MeisterLou hat geschrieben:Augenscheinlich gleichen sich die drei Forderungen an eine Geschichte mit den drei Verklumpungsmethoden:
1. Seele -> "man nimmt ein Element der Menge heraus und bezieht alle anderen darauf"
2. Überschrift -> "man stülpe einer Menge von zu memorierenden Objekten eine Struktur auf "
3. eindeutige Grundlagen -> "man assoziiere die Menge unterinander
hinreichend, so dass ein Netz entsteht"
Ad 1.
"man nimmt ein Element der Menge heraus und bezieht alle anderen darauf" <=> Seele ?
Beispiel 1 aus
Esels Welt S. 125. (A = Tiger, B = Bett, C = Telephon): "Telephon und Bett gehören dem Tiger".
Hier ist A das (willkürlich) erwählte Element, das dann die Menge repräsentieren kann.
"Seele" ist auf S. 157 definiert als leitender Gedanke oder vielmehr Pseudo-Gedanke. In der soeben formulierten Phantasie klingt durchaus so etwas an, wie "Sinn", man befindet sich schon auf dem Weg zu einer Geschichte, man ist aber noch im Vorfelde.
"Bezug auf ein Element" kann als eine dünne und elementare Möglichkeit für "Seele" gelten, aber auf keinen Fall damit gleichgesetzt werden. Es ist wie in der Natur. Auch ein Stein besitzt, wenn man so will, bereits eine Seele, jedoch gibt es auch gute Gründe, nur dem Menschen eine Seele zuzubilligen.
Ad 2.
"man stülpe einer Menge von zu memorierenden Objekten eine Struktur auf " <=> Überschrift ?
Beispiel 2 (S. 125): die Struktur, die hier übergestülpt wird ist das Krankenzimmer mit seinen Möbeln und Personen.
Eine Überschrift ist damit noch nicht gegeben, wiewohl nahegelegt. Die Struktur könnte eine medizinische Überschrift tragen, was sie hier aber nicht soll, da es um einen juristischen Zusammenhang geht.
"Übergestülpte Struktur" kann also nicht mit "Überschrift" gleichgesetzt werden.
Ad 3
"man assoziiere die Menge untereinander hinreichend, so dass ein Netz entsteht" <=> eindeutige Grundlagen ?
Beispiel 1 (S. 125): "Telephon und Bett gehören dem Tiger. Der liegt unter dem Bett, neben sich das Telephon usw." usw. = Das Telephon ist speziell für Tiger gefertigt und am Bett befestigt. Das Bett ist ein Telephon-Bett, speziell gefertigt für Tiger.
Na ja, für "hinreichend" ist das schon ziemlich übertrieben.
Die eindeutigen Grundlagen sind dabei vorausgesetzt, sie werden durch die Verklumpung (= Vertäuung) nicht verändert.
"Eindeutige Grundlagen" und "Überschrift" können nicht gleichgesetzt werden.
Fazit:
Die drei genannten Methoden der Verklumpung klingen ähnluch wie die drei Bedingungen an eine mnemotechnische Geschichte, sie sind aber keineswegs gleichzusetzen.
Der Übergang von "bloss Klumpen" zu "bereits Geschichte" ist in der Realität fließend. Man wird immer in die Richtuing einer Geschichte arbeiten. Wirkliche Geschichten sind in der Mnemotechnik gar nicht möglich, sondern nur näherungsweise (dazu ausführlich
Esels Welt Kap. 5)
Mnemotechnische Geschichte habe ich durch die genannten drei Bedingungen definiert: Mnemotechnische Geschichte = Klumpen mit einleuchtender Überschrift und Seele (die eindeutigen Grundlagen muss natürlich auch der bloße Klumpen bereits haben). Das, was man heutzutage als "Geschichtenmethode" bezeichnet, das Erstellen von Fäden, fällt nicht unter meinen Begriff, denn es fehlt ihm stets die Seele und auch die (einleuchtende) Überschrift. Eine gute mnemotechnische Geschichte sollte darüber hinaus aber auch noch witzig sein oder unheimlich oder irgendwie denkwürdig. Dazu gibt
Esels Welt nur ein einziges Beispiel ("Die Geschichte vom Ende des Rebhuhns"), das sogar unter der erschwerten Bedingung konstruiert ist, dass Füllwörter gänzlich entfallen.
Esels Welt gibt durchgehend für jede der angesprochenen Methoden nur ein ein einziges Beispiel. Eine ganze Reihe von Beispielen findet man aber in
Das Jahr im Kopf. Die dortigen mnemotechnischen Geschichten verklumpen z.T. mehr als 70 (unzusammenhängende) Wörter und umfassen zusammen mehr als 100 gedruckte Seiten. Seit dem 17. Jahrhundert sind mnemotechnische Konstruktionen solchen Umfangs nicht veröffentlicht worden.