Besseres Gedächtnis = Mehr vom Leben?

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EmoScreamo
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Besseres Gedächtnis = Mehr vom Leben?

Beitrag von EmoScreamo »

Ich habe gerade "Alles im Kopf behalten" von Joshua Foer gelesen und dort wird der Gedanke aufgeworfen, dass man das Leben als um so länger empfindet, je mehr man von ihm weiß und je mehr Erinnerungen man täglich abspeichert. Unter anderem soll Ed Crooke sich damit befassen.

Ich ärgere mich auch immer darüber, dass ich so wenig meines Lebens im Kopf behalte und würde das gerne ändern.

Ich frage mich nur, wie...
Bringt Tagebuch schreiben etwas?
Oder einfach mehr mit Leuten über seine Erlebnisse reden?
oder einfach die Beschäftigung mit Mnemotechik?

Man könnte auch von jedem Tag eine Karteikarte machen und die nach dem Karteikartenprinzip oder Spaced-Repetition-Prinzip immer mal wieder wiederholen, oder sogar ein Karteikartenprogramm wie Ankis oder Super-Memory verwenden.
captchris
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Re: Besseres Gedächtnis = Mehr vom Leben?

Beitrag von captchris »

Das würde ja bedeuten, es wäre wünschenswert so oft und so viel wie möglich in der Vergangenheit zu leben, denn das tue ich doch, wenn ich mich so viel mit Vergangenem beschäftige. Mh, ich finde das eher seltsam. Wir sind doch eh alle zu viel zurück oder voraus als im Jetzt zu leben.

Gruß
Chris
EmoScreamo
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Re: Besseres Gedächtnis = Mehr vom Leben?

Beitrag von EmoScreamo »

Hmm... Dann wäre ja wiederum Dein Umkehrschluss, dass die höchste Erleuchtung eine fortgeschrittene Demenz sei. :)

Ich weiß nicht, ob ein gutes Gedächtnis an die Erlebnisse gleichbedeutend ist mit einem Leben in der Vergangenheit. Ich denke nochmal drüber nach...
Frederica
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Re: Besseres Gedächtnis = Mehr vom Leben?

Beitrag von Frederica »

captchris hat geschrieben:Das würde ja bedeuten, es wäre wünschenswert so oft und so viel wie möglich in der Vergangenheit zu leben, denn das tue ich doch, wenn ich mich so viel mit Vergangenem beschäftige. Mh, ich finde das eher seltsam. Wir sind doch eh alle zu viel zurück oder voraus als im Jetzt zu leben.

Gruß
Chris
Interessanter Gedanke!

Ich selbst bin erschrocken, wie viele Menschen, die ich kenne, schon nach kurzer Zeit (mit 20 oder 30 Jahren) sich nicht mehr an ihre Grundschulzeit und teilweise Teeniejahre erinnern können, oder nur noch verschwommen an das, was vor 5 Jahren passiert ist.

Ich denke, es hängt an 3 Faktoren:

Wie bewusst habe ich diese Zeit erlebt? bzw. Ist in dieser Zeit etwas Besonderes für mich passiert?
(Und das ist ja in der Kindheit oft der Fall: Einschulung, erstes Zeugnis, erste Geburtstagsparty mit Freunden, erste/r Freund/in usw.)

Wie intensiv habe ich mich danach mit dieser Zeit/ Erinnerung befasst?
Meist befasst man sich mit Ersterlebnissen oder emotional aufgeladenen Erlebnissen ja noch eine Weile - erinnert sie, bewertet sie, denkt über Folgen oder Ursachen nach usw.
Intensiv durchgespielte oder durchdachte Erlebnisse müssten besser hängen bleiben.

Wie wichtig war dieses Erlebnis in meinem späteren Leben?
Habe ich es oft erinnert, anderen erzählt, Ähnliches erlebt, das mich daran zurück denken ließ usw.

Ich denke auch, eine bewusst erlebte Vergangenheit macht einen reicher, man hat mehr Assoziationen, mehr Wissen, mehr Bilder im Kopf.

