Mnemotechnische Kompression
Verfasst: So 04. Jul 2010, 11:49
Wir leben in Zeiten, in denen wir von der Pop-Kultur künstlich im adoleszenten Zustand der Allmachtsphantasie gehalten werden: Jack Bauer ist einfach nicht klein-zu-bekommen, Gregory House löst jedes noch so komplizierte Problem und Cal Lightman erkennt an den kleinsten Zuckungen der Nasenwurzel, ob jemand lügt. Der Unterschied zu Star Trek oder Catweazle meiner Jugend ist, dass diese Serien auf einer (pseudo-)wissenschaftlichen Grundlage basieren und den Anschein erwecken, jeder könnte diese Fähigkeiten erlernen. Unter diesem Gesichtspunkt möchte ich noch einmal eine Passage aus Thomas Harris' (bei Mnemonies) berüchtigtem "Hannibal" anführen und unter dem "principle of charity" auf eine mögliche mnemotechnische Anwendung hin betrachten.
Ich möchte nun argumentieren, dass man aber auch anders verfahren kann, vielmehr im Sinne von Ulrich Voigt, der seine Geschichten flexibel und dynamisch erweitert, sobald eine thematisch passende neue Information hinzukommt.
Ein Beispiel:
Ich kenne die trigonometrischen Funktionen in der Reihenfolge sin, cos, tan und cot bereits. Ich möchte nun die entsprechenden Quotienten der Dreiecksseiten erlernen und merke mir dazu: "Geh' Heim, Altes Haus, Gib Acht Aufs Geld". Jeweils zwei Anfangsbuchstaben ergeben einen Quotienten, sin ist also entsprechend Gegenkathete durch Hypotenuse. Dazu muss ich schon wirklich eine Menge wissen. In einem weiteren Schritt kann ich aber diese Eselsbrücke mit leichten Modifikationen in ein kleines Bild übersetzen: "Geh' hoch (zum) alten Haus (und) gib acht aufs Gold ". Eine stürmische nacht, der Vater schickt seinen Sohn los, im Hintergrund durch Blitze erhellt sieht man auf einem Hügel das alte Haus. Nun habe ich diesen Merkspruch in ein anderes System überführt und gleichzeitig weiter komprimiert. Nachdem sich dieses Bild gefestigt hat (durch Wiederholung und Dechiffrierung!) benötige ich das Bild nicht mehr, sondern als Auslöser reicht es mir, einen gusseisernen Topf mit Goldstücken zu sehen, der mich zu meinem Bild, dann weiter zu dem Merkspruch und letztendlich zu den Quotienten der trig. Funktionen führt.
Nun kann ich dieses hochkomprimierte Bild mit weiteren solcher Bilder an eine Statue von - sagen wir - Pythagoras hängen und kann so tatsächlich duzende Fakten an ein Objekt anhängen.
So ergibt sich ein System, bei dem ich ganz lustvoll immer wieder mit meinen Bildern arbeite, sie permanent überarbeite und gleichzeitig meinem natürlichen Gedächtnis die Möglichkeiten gebe, Assoziationen aufzubauen und Lerninhalte ins Langzeitgedächtnis zu überführen.
Bemerkenswert ist für mich: "Hunderte von Fakten an jedes Objekt gehängt." Natürlich dient das nur dazu, die Größe des Palastes zu unterstreichen, aber wir alle kennen vermutlich das Phänomen, dass manches Wissen wesentlich einfacher zu merken ist als anderes. Letztendlich bietet Mnemotechnik ja vorallem Rekonstruktionshilfen für unser Gedächtnis an und keine wirklichen Gedächtnisinhalte. Wenn ich nicht weiss, dass es einen Planeten "Jupiter" gibt, dann nutzt mir auch eine Eselsbrücke nichts, die mir sonntags die Reihenfolge unserer acht Planeten ausspuckt. Für wirklich neues Wissen benötige ich auch entsprechend umfangreiche Bilder/Geschichten, die mir die Rekonstruktion ermöglichen. Und wie DocTiger in einem Post schrieb, geht ja durch Wiederholung ein Lerninhalt allmählich in das Langzeitgedächtnis über, so dass man auf die Mnmemotechnik verzichten kann.Tausenundein Raum, Meile um Meile an Gängen, Hunderte von Fakten an jedes Objekt angehängt, und jedes Zimmer birgt Schätze von Objekten. (S. 287)
Ich möchte nun argumentieren, dass man aber auch anders verfahren kann, vielmehr im Sinne von Ulrich Voigt, der seine Geschichten flexibel und dynamisch erweitert, sobald eine thematisch passende neue Information hinzukommt.
Ein Beispiel:
Ich kenne die trigonometrischen Funktionen in der Reihenfolge sin, cos, tan und cot bereits. Ich möchte nun die entsprechenden Quotienten der Dreiecksseiten erlernen und merke mir dazu: "Geh' Heim, Altes Haus, Gib Acht Aufs Geld". Jeweils zwei Anfangsbuchstaben ergeben einen Quotienten, sin ist also entsprechend Gegenkathete durch Hypotenuse. Dazu muss ich schon wirklich eine Menge wissen. In einem weiteren Schritt kann ich aber diese Eselsbrücke mit leichten Modifikationen in ein kleines Bild übersetzen: "Geh' hoch (zum) alten Haus (und) gib acht aufs Gold ". Eine stürmische nacht, der Vater schickt seinen Sohn los, im Hintergrund durch Blitze erhellt sieht man auf einem Hügel das alte Haus. Nun habe ich diesen Merkspruch in ein anderes System überführt und gleichzeitig weiter komprimiert. Nachdem sich dieses Bild gefestigt hat (durch Wiederholung und Dechiffrierung!) benötige ich das Bild nicht mehr, sondern als Auslöser reicht es mir, einen gusseisernen Topf mit Goldstücken zu sehen, der mich zu meinem Bild, dann weiter zu dem Merkspruch und letztendlich zu den Quotienten der trig. Funktionen führt.
Nun kann ich dieses hochkomprimierte Bild mit weiteren solcher Bilder an eine Statue von - sagen wir - Pythagoras hängen und kann so tatsächlich duzende Fakten an ein Objekt anhängen.
So ergibt sich ein System, bei dem ich ganz lustvoll immer wieder mit meinen Bildern arbeite, sie permanent überarbeite und gleichzeitig meinem natürlichen Gedächtnis die Möglichkeiten gebe, Assoziationen aufzubauen und Lerninhalte ins Langzeitgedächtnis zu überführen.