Hochsensibel

Mnemotechnik als Mentalsport. Hier dreht sich alles um Meisterschaften, mentale Höchstleistungen, neue sowie alte Rekorde im Bereich des Gedächtnissports.

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Flossi
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Hochsensibel

Beitrag von Flossi »

Servus,

ein Thema, das noch wenig bekannt sein dürfte, ist die sogenannte Hochsensibilität. Bei den meisten Leuten werden nebensächliche Sinneseindrücke gedämpft oder ganz herausgefiltert, bevor sie ins Bewusstsein gelangen. Manchmal sind diese Filter offenbar schwächer ausgeprägt. Dadurch ergeben sich ein paar weitreichende Konsequenzen. Durch die große Bandbreite in der Wahrnehmung fallen Dinge auf, die anderen Personen entgehen. Mit der Zeit können außerdem lebhafte und komplexe innere Welten entstehen. Es gibt aber auch Schattenseiten. Vor allem besteht die Gefahr, dass mehr Eindrücke einfließen, als das Gehirn verarbeiten kann. Es kommt schneller zur Reizüberflutung.

http://de.wikipedia.org/wiki/Hochsensibilit%C3%A4t

Laut bisherigen Studien sind rund 15 Prozent der Menschheit betroffen. Ich wollte mal fragen, ob es unter Gedächtnissportlern Erfahrungen mit dieser Eigenheit gibt. Kann man lernen, mit ihr umzugehen, gar Nutzen aus ihr zu ziehen? Oder stellt sie womöglich einen so gravierenden Nachteil dar, dass es für eine hochsensible Person keinen Sinn macht, sich am Gedächtnissport zu versuchen?

Liebe Grüße :D
Frederica
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Re: Hochsensibel

Beitrag von Frederica »

Das hängt sehr von der Art der HS ab.
Es gibt Menschen, die einfach "nur" mehr wahrnehmen z.B. Geräusche, die andere ausblenden oder Details von Kleidung etc. und für die das normal ist.
Dann gibt es leider auch Menschen, die sich in bestimmtem Licht nicht konzentrieren können und sogar Kopfschmerzen bekommen, denen von bestimmten Gerüchen (Putzmittel etc. könne auch dazu gehören) schlecht wird, die sich von bestimmten Geräuschen z.B. leiser Ventilator, raschelnder Kleidung etc. so abgelenkt fühlen, dass ihre Konzentration leidet.
Gegen bestimmte Einflüsse wie Gerüche oder Licht kann man auch wenig machen.
Gegen andere wie Geräusche oder Empfindlichkeit gegen bestimmte Farben kann man etwas tun, also Ohropax und üben, sich nur auf das Aufgabenbaltt zu konzentrieren und nicht im Raum umherzusehen.

LG
Frederica
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Philodoof
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Re: Hochsensibel

Beitrag von Philodoof »

Hat man sowas also jetzt auch schon definiert...ich denke, dass Sensibilität nicht nur in 2 bis 3 Ausprägungen vorkommt, sondern dass es extrem viele verschiedene Niveaus von Sensibilität gibt. Ich weiß nicht ob ich der Definition nach schon als hochsensibel gelte, vermutlich nicht, aber ich denke schon, dass ich zumindest auffallend sensibler auf Reize reagiere als der Durchschnitt. Auf jeden Fall habe ich ziemliche Probleme mit dem Halten der Konzentration und dem Umgang von Reizen. Ich kann mich nach Fredericas Abgrenzung in der "Und dann gibt es leider auch Menschen..." eigentlich ganz gut wiederentdecken.

1 Beispiel aus dem Alltag:
-ich lasse beim Autofahren das Radio meistens aus oder mache es zumindest sehr leise, da mir aus Erfahrung die Gefahr droht, dass ich nicht das Radio ausblende, sondern die Straße und meine Konzentration auf die Musik überschwappt. Aber auch darüber hinaus habe ich große Schwierigkeiten mit dem Autofahren und ich mache das daher nur selten und vor allem vermeide ich es möglichst alleine im Auto neue Strecken zu fahren, weil ich mich schnell von den vielen Anforderungen überfordert fühle. Also orientieren und gleichzeitig Fahren finde ich sehr sehr anspruchsvoll. Allein zu meinen Problemen beim Autofahren könnte ich noch viel mehr schreiben...

1 Beispiel aus dem Gedächtnissport:
- habe das kürzlich erst an einer anderen Stelle erwähnt: man darf sich nicht davon täuschen lassen, dass ich im Gegensatz zu anderen keinen Ohrschutz trage, um mich so vor Geräuschkulissen abzuschirmen. Ich habe sowas ausprobiert und musste feststellen, dass mich so ein Ding viel mehr ablenkt als mögliche Störgeräusche. Ich empfinde damit einen leichten Druck im Kopf, wie z.B. wenn man einen Berg hochfährt und sich die Höhenlage ändert. Der wirkt besonders ablenkend, weil es eine seltene Wahrnehmung ist und sie einfach eben schon aus dem eigenen Inneren entspringt. Auch die Berührung des Schützers empfinde ich als störend. Die Geräuschkulisse bei Gedächtniswettkämpfen ist da weit weniger schlimm. Das sind meist Geräusche mit denen ich relativ gut zurechtkomme. Speed Cards ist typischerweise eine Herausforderungen, aber da geht es nicht nur mir so, da klagen auch andere Sportler über Mitstreiter die zu laut auf dem Stopper hauen. Ansonsten: Blättergeraschel o.ä, das geht eigentlich. Mich stört es aber sehr wenn bei anderen Wettstreitern irgendwelche Stoppuhren oder was auch immer plötzlich piepsen. Für mich sind das nicht nur Piepstöne, da kommen mitunter noch Emotionen hoch, die ich sonst beim Weckerklingeln im frühen Morgen verspüre...und das bringt mich dann schon mehr aus dem Tritt.

