Sinn von Gedächtnisseminaren. (Aus: Schieb das Schaf)

Hier findet man Rezensionen über Bücher (und teilweise andere Medien), welche die Thematik des Boards betreffen.

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Andi
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Sinn von Gedächtnisseminaren. (Aus: Schieb das Schaf)

Beitrag von Andi »

Hallo Herr Geisselhart, zuerst einmal herzlich willkommen hier im Forum. Ich finde es super, dass Sie hier als Autor mitdiskutieren wollen.
Oliver Geisselhart hat geschrieben: vokabeln und auch namen seien doch so schwierig zu verbildern. nicht jeder will und/oder kann ein 2-3-tages-seminar besuchen (weil oft zu teuer) und voll in die gedächtnistechnik eintauchen.
Für den Anfang ist (wie alles andere ebenfalls) die Verbildlichung schwer. Mit der gewissen Übung klappt es andererseits immer schneller, wie aus eigner Erfahrung erlebt.
Ich versteh nicht ganz warum man für das Erlernen von Mnemotechniken überhaupt ein „oft zu teures“ Seminar über Mnemotechniken (bei Ihnen) besuchen soll. Viele Gedächtnistrainer bieten doch an Schulen oder bei öffentlichen Veranstaltungen in Unternehmen kostenlose Einführungsseminare an, die die Techniken erstmals schmackhaft machen – danach kann man sich selbst unheimlich gute Literatur besorgen, wofür ein teures Seminar?

Wie erklären Sie es sich, dass etwa geschätzte 96% der Seminarteilnehmer, wenn nicht sogar mehr, die Techniken nur für kurze Zeit bzw. gar nicht mehr nach dem Seminar anwenden? War der Referent nicht überzeugend genug? Sie denken vielleicht die Zahl sei von mir persönlich und ohne jegliche Basis kreiert, Nein!, es sind hier einige Referenten im BrainBoard vertreten, die dies selbst bei ihren eigenen Gedächtnisveranstaltungen täglich miterleben und an dieser Stelle erläutert haben.

Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber: Warum halten Sie sich persönlich für prädestiniert überhaupt über Mnemotechniken zu referieren bzw. Bücher zu schreiben? Sie haben keinerlei Erfolge auf dem Gebiet vorzuweisen, anders als etwaige Autoren die zugleich Gedächtnissportler, Weltrekordhalter und „Genies in der Kunst des Merkens“ sind, wie: Jens Seiler (alias CAIROS ehemals Jens der Denker), Dr. Gunther Karsten, Boris N. Konrad, Dorothea Seitz, Christiane Stenger, Tony Buzan, Ulrich Voigt, Rüdiger Gamm (fast alle hier im BrainBoard vertreten) und viele mehr. Ich meine: Nur wer selbst die Techniken qualifiziert beherrscht, sie täglich trainiert und anwendet, kann glaubhaft diese dem Publikum vermitteln und „ein Feuer der Begeisterung“ entfachen. Autorität und Expertise auf einem Gebiet muss man sich eben durch Leistung verdienen. Ich denke viele Menschen schauen zuerst auf die Kompetenz eines Autors und wägen dann ab, ob Sie ein Werk von ihm kaufen oder nicht.
Oliver Geisselhart hat geschrieben: "schieb das schaf" (€ 12,99) wurde für absolute normalos, anfänger, geschrieben (habe den eindruck, die meisten hier sind brainmäßig zu fit um sich mit literatur für otto-normal-verbraucher zu beschäftigen).
Finde ich nicht. Ich persönlich lerne schon sehr lange mit Mnemotechniken erfolgreich fürs Studium, lese aber immer noch neue „literatur für otto-normal-verbraucher“ und kann eigentlich immer den einen oder anderen Gedanken auffinden und in mein Wissensnetz eingliedern, so auch mit neuer Literatur zu Lerntechniken.
Oliver Geisselhart hat geschrieben: diese mühe und die zeit wollen und/oder können nicht alle investieren.
Und das ist meiner Ansicht nach auch die Schuld vieler Gedächtnistrainer. Viele aus Ihrer Zunft suggerieren gerne dem Publikum: Du hast einmal ein Gedächtnisseminar besucht – jetzt kannst du die Technik. Die „Transpiration“ zur Beherrschung der Techniken nennen nur wenige und meist auch nur diese, die es selbst „durchlebt“/angewendet haben (etwa CAIROS, Dr. Karsten bei Boris weiß ich nicht welchen Rat er seinen Zuhörern gibt).
Oliver Geisselhart hat geschrieben: deshalb habe ich diesen menschen die arbeit abgenommen
Das ist ja schön und sehr freundlich. Was machen aber Schüler die nicht gerade die 1.500 Vokabeln aus ihrem Buch sich aneignen müssen bzw. Sprachenlerner die nicht Englisch sondern etwa Spanisch pauken? Ihnen fehlt das Rüstzeug genauer gesagt die nötige „Tiefe der Verarbeitung“ (wie von mir oben beschrieben), um selbstständig in ihrem Lernverhalten zu werden.
Oliver Geisselhart hat geschrieben: jedoch habe ich es in etlichen vorträgen getestet. und es funktioniert.
:evil: :evil: :evil: Es funktioniert schon seit Simonides von Keos und Cicero und die waren sicherlich nicht in Ihren Vorträgen.
Oliver Geisselhart hat geschrieben: es will nicht jeder ein gedächtnissportler werden. die meisten wollen einfach schnell englischvokabeln behalten, nicht lernen!!!
Warum möchten diese Personen Englischvokabeln behalten, wenn sie die Sprache nicht lernen wollen??? Ja klar für Vokabeltests etwa, aber wozu dienen solche Tests? Spätestens in der Oberstufe reichen solche kurzfristeigen Lernerfolge nicht mehr, um das Abi zu schaffen. Bei uns gab es ab der Oberstufe gar keine Vokabeltests mehr, geschweige denn eine Sprache ohne Grammatik (nur mit Wortschatz) zu lernen - unmöglich.
Oliver Geisselhart hat geschrieben: wer weit über 1.000 vorgefertigte verbilderungen intus hat, kommt sicherlich besser mit dem verbildern klar als vorher.
Kann sein, glaub ich aber nicht. Es fehlt meiner Ansicht nach die „Tiefe der Verarbeitung“. In der populärwissenschaftlichen Literatur wird dazu immer wieder ein Beispiel genannt: Es wird, sofern ich mich noch richtig erinnern kann, von Hermann Ebbinghaus berichtet, dass er jeden Abend (ca. 1.000 Mal insgesamt) immer dasselbe Gebet gelesen hat, ohne es am Ende auswendig vorsagen zu können. Warum? Weil er es „nur“ oberflächlich gelesen und nie richtig verarbeitet hat. Warum sollte es mit vorgegeben Vokabelbilder anders sein?
Oliver Geisselhart hat geschrieben: dass eine mittelmäßig selbst kreierte verbilderung besser als eine gute fremde ist.
So sehe ich es auch.
Oliver Geisselhart hat geschrieben: ABER: EINE MITTELMÄßIG FREMDE VERBILDERUNG IST DEUTLICH BESSER ALS ÜBERHAUPT KEINE EIGENE!!!!!!!!!!!!
Wozu braucht man dafür 1.500 lapidare Beispielbilder?
Oliver Geisselhart hat geschrieben: ihr dürft nicht enttäuscht sein von den leuten. nur weil viele von ihnen keine lust haben selber zu verbildern.
:evil: :evil: :evil: Auch übrigens denkt man so über seine Kunden??? Ich bin nur enttäuscht von manchen Gedächtnistrainern die sagen diese Techniken seien auf ihrem „Mist“ erwachsen und die Erfinder dieser brillanten Techniken ganz außen vor lassen. :evil: :evil:
Oliver Geisselhart hat geschrieben: JENS, du alter denker, hier noch was für dich: warum nimmst du als beispiel gerade "wind"? und: hast du dafür denn ein besseres bild? wie würdest du dir "wind" oder "bush" merken??? übrigens ist das bild für schaf doch klasse.
Ich schätze Jens und seine Fähigkeiten sehr. Er begeistert mich immer wieder in seiner Show und Büchern aufs Neue. Mein Gott ist das krass: Wer kann die ganze Brockhaus-Enzyklopädie, das Telefonverzeichnis Deutschlands auswendig, so schnell rechnen wie er? Er gilt in meinen Augen immer noch als „Genie“, obwohl ich genau weiß, dass dies jeder mit gewisser Übung und Ausdauer schaffen kann. Jens weiß wovon er spricht, er demonstriert es glaubhaft und weckt den Willen es selbst zu versuchen.
Oliver Geisselhart hat geschrieben: hier mal ne kleine auswahl:

breakfast [brekfəst] [bräkfest] Frühstück; Bild: Nachdem Frühstück, fangen alle zu kotzen an. Es wird ein richtiges Brechfest.

