Vorurteile gegenüber Mnemotechnik
Verfasst: Mi 21. Apr 2004, 10:04
Mnemotechnik war immer umstritten. Es gibt keine Epoche, in der Mnemotechnik als selbstverständliche Kulturtechnik sich je durchgesetzt hätte. In manchen Zeiten war es zwar so, daß viele Gebildete Mnemotechnik kannten und sogar die eine oder andere Institution Mnemotechnik adaptierte, stets aber waren die Gegner der Mnemotechnik präsent - und dominant.
Die Gegner der Mnemotechnik sind unterschiedlich radikal. Manche warnen vor einem Übermaß oder vor einer Fehlanwendung, andere bestreiten rundweg die Sinnhaftigkeit.
Mich interessieren die letzteren, ich nenne sie Fundamentalkritiker, da sie ja Mnemotechnik überhaupt nicht wollen.
Ihre Meinungen betrachte ich nicht als Vorurteile, die ich wegwische, sondern als ernsthafte Urteile, über die ich nachdenke. Grundsätzlich ist das Wort "Vorurteil" ja nur ein Schimpfwort, das wir benutzen, um Urteile, die uns unbegründet erscheinen, zu belegen. Auch im schlimmsten Fall ist ein dummes Vorurteil doch nichts anderes als eben ein Fehlurteil. Und auch das ärgste Fehlurteil enthält in aller Regel noch ein Körnchen Wahrheit.
Ich habe versucht, sämtliche Radikalurteile über Mnemotechnik, wie sie seit der Antike vorgebracht worden sind, zu sammeln, zu ordnen und zu durchleuchten. Das Ergebnis findet man in ESELS WELT unter der Überschrift "Fundamentalkritik" (S.54-62). Jedes einzelne Fundamentalargument wird dort vorgestellt und auf seine Stichhaltigkeit hin überprüft. Eigenartig, daß noch nie jemand solch eine Arbeit für notwendig erachtet hatte! Damit wollte ich es den heutigen Fundamentalkritikern schwer machen. Sie finden ja hier alle ihre Argumente bereits gesichtet, historisch eingeordnet, logisch durchleuchtet, hinsichtlich ihres jeweiligen Wahrheitskörnchens ausgequetscht und - widerlegt. Ihre Unschuld ist also hin!
Auf dem Mnemotechnik-Forum von Jens Plasger habe ich die großen deutschen Enzyklopädien vom 19. Jahrhundert bis heute darauf untersucht, wie sie Mnemotechnik verstehen und beurteilen. Das werde ich gelegentlich mit anderssprachigen Enzyklopädien fortsetzen. Man kann sich dort anschaulich machen, wie ein bestimmtes Radikalurteil heutzutage dominiert. Man kann sogar erkennen, daß auf der Ebene der Lexika, also doch irgendwie auf der Ebene des allgemeinen Bewußtseins, die Abrechnung mit dem Phänomen "Mnemotechnik" vollkommen abgeschlossen ist, so daß ihre Vernichtung durch die Kraft der radikalen Vernichtungsurteile nicht mehr diskutiert wird, sondern vorausgesetzt.
Sind wir selbst über solche Vernichtungs-Vorurteile erhaben? Das ist eine Frage, die jeder an sich selbst stellen mag. Anläßlich der Diskussion über die mnemotechnische Verankerung von "Karl Marx veröffentlichte DAS KAPITAL Band 1 im Jahre 1867 in Hamburg" begegnete mir von einem Mnemotechniker hier auf dem Forum die Ansicht: >Hier brauche ich keine Mnemotechnik, sondern nur mein natürliches Gedächtnis. < Oh!
Jetzt behaupte ich, daß durch Gedächtnissport und Gedächtnisjogging nicht etwa die Mnemotechnik wieder zu Ehren gelangt, sondern ganz im Gegenteil das bereits vollzogene Vernichtungsurteil durch ein zusätzliches Vorurteil weiter stabilisiert werden wird. Dieses neue (in ESELS WELT noch nicht beachtete) Vorurteil lautet so:
>Mnemotechnik will, daß wir lauter Überflüssiges, Nebensächliches und Sinnloses lernen. Sie will, daß wir Müllschlucker werden mit der Fähigkeit, schnell schnell ungeheure und unverstandene Faktenmassen zu speichern und ebenso schnell wieder wegzuschmeißen. Es kommt aber darauf an, möglichst ausschließlich Sinnvolles, Verstandenes und Wichtiges zu lernen.<
U.V.
