Streß als Faktor unter Wettkampbedingungen

Hier wird über das Gedächtnis und Gehirn aus der Perspektive der Medizin und Wissenschaft diskutiert incl. Thematiken rund um Altersdemenz, Alzheimer aber auch Hochbegabung bei Kindern etc.

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Flauwy
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Streß als Faktor unter Wettkampbedingungen

Beitrag von Flauwy »

Bei der letzten NordDeutschen-Gedächtnismeisterschaft vor einer Woche ist mir einiges klar geworden. Streß schadet der Leistung bei einem Gedächtnisturnier ungemein. :?
Da ich bereits zum zweiten mal an der NDG teilgenommen habe, kann ich nun an meinem Verhalten vor, während und nach dem Turnier, im Hinblick auf meine Leistungen, ganz klar Festhalten, dass ich mich zu stark unter Druck gesetzt habe. Durch zu hohe Erwartungen, wie persönliche Rekorde im Turnier zu wiederholen oder gar zu toppen, setzte ich mir selbst die Latte so hoch, das ich eigentlich permanent unter ihr hindurch tauchte, während nur meine Haarspitzen sie zweimal streifen konnten. :roll:
Die Ergebnisse entäuschten mich also größtenteils, was meine Motivation und damit vorallem meine Konzentration in dramatischer Weise beeinflußt hat. Meine Laune glich einer Berg- und Talfahrt (oder treffender einer Tal-, Hügel-, Sturz in den Grand Canyonfahrt :wink: )
Bei den Speed Cards brach dann das wacklige Kartenhaus entgültig über mir zusammen.

Meine Lektion für die Deutsche Meisterschaft in 3 Wochen: Cool bleiben 8) und die Meßlatte auf ein gesundes Mittelmaß senken.

Und vor allem ---> Mehr Training :!:
daywalker
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Beitrag von daywalker »

Weißt du auch warum Stress aus neuronaler Sicht schlecht ist? Bei akuten Stresssituationen wird Adrenalin im Gehirn ausgeschüttet, was dazu führt, dass Neurotransmitter und damit das neuronale Netzwerk blockiert werden. Das ist beispielsweise beim Blackout in großem Maße der Fall. Chronischer Stress ist sogar noch schlimmer: Dieser führt zum neuronalen Zelltod und was das bedeutet kann sich wohl jeder selbst ausmalen.

Ich weiß nicht 100%ig, ob das so funktioniert, aber ich bin mir ziemlich sicher. Vor allem, was chronischer Stress angeht. Dieser führt wirklich zu neuronalem Zelltod.
Franz-Josef Schumeckers
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Streß als Faktor unter Wettkampbedingungen

Beitrag von Franz-Josef Schumeckers »

Hallo Florian,

nach 5 Jahren Gedächtnismeisterschaften, in denen ich mich meist zu den 5 Besten Deutschen zählen durfte, war die Norddeutsche nun meine letzter Wettbewerb. Meistens hatte ich es geschafft mich mental so vorzubereiten, dass ich auf den Punkt die gewünschte Ruhe, Klarheit u. Konzentration hatte. Was für
Dich das Beste ist, kann ich natürlich nicht sagen. Aber ich kann sagen, wie ich es gemacht habe. Vielleicht hilft es Dir. Hierzu einige Auszüge aus meinem Trainingsprogramm einige Wochen vor den Meisterschaften:
- täglich 30 – 60 min joggen. Dies gab mir körperliche Kraft u. geistige Klarheit.
- Meditation u. positive Selbstsuggestionen. Meditation hat mir Ruhe und Ausgeglichenheit gegeben, die auch über den Wettkampf hinaus angehalten hat. Die positiven Selbstsuggestionen waren besonders dann wirksam u. wichtig, wenn Selbstzweifel und Ängste aufkamen. Auch während der Meisterschaft.
- Training vor einem Zuschauer. Sei es vor einem Kollegen, Freund oder in der Öffentlichkeit, z.B. im Cafe, wo es keiner direkt mitbekommt. Also vergleichbare Stresssitiationen schaffen, wie sie bei der Meisterschaft herrschen.
- Im Geiste gehe ich täglich die gesamte Meisterschaftsdisziplinen durch. Das heißt z.B. für Speed numbers: Ich höre genau das Startkommando des Schiedsrichters. Spüre wie ich das Blatt zum memorieren umdrehe, wie ich hinter jeder zweiten Ziffer einen Strich mache u. dabei die Routenpunkte sehe. Nach 200 Ziffern wiederholen usw. Das ganze gibt mir sehr viel Sicherheit u. wenn es dann schließlich bei Meisterschaften ernst wird, ist mir die Situation bereits so vertraut, das ich sehr ruhig u. sicher bin.
- Die Zeit zwischen den Disziplinen habe ich immer genutzt um mich auf die nächste vorzubereiten. Auch wenn ich die Wiedergabe in einer Disziplin komplett beendet hatte, blieb ich, wenn noch Zeit war, sitzen um die Routen usw. für die nächste Disziplin durch zu gehen.

Folgenden Tipp würde ich Dir geben: Lass Dich nicht zu sehr durch die Zwischenergebnisse zwischen den Disziplinen irritieren (ausgenommen letzte Disziplin, wenn’s noch mal ums taktieren geht). Der Idealfall für jeden Athleten wäre doch, seine Trainingswerte irgendwie zu erreichen. Darauf solltest Du Dich konzentrieren, nicht darauf, was die anderen machen. Das habe ich auch immer versucht. Mich von allem Stress um mich herum möglichst abzuschirmen. Memorieren als wäre ich zuhause. Wenn ich dann meine Trainingswerte annähernd erreicht hatte, war ich glücklich u. zufrieden. Mehr war für mich nicht drin. Wenn andere trotzdem besser waren. O.k.,dann hatten sie es auch verdient.
Und denk bei Deiner Niederlage immer daran: Keiner von uns erfahrenen Gedächtnissportlern, der diese Situationen nicht mindestens schon einmal mitgemacht hat. Wie heißt es doch so schön: Hinfallen ist nicht schlimm, aber liegen bleiben. Also, dran bleiben.

Viel Spaß u. Erfolg wünscht Dir u. allen die das hier lesen


Franz-Josef
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Flauwy
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Beitrag von Flauwy »

Das sind wirklich einleuchtende Tipps zur Vorbereitung auf den Streß.
Das Lauftraining interessiert mich sehr. Meditation betreibe ich bereits, allerdings nur sporadisch. Positive Suggestion habe ich noch nicht ausprobiert. Das wäre dann sowas wie: Du schaffst das, du bist ruhig und relaxt, du bist der Beste..., nicht wahr? Training mit einem Kollegen habe ich bereits regelmäßig :wink: .
Das mit den Meisterschaftsdisziplinen im Kopf durchgehen, finde ich auch recht interessant. Bedeutet das nicht allerdings viel Aufwand und Zeit, das ganze Turnier im Kopf zu simulieren?

Vielen Dank erst einmal für die vielen sehr aufschlußreichen Tipps Franz-Joseph. Ich versuche diese mit meinem ADHS geplagten Körper und Geist umzusetzen :roll: Schöne Grüße an Britta.

P.s.
nach 5 Jahren Gedächtnismeisterschaften, ..., war die Norddeutsche nun meine letzter Wettbewerb
Kommst du auch nicht zur Deutschen Meisterschaft? Wenigstens als Organisator, Schiedsrichter oder Zuschauer?
Franz-Josef Schumeckers
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Beitrag von Franz-Josef Schumeckers »

Das mit dem Zitate einfügen habe ich noch nicht raus. Also kopier ich sie zunächst einfach ein.
Das Lauftraining interessiert mich sehr
Siehe hierzu auch www.brainrunning.de

du bist ruhig und relaxt.
Ja, das geht in die Richtung. Selffulfilling prophecy (=Selbsterfüllende Prophezeiung)

viel Aufwand und Zeit, das ganze Turnier im Kopf zu simulieren
Na ja, es geht. Weniger Zeit als die reine Memorierzeit. Sonst halt auf mehrere Tage verteilen. Für die Marathons beim 10 Kampf ist der Aufwand natürlich erheblich. Dies mache ich auch nur noch mal in der Woche vor der Meisterschaft, in der ich meine Routen nicht mehr bestücke.

In Ulm werde ich leider nicht sein.
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Boris
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Beitrag von Boris »

Meine Vorbereitung sieht nicht wesentlich anders aus als die von Franz-Josef.

Ich jogge nicht täglich, aber meistens immerhin 2mal die Woche + meine Schiedsrichtereinsätze. Kann ich jedem, bei dem gesundheitlich nichts dagegen spricht, nur empfehlen. Ich jogge meistens alleine, da ich mich nicht im Tempo anderen anpassen will. Ich gehe dann häufig im Gedanken meine Routen ab und überlege mir dabei auch ausführlich, wie diese Punkte aussehen oder ich diese ändern kann. Fühlt man sich richtig gut danach!

