Ist die Mnemotechnik alltagstauglich ?

Mnemotechnik als Mentalsport. Hier dreht sich alles um Meisterschaften, mentale Höchstleistungen, neue sowie alte Rekorde im Bereich des Gedächtnissports.

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Chris_Emc2
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Ist die Mnemotechnik alltagstauglich ?

Beitrag von Chris_Emc2 »

Hallo,

ich hatte heute mal wieder eine hitzige Diskussion über den Sinn der Mnemotechnik.
Mein Arbeitskollege ist ein Skeptiker durch und durch und ist überzeugt,
dass die Methoden oder Techniken wie "Mnemotechnik" und das "Karteisystem von Sebastian Leitner" Humbug sind.
Er wüsste nicht, wo man im Alltag so etwas brauchen könnte.
Und selbst wenn es so toll wäre, dann müssten ja alle Mnemotechniker
es beruflich weit gebracht haben und diese Technik schon in aller Munde sein, alle Schulen mit diesem so "tollen" System erfolgreich arbeiten.
Das einzige was man damit wohl machen kann ist, sich ellenlange Zahlen oder Karten merken was aber nicht wirklich alltagstauglich ist.
Und die viele Zeit, die man am Anfang hineinsteckt, kann man lieber gleich in die Dinge investieren, die man lernen möchte.
Er kennt auch keine Rhetoriker oder Moderatoren, die mit dieser Technik erfolgreich arbeiten und ihren Text im Kopf haben: Die haben entweder noch alle Kärtchen, oder lesen von einem Prompter ab!

Ich erklärte ihm, dass ich meine erste Erfahrung mit der Mnemotechnik im
Kaufhaus machte, indem ich die Einkaufsliste komplett im Kopf hatte.
Da erwiederte er, was soll dass nur? Er hat immer ein Stift und Zettel dabei.
Damit kann er sich alles aufschreiben ohne dass er es vergessen kann.
Auch dass sportliche Aktivitäten gut für die Hirnleistung sein sollen ist Blödsinn. Dafür gibt es doch keine wissenschaftlichen Beweise!
Dann müssten ja die Menschen, die sich körperlich nicht mehr bewegen können riesen Nachteile haben.


Welche Beispiele oder vielleicht sogar Beweise kennt Ihr, dass
Mnemotechnik auch alltagstauglich ist?
Ich bin zwar von diesen Techniken überzeugt, aber mir fehlen irgendwie die richtigen Argumente!

Gruß,
Chris_Emc²
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DocTiger
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Beitrag von DocTiger »

Bekannte Redner? Naja, nicht von heute, aber wie wäre es mit Cicero?

Das Leitnersystem steckt hinter jedem Vokabeltrainer, der entscheidende Vorteil dieses Systems ist übrigens nicht, dass man ALLES behält sondern das man Zeit spart gegenüber eine Liste von Vokabeln sehr sehr oft zu wiederholen und dadurch alles behält.

Die Locitechnik ist durchaus in aller Munde. Gab ja mal diverse Sendungen mit Verona Feldbusch, und andere Mitglieder des Forums waren ja auch schon im Fernsehen. Was denn noch?

Das Problem mit Memotechnik ist doch, dass sie so unsexy ist und Zeit kostet. Die meisten geben zu früh auf, bevor sich das Gehirn dran gewöhnt hat.

Ich halte aber wenig davon Skeptiker davon zu überzeugen. Höchstens sollte man Skeptiker davon abhalten, nicht so skeptischen Interessierten das ganze ausreden zu wollen.

Mit der Einkaufsliste muss ich ihm übrigens recht geben. Andererseits mittlerweile sind meine Supermärkte für mich auch Routen, und wenn ich meinen Einkauf plane, dann platziere ich große,laute, leuchtende Alarme an die Stellen wo das liegt was ich brauche ;-)
Lerntechnik Praxis: http://bit.ly/8ONmbS
Frederica
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Beitrag von Frederica »

Vorteile:
Erst mal, WENN ich etwas lernen muss, kann ich das, was ich mit Mnemotechniken gelernt habe, sicher abrufen; ich weiß, wo es gespeichert ist (z. B. auf welcher Route).
Lernt man auf herkömmliche ARt, kennt sicher jeder das Phänomen, dass einem direkt NACH der Klausur oder nach Ladenschluss einfällt, was man hätte antworten oder einkaufen müssen.
Mit herkömmlichen Lernmethoden weiß man oft DASS man sich etwas merken wollte; mit Mnemotechniken findet man es auch wieder.