cheese [tʃiːz] [tschihs] Käse; Bild: Mit einer Kanone wird ein Käse wegge¬schossen: Das Kom¬mando für den Ab¬schuss heißt: "Schieß Käse!" Bild: Jemand schießt Löcher in den Käse.

chicken [ˈtʃikin] [tschikn] Huhn; Bild: Das Huhn muss sich schicken, um in den Hühnerstall zu kommen (wird wahr¬scheinlich vom Hahn verfolgt).

attention [əˈtenʃn] [ätenschn] Auf¬merksamkeit, Vorsicht;. Bild: Vorsicht, er trägt ä tännschn (sächsisch für „ein Tännchen“).

cloud [klaʊd] [klaud] Wolke; Bild: Man fragt sich, wer bei strahlend blauem Himmel die Wolken geklaut hat.

comfort [ˈkʌmfət] [kamfet] Bequemlichkeit; Bild: Von zuviel Bequemlichkeit kommt Fett.

cruise [kruːz] [kruhs] Schiffs¬reise; Bild: Mit Tom Cruise (Schauspieler) auf einem Traumschiff eine Schiffsreise machen.
Entschuldigen Sie, aber ich finde die Wörterauswahl hier nur lächerlich. :evil: Warum?

1. Wer schon einmal bei McDonald’s war weiß automatisch die ersten drei Wörter und braucht sich nicht so umständliche Schlüsselwörter konstruieren. Attention ist ebenso im kollektiven Sprachgebrauch angekommen wie cruise – spätestens nach dem Untergang der Costa Concordia. Cloudtechnologie besitzen die neuen VirensoftwareZ ;-) und „comfort“, naja, ich weiß nicht ob sie den Leser damit nicht ein wenig für dumm verkaufen wollen. :evil: [/size]

2. Es gibt für viele Wörter die eine doppelte Bedeutung haben, hier allerdings weder erwähnt sind und meist nur in einem Satzgefüge richtig gelernt werden können.
Z.B: „artificial“ kann auch „unecht“ bedeuten ebenso wie „fake“ (auch gefälscht/unecht/falsch). Bei folgendem Satz würde man aber „fake“ benutzen und nicht „artificial“: I knew the ID was fake as soon as I looked at it.
Oder hier: Attention kann auch Behandlung/Versorgung bedeuten und nicht nur Aufmerksamkeit.
Oder: „bridge“, hat mehrere deutsche Bedeutungen: z.B. die Brücke im zahnmedizinischen Sinne, der „Steg“ bei einer Geig bzw. Gitarre bzw. das gleichnamige Kartenspiel.

Daher mein Fazit:
Es nettes Büchlein (laut Ihrer Beschreibung) für Einsteiger die gerne ein Schlüsselwort zu logisch beziehbaren Wörtern (etwa „comfort“) habe wollen :shock: ohne dabei die Schlüsselworttechnik zu verinnerlichen, um diese auf wirklich schwierige Fremdwörter zu duplizieren. Eine Einnahmequelle für Jemanden der mit der Materie eher Geldverdienen möchte, als dass er diese aus Leidenschaft betreibt.


Lieber Herr Geisselhart zum Schluss möchte ich Ihnen noch eines mitgeben:
Hören Sie endlich damit auf die Mnemotechniken als Ihre eigene Erfindung (als „Geisselhart-Technik“ siehe z.B: hier: http://www.teamgeisselhart.de/geisselharttechnik.html oder hier http://www.unternehmen-erfolg.de/ue/ver ... ng_id=1532) zu verkaufen und lesen Sie lieber das das Buch „Esels Welt. Mnemotechnik zwischen Simonides und Harry Lorayne“ von Ulrich Voigt. Dort steht wer wirklich die Mnemonik erfunden und wie sich diese über die Jahrhunderte entwickelt hat.
„Die Leistungsfähigkeit des Hirns nimmt zu, je mehr man es in Anspruch nimmt.“
Alfred Herrhausen (1930-1989), dt. Bankier
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Re: Schieb das Schaf (O. Geisselhart)

Beitrag von CAIROS »

Andi hat geschrieben:Warum halten Sie sich persönlich für prädestiniert überhaupt über Mnemotechniken zu referieren bzw. Bücher zu schreiben?
Anders herum wird auch ein Schuh daraus. Ich habe einige Seminarteilnehmer, die zu mir gekommen sind, weil sie ein Buch von mir gelesen hatten. Sie brauchten nach eigenen Aussagen den berühmten Tritt in den Allerwertesten oder wollten das Gelesene einfach mal live erleben. Ich denke, beides hat seine Berechtigung: Bücher und Seminare.

Bei einem allerdings gebe ich Andi absolut recht: Man sollte einen gewissen Background haben. Ich besuche recht häufig Seminare in diesem Bereich -meist inkognito - und bin meist sehr enttäuscht. Oft sitze ich vor einem Trainer, der meinte, gerade im Softskill-Bereich reicht es aus, mal ein Buch gelesen zu haben, um dann zu referieren.

Und noch einen Satz zum Abschluss: Wer meint, dass man in diesem Bereich mit den Büchern seinen Lebensunterhalt finanzieren kann, irrt sich. Bücher sind Reputation, nicht mehr und dienen evtl. noch zur Erinnerungsauffrischung.
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Andi
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Re: Schieb das Schaf (O. Geisselhart)

Beitrag von Andi »

DocTiger hat geschrieben:bei anderen Sprachen bevorzuge ich, für jedes Wort erstmal kein Bild zu verwenden und erst wenn ich merke dass ich es gerne vergesse, bau ich mir ein Bild dazu.
So mache ich es ebenfalls :P . Wozu für triviale Wörter Bilder, die meist eh schon eine Assoziation in sich tragen, ein künstliches (oft nicht so einprägsames) Bild generieren? Das ist ja genau die Problematik bei einigen von Herrn Geisselharts genannten Beispielwörtern.
CAIROS hat geschrieben: Anders herum wird auch ein Schuh daraus. Ich habe einige Seminarteilnehmer, die zu mir gekommen sind, weil sie ein Buch von mir gelesen hatten. Sie brauchten nach eigenen Aussagen den berühmten Tritt in den Allerwertesten oder wollten das Gelesene einfach mal live erleben. Ich denke, beides hat seine Berechtigung: Bücher und Seminare.
Jens, das ist bei deiner genialen Show aber etwas ganz anderes. Deine Bücher sind zwar, wie Herr Geisselhart jetzt sagen würde, für „otto-normal-verbraucher“ gehalten, du zeigst aber in deinen Shows, was mit den in deinen Büchern beschriebenen Mnemotechniken alles erreichbar sein könnte/und ist und das motiviert unheimlich die Zuhörer. :mrgreen: :mrgreen:

Bei Geisselhart & Co. ist es gerade umgekehrt: Die Vorträge bzw. (Privat-)Seminare bieten nicht viel mehr, meist sogar weniger, als das was in den verfassten Texten steht. Da sag ich mir als Zuhörer dann immer wieder: Der Autor beherrscht nicht einmal seine eigene Literatur!

Nehmen wir mal einige andere Beispiele: Ein Pianist der in seinen Büchern den Lesern das Klavierspielen erläutern will, es selbst aber nicht (mittelmäßig) beherrscht ist unglaubwürdig. Ein Fußballer der über Fußballtricks schreibt ohne sie selbst zu können ist nichts anderes als ein Gedächtnistrainer der Literatur über Mnemotechniken verfasst und sich selbst nicht einmal 30 bis 40 Wörter merken kann. Und das ist halt bei Geisselhart, Hofmann und Staub definitiv so, zumindest das was ich schon von ihnen in div. Seminaren und persönlichen Gesprächen so mitbekommen habe. Schade eigentlich für jeden anderen Autor/Redner der tatsächlich sein „Handwerk“ versteht und von solchen „Schwätzern“ (tut mir leid für diesen Ausdruck) Konkurrenz fürchten muss. Das macht die Gedächtnistrainer im Allgemeinen, als auch die Mnemotechnik im Speziellen zu einem „Ramsch-Produkt“ und nicht zu der Kunst die sie eigentlich ist. Hinzu kommt, dass die Mnemonik als eigene Erfindung (vgl. „Geisselhart-Technik“) dargestellt wird und das ist meiner Ansicht nach die reinste Hochstapelei bzw. neudeutsches wulffen :lol:
„Die Leistungsfähigkeit des Hirns nimmt zu, je mehr man es in Anspruch nimmt.“
Alfred Herrhausen (1930-1989), dt. Bankier
CAIROS

