Ulrich Voigt hat geschrieben: Dass Sinologen im Allgemeinen von Mnemotechnik nichts halten (Ulrich Voigt)
Das glaube ich nicht. (Klaus Horsten)
Sinologen – Vorurteile
Ich bleibe bei meinem Vorurteil und betrachte Dich als die Schwalbe, die keinen Sommer bedeutet.
1994 reichte ich im Sinologischen Institut der Universität Hamburg über einen Freund, der dort mit einem Professor persönlich bekannt war, ein druckfertig ausgearbeitetes Manuskript über die Mnemotechnik der chinesischen Schriftzeichen ein. Ich war der Meinung, dass man freudig erstaunt sein würde über das, was ich aus den bescheidenen Ansätzen Matteo Riccis gemacht hatte. Ein halbes Jahr lang hörte ich dann nichts. Als ich über meinen Freund nachfragen ließ, erhielt ich über ihn – denn mit einem Blödmann wie mir zu sprechen, hätte man sich vermutlich geschämt – die folgende Mitteilung: „Wir sind nicht dazu da, uns mit solch einem Quatsch zu befassen. Wir bereuen schon die Zeit, die wir dafür aufgewendet haben, den Briefumschlag zu öffnen und das Papier herauszuziehen.“
Ich habe mich damals von der Reaktion beeinflussen lassen. Ich sagte mir: "Selbst wenn ich mein Unternehmen ganz durchführe, wofür ja noch jahrelange Arbeit nötig ist, so dürfte das Ergebnis doch niemanden interessieren, vielmehr wird man mich dann vollends für verrückt erklären." Also stellte ich das Unternehmen „Mnemotechnik der chinesischen Schriftzeichen“ ein und wendete mich der Mnemotechnik im Allgemeinen zu.
Das ist genau der Punkt, der mMn im
Nachbarthread bedeutsam ist:
Wenn man Mnemotechniken nicht beherrscht, aber ohne Techniken gut lernen kann, behindern die Techniken einen kurzfristig, weil man durch ihr Erlernen im Lernen des (anderen) Stoffes langsamer wird.
Versucht man das Erlernen der Mnemotechniken parallel zum Lernen wichtiger Inhalte (für eine Prüfung etc), wird man feststellen, dass man ohne die Techniken schneller ist und die Techniken evtl. anzweifeln.
Hat man die Einstellung, dass Studenten erstens alleine gut lernen können müssen (evtl. wird das mit Begabung gleichgesetzt) und zweitens sich bitte für das Fach anzustrengen haben und drittens die Inhalte in sich logisch (Sprachstruktur? "Zeichenstruktur"?) sind, dann hält man jegliche Merkhilfen für Quatsch.
Wer die braucht "ist hier falsch" und sie behindern MICH, der ich den Stoff ja schon beherrsche, auch auf den ersten Blick im Verstehen/ Aneignen des Stoffes.
Dahinter steht mMn auch die Vorstellung der Selektion: Wer nicht mitkommt, fliegt raus, wer (Merk-)Hilfen braucht, ist hier eben falsch und soll gar nicht gefördert werden.
Diese Arroganz "wir nehmen nur die Beste, die ohnehin schon gut lernen können" findet man in vielen auch nicht-akademischen Bereichen; Menschen mit solcher Einstellung kann man schwer vermitteln, dass man mit Hilfen besser und schneller voran käme und ggf. auch als Fortgeschrittener davon profitieren könnte.
Das Problem an einem "mnemonischen Wörterbuch" wäre für mich die Exklusivität - in Deutschland, auf Deutsch, wäre sie nur für Muttersprachler eine gute Hilfe, für Zweitsprachler und Fremdsprachler müsste dann ein eigenes Wörterbuch mit Merkhilfen, die auf ihre Muttersprache zugeschnitten sind, eingeführt werden.
Das ist wohl sehr mühsam und kann auch nicht von einem Autor alleine bewältigt werden.
LG
Frederica
PS
Ich kam kürzlich in die Situation, mir Zahlen merken zu müssen, die ein älterer Mensch erinnern und nach einer gewissen Zeit abrufen musste.
Ich habe dann eine Merkhilfe angewendet und nebenbei das Bild erwähnt, das ich benutzte. Seine Reaktion: Das will ich nicht hören, davon wird mir schlecht (in dem Bild selbst war nichts Ekeliges). Die Vorstellung, sich so ein kompliziertes System wie das Majorsystem zu merken, bereitete ihm tatsächlich Übelkeit.
Er wollte zwar später von mir die Zahlen wissen, weil wir doch zwischendurch von vielem abgelenkt gewesen waren, so dass man die "nackten" Zahlen leicht wieder vergessen hätte, aber die Vorstellung, Zahlen in Buchstaben umzuwandeln
und sich dann die Buchstaben bzw. Wörter/ Bilder
merken zu müssen überforderte ihn stark und bereite wie gesagt körperliche Übelkeit.
Solchen Menschen wird man Mnemotechniken nur schwer nahebringen können, weil schon am Anfang zu viele Ängste vorhanden sind.