Hirn verknüpft Sinneseindrücke mit Gefühlen

Hier wird über das Gedächtnis und Gehirn aus der Perspektive der Medizin und Wissenschaft diskutiert incl. Thematiken rund um Altersdemenz, Alzheimer aber auch Hochbegabung bei Kindern etc.

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Andi
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Hirn verknüpft Sinneseindrücke mit Gefühlen

Beitrag von Andi »

Hirn verknüpft Sinneseindrücke mit Gefühlen
Das Parfum einer verflossenen Liebe kann auch nach Jahren noch schlagartig Erinnerungen an diese auslösen. Die Hirnforscher Tiziana Sacco und Benedetto Sacchetti von der Università di Torino in Italien haben nun nachgewiesen, dass die sekundären sensorischen Hirnrinden die Sinnesreize mit dem erlebten gefühlvollen Moment verknüpfen.

Die Wissenschaftler lehrten Ratten zunächst das Fürchten: Immer wenn die Tiere einen bestimmten Ton, ein helles Licht oder einen markanten Geruch wahrnahmen, bekamen sie einen elektrischen Schock. Nun zerstörten Sacco und Sacchetti bestimmte Regionen im auditiven, visuellen und piriformen Kortex, die jeweils fürs Hören, Sehen und Riechen zuständig sind. Waren die jeweiligen sekundären sensorischen Hirnrinden beschädigt, reagierten die Nager auf die Reize gleichgültig: Grelles Licht störte sie nicht mehr, beim Geruch von Essig blieben sie gelassen, und ein lautes Geräusch ließ sie ebenfalls kalt. Der emotionale Gedächtnisverlust betraf jedoch nur die Vergangenheit. Neue angstvolle Erfahrungen konnten sich die Tiere trotz Verletzung der sekundären Areale merken.

Bei sehr emotionalen Momenten, wie beispielsweise einer Hochzeit, spielen äußere Sinnesreize eine große Rolle: Die sekundären Sinnesareale verknüpfen diese mit dem Ereignis und verleihen ihm eine gefühlsbetonte Note, erklären die Forscher. Wir erinnern uns daher nicht nur an das eigentliche Ereignis, sondern rufen die gesamten Eindrücke des besonderen Moments ab – und erleben ihn dadurch noch einmal mit voller Stärke. (mb)
Quelle: http://www.wissenschaft-online.de/artikel/1041748

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Durchlebte Erinnerung
Gehirn speichert Emotionen und Sinneseindrücke dicht beieinander ab
Hören, Sehen und Riechen helfen der Erinnerung oft auf die Sprünge: Das Gehirn speichert diese Informationen nämlich in räumlicher Nähe zu den emotionalen Eindrücken ab. Das haben italienische Wissenschaftler nun bei Ratten herausgefunden. Sie erzeugten Angstzustände bei den Tieren etwa durch einen Laut und versetzten ihnen einen leichten Stromschlag als emotionale Erfahrung. Anschließend störten sie das Hörzentrum in der Großhirnrinde: Die Erinnerung an das Angsterlebnis verschwand. Die Experimente lieferten ein zweites Ergebnis: Nach einiger Zeit verlagert das Gehirn die kombinierten sensorischen und emotionalen Eindrücke.
Sensorische Erfahrungen können kraftvolle Erinnerungen hervorrufen, seien es Kindheitserinnerungen an den Backgeruch aus der Küche, das Gesicht von Freunden auf alten Fotos oder das Gefühl eines frisch gewaschenen Hemds. Warum das so ist, haben Tiziana Sacco und Benedetto Sacchetti von der Universität Turin in Versuchen mit Ratten herausgefunden. Sie setzten die Tiere im Labor drei verschiedenen Sinneseindrücken aus, die Angst erzeugten: lauten Tonsignalen, dem Geruch von Essig und einem grellen Blitzlicht. Gleichzeitig wurde den Tieren durch einen Stromschlag eine emotionale Information mitgegeben. Nach zwei Tagen testeten sie in veränderter Umgebung, ob sich die Nager an die erlebte Angst erinnerten. Dabei wurde das Verhalten der Ratten auf Video aufgezeichnet. Als Anzeichen für Angst werteten die Forscher dabei eine komplette Regungslosigkeit, nachdem sie die Tiere den entsprechenden Signalen erneut ausgesetzt hatten.

Untersucht wurde zunächst der Auditive Cortex, also das Hörzentrum. Dieser Bereich der Großhirnrinde besteht aus mehreren Arealen. Wird der gesamte Auditive Cortex gehemmt, so verloren die Tiere jede Erinnerung an Angstzustände, die mit dem Tonsignal verbunden waren. Anschließend störten die Forscher die einzelnen Areale des Hörzentrums. Dabei stellten sie fest, dass sich in dem so genannten sekundären Auditiven Cortex nur zeitlich weiter zurückliegende Angstzustände löschen ließen. Zeitlich kürzer zurückliegende Angstzustände konnten hingegen nicht aufgehoben werden – die Ratten erstarrten trotz inaktivem Hörzentrum.

In der Frühphase der Erinnerung ist also eine andere Gehirnregion für die Speicherung verantwortlich, schreiben die Wissenschaftler. Das erkläre, weshalb sich in den Versuchen aktuelle und historische Erinnerungen getrennt beeinflussen ließen. Experimente im Seh- und Riechzentrum lieferten dieselben Ergebnisse: Einen Monat alte Angstzustände konnten beseitigt werden, aber die einen Tag zuvor gemachten Erlebnisse nicht. Gleiches galt für die angeborene Angst vor dem Geruch eines Feindes: Sie ließ sich ebenfalls nicht ausschalten.

Dass Emotionen während des Erinnerungsprozesses eine so bedeutende Rolle spielen, liegt an der Speichertechnik des Gehirns. Sowohl der emotionale Teil als auch die Verhaltensreaktion einer Erfahrung werden gemeinsam abgelegt, und das nahe beieinander, schreiben die Wissenschaftler. Nach einer bestimmten Phase verlagere dann das Gehirn die Informationen.


Tiziana Sacco und Benedetto Sacchetti (University of Turin, Italien) et al.: Science, Bd. 329, Onlinevorabveröffentlichung, doi: 10.1126/science.1183165
Quelle: http://www.wissenschaft.de/wissenschaft ... 11707.html
„Die Leistungsfähigkeit des Hirns nimmt zu, je mehr man es in Anspruch nimmt.“
Alfred Herrhausen (1930-1989), dt. Bankier
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