Mit bestimmten Techniken fällt es leichter, z. B. Name Gesichtern zuzuordnen, das wird meines Wissens auch für Wettbewerbe geübt und ist sicher nützlich und wichtig im Alltag.

Listen muss man alle Tage lernen; was man machen, kaufen, mitnehmen muss (wer kennt das nicht: Liste geschrieben, verlegt und im Urlaub muss man dann dsa, was zu Huase ru,liegt noch einmal kaufen; oft solche Sachen wie Briefmarken, GEtränke oder Hnadtücher für die Fahrt mit Kindern usw.).

Supertoll: Menmonik für verlegte Gegenstände:
wp habe ich meinen Schlüssel, mein Portemonnaie, den Brief, den ich noch zur Post bringen wollte?
Was wollte ich heute noch machen???
Ach ja, die Bücher bei der Bücherei verlängern - jetzt ist es zu spät....

Das kann man sich alles mit Mnemotechniken merken Tipp: "Tagesroute"; Einkaufsrute; also Route mit Aufgaben für den Tag; allem, was gekauft werden muss; oft vergisst man das, was man nicht im regulären Supermarkt kaufen kann....).
Was muss ich mitnehmen, z. B. wollte isch eine Freundin, die ich beim Sprot treffe, ein bestimmtes Buch ausleihen etc.
Sachen, die man regelmäßig vergisst: Den nähten Zahnarzttermin, Staubsaugerbeutel kaufen usw.
Wenn man gut & geübt ist: Mentale Notizen beo GEsprächen, z. B. bei überraschenden Telefonanten.
Da vergisst man oft, was ganz wichtig war, weil man gerade keinen Zettel da hatte.
Wer kennt das nicht: Man unterhält sich mit einem Freund/ NAChbarn etc. und der bittet einen, wenn man sowieso einkaufen geht, soch XY mit zu bringen (oft etwas Wichtiges)....genau DAS vergisst man oft.
Ich möchte mir oft merken, XY etwas bestimmtes zu sagen/ fragen, wenn ich ihn das nächste Mal spreche - ist es dann soweit, weiß ich oft nur noch, DASS ich etwas sagen wollte...

All diese Beispiele finde ich schon alltagstauglich.

Wäre es nicht auch toll, wenn man lernt, mentale Notizen in Konferenzen, privaten Besprechungen etc. zu machen?
sich zu merken, was Tina spontan als Wunsch äußerte, obwohl ihr Geburtstag erst in 3 Monaten ist?
Geburtstage parat zu haben?
Inhalte von Zeitungsartikeln?
Wer kennt das nicht: Zeitung gelesen, dann fällt ein Stichwort und man weiß nur noch, dass man etwas zu dem Thema gelesen HAT, nur was...?

Man muss ja gerade anfangs keine Meisterleistungen vollbringen und sich 100 Sachen merken, aber z. B. eine Tagesroute ("Morgen zu erledigen") kann schon sinnvoll sein.

Ich gehe übrigens manchmal mit Leuten ins Kino, die direkt nach dem Film nicht mehr genau wissen, was im Film passiert ist...für so etwas lohnt sich ein trainiertes Gedächtnis aus!

Dann so kleine Alltagsfinten: Woher weiß man das, vom wem stammt das Zitat, wo ist das passiert, welcher Freund hat das erzählt, wann und wo habe ich das gekauft/ gehört etc., wer hatte mir das und das ausgeliehen, wer hatte sich noch für XY interessiert..?

