Vor kurzem gab es bei der Leipziger Buchmesse eine Präsentation von Brainboard-Mitglied Jens Seiler (http://www.jens-der-denker.de). Während bei einer solchen Gelegenheit üblicherweise die Autoren aus ihren Büchern vorlesen, zeigte Jens einen Teil seines Bühnenprogramms, um für sein Buch (http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3 ... klubsaxo03) zu werben. Diese Gelegenheit "vor der Haustür" wollte ich mir nicht entgehen lassen. Es war für mich spannend, zu sehen, wie man mit Mnemotechnik eine einstündige Bühnenshow hinbekommt.
Meine Eindrücke will ich hier teilen:
Als erstes --- Ja, es ist möglich, mit Gedächtnis und Kopfrechnen das Publikum über mehr als eine Stunde bestens zu untehalten. Dazu gehört aber mehr als Bestwerte bei Gedächtnissportwettbewerben. Gefragt sind auch Entertainer-Qualitäten und die entsprechende Souveränität. Beides bringt Jens mit. Ich stand auch schon oft genug mit Gedächtnisübungen auf der Bühne, weiß also zu würdigen, wie schwer es ist, das Ganze so rüberzubringen wie es Jens gelungen ist.
Zweitens hat sich wieder einmal bestätigt, dass es für das Publikum, das ja in der Regel von Gedächtnissport wenig versteht, manchmal mehr auf die Verpackung als auf die eigentliche Leistung ankommt. Wir im Forum wissen, dass der Rösselsprung auf dem Schachbrett oder das Lösen Magischer Quadrate nicht die größte aller Herausforderungen sind. Aber Letzteres beeindruckt die Leute z.B. mehr als wenn jemand perfekt Quadratwurzeln auf 8 Stellen genau berechnet. In einer Bühnenshow ist es für das Publikum bei entsprechender "Verpackung" kaum ein Unterschied, ob sich jemand alle 52 Karten eines Spiels einprägt oder nach dem Durchsehen von 51 Karten die fehlende Karte nennen kann. Das soll jetzt nicht als Kritik an Jens' Darbietung gesehen werden, sondern eher als riesengroßes Lob für die kreative Programmgestaltung. (Im Übrigen: die Beispiele "Magisches Quadrat" und "Spielkarte merken" kamen in der Show gar nicht vor, sondern dienen nur zur Illustration. Und den Rösselsprung kann Jens auch in einer wirklich schwierigeren Version - was wiederum Publikum vermutlich meist nicht zu würdigen weiß.) Zu sehen, was gute Präsentation ausmachen kann, war für mich schon sehr lehrreich.
Nicht so ganz begeistert war ich von den medienwirksamen Übertreibungen. Vermutlich hätte es ein Künstler wie er nicht wirklich nötig, zu behaupten, er hätte alle Telefonbücher Deutschlands und eine 30-bändige Enzyklopädie auswendig gelernt (um das dann an Stichproben zu zeigen). Aber ich habe gut Reden - ich verdiene ja mein Geld nicht auf der Bühne, wo Klappern ja immer noch zum Handwerk gehört. Hauptsache, das Hand- pardon... Kopf-werk stimmt, und das tat es ohne Zweifel.
Auch wenn die Bühnenshow gelegentlich eine Gratwanderung am Rande zwischen Mnemotechnik und sehr guter Mentalmagie war, ist noch hervorzuheben, dass sich Jens nicht als der geniale Supermann hinstellt. Im Gegenteil, im Anschluss an die Show erklärte er ausführlich seine Techniken, einschließlich Details wie der "Vervielfachung" seiner Bilder (SEM3). [Ach übrigens, Jens - falls du das gerade liest... die Erklärung der Lotto-Nummer nehme ich Dir nicht ganz ab. Aber man muss ja nicht alles verraten

Alles in allem: Ein Super-Abend, sehr beeindruckend und darüberhinaus eine prima Werbung für die Anwendung von Gedächtnistechniken.