Re: Schieb das Schaf (O. Geisselhart)

Beitrag von CAIROS »

Ja, Andi, das hatten wir hier im Forum ja schon öfter.
Diese Art Vorträge und Seminare, wie sie von einem der Dir genannten "Trainer" gehalten werden, enttäuschen nicht nur die Teilnehmer, sondern machen a) das Geschäft derjenigen, die es drauf haben (z. B. Steffen Bütow) und b) die Akzeptanz für die Mnemotechnik kaputt.
Doch hier rennen wir gegen Windmühlen. Es ist schlimm anzuschauen, dass Verkäufer und NLP'ler immer mehr in das Segement der Mnemotechnik vordringen, ohne es zu fühlen, gar zu beherrschen. Um so mehr erfreut mich den schon genannten Steffen, der es immer wieder schafft, durch sein Trainer seiner Schüler immer wieder in die Öffentlichkeit vorzustoßen. Hier werden noch Techniken und keine überteuerten CDs verkauft.
Buetow
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Re: Schieb das Schaf (O. Geisselhart)

Beitrag von Buetow »

CAIROS hat geschrieben:Ja, Andi, das hatten wir hier im Forum ja schon öfter.
Diese Art Vorträge und Seminare, wie sie von einem der Dir genannten "Trainer" gehalten werden, enttäuschen nicht nur die Teilnehmer, sondern machen a) das Geschäft derjenigen, die es drauf haben (z. B. Steffen Bütow) und b) die Akzeptanz für die Mnemotechnik kaputt.
Doch hier rennen wir gegen Windmühlen. Es ist schlimm anzuschauen, dass Verkäufer und NLP'ler immer mehr in das Segement der Mnemotechnik vordringen, ohne es zu fühlen, gar zu beherrschen. Um so mehr erfreut mich den schon genannten Steffen, der es immer wieder schafft, durch sein Trainer seiner Schüler immer wieder in die Öffentlichkeit vorzustoßen. Hier werden noch Techniken und keine überteuerten CDs verkauft.
Hi Jens,

danke für die Blumen! Natürlich mache ich den ganzen Aufwand ja auch nicht immer ganz uneigennützig. Wenn ich mir aber überlege, dass mich das Gedächtnistraining seit über 12 Jahren nicht loslässt - seien es meine damaligen Meisterschaftsteilnahmen oder das Training meiner Schüler für den Schulalltag, für Meisterschaften oder für diverse Fernsehauftritte, dann merke ich an mir selbst, wie mich das Thema nach wie vor fasziniert.
Hier bin ich ja aber glücklicherweise nur einer von vielen, wenn man z.B. das rege Treiben in diesem Forum mitverfolgt.
Und dieses gemeinsame "Brennen" für die Gedächtnistechniken ist unerlässlich für die kontinuierliche Weitergabe an andere.

Bestimmte Gedächtnistraining-Massenspektakel oder die unzählbaren Buchveröffentlichungen einer bestimmten Familie, die seit inzwischen 30 Jahren immer wieder gleiche Inhalte aufkochen, sehe auch ich kritisch - aber mein Buch mag mit Sicherheit auch nicht jeder.

Da ich aber von Seminaren nicht leben muss und nur den für mich interessanten Anfragen nachgehe kann, treffen mich die nicht nachhaltigen Seminarangebote nicht so sehr, wie andere, die Beruf und Hobby viel stärker verknüpft haben...

Ich bin mal gespant, wie die Diskussion weitergeht...