LG,
Frederica
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Andi
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Beitrag von Andi »

Mein persönliches Missgeschick:
Handy wurde gestohlen, alle Nummern von Freunden, Kommilitonen, etc. eingespeichert (ca. 35 Stück). Was jetzt?
Dank Mnemotechnik alle Nummern korrekt erinnert. Peinlichkeit des erneuten „Nummern-Nachfragens“ ist somit erspart geblieben. Wie auch um erneute Auskunft bitten, wenn nur Telefonnummer als einzige Kontaktadresse vorhanden und sonst nirgendwo eine Zweitschrift?

Ansonsten kann ich meinen Vorredner nur beipflichten.

Vielleicht noch eines: Wörterabspeicherung. Du ließt in der Tageszeitung / Fachzeitschrift hast natürlich mal wieder nichts zu schreiben dabei, Mnemotechnik hilft sich korrekt an den Inhalt zu erinnern. Ich bin ehrlich gesagt zu faul, immer etwas zum schreiben mitzuführen. Manchmal erscheint mir sogar das notieren im Terminkalender als unnötige Anstrengung, da es ja im Kopf behalten werden kann. Wieso dann notieren?

Eine weitere These: Mnemotechnik steigert zu einem gewissen Grad das Selbstbewusstsein bzw. Selbstwertgefühl 8) . Ist doch immer wieder schön, wenn man eine etwa 10-stellige Nummer bekommt und diese (ohne Notizen) nach einmaligem Hören wiedergeben kann. Du bist für 5 Minuten ein Genie, und Jahre später noch in Erinnerung deines Gesprächspartners, nach dem Motto: „Der hat es geschafft meine 10-stellige Nummer nach einmaligem hören abzuspeichern, wie intelligent der doch sein mag“.
„Die Leistungsfähigkeit des Hirns nimmt zu, je mehr man es in Anspruch nimmt.“
Alfred Herrhausen (1930-1989), dt. Bankier
Chris_Emc2
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Beitrag von Chris_Emc2 »

Hallo Frederica,

dass wäre natürlich der optimale Fall, wenn man sich im alltäglichen
Leben so fast alles merken könnte.
Nur wer wendet dies so wie oben beschrieben tagtäglich an?
Wenn ja, hat man dann nicht seinen Kopf immer völlig überfrachtet mit
so vielen Dingen?

Danke,
chris_emc²
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Andi
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Beitrag von Andi »

Chris_Emc2 hat geschrieben: Wenn ja, hat man dann nicht seinen Kopf immer völlig überfrachtet mit
so vielen Dingen?
Ja schon, aber du hast dein Kopf wohl tagtäglich mit Gedanken überfrachte die teils (noch) weniger sinnvoll sind, als mit Mnemotechnik gelernter „Nonsens“ (z.B. Einkaufslisten). Ich sag hier direkt Schwachsinn, denn eine Einkaufsliste ist ja wohl nicht eine sinnvolle Gedankenbetätigung, oder?

Forscher gehen davon aus, das „normale“ Menschen ca. 60.000 Gedanken pro Tag denken (jetzt mal gewisse Techniken wie Meditation, Gedanken-Kontrolle etc. außer acht gelassen). Davon sind ca. 3% - aufbauende und hilfreiche Gedanken, 25% - destruktive Gedanken und
72% - flüchtige, unbedeutend, Gedanken.
Also was ist nun besser: Unsinniges mit Mnemotechniken zu behalten, oder generell negative, destruktive etc. Gedanken zu produzieren?
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Frederica
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Beitrag von Frederica »

Ich wende die Techniken, die ich kann leider noch nicht regelmäßig an (Disziplin ist noch ein Thema bei mir ...) aber hin und wieder schon.
habe ich mir eine Einkaufsliste per Route gemerkt.
An Punkt 1 stand die Seife; im Lade stand die Seife ganz hinten an der Kasse - also habe ich prompt, nachdem ich alles gekauft hatte, die Seife vergessen!
Auf dem Heimweg bin ich noch mal kurz meine Route durch gegangen und konnte so wenigstens die vergessene Seife, die mir zu Hause komplett ausgegangen war :oops: , noch schnell nachkaufen.

