
Zuletzt geändert von Martin am Sa 07. Jul 2007, 18:46, insgesamt 1-mal geändert.
Klaus Horsten
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Re: Esels Welt - Kapitel 2: 1. Subkapitel (Fragen, Meinungen

Beitrag von Klaus Horsten »

Martin hat geschrieben:S.39 (Zeilen 3-6 von oben)
‚Mnemotechnik ist eine Technik aus zwei Komponenten: Ars memoriae und ars reminiscentiae.‘
Ist es zu gewagt und oberflächlich, wenn ich konstatiere:
Ars memoriae: Die Brücke A-μ-B wird von A in Richtung B begangen und damit A gelernt. (Lernen im Sinne von „Verankern eines Inhalts im Gedächtnis“, vgl. S. 38 Zeile 9 von unten)
Ars reminiscentiae: Die Brücke A-μ-B wird von B in Richtung A begangen und damit A wiedererinnert.
So ist es nicht.

In der Mnemonik gibt es die Gesetze des Einprägens: ars memoriae, und die Gesetze des Wiedererinnerns: ars reminiscentiae, welche beide unzertrennlich sind, weil sie beide in Wechselwirkung miteinander stehen.

Die Brücke A-μ-B: Hier geht es um die Verbindung von Ordnungbildern und Stoffbildern. Ein Ordnungsbild ist beispielsweise: "Budäus bauet eine Krambude". Stoffbilder sind jene Bilder von Lerninhalten, die ich mit diesem Ordnungsbild verbinde, damit ich sie mir merke. Die Brücke kann ich nun von A nach B oder von B nach A beschreiten, das heißt, ich kann vom Ordnungsbild her den Lernstoff erinnern, ich kann aber zudem mich anhand des Lernstoffs an das Ordnungsbild erinnern.

Das ist etwas Anderes als Einprägen und Erinnern.

Beide Begriffspaare:

* Einprägen versus Erinnern
* Ordnungsbild versus Stoffbild

helfen, die Verwechlung zu vermeiden.

A-μ-B betrifft nur Ordnungsbild versus Stoffbild, nicht aber Einprägen versus Erinnern.

Man kann es aber auch in etwa so sehen wie Du.

Das mnemonische Lernen

Im Einprägen gehe ich in A-μ-B von A nach B, das heißt, ich habe bereits die Ordnungsbilder A und verbinde nun den Lernstoff B mit den Ordnungsbildern A.

Im Erinnern gehe ich dann aber nicht den umgekehrten Weg, sondern ich versuche mich anhand der Ordnungsbilder A an die Stoffbilder B zu erinnern.

In beiden Akten, dem mnemonischen Einprägen und Erinnern, sind die Ordnungsbilder - eine Route zum Beispiel - mein festes Gut, von dem ich in jedem Fall ausgehen kann.

Als Gedächtnissportler eigne ich mir beispielsweise zuerst 2000 Routenpunkte = A an, um sie hernach bei einer Meisterschaft mit random numbers = B zu befüllen. Zuerst habe ich A ohne B. Dann verbinde ich, in der Einprägephase, A mit B. Dann versuche ich, in der Abprüfungsphase, B anhand von A zu erinnern.

Das mnmonische Lernen unterscheidet sich vom nicht-mnemonischen dadurch, dass es A kultiviert und viel Arbeit auf das Erstellen von A wendet. Es überlässt A nicht dem Zufall, sondern organisiert und systematisiert es.
Martin
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Beitrag von Martin »

Jetzt wird es richtig interessant und grundlegend, Klaus. Die Sachlage ist durchaus nicht so klar wie sie scheinen mag, was mir beim Lesen der beiden ersten Subkapitel jetzt erst wirklich bewusst wird.
Du schreibst von sog. Stoffbildern, quasi dem Ergebnis der Umwandlung eines bestimmten Lerninhalts in die Form/Gestalt eines anschaulichen bzw. sinnlich fassbaren „Elementes“. Dieser Vorgang ist meiner bisherigen Auffassung zufolge aber identisch mit der eigentlichen Brückenkonstruktion. Denn das zu lernende Rohmaterial ist der Erinnerungsinhalt A und das „umgewandelte Element“ sozusagen die Erinnerungsstütze B, wobei die besagte Umwandlung nach bestimmten Prinzipien (ein ähnlicher Klang, eine Codierungsvorschrift etc.) vonstatten geht und als Verknüpfung μ bezeichnet wird.