Das heißt ja nicht, dass man täglich eine Stunde dasitzt, und an früher denkt :shock: , sondern nur, dass man auf bestimmte Reize hin kurz sich an Früheres erinnert, bzw. einem mehr oder weniger bewusst ist, was man schon erlebt hat (und wann - ein anderes, faszinierend Thema - einige erinnern sich an "Landmarken", andere gar nicht an Zeiten, wieder andere wissen das Datum oder gar den Wochentag und die Uhrzeit).

Wer nur in der Gegenwart lebt, ist mMn ärmer (dran).

Ich kenne so einen Menschen.
Der hat nach und nach alle Stationen seines Lebens als schlecht bewertet und (so?) viel davon vergessen.
Was er vor 5 Jahren über die Zeit vor 10 Jahren noch wusste, ist heute futsch.
Also auch alle früheren Interessen sind entweder vergessen oder nicht mehr interessant.

Problematisch wird das dann, wenn die Gegenwart nichts Interessantes mehr bietet, nur noch Routine, die nirgendwohin führt, und man sich auch nicht an Tage erinnern kann oder möchte, in denen man andere Interessen hatte, die man evtl. wieder aufleben lassen könnte.

Also, ja, ich meine, Erinnerungen machen einen reicher, einmal persönlich reicher, da einem frühere Freunde, Erlebnisse und Interessen (und Freuden) viel (öfter) bewusster sind und dann auch "kulturell" reicher, weil man einerseits mehr Faktenwissen erinnert, und andererseits dieses Faktenwissen mit persönlichen Erlebnissen assoziieren kann und mit seinen damaligen Ideen/ Gedanken evtl. verbinden kann und so besser darauf zurückgreifen (mehr Verknüpfungen).

Mich irritiert es maßlos, dass Menschen angeblich vergessen, was sie vor 5 oder 10 Jahren noch für Überzeugungen und Erlebnisse hatten (und diese komplett abstreiten, weil sie jetzt durch andere Erlebnisse zu anderen Überzeugungen gelangt sind).

Ich bin immer unschlüssig, ob das ein bewusstes Verleugnen ist, um nicht eingesehen zu müssen, dass man damals aus heutiger Sicht im Unrecht war mit seinen Entscheidungen, oder ob es tatsächlich möglich ist, fundamentale Erlebnisse (erstes XYZ und dessen Bewertung) komplett nach recht kurzer Zeit zu vergessen.
Ich frage mich manchmal, ob mich Leute dann bewusst anlügen.
Ein paar Mal ist es mir schon passiert, dass jemand im Brustton der Überzeugung sagte "NEIN, das und das hätte ich doch NIE! Wie kommst du denn DARAUF?!" und ich völlig irritiert bin, da mir vorgeworfen wird, ich hätte mir das eingebildet - um dann ein paar Stunden oder Tage später zu sagen, sie hätten noch mal drüber nachgedacht und es war ja doch so (bezogen auf IHRE persönlichen Erlebnisse).

Wäre es nicht schlimm, wenn z.B. Eltern ihren Kindern nichts mehr aus ihrer eigenen Kindheit erzählen könnten, weil das alles schon vergessen wurde?

LG
Frederica
Ernie
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Registriert: Mi 18. Sep 2013, 15:40

Re: Besseres Gedächtnis = Mehr vom Leben?

Beitrag von Ernie »

Also ich persönlich denke nicht, dass jemand der sehr viel aus seiner Vergangenheit im Kopf behält zwangsweise 'mehr' vom Leben hat, als jemand der sich nur an einige Szenen von früher erinnert.

Ich glaube sogar, dass der mit dem weniger guten Gedächtnis zumindest glücklicher ist wenn er nach 'hinten' schaut. Es werden doch eher mehr die guten Momente gespeichert als die schlechten. Und wenn man jetzt einen größten Teil seiner Vergangenheit noch weis, werden auch die 'bösen' Erinnerungen häufiger.

Natürlich ist das von Fall zu Fall und von Mensch zu Mensch anders und es könnte auch jemanden geben, der viel behält und nur glückliche Erlebnisse hatte, kann aber genauso sein, das jemand wenig behält und nur schlechte Erinnerungen an die Zukunft hat.
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