"Das Brain-Training" v. Rüdiger Gamm

Hier findet man Rezensionen über Bücher (und teilweise andere Medien), welche die Thematik des Boards betreffen.

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Andi
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"Das Brain-Training" v. Rüdiger Gamm

Beitrag von Andi »

Sobald jemand das neue Buch „Das Brain-Training“ von Rüdiger Gamm hat, möge er doch bitte freundlicherweise kurz antworten, ob sich eine Anschaffung lohnt.
Sind es gleiche bzw. ähnliche Inhalte wie in „Train your brain“?

Vielen Dank

PS: Rüdiger, wenn du mal wieder hier im Forum vorbei schaust, vielleicht kannst du kurz etwas zum Inhalt sagen.
„Die Leistungsfähigkeit des Hirns nimmt zu, je mehr man es in Anspruch nimmt.“
Alfred Herrhausen (1930-1989), dt. Bankier
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Andi
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Beitrag von Andi »

Endlich ist das Buch erschienen (schon seit 2009 in Planung, Veröffentlichung immer wieder verschoben). Ich habe es gelesen/bearbeitet und es als wahre ENTTÄUSCHUNG erlebt.

Das Cover titelt mit „Neues vom Rechengenie“. Was versteht der Leser, der Gamms erstes Buch „Train your brain“ gelesen hat, darunter? Klar, eine Erweiterung der bisherigen, in geschichtlicher Form dargestellten Autobiografie des Schnellrechners Gamm mit Tipps um die eigene Gedächtnisleistung zu steigern. Der Einband verspricht: Leichtes erlernen eines Namens (z.B. den des neuen Kollegen), wie findet man Autoschlüssel, Merken von Pinnummern.
„Gedächtniskünstler (@ CAIROS, alle die geistige Höchstleistungen vollbringen werden wohl von den Verlagen mit „Gedächtniskünstler“ betitelt, eine Lektorenkrankheit!?:wink:) Gamm hat ein abwechslungsreiches Trainingsprogramm zusammengestellt …“, so heißt es weiter.

Nun zum vom Verlag/Gamm u. Ehlert nicht, wie im Einband dargestellt, versprochenen Inhalt:
Einige Aussagen aus dem Kapitel „Warum Gehirntraining?“: Es erfolgt eine Trilogie, die in der Bunten oder der Neuen Post stehen könnte. Gehirntraining darum:
- „Gehirntraining hilft gegen das Alter, unabhängig vom Bildungsstand.“
Super Aussage, die wissenschaftlich nicht einmal untermauert werden kann.
- „wenig Flüssigkeit, Sauerstoffmangel, Umweltgifte, Stress setzten die Gehirnleistung herab.“
Wer wusste das nicht?
- „Mit unserem Buch möchten wir Ihnen zeigen, mit welchen oft spielerischen und interessanten Knobeleinen Sie sich geistig fit halten und Abbauprozessen entgegenwirken können“.
- „Kinder spielen gerne Stadt-Land-Fluss, Memory…“
Wow, was für eine Erkenntnis.

Und so geht’s gerade mit Trivialaussagen weiter, die oft bereits schon in Gamms erstem Buch beschrieben wurden:
- Abwechslung ist gut fürs Gehirn. Z.B. andere Wege zur Arbeit gehen, Zähne mit der ungewohnten Hand putzen, viel Sport betreiben.
Dann erzählen Gamm und seine Co-Autorin Ehlert wie toll sie doch Manager-Outdoor-Seminare halten können und den gestressten Managern ihre USB-Sticks abnehmen, da sie in der Wildnis eh nichts taugen. Ein Füllmechanismus um mit inhaltsleeren Anekdoten Seiten zu füllen, ohne jeglichen schriftstellerischen Zweck.
- Es erfolgt: „Körperliche Voraussetzungen für optimale Gehirnfunktionen“
Hier inhaltlicher Aufbau wie in „Train your Brain“.

So dies waren die ersten 19 Seiten und das war’s eigentlich schon.

Auf Seite 21-175 (danach die Lösungen) erfolgen Rätsel wie Buchstabensalat, Kombinationswörter, Grundrechenaufgaben, Dreisatz, Textaufgaben, Multiplikation, geometrische Rechenaufgaben, Sudokus die in jeder billigen Illustrierten, im Internet zuhauf kostenlos existieren, die laut Autoren Logik, Kreativität, Fantasie, Denkfähigkeit fördern sollen.

Das ist kein Brain-Trainings-Buch, sondern ein Buch für Bewerbungstests, die in mancher Hinsicht ähnlich aufgebaut sind. Manchmal einleitend mit abgedroschenen, banalen Einleitungen der Verfasser, etwa: „Das Bruchrechen ist einfach und logisch, auch wenn so mancher Schüler anderer Meinung sein mag.“ (Sehr, sehr hilfreich und aussagekräftig)

Was mich am meisten ärgert: 18 Sudokus verbraten auf neun Seiten, eine Schande.