Auf S.36 lese ich „Bacon, der sich... unter B nur ein Bild vorstellen konnte, benutzte hier „emblem“, um damit auszudrücken, dass das Bild auf künstliche Weise etwas anderes anzeigt als das, was es selbst darstellt.“ Und dies hat zunächst nichts mit dem Ordnungsbild gemein, welches ich erst in der Folge als Gliederungsinstrument einsetze, wenn ich mit umfangreicherem Lernmaterial hantiere. Nein, hier wird zunächst, um bei Deiner Wortwahl zu bleiben, rein auf das Stoffbild Bezug genommen. Anders ausgedrückt: Die Brückenkonstruktion generiert zunächst ausschließlich das Stoffbild.
Erst im 2. Subkapitel „Gehege“ (S.48, Zeilen 18-20 von unten) führt Ulrich den Gedanken fort und legt nahe, dass natürlich die Erinnerungsstütze B als Ordnungsbild-, wort, sprich als Haken, bei Verwendung von Garderoben oder als Fach in der Tableau- Praxis zusätzlich einsetzbar ist.
Zuletzt geändert von Martin am Sa 07. Jul 2007, 23:28, insgesamt 1-mal geändert.
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Martin hat geschrieben:Umwandlung eines bestimmten Lerninhalts in die Form/Gestalt eines anschaulichen bzw. sinnlich fassbaren „Elementes“. Dieser Vorgang ist meiner bisherigen Auffassung zufolge aber identisch mit der eigentlichen Brückenkonstruktion.
Ich glaube, dass Du da falsch auffasst.

Das ist eine Synekdoche, in der das Besondere/Sinnliche das Allgemeine/Unsinnliche ersetzt.

A in A-μ-B ist, wie Du richtig sagst, der Haken, B ist der Mantel, der Lernstoff, der an den Haken gehängt wird.

Das Ersetzen des Unsinnlichen durch das Sinnliche, dem Emblem, ist, was die alte Rhetorik (in der die alte Mnemonik als Teil gelebt hat) eine "Synekdoche" nennt.

Wir haben die Begriffspaare:

* Einprägen versus Erinnern
* Ordnungsbild versus Stoffbild = Haken versus Mantel
* Unsinnliches versus Sinnliches und das Ersetzen des einen durch das andere = Synekdoche
Martin
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Beitrag von Martin »

Klaus Horsten hat geschrieben:A in A-μ-B ist der Haken, B ist der Mantel, der Lernstoff, der an den Haken gehängt wird.
Vorsicht Klaus, jetzt wird die Eselsbrücke direkt mit Garderobe/Tableau vermengt bzw. in einem Atemzug genannt und das kann meiner Ansicht nach nicht richtig sein!
Schon allein der Kapitelaufbau spricht gegen Deine Darstellung, denn dann hätte Ulrich nicht die beiden Subkapitel "1.Mnemotechnik" (Themenschwerpunkt: Eselsbrücke) und "2.Gehege" (Themenschwerpunkt: Praenotion im Sinne von Haken/Fach, Garderobe, Tableau und Apparat) separieren müssen, wenn es sowieso mehr oder weniger ein und dasselbe repräsentiert. Meinst Du nicht, dass die Brücke als zunächst völlig eigenständige Einheit zu verstehen ist und erst in einem zweiten Schritt, also auf einer höheren Stufe (= bei umfangreicherem Lernmaterial) mit Haken und Garderoben in Verbindung zu bringen ist?
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Ich muss gestehen, dass ich hier eher meine eigenen Gedanken kund gebe, und nicht Esels Welt vor mir habe.
Meinst Du nicht, dass die Brücke als zunächst völlig eigenständige Einheit zu verstehen ist und erst in einem zweiten Schritt, also auf einer höheren Stufe (= bei umfangreicherem Lernmaterial) mit Haken und Garderoben in Verbindung zu bringen ist?
Ja, Du hast Recht.

Eselsbrücke: A-μ-B

Das gilt einmal ganz neutral, unabhängig von der Mnemotechnik, als etwas Gebräuchliches im Alltag.

Was ich gemacht habe: Mnemonisches A-μ-B

Da erst ist A ein Ordnungsbild oder ein System von Ordnungsbildern.