Also einen Punkt für die Alltagstauglichkeit, aber Punktabzug für meine Organisation - ich hätte ja auch früher, an der Kasse, meine Route noch mal durch gehen können.

Ich brauche immer noch ein bisschen Zeit zum Lernen, deshalb würden mir unter Stress - Freund gibt mir kurz seine Handynummer durch - wahrscheinlich keine keine geeigneten Assoziationen einfallen.

Wo man üben könnte:
Ich sehe oft beim Shopping interessante Artikel, die ich mir noch mal später ansehen will - meist erinnere ich mich später aber nicht mehr an die genauen Artikel.
Dito Bücher in der Bücherei, die man nicht sofort mitnehmen will - da würde es sich lohnen, zu üben und man ist nicht darauf angewiesen, sich 100%ig zu erinnern.

Insgesamt gibt es im Alltag bestimmt haufenweise Gelegenheiten, etwas zu memoriereren.
Man kann sich ja mal aus Spaß EIN kleines Ziel setzen, z. B. Preise der verzehrten Speisen beim Essen mit Freunden, Seite, auf der die interessante Inforation im Buch stand(in der Bib oder Buchhandlung oder auch zu hause, wenn man wenig Zeit hat) usw. :P

Eben erst mal alles, von dem man oft hinterher "Mensch, ich wollte doch eigentlich...!" sagt! :wink:

Oder, wenn man Herausforderungen sucht, 10 Vokabeln in einer best. Sprache pro Tag memorieren oder 10 Allgemeinwissens-Fakten aus wiki oder so - das sind dann in 3 Monaten schon ca. 900 Fakten oder Vokabeln, nach 6 Monaten darf man dann zu Günther Jauch. :P

Ach ja: Anleitungen von gekauften Geräten zu memorieren würde sich bestimmt auch lohnen, ebenso die Geburtstage all seiner Freunde und Verwandten!

LG,
Frederica
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Boris
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Beitrag von Boris »

Chris_Emc2 hat geschrieben: Wenn ja, hat man dann nicht seinen Kopf immer völlig überfrachtet mit
so vielen Dingen?
Das gute ist, das man genau das nicht tut. Die ganzen Modelle zur Aufgabenverwaltung etc. die darauf basieren erstmal alles "aus dem Kopf" zu bekommen (GTD als Beispiel) führen ja nur dazu, dass man seine Gedanken geordnet hat.

Mit Routen kann ich meine Gedanken ordnen, habe es aber immer dabei. Ich weiß, dass ich es auf der Route abgespeichert habe und brauche mir entsprechend keine Sorgen darüber machen - wie als wenn es auf Papier gebracht ist.

Eine enorme Anwendungsmöglichkeit ist das Namen merken. Wer beruflich viele Leute trifft, kann ganz erheblich davon profitieren. Aber auch so ist es doch eine tolle Gewissheit, sich Namen merken zu können.

Und welche Redner kommen denn am besten an? Die, die frei vortragen können! Ohne Zettel und Teleprompter. Nur weil es trotzdem viele nicht tun, ist ja kein Argument. Gerade in dem Bereich gibt es auch heute viele Leute die etwa die Locimethode dafür verwenden.

Auch im Vorstellungsgespräch, Verkaufsgespräch, fachlichen Diskussionen, beruflichen Präsentationen etc. ist genau das super-wichtig: Man kann frei darüber reden, womit man sich beschäftigt. Klar, die anderen haben die Zahlen auch dabei: Aufgeschrieben im Block. Du hast sie aufgeschrieben im Kopf. Praktisch weißt du nicht mehr. Sozial hast du ein viel höheres Ansehen, weil es einfach Sicherheit und Wissen ausstrahlt!

Und von Schule, Studium, Aus- und Weiterbildung gar nicht zu reden. Es ist schade, dass es dort so wenig eingesetzt wird! Aber die, die es einsetzen wissen um den hohen Nutzen.

Ja, es ist Arbeit. Aber man kann danach so viel mehr und selbstbewusster Lernen, da es das total wert ist.
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