Wo ist der Inhalt der auf dem Einband versprochen wurde? Keinerlei Techniken die helfen Namen, Pinnummern, etc. zu merken. Nicht einmal Übungen dazu, die diese Fertigkeiten trainieren sollen. Übungen schon, aber keine zur Namensabspeicherung, Anleitungen zum Auswendiglernen von Pinnummern (etwa Major-System), Transfereffekte der beschriebenen Übungen sehr fraglich (wie wissenschaftliche Untersuchungen zeigen).

Einzig und allein das Kalenderrechnen wird schön dargestellt.

Wenn das alles sein sollte was ein Hochleistungs-Rechengenie aus dem Nähkästchen plaudern kann, tut er mir leid.

Ich rate allen potenziellen Käufern von diesem Buch ab, die sich Techniken erhoffen, um die mentale Leistungsfähigkeit zu steigern. Wer ein allenfalls Trainingsbuch haben möchte, der ist damit richtig bedient. Nur gibt es diese Übungen im Internet kostenlos.

Fazit: Ein Buch, dessen Inhalt kostenlos im Internet oder in der Apotheken Umschau zur Verfügung steht. Die Tipps die Gamm und Ehlert geben weiß jeder halbwegs aufmerksame Mensch, der sich ein wenig mit mentaler Fitness auskennt.

1,5 von 5 Sternen. :(
„Die Leistungsfähigkeit des Hirns nimmt zu, je mehr man es in Anspruch nimmt.“
Alfred Herrhausen (1930-1989), dt. Bankier
Phexx
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Beitrag von Phexx »

hatte ich nicht wirklich was anderes erwartet. Das erste Buch war ja auch nicht so besonders inhaltsvoll.
monet
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Beitrag von monet »

Hallo
@Andi70012 danke für diesen Einblick. Ich habe nämlich das erste
Buch von ihm gekauft (zum Glück bei ebay günstig ersteigert)
und gelesen. Ich war mehr als enttäuscht. Es scheint, dass das
zweit genau so schlecht ist. Auch wenn ich deine Rezension
nicht gelsen hätte, hätte ich es nicht gekauft.

Als dieses Buch in Planung ging, waren bestimmt viele Verlage
scharf darauf, aber nicht wegen dem Inhalt, sondern wegen dem Namen.

Wenn man nicht viel erwartet und sich mit der Materie
gerade auseinandersetzt, ist es vllt interessant aber für jemanden, der
sich damit schon beschäftigt ist es Zeitverschwendung.

Gruß monet
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Andi
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Beitrag von Andi »

monet hat geschrieben: Ich habe nämlich das erste
Buch von ihm gekauft und gelesen. Ich war mehr als enttäuscht. Es scheint, dass das
zweit genau so schlecht ist.
Das Erste fand ich eigentlich ziemlich gut. Jedenfalls konnten daraus mehr Tipps entnommen werden, als wie aus dem Zweiten. Das Zweite ist (fast) ein reines Übungsbuch, auch wenn der Klappentext etwas anderes suggeriert.
Schade, dass viele Inhalte doppelt verkauft wurden, wer „Train your Brain“ gelesen hat und nicht speziell Übungen, die wie bereits erwähnt im Internet kostenlos sind, bearbeiten möchte dem rate ich vom Kauf von „Das Brain Training“ ab.
monet hat geschrieben: Wenn man nicht viel erwartet und sich mit der Materie
gerade auseinandersetzt, ist es vllt interessant aber für jemanden, der
sich damit schon beschäftigt ist es Zeitverschwendung.
Kann mir nicht vorstellen, dass über 100 Seiten mit Übungen, die in jedem Mittelstufen-Schulbuch stehen könnten, interessant sind. Zumal Sudokus, Rechenaufgaben in jeder Illustrierten stehen. Viel spannender ist doch zu erklären, wie solche Aufgaben schneller, effizienter gelöst werden. Dies an Folgebeispielen zu zeigen kann schon ziemlich Spaß machen.

Und dies ist doch reine Marktschreierei (S. 91- Kapitel Addition): „Dieses Vorgehen mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad vermeidet unnötige Überanstrengungen, so wie Alexandra sie bei einer Gedächtnis-Meisterschaft einmal erlebte. Bei der Memoriade in Istanbul ging sie ohne vorheriges Training an den Start. Zwar war sie erst gar nicht schlecht, aber nach dem zweiten Durchgang hatte sie plötzlich auftretende Schwindelanfälle und Sehstörungen. Offenbar wurde ein vernachlässigtes Hirnareal überanstrengt. Sie benötige zwei Tage, um sich zu regenerieren.“
Ehlert machte nur an einer Disziplin mit, belegte dort Platz 19 (der Schlechteste) (siehe: http://www.memoriad.com/2008/results.asp) und gibt sich als Plakativbeispiel an, wie es nicht gemacht werden sollte. Ha ha: „Zwar war sie erst gar nicht schlecht“ :lol:. Wie sollte es denn dann richtig gemacht werden? So was interessiert doch den Leser. Gamm, der wenigstens Platz 11 erreichte, sollte hier doch lieber berichten, wie es geht und nicht, wie es gerade nicht geht.
Außerdem war dies keine Gedächtnis-Meisterschaft, sondern wenn schon eine Gedächtnis-Rechen-Welt-Meisterschaft. „Offenbar wurde ein vernachlässigtes Hirnareal überanstrengt“, so der neurologische Rat der Beiden. Ha ha :lol: :lol: .
Jeder halbwegs Normaldenkende ist sich doch darüber im Klaren: Ein Untrainierter schafft keinen 1.000-Meter-Lauf in einer ordentlichen Zeit, ohne dafür trainiert zu haben.
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Julian
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Beitrag von Julian »

