Cultural Heritages (Optimierungsmöglichkeiten)

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EmoScreamo
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Cultural Heritages (Optimierungsmöglichkeiten)

Beitrag von EmoScreamo »

Im Buch "Überflieger" von Malcom Gladwell geht der Autor auf das sogenannten "kulturellen Erbe" einer Gesellschaft ein. Hierbei ergeben sich aus der Entwicklungsgeschichte einer Gesellschaft Herangehensweisen und Denkstrukturen, die in der mittlerweile veränderten Lebenssituation nachteilig sind.
Die Beispiele im Buch sind: Korea ist ein sehr hierarchisch organisiertes Land, was es einem Rangniedrigeren vollkommen unmöglich macht, einen Vorgesetzten zu kritisieren. Das führte in den 1980-er Jahren vermehrt zu Flugzeugabstürzen, da ein Fehler des Piloten, der dem Co-Piloten bekannt war, nicht zur Sprache gebracht wurde.

Das Buch führt noch mehr gute Beispiele auf. Meine Frage bzw. meine Überlegung ist: Welches kulturelle Erbe hält uns / mich in der Entwicklung bzw. der Entfaltung des Potenzials zurück? Das ist so ein blinder Fleck, den man schlecht sehen kann.

Mir fällt das in Deutschland weit verbreitete Streberbashing ein. Es gab sogar mal eine Befragung unter Schulkindern, in der Kinder zugaben, manchmal absichtlich falsche Antworten zu geben, um nicht als Streber zu gelten.
Generell kommt es mir so vor, dass Menschen, die sich mit Passion und Hingabe einer Sache widmen, zu schnell als Nerds und Geeks verschrieen werden. Genau diese Menschen sind es aber, die für eine Entwicklung und Fortschritt notwendig sind.
Flossi
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Re: Cultural Heritages (Optimierungsmöglichkeiten)

Beitrag von Flossi »

Das ist in der Tat ein spannendes Thema. Nur als Hinweis für Forennutzer, die das Buch nicht kennen: Die kulturellen Eigenheiten bleiben oft über Generationen hinweg intakt, selbst in einer fremden Umgebung. Die Nachkommen übernehmen sie im Kindesalter unbewusst von den Eltern. Verhalten sich Koreaner Autoritäten gegenüber unterwürfig, so verinnerlichen dies auch die Sprösslinge.

Wie das Beispiel Chris Langan zeigt, liegt ein Stolperstein in den sozialen Fertigkeiten. Es schadet gewiss nicht, sich auf diesem Gebiet zu bilden. Erstens hilft es, Neidhammeln von vornherein zu besänftigen. Zweitens kann es hilfreich dabei sein, passende Mentoren und Förderer zu finden. So etwa schätzen es die wenigsten Leute, auf geistiger Ebene überflügelt zu werden. Sie fühlen sich in ihrer Würde gekränkt oder gar bedroht. Wer dem Meister unübertroffenes Können vorführt in der Meinung, dadurch in dessen Ansehen zu steigen, der braucht sich nicht zu wundern, wenn er jegliche Unterstützung verliert. (Wie immer gilt, Ausnahmen bestätigen die Regel.) Das ist nicht nur in Deutschland so. Menschen wollen sich nun einmal überlegen fühlen. Natürlich gehört auch dazu, zu erkennen, wann Grenzen überschritten werden sollen - bei Piloten zum Beispiel.

Auch die geerbten Gewohnheiten können im Weg stehen. Wer bei Eltern groß wird, die Bücher nur vom Hörensagen kennen, läuft seinerseits Gefahr, zum Lesemuffel heranzuwachsen. Ein Gegenbeispiel findet sich bei Gladwell. Chinesische Reisbauern müssen fast jeden Tag von früh bis spät auf ihren Feldern arbeiten, um die Ernte nicht zu gefährden. Daraus resultiert die bekannte Zähigkeit, die auch bei ihren Nachkommen in anderen Erdteilen anzutrefffen ist. Andererseits denke ich, wer das brennende Verlangen spürt, es auf einem Gebiet zur Meisterschaft zu bringen, wird intuitiv die richtigen Schritte finden. Die Herkunft spielt dann nur eine untergeordnete Rolle.