Viele Grüße!
Steffen
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Sokron
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Re: Sinn von Gedächtnisseminaren. (Aus: Schieb das Schaf)

Beitrag von Sokron »

Ich muss schmunzeln, wenn ich hier die Aussagen lese, die zwanghaft einen Zusammenhang zwischen der Vermittlungskompetenz eines Gedächtnistrainers und dessen gefordert "außergewöhnlicher" Anwendungskompetenz konstruieren. Hier sehe ich zwei gedankliche Fehler. Erstens wird dabei unterstellt, dass jeder Normalanwender der Gedächtniskunst, ohne Weltmeistertitel, Showerfahrung o.ä., automatisch auch ohne Passion für das Thema sein muss und nur sein Geld damit machen will. Es scheint bei manchen Menschen nur schwarz oder weiß im Malkasten zu geben. Ich bin mir sicher, dass ein guter Verkäufer, der keine Leidenschaft für das Thema hat, gewiss tausend andere Segmente finden und vorziehen wird, mit denen er mit weniger Aufwand mehr Geld verdienen kann. Zweitens wird hier die m.E. ebenfalls falsche Behauptung aufgestellt, dass ein "Profianwender" auch automatisch ein guter Seminarleiter ist. Dies rührt daher, dass der Beruf des Lehrenden oftmals zu leichtfertig als etwas völlig Simples und Selbstverständliches angesehen wird. Die Mnemotechniken sind größtenteils recht einfach, genau darin liegt ihr Vorteil für den Anwender. Wir sprechen hier ja nicht von Seminaren zur Relativitätstheorie. Die für eine ausgezeichnete Seminarleitung notwendige psychologische, methodische und didaktische Kompetenz ist weitaus komplexer und anspruchsvoller. Zudem sollte man sich als Trainer im Seminar selbst zurück nehmen können, um auf die Teilnehmer einzugehen, auch etwas, was nicht jedem gut gelingt.

Wenn ich mir, als analoges Beispiel, die Fußball-Bundesliga anschaue, dann sitzen da nicht ausschließlich ehemalige Nationalspieler auf der Trainerbank, sondern psychologisch fitte und in der Trainingsmethodik ausgebildete Menschen. Oftmals reichte deren eigenes Spieler-Niveau nicht in die Topspitze. Zugleich scheitern ehemalige Topspieler oftmals genau daran, dass sie das Thema des Trainierens völlig unterschätzen, bzw. das "System" aus 11 Individuen gar nicht begreifen. Das was hier teilweise argumentativ zusammen gebastelt wird, ist die m.E. haltlose Behauptung, dass man Gedächtnistechniken nur verstehen kann, wenn man sie exzessiv betreibt. Ich war im vergangenen Herbst mit meinem Patenkind (13) im Urlaub und habe ihm innerhalb von wenigen Minuten beim Spaziergang die Locitechnik beigebracht. Bereits am gleichen Nachmittag hatte er 50 Routenpunkte im Hotel gefunden und sich eingeprägt. Nachdem er nach Hause kam, hat er die Technik erfolgreich seinen jüngeren Geschwistern vermittelt. Und weder ich, noch er haben dafür auch nur ein einziges Telefonbuch auswendig lernen müssen.

Simonides, Aristoteles, Descartes und viele andere "Entwickler" haben das System gerade aus dem und für den Alltag abgeleitet und/ oder konstruiert und ich würde eher sagen, dass die exzessive Nutzung zu Wettkampf- und Showzwecken zweckfremd ist (womit ich das keineswegs abqualifizieren will). Es ist gewiss interessant, die eigenen Grenzen zu testen oder als Kuriosität auf der Bühne zu erstaunen, wenn aufgezeigt (oder zumindest der Anschein erweckt wird), was alles mit den Techniken (und einem immensen Zeitaufwand) möglich ist. Manche Leute kannst du dadurch auch wirklich und nachhaltig begeistern und motivieren. Die meisten allerdings sagen sich, so wie bei einer Zirkusattraktion oder einem Leistungssportler, dass die Person im Rampenlicht eben ungewöhnlich viel Zeit damit verbracht hat und sie realisieren, dass sie selbst gar nicht dort stehen, geschweige denn diese Zeit aufbringen wollten, um täglich stundenlang zu memorieren. Das Resultat ist, dass sie das eine (GT in Exzellenz) mit dem anderen (Riesenaufwand) assoziieren, dann schnell wieder mit dem Üben aufhören und fortan solche Themen passiv in der Show oder am Bildschirm konsumieren.