Je mehr ich mich unter anderen Menschen befinden, desto mehr versuche ich mich natürlich zusammenzureißen und mir nicht so viel anmerken zu lassen. Das macht es aber auch erschöpfender.
Ich könnte noch viel mehr erzählen, aber ich denke das bisherige sollte einen Eindruck vermitteln, oder?

Ich würde auf keinen Fall sagen, dass ich mehr wahrnehme als die meisten Menschen. Was ich sagen würde hingegen, ist, dass ich viel weniger Reize auf einmal vertragen kann als der Durchschnitt. Und so schirme ich mich von vielem ab und nehme dann weniger wahr.

Ich empfinde es, so wie es bei mir ist, definitiv mehr als nachteilhaft denn als vorteilhaft. Aber das ist ja abseits des Gedächtnissports nicht anders.
Der einzige Vorteil, der vielleicht damit zusammenhängt und mir bewusst ist, ist dass ich wohl ziemlich kreativ sein kann, was Phantasien/Ideen angeht(nicht im handwerklichen Sinne) - aber das kann ich im Gedächtnisport viel zu wenig einbringen. Anfangs habe ich es noch sehr eingebracht, aber je schneller ich wurde, desto mehr wurden kreative Bilder von minimalistischen Automatismen abgelöst. Wenn ich wirklich kreativ bin, dauert es viel länger und lenkt ab. Das ist nicht effizient genug.;)
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Philodoof
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Re: Hochsensibel

Beitrag von Philodoof »

Nachtrag:

Habe gerade mal einen kleinen Test im Internet gemacht. Sowas ist natürlich mit Vorsicht zu genießen und diese Tests bergen etliche Schwächen, aber es ist zumindest mal ein Indiz, wie man mich einstufen würde.

"Punkteanzahl von 188 bis 300

Sie sind mit an Gewissheit grenzender Sicherheit eine HSP. Hochempfindlichkeit beginnt bei 163 Punkten...."

Also wenn es bis 300 geht und ab 163 beginnt, dann passt das doch eigentlich ganz gut zu meiner Wahrnehmung, mich schon auffallend abzuheben, aber wiederum absolut noch kein Musterbeispiel zu sein.
Flossi
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Re: Hochsensibel

Beitrag von Flossi »

Vielen Dank für die Antworten und ganz besonders für den ausführlichen Erfahrungsbericht! Das klingt nicht gerade erbaulich, aber immerhin besteht eine Chance.

Bei mir dürfte vor allem das Gehör betroffen sein. Als Kind hatte ich Probleme damit, Melodien aus meinem Kopf zu verbannen. Stundenlang spielten sie zwischen meinen Ohren, so intensiv und detailgetreu, als stünde ein Radio neben mir. Inzwischen kann ich sie abstellen, aber die Intensität ist geblieben. Manchmal kommt mir eine Melodie in den Sinn, die ich vor zehn oder zwanzig Jahren ein einziges Mal gehört habe. Sie ist so lebendig wie ehedem. Gleiches gilt für Geräusche. Es geht sogar so weit, dass ich Menschen an der Stimme viel eher wiedererkenne als am Aussehen.

Worum ich mir Sorgen mache, ist weniger der Wettbewerb an sich. Eine Anreise ist mit vielen neuen Eindrücken verbunden, die vom Gehirn verarbeitet werden müssen. Für die wichtigen Dinge stehen dann womöglich weniger Ressourcen zur Verfügung. Aber damit muss man wohl leben. Ich habe den Test übrigens auch gemacht. 225 Punkte :(

Liebe Grüße :)
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Philodoof
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Re: Hochsensibel

Beitrag von Philodoof »

Wenn du gerne an einem Wettbewerb teilnehmen möchtest, dann kannst du dem ganzen ja mal eine Chance geben. Kannst den ersten Wettbewerb ja einfach erstmal als Erfahrung ansehen und das sportliche in den Hintergrund rücken. Du wirst dann auch vermutlich besser abschätzen können, ob und in wie weit du dich an die Umstände eines Wettbewerbes anpassen kannst. Ich habe meinen ersten Wettkampf nicht bereut, obwohl er eher einer Katastrophe glich bei den vielen sportlichen Enttäuschungen. Die ganze Aufregung, Unterschiede zu den Trainingsumständen usw. da gab es vieles, wo mir dann die Erfahrung für den 2. Wettkampf schon sehr weiterhalf.
Flossi
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Re: Hochsensibel

Beitrag von Flossi »

@Philodoof: Ja, das klingt vernünftig. Noch einmal vielen Dank!

Ich muss aber gestehen, in Sachen Wettbewerb nicht ganz unerfahren zu sein, wenn auch in anderen Bereichen. Während der Schulzeit war ich sogar ziemlich aktiv. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dabei immer unter meinen Möglichkeiten zu bleiben. Sogar der Physikprofessor hat gemeint, dass ich mich 'unter Wert verkaufe'.

Mal sehen, vielleicht lassen sich weitere Strategien aufstöbern.

Liebe Grüße :D
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