Mit Meditation hab ich eher weniger Erfahrung, aber ich kenne immerhin ein paar Atem- bzw. Beruhigungsübungen aus dem Bereich autogenes Training, die ich auch in den Pausen der Disziplinen nutze und durch die ich wirklich viel schneller ruhig werde.

Und was ist besser geeignet zum Zahlenüben als eine langweilige Matheübung? *g Irgendwann hat man dann auch jedem mal erzählt, was man da macht und es hilft einem sich total auf die Zahlen zu konzentrieren und sich nicht vom drumherum ablenken zu lassen.

Der letzte Tipp ist sicher wichtig, aber das klappt bei mir selber nicht mal *g Wenn Zwischenergebnisse da sind, muss ich mich darauf stürzen und einordnen, ob ich zufrieden bin und ob ich in der nächsten Disziplin mehr oder weniger probiere. Wenn dann eine Disziplin schlecht war senkt das leider gleich die Motivation. Damit muss ich noch lernen besser umzugehen.
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Flauwy
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Beitrag von Flauwy »

Ich jogge meistens alleine, da ich mich nicht im Tempo anderen anpassen will. Ich gehe dann häufig im Gedanken meine Routen ab und überlege mir dabei auch ausführlich, wie diese Punkte aussehen oder ich diese ändern kann. Fühlt man sich richtig gut danach!
Die Routen bin ich beim joggen noch nicht durchgegangen, werde ich aber gleich heute oder morgen ausprobieren. Ich bin auch eher dafür 2-3 mal die Woche zu joggen, da ich nicht der Typ Mensch bin, der täglich bestimmte Tätigkeiten durchführen kann (oder will) - von Karten-Training mal abgesehen :lol: . Das gute Gefühl nach dem laufen kenne ich auch, das ist auch meistens meine Hauptmotivation mich aufzuraffen.
Für Meditation kann ich allen nur Hemi-Sync Musik, sowie Mind-Machines empfehlen. Beides hat mir sehr stark geholfen zur Ruhe zu kommen.
Und was ist besser geeignet zum Zahlenüben als eine langweilige Matheübung?
Ui, das ist bei aller Liebe echt nicht das richtige für mich. Nur beim Gedanken an Mathe kriege ich schon eine Gedankenblockade.

Vielen Dank schon mal für eure Ratschläge und es beruhigt mich wenigstens, das auch ihr anderen mit den Motivationsproblemen zu kämpfen habt und ich damit nicht allein dastehe. Ich denke Franz-Joseph hat recht. Man sollte möglichst Turnierähnliche Bedingungen schaffen, um optimal zu trainieren.

P.s. Hier möchte ich mal ein riesiges Lob an Steffen Bütow ausprechen, der bei der 2. NDG leider weit unter seinen Leistungen lag, sich aber dennoch eisern unter Kontrolle hatte - zumindestens nach außen hin. Ich bin mir sicher das er sehr frustriert war, besonders über die Karten Ergebnisse. Und dann in so einer Situation noch ein paar aufmunternde Worte und ein Lächeln in der Pause für mich übrig zu haben, rechne ich ihm hoch an. Danke Steffen. Bei der Deutschen werden wir sicher beide zufriedener sein.:wink:

P.p.s An Franz-Joseph: Zum zitieren muß man den Text des Anderen in den eigenen kopieren, markieren und dann über dem Textfenster auf QUOTE klicken
Franz-Josef Schumeckers
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Beitrag von Franz-Josef Schumeckers »

Danke Florian, für den Hinweis mit dem Zitat.
Ich jogge meistens alleine, da ich mich nicht im Tempo anderen anpassen will. Ich gehe dann häufig im Gedanken meine Routen ab und überlege mir dabei auch ausführlich, wie diese Punkte aussehen oder ich diese ändern kann. Fühlt man sich richtig gut danach!
Dies praktiziere ich genau wie Boris. Ich jogge meist alleine um unabhängig zu sein (manchmal auch mit Britta) und diese Zeit ganz bewußt für mich zu nutzen. Die Gedanken sind dann bei aktuellen Themen. In der Vorbereitung auf Meisterschaften gehe ich auch meine Routen durch. Sehr gute Sache.
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