Gedächtnispalast die Zweite

Hierein gehört alles was die Geschichte und Methoden der Mnemotechnik betrifft. Z.B. Was ist die Geschichtenmethode? Was sind Routen? Des Weiteren geht es auch um die historische Betrachtung und Analyse der Mnemotechnik.


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The Heel
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Gedächtnispalast die Zweite

Beitrag von The Heel »

http://www.mnemotechnik.info/display.php?id=loci/0001
Eine besonders eindrucksvolle Schilderung der Loci-Methode findet man in dem Roman "Hannibal" von Thomas Harris. Dort beschreibt er auf eine granidiose Art und Weise den Gedächtnispalast (also eine Ansammlung von Loci in Form eines Palastes) von Dr. Hannibal Lecter - dieser sucht während einer Flugreise seinen Gedächtnispalast aus zwei Gründen auf:
1. Um der Atmosphäre im Flugzeug zu entgehen
2. Um die Adresse von Clarice Starling zu memorieren
Es zeigt sich an diesem Beispiel sehr schön das Zusammenspiel von Assoziationstechnik und Loci-Methode sowie eine weitere Dimension der Mnemotechnik: man kann sich mit Ihrer Hilfe "in seinen Kopf zurückziehen" in emotional oder optisch angenehmere Gefilde. Man kann "Reisen" in seinen Kopf unternehmen... Die Möglichkeiten, welche sich einem durch Verwendung der Mnemotechnik eröffnen sind grandios - und genau dies zeigt die im Folgenden zitierte Passage aus dem Buch von Thomas Harris:
Dr. Lecter würde diese Umgebung schon bezwingen. Er würde alles verschwinden lassen. Das Piepsen des Computerspiels, das Schnarchen, die Fürze waren nichts im Vergleich zu dem höllischen Geschrei, das er aus den Gefängnistrakten kannte. Der Sitz war nicht enger als die Beschränkungen in der Haft. Wie er es so viele Male in seiner Zelle getan hatte, ließ Dr. Lecter seinen Kopf zurücksinken, schloß die Augen und zog sich zur Entspannung in die Stille seines Gedächtnispalastes zurück, eines Ortes, der über weite Strecken sehr schön war.
Für eine kleine Zeitspanne nimmt der westwärts gegen den Wind anjaulende Metallzylinder einen Palast mit tausendundeinem Zimmer in sich auf.
So, wie wir einst Dr. Lecter in den Palazzo Capponi gefolgt sind, werden wir nun mit ihn in den Palast seines Geistes gehen...
Die Vorhalle ist die normannische Kapelle in Palermo, streng, schön und zeitlos. Ein in den Fußboden gemeißelter Totenschädel mahnt uns an unsere Sterblichkeit. Wenn er nicht gerade in sehr großer Eile ist, um Informationen aus dem Palast abzurufen, legt Dr. Lecter hier oft eine Pause ein, so wie jetzt, um die Kapelle zu bewundern. Jenseits davon, fern und komplex, licht und dunkel, liegt die ausgedehnte Anlage, die Dr. Lecter selbst geschaffen hat.
Der Gedächtnispalast war ein den antiken Gelehrten wohlbekanntes mnemotechnisches System. Vielerlei Wissen wurde mit Hilfe dieses Systems während finsterer Zeiten bewahrt, als Vandalen Bücher verbrannten. Dr. Lecter bewahrt, verbunden mit Merkzeichen, ein schier unermeßliches Wissen in diesen tausend Räumen auf. Aber anders als seine antiken Vorläufer hat der Palast eine zweite Verwendung für ihn; manchmal lebt er in ihm. Er hat Jahre in dessen exquisiten Sammlungen verbracht, während sein Körper in seinen Zellentrakt gebannt war, wo die Schreie die Gitterstäbe wie eine Höllenharfe zum Klingen gebracht haben.
Hannibal Lecters Palast ist sogar für mittelalterliche Verhältnisse riesig. Übertragen auf die für uns erfahrbare Welt, käme er an Größe und Komplexität dem Topkapi-Palast in Istambul gleich.
Wir schließen zu ihm auf, als er eiligen Schrittes in die große Halle der vier Jahreszeiten eintritt. Der Palast ist gemäß den von Simonides von Ceos gefundenen Regeln erbaut, die vierhundert Jahre später von Cicero so glanzvoll ausgearbeitet wurden: er ist luftig, hat hohe Decken, ist mit Gegenständen und Tableaus ausgestattet, die lebendig, beeindruckend, manchmal schockierend und absurd, aber oft auch sehr schön sind. Die Auslagen sind geräumig und hell erleuchtet wie die eines großen Museum. Aber die Wände sind nicht in den neutralen Farben von Museumswänden gehalten. Wie Giotto hat Dr. Lecter die Wände seines Geistes mit Fresken versehen.
Er hat beschlossen, Clarice Starlings Privatadresse zu holen, während er im Palast ist. Aber er hat keine Eile, also bleibt er am Fuß eines großen Treppenhauses vor der Riace-Bronze stehen. Diese berühmten bronzenen Kämpfer, ein Tribut an Phidias, in unserer Zeit vom Meeresboden geholt, bilden das Mittelstück eines mit Fresken geschmückten Ortes, der den gesamten Homer und Sophokles abspulen kann.
Dr. Lecter könnte die bronzenen Gesichter Meleager rezitieren lassen, wenn ihm der Sinn danach stünde, aber heute will er sich einfach nur ihrem Anblick hingeben.
Tausendundein Raum, Meile um Meile an Gängen, Hunderte von Fakten an jedes Objekt angehängt, und jedes Zimmer birgt Schätze von Objekten. Ein angenehmer Aufenthalt erwartet Dr. Lecter, wann immer er sich dazu entschließt, sich hierher zurückzuziehen.
Aber eines teilen wir uns mit dem Doktor: In den Gewölben unserer Herzen und Hirne lauert die Gefahr. Nicht alle Kammern sind lieblich, lichtdurchfluted und hoch. Es gibt auch Löcher in dem Boden unseres Geistes, wie die in den mittelalterlichen Kerkerböden - die stinkenden Verliese, benannt nach den Vergessenen, flaschenähnlichen Zellen aus hartem Stein mit Falltüren an der Spitze. Nichts entschlüpft ihnen leise, um uns zu beruhigen. Ein Beben, irgendein Verrat unserer Schutzwachen, und die Funken des Gedächtnisfeuers entzünden verderbliche Gase - Dinge, seit Jahren eingeschlossen, gieren nach Freiheit, explodieren in Schmerz und stacheln uns zu gefährlichem Verhalten an.
Furchtsam und verwundert folgen wir ihm, wie er schnell und leicht den von ihm entworfenen Gang entlangeilt. Der Duft von Gardenien, die Gegenwart berühmter Plastiken und das Licht der Bilder drängen sich uns auf.
Sein Weg führt ihn nach rechts an einer Büste von Plinus vorbei, die Treppe zur Halle der Adressen empor, einem Raum, in dem sich, der Empfehlung Ciceros folgend, hell erleuchtet Statuen und Bilder in einer genau festgelegten Ordnung, mit ausreichendem Raum um sich herum, aufreihen.
Ah ... Der dritte Alkoven von der Tür auf der rechten Seite wird von einem Gemälde des heiligen Franziskus eingenommen, der einen Nachfalter an einen Star verfüttert. Auf dem Boden vor dem Bild ist in Lebensgröße ein Tableau in bemaltem Marmor arrangiert: eine Parade auf der Heldengedenkstätte in Arlington, angeführt von einem dreiunddreißig Jahre alten Jesus, der einen 27er Ford, Modell-T, "Tin Lizzie" fährt; auf der Ladefläche steht J. Edgar Hoover mit zwei Zweigen im Haar und winkt einer unsichtbaren Menge zu; hinterdrein marschiert Clarice Starling, ein 308er Enfield-Gewehr geschultert