Was sich gegen Nachteile durch kulturelles Erbe unternehmen lässt? Ich persönlich meine: Über den Tellerrand schauen! Von Männern und Frauen lernen, die unter gegebenen Bedingungen besser zurechtkommen - egal ob persönlich, im Internet oder durch Bücher. Und auf den Bauch hören! Jeder Mensch ist anders. Niemand weiß besser als du selbst, welche Verhaltensweisen dein Potenzial am ehesten fördern.
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Philodoof
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Re: Cultural Heritages (Optimierungsmöglichkeiten)

Beitrag von Philodoof »

Was ich als typisches Problem hierzulande ansehen würde ist Überbürokratisierung, wodurch Probleme mitunter größer und schwieriger zu lösen werden, als sie eigentlich sind.

Generell wird von der Norm abweichendes Verhalten typischerweise missbilligt und die Norm wird mit richtig gleichgesetzt. So kann eine Gesellschaft dafür sorgen, dass sich Schwächen verfestigen.
Es entstehen auch Parallelethiken wie ich sie mal nennen würde innerhalb von Subgruppen, mit denen sich jeweilige Gruppen die Wahrnehmung so verzerren, wie sie sie brauchen. Whistleblower beschreibt ja doch eigentlich eine ehrenwerte Person, die sich märtyrergleich gegen eine Art von Ungerechtigkeit stemmt und dennoch ist der Begriff negativ untersetzt und kommt dem Begriff Petze gleich. Ähnlich verhält es sich mit dem modernsten Schimpfwort "Gutmensch".

Ich finde es auch schwer schlichtweg so zu handeln, wie ich es für richtig halte, auch wenn ich wohl im Vergleich betrachtet noch recht unangepasst wirke.

Und was das Brechen mit aufgenommenen Gewohnheiten angeht, da ist denke ich noch zu ergänzen, dass zunächst einmal Reflexion von sich und anderen vonnöten ist. Man muss sich seiner Schwächen zunächst einmal bewusst werden. Das kann sehr viel schwerer sein als es klingt.
Captain Basil
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Re: Cultural Heritages (Optimierungsmöglichkeiten)

Beitrag von Captain Basil »

Ein Gegenbeispiel findet sich bei Gladwell. Chinesische Reisbauern müssen fast jeden Tag von früh bis spät auf ihren Feldern arbeiten, um die Ernte nicht zu gefährden. Daraus resultiert die bekannte Zähigkeit, die auch bei ihren Nachkommen in anderen Erdteilen anzutrefffen ist.
Interessant. Wie belegt der Autor diese These?
Andererseits denke ich, wer das brennende Verlangen spürt, es auf einem Gebiet zur Meisterschaft zu bringen, wird intuitiv die richtigen Schritte finden. Die Herkunft spielt dann nur eine untergeordnete Rolle.
Ein "brennendes Verlangen" zur "Meisterschaft" hängt m.E. davon ab, ob man solche Leistungen überhaupt für möglich hält. Es gibt Ausnahmen, aber wenn du weit unten in einer hierarchischen Gesellschaft aufwächst, die dir eintrichtert, dass du zu Elitefamilien gehören musst, um hohen Status erreichen zu können, dann lässt du es halt.
Flossi
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Re: Cultural Heritages (Optimierungsmöglichkeiten)

Beitrag von Flossi »

Captain Basil hat geschrieben: Interessant. Wie belegt der Autor diese These?
Dazu zieht er die Mathematik heran. Studien zufolge ist wahrscheinlich eine gewisse Beharrlichtkeit notwendig, um in die Materie einzudringen. Je länger sich eine Person mit einem Problem befassen kann, ehe sie das Handtuch wirft, umso eher wird sie die Mathematik durchschauen. Weitere Untersuchungen an Mathematikstudenten haben in der Tat ergeben, dass Nachfahren von Reisbauern tendenziell die Nase vorn haben. Nachkommen chinesischer Auswanderer, die keinem Anbaugebiet entstammen, wiesen hingegen keinen Vorteil auf.
Captain Basil
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Re: Cultural Heritages (Optimierungsmöglichkeiten)

Beitrag von Captain Basil »

Ok, also führt der Autor selber statistische Regressionen durch, oder zitiert er welche?
Flossi
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Re: Cultural Heritages (Optimierungsmöglichkeiten)

Beitrag von Flossi »

Der Mann ist in erster Linie Journalist und bemüht als solcher verschiedene Fremdquellen.

https://books.google.at/books?hl=de&id= ... ay&f=false (die zweite Seite)

Dass eine gesunde Portion Skepsis nie schadet, versteht sich hoffentlich von selbst. Sogar wissenschaftliche Studien sind bekanntlich nicht immer der Weisheit letzter Schluss.
Captain Basil
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Re: Cultural Heritages (Optimierungsmöglichkeiten)

Beitrag von Captain Basil »

Vielen Dank. Leider sind nicht alle Seiten anzeigbar, um zu sehen, wie die Schlussfolgerung, dass Nachfahren von Reisbauern hartnäckiger sind, gezogen wird. Aber ich werde mir das Buch mal näher ansehen.
EmoScreamo
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Re: Cultural Heritages (Optimierungsmöglichkeiten)

Beitrag von EmoScreamo »

Mir ist als gute Ergänzung zum Buch "Überflieger" das Buch Imagine - von Jonah Lehrer in die Hände gefallen. Der Autor geht darin der Kreativität nach, sowohl beim einzelnen als auch bei ganzen Gesellschaften.

Die Ursachen für Kreativität beim Einzelnen kennt man: Tief in der Materie sein, dann kurz den präfrontalen Kortex deaktivieren. Interessanterweise zitiert er eine Studie, in der Leute mit herausragenden Leistungen auf den Gebieten von Kunst und Wissenschaft untersucht wurden und dort AD(H)S häufiger vorkam als in der Normalbevölkerung.
Weiterhin positiv wirken sich sehr unterschiedliche Umgebungsreize aus, z.B. längere Auslandsaufenthalte oder Kontakt zu sehr unterschiedlichen Menschen.


Spannend fand ich die Analyse von besonders kreativen Epochen wie dem frühen Elisabethanischen England, aus dem auch Marlowe und Shakespeare hervorgingen. Charakteristisch für diese Regionen und Epochen sind: Es sind Städte, in denen unterschiedlichste Menschen gezwungen werden, miteinander in Kontakt zu treten. Alleine die Anwesenheit von Menschen einer anderen Kultur macht eine Region kreativer. (bei mir sind das momentan nur unbelegte Behauptungen, der Autor belegt es besser).
Weiterhin nennt er: Lockeres aber vorhandenes Copyright. Vorhanden, damit ein Anreiz besteht, eine Innovation zu erfinden, locker, damit andere auf dieser Idee aufbauen können.

Interessant finde ich den Q-Faktor in Gruppen. Dieser misst, wie vertraut eine Gruppe untereinander ist. Eine Gruppe von 5 Fremden hätte einen Q-Wert von Null, eine Gruppe von 5 Geschwistern einen Q-Wert von 5. Wie genau dieser gemessen wird, ist mir noch unklar. Jedenfalls liegt für ein innovatives Team der optimale Q-Wert bei 2,5. Bei der Analyse der Teams der Broadway-Musical-Komponisten und -Choreographen zeigt sich deutlich, dass die erfolgreichsten Musicals, wie z.B. West Side Story in diesem Bereich lagen und die weniger erfolgreichen in suboptimalen Q-Werten. (Das könnte auch erklären, warum [meiner Meinung nach] das 2. Album einer Band meistens das beste ist)

Dann gibt es noch die Kritik im kreativen Prozess. Momentan herrscht ja die Meinung vor, dass man im kreativen Prozess eine Idee nicht kritisieren sollte. Empirisch konnte das nicht belegt werden. Optimal hat sich eine konstruktive Kritik, das sogenannte Plussing herausgestellt, bei der jeder, der eine Idee kritisiert, etwas drauf setzen soll.
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