Andi70012 hat geschrieben:Zwar war sie erst gar nicht schlecht, aber nach dem zweiten Durchgang hatte sie plötzlich auftretende Schwindelanfälle und Sehstörungen
Vielleicht war ja:
,,Zwar war ihr erst gar nicht schlecht, aber nach dem zweiten
Durchgang hatte sie plötzlich auftretende Schwindelanfälle und
Sehstörungen.´´ gemeint. :lol:
(Nicht zu vergessen: Starker Husten, hohes Fieber, Halluzinationen :roll:)
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Andi
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Beitrag von Andi »

@richtig Julian. Das ist eine mögliche Interpretation.

Aber ich halte mal dem Autoren-Team zu Recht, dass sich das „sie“ auf Ehlerts Ergebnisse bezieht. „Sie war [bei der Addition] erst gar nicht schlecht …“

Wenn dies nicht der Fall sein sollte, hatte der Lektor wohl nen Kruzen zuviel :wink:
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Beitrag von iwaisniggs »

Vom Rüdiger hab ich auch das erste Buch, war nett es durchzulesen, gemütlich bei einem Kaffeetscherl.

In erster Linie wars ja eher eine Selbstdarstellung. Meine Meinung.

Wenn ich Bücher mit Lerntechniken u. a. sehe..und ich sehe seitenweise Sudokus, ist es schon wieder weggelegt.

Ich für meinen Teil, bevor ich mir ein Buch kaufe, möchte es mal durchblättern.

Und Sudokus lösen, ja ok, da ist man halt in Sudokus lösen gut.

Sowie Kreuzworträtsel lösen, da ist man halt da gut.

Aber sonst bringt das nichts. Hat mal ein Typ gesagt, der sich auch mit Hirn beschäftigt *g*

Und das mit dem Bruchrechnen find ich auch ne Frechheit, ich denke die wenigsten sind mit Logik auf die Welt gekommen, denn die meisten haben "Logik" erst lernen bzw. erfahren müssen.

Für mich ist es beispielsweise logisch, wie eine Geldbrieftasche aufgebaut und hergestellt wird. Weil ich es GELERNT habe.

Kanns der Herr Gamm auch?...ich glaub kaum
Woody Allen soll einmal gesagt haben:

Ich habe einen Kurs in Schnelllesen gemacht und bin jetzt in der Lage "Krieg und Frieden" in 20 Minuten durchzulesen.

Es handelt von Russland.
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µBx
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Beitrag von µBx »

Aber sonst bringt das nichts. Hat mal ein Typ gesagt, der sich auch mit Hirn beschäftigt *g*
Wer genau? Und am liebsten noch mit ner Angabe zur Publikation, denn ich würde dieser Aussage mal spontan widersprechen, habe zwar weder Medizin noch Psychologie studiert, dennoch verfüge ich durch Fachliteratur der Neurologie zumind. ein rudimentäres Wissen über diese Dinge. Durch Bruchrechnen o.ä. werden beispielweise Gliazellen gebildet welche quasi unsere "Mathematische-Logische Ressource" darstellt. Wenn ich mich recht entsinne werden Gliazellen auch bei dingen wie Sudoku lösen und ähnlichem gebildet.

Natürlich gehts beim Lernen darum Erfahrungen zu machen => Aufgaben rechnen (wenn wir das mal auf die Mathematik beziehen) dann wird man gut in dem geübten Aufgabentyp doch eine Ressource auf die wir zurückgreifen und die uns das Rechnen bzw. das Überlegen wie man auf den Kösungsweg kommt erleichtert.
Grenzen existieren nur in unserem Kopf.
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Boris
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Beitrag von Boris »

Owen, A. M., Hamp­shire, A., Grahn, J. A., Sten­ton, R., Dajani, S., Burns, A. S., et al., (2010). Putting brain train­ing to the test. Nature, online advance pub­li­ca­tion www.nature.com/doifinder/10.1038/nature09042
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DocTiger
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Beitrag von DocTiger »

Schon krass, das absolut kein Transfereffekt stattfindet. Das sind allerdings gute Nachrichten für Memotechnik und Lerntechnik allgemein, da zwar jeder Stoff und jede Fähigkeit einzeln trainiert werden muss, aber allgemeine Werkzeuge zum Trainieren, wie Vorstellungskraft und Wiederholungsprinzipien trotzdem die Leistung erhöhen müssten.
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