Wir haben jetzt die Begriffspaare:

* Einprägen versus Erinnern
* Ordnungsbild versus Stoffbild = Haken versus Mantel
* Unsinnliches versus Sinnliches und das Ersetzen des einen durch das andere = Synekdoche
* Eselsbrücke im Alltag versus das mnemonische Venedig (als [Gedächtnis-]Stadt mit den meisten Brücken)
Martin
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Beitrag von Martin »

Klaus Horsten hat geschrieben:Ich muss gestehen, dass ich hier eher meine eigenen Gedanken kund gebe...
Das ist mehr als willkommen, Klaus, und freut mich.
... und nicht Esels Welt vor mir habe.
Dies ist dann allerdings der Wehmutstropfen. ;-)
Das gilt einmal ganz neutral, unabhängig von der Mnemotechnik, als etwas Gebräuchliches im Alltag.
Was ich gemacht habe: Mnemonisches A-μ-B

Mit der Eigenschaftszuweisung neutral und mnemonisch, so wie Du sie vornimmst, tue ich mich schwer.
Denn auf dieser Basis würde sich als Konsequenz beispielsweise das allgemeine vom aristotelischen/mnemonischen Erinnern nicht mehr abgrenzen lassen. Ein Fehler, den Alsted anscheinend gemacht hat und sich damit eine wichtige Erkenntnis vorenthielt. Konkret gesagt: Das mnemonische Erinnern zeichnet sich gerade im Gegensatz zum allgemeinen Pendant dadurch aus, dass eine „Stütze“ im Spiel ist und damit das Erinnern nicht passiv sondern aktiv vollzogen wird. Somit ist die Eselsbrücke eben nicht alltagsgebräuchlich und neutral, sondern ureigenes Kennzeichen der Mnemotechnik. Ulrich führt gerade deshalb auch die im lateinischen Sprachgebrauch diesbezüglich interessante Differenzierung von „memoria“ und „reminiscentia“ beim Stichwort Erinnerung an (3. Subkapitel, S. 50): Erstere ist ein rein passiver Vorgang, Letztere aber ist eine aktive Erinnerung, ein Wiedererinnern sozusagen.
Vielleicht formuliert man besser:

Eselsbrücke A-μ-B als mnemonisches Element 1. Grades,
Hakenbrücke B-μ'-Haken als mnemonisches Element 2. Grades.

Beim zweiten Grad wird, wenn man so möchte, die von der Eselsbrücke stammende Erinnerungsstütze B zum "Inhalt A 2. Grades" und der Haken bzw. das Fach zur "Erinnerungsstütze B 2. Grades". Das ganze Element 2. Grades ähnelt also sehr der Brückenstruktur des Elementes 1. Grades. Nicht zu vergessen: Die Erinnerungstütze B einer Eselsbrücke kann natürlich auch zusätzlich Haken- Funktion wahrnehmen.
Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Klärungen:

A ist bei Ulrich Voigt und bei Dir das, was ich lernen will. B ist das, was mich an A erinnert.

Ich habe A und B umgekehrt genommen.

Eselsbrücke:
Es gibt Eselsbrücken, auch ohne Mnemotechnik, es gibt aber keine Mnemotechnik ohne Eselsbrücken. Selbst wenn es keine Mnemotechnik gäbe, gäbe es Eselsbrücken, es gäbe aber keine Mnemotechnik, wenn es keine Eselsbrücken gäbe.

Für mich verhält sich das wie bei den rhetorischen und stilistischen Figuren: die gibt und gab es völlig unabhängig davon, ob es eine Rhetorik und Stilistik gibt, die sie beschreibt und benennt.

Mnemotechnik ist, in meinen Augen, (nicht nur aber vor allem) die Selbstreflexion und Systematisierung der Eselsbrücken - deshalb eben: mnemonisches Venedig, das zuerst auf einem Plan entworfen wird, ein Verbund von Eselsbrücken, mit deren Hilfe man große Stoffmengen erlernen und erinnern kann.

"Ars memoriae" und "ars reminiscentiae" - diese beiden Wörter waren seit jeher miteinander austauschbar, so vermute ich, und es war Alsted, wieder eine Vermutung, der eine Unterscheidung hinein gebracht hat, indem er den Unterschied "Einprägen" und "Wiedererinnern" über die beiden Wörter gelegt hat. Was es nun mit der Alsted-Kritik auf sich hat, die bei Aretin nachzulesen ist und der Ulrich Voigt wohl folgt, verstehe ich nicht. Vielleicht ist es auch so: Alsted hätte diese Unterscheidung über die beiden Wörter legen sollen, hat es aber nicht getan. Ich persönlich würde diese Untscheidung zwischen Einprägen und Erinnern nicht in den Namen der Lehre stecken.
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