Abgesehen von speziellen Wettkampf-Vorbereitungskursen, so es diese gibt, ist die Zielgruppe in solch einem Seminar der "Normalo", der in seinem Alltag mit kleinstmöglichem Aufwand an Zeit und Energie möglichst eine Erleichterung oder eine Verbesserung der Gehirnleistung erzielen möchte. Dieser möchte keine Telefonbücher auswendig lernen, sondern sich ein paar Termine, Namen und Informationen merken. Eine Loci-Kompetenz mit 30-40 Punkten halte ich bereits für alltagstauglich (und bitte keine falschen Vermutungen ableiten, ich selbst habe ein paar Routenpunkte mehr), wenn im Gegenzug die didaktischen Fähigkeiten vorliegen und die Kompetenz, auf die Teilnehmer und deren Bedürfnisse einzugehen. Darüber hinaus finde ich die Kritik an manchen Kollegen schon deswegen überzogen, weil diese auf eine völlig andere Zielgruppe ausgerichtet sind. Wenn ich Schüler und Lehrer im Fokus habe, gehe ich doch anders an den Vortrag heran, als wenn ich Akademiker schule. Auch Wertschätzung anderen Menschen (auch Kollegen) gegenüber ist ein Wesenszug, den ich einem Trainer nur empfehlen kann.

Herzliche Grüße
Markus Orschler
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Re: Sinn von Gedächtnisseminaren. (Aus: Schieb das Schaf)

Beitrag von Frederica »

@Sokron *unterschreib*

Ich könnte mir sogar vorstellen, dass erstens Käufer von Titeln und Erfolgen auch eingeschüchtert sein können - und sich fragen, "kann ICH von jemandem lernen, der sich 4000 Zahlen in x Minuten merken kann? Der ist doch weit über MEINEM Niveau!".

Zweitens gibt es zahlreiche Ratgeber, die nicht von Experten auf dem Gebiet geschrieben wurden, aber trotzdem gekauft.

Es kann u.U.sogar für bestimmte Leser motivierender sein, wenn jemand einfach erklärt, dass er die Mnemonik so und so lange ausprobiert hat und dass sie ihm persönlich in den Alltagsbereichen ... besser weiter geholfen haben als vorher ausprobierte alternative - bzw. konventionelle -Methoden.#

Drittens wie schon erwähnt gibt es (sicher) viele Menschen (mich eingeschlossen), die einfach zum Warmwerden eine Beschreibung einer Methode und VIELE Beispiele brauchen.
Sehr viele.
Die können sie dann lesen, darüber nachdenken, sie nachempfinden und dann,zaghaft, nach und nach eigene finden.

Das ist für solche Menschen viel einfacher, als die Methode beschrieben zu bekommen, ein paar ausgewählte Beipsiele und dann alleine da zu stehen.
Nicht umsonst wird hier hin und wieder mal nach Büchern wie "Mnemotechniken angewandt auf den Stoff der oragansichen Chemie im Studium ... Anfangs-/ höheres Semester" etc.
Warum würde man nach solchen Büchern fragen?
Weil man beim Anwenden an Grenzen stößt und um die zu überschreiten bzw. selbst Ideen zu finden für diese "Grenzbereiche", braucht man erst mal Beispiele.
Die kann man übernehmen, abwandeln, schlecht finden - und all das kann dazu führen, dass man schnell(er) eigene Beispiele findet (um es nach- oder besser zu machen).

Aus meiner Sicht brauchen wir sehr viele solcher Bücher.
Harry Lorrayne hat das ja schon für diverse Bereiche vorgemacht.
In seinen Büchern findet man sehr viele Beispiele für die Anwendung der Schlüsselwortmethode auf Englisch.

Sicher muss nicht jeder zahlreiche solcher Bücher lesen, aber wenn es davon eine große Auswahl gäbe, könnte jeder Interessierte ein Buch finden, das ihm zusagt.

Die Beispiele könnten sicher noch besser gewählt werden, andererseits denke ich, hilft es auch Schülern, die Schlüsselwortmethode anhand von bekannten und unbekannten Beispielen zu finden.
Ich persönlich finde es oft schwieriger, Beispiele für bekannte Begriffe zu finden als für solche, die ich lernen will/ muss.

Kinder können so ein Buch sicher als Motivator lesen.
Als kleine Erinnerung, es doch (noch) mal mit der Schlüsselwortmethode zu probieren.


Ich habe hier immer noch Foers Buch "Moonwalking with Einstein" liegen, weil mich das immer mal wieder sehr motiviert, mich ran zu halten. :D

LG
Frederica
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