Die Gegner der Mnemotechnik sind unterschiedlich radikal. Manche warnen vor einem Übermaß oder vor einer Fehlanwendung, andere bestreiten rundweg die Sinnhaftigkeit.
Mich interessieren die letzteren, ich nenne sie Fundamentalkritiker, da sie ja Mnemotechnik überhaupt nicht wollen.
Ihre Meinungen betrachte ich nicht als Vorurteile, die ich wegwische, sondern als ernsthafte Urteile, über die ich nachdenke. Grundsätzlich ist das Wort "Vorurteil" ja nur ein Schimpfwort, das wir benutzen, um Urteile, die uns unbegründet erscheinen, zu belegen. Auch im schlimmsten Fall ist ein dummes Vorurteil doch nichts anderes als eben ein Fehlurteil. Und auch das ärgste Fehlurteil enthält in aller Regel noch ein Körnchen Wahrheit.
Ich habe versucht, sämtliche Radikalurteile über Mnemotechnik, wie sie seit der Antike vorgebracht worden sind, zu sammeln, zu ordnen und zu durchleuchten. Das Ergebnis findet man in ESELS WELT unter der Überschrift "Fundamentalkritik" (S.54-62). Jedes einzelne Fundamentalargument wird dort vorgestellt und auf seine Stichhaltigkeit hin überprüft. Eigenartig, daß noch nie jemand solch eine Arbeit für notwendig erachtet hatte! Damit wollte ich es den heutigen Fundamentalkritikern schwer machen. Sie finden ja hier alle ihre Argumente bereits gesichtet, historisch eingeordnet, logisch durchleuchtet, hinsichtlich ihres jeweiligen Wahrheitskörnchens ausgequetscht und - widerlegt. Ihre Unschuld ist also hin!
Auf dem Mnemotechnik-Forum von Jens Plasger habe ich die großen deutschen Enzyklopädien vom 19. Jahrhundert bis heute darauf untersucht, wie sie Mnemotechnik verstehen und beurteilen. Das werde ich gelegentlich mit anderssprachigen Enzyklopädien fortsetzen. Man kann sich dort anschaulich machen, wie ein bestimmtes Radikalurteil heutzutage dominiert. Man kann sogar erkennen, daß auf der Ebene der Lexika, also doch irgendwie auf der Ebene des allgemeinen Bewußtseins, die Abrechnung mit dem Phänomen "Mnemotechnik" vollkommen abgeschlossen ist, so daß ihre Vernichtung durch die Kraft der radikalen Vernichtungsurteile nicht mehr diskutiert wird, sondern vorausgesetzt.
Sind wir selbst über solche Vernichtungs-Vorurteile erhaben? Das ist eine Frage, die jeder an sich selbst stellen mag. Anläßlich der Diskussion über die mnemotechnische Verankerung von "Karl Marx veröffentlichte DAS KAPITAL Band 1 im Jahre 1867 in Hamburg" begegnete mir von einem Mnemotechniker hier auf dem Forum die Ansicht: >Hier brauche ich keine Mnemotechnik, sondern nur mein natürliches Gedächtnis. < Oh!
Jetzt behaupte ich, daß durch Gedächtnissport und Gedächtnisjogging nicht etwa die Mnemotechnik wieder zu Ehren gelangt, sondern ganz im Gegenteil das bereits vollzogene Vernichtungsurteil durch ein zusätzliches Vorurteil weiter stabilisiert werden wird. Dieses neue (in ESELS WELT noch nicht beachtete) Vorurteil lautet so:
>Mnemotechnik will, daß wir lauter Überflüssiges, Nebensächliches und Sinnloses lernen. Sie will, daß wir Müllschlucker werden mit der Fähigkeit, schnell schnell ungeheure und unverstandene Faktenmassen zu speichern und ebenso schnell wieder wegzuschmeißen. Es kommt aber darauf an, möglichst ausschließlich Sinnvolles, Verstandenes und Wichtiges zu lernen.<
U.V.