Dr. Lecter scheint erfreut zu sein, Starling zu sehen. Vor langer Zeit schon hat er sich Starlings Privatadresse von der Alumni-Verbindung der Universität Virginia verschafft. Er bewahrt die Adresse in diesem Tableau, und nun läßt er sich zu seinem eigenen Vergnügen die Nummer und den Namen der Straße, in der Starling lebt, kommen:
3327 Tindal
Arlington, VA 22308
Dr. Lecter kann sich durch die riesigen Hallen seines Gedächtnispalastes mit übernatürlicher Geschwindigkeit bewegen. Mit seinen Reflexen und seiner Stärke, dem Auffassungs- und dem Denkvermögen seines Geistes tritt Dr. Lecter gut gewappnet der physischen Welt gegenüber. Aber es gibt Orte in ihm, wo auch er nicht sicher ist, wo Ciceros Gesetze der Logik, des geordneten Raumes und des Lichts nicht gelten.
Er hat beschlossen, seine Sammlung antiker Stoffe aufzusuchen. Für einen Brief, den er an Mason Verger zu schreiben gedenkt, will er einen Text von Ovid zu dem Thema aromatisierte Gesichtsöle einsehen, der an eine der Webereien gesteckt ist.
Er eilt auf einem interessant gemusterten Kelim-Läufer der Halle mit Webstühlen und Webereien entgegen.
In der Welt der 747 ist Dr. Lecters Kopf gegen den Sitz gepreßt, seine Augen sind geschlossen. Sein Kopf bewegt sich sanft auf und ab, als das Flugzeug in eine Turbulenz gerät.
Quelle: Thomas Harris, "Hannibal", Hoffmann und Campe, ISBN: 3-455-02688-5


Ich finde den text sehr interessant, da ich schon öfters mit dem gedanken gespielt habe mir einen solchen Palast zu erstellen um damit etwas für meine Allgemeinbildung zu tun. Mein Problem: wie finde ich genügend gegenstände wie sie auch im text beschrieben werden um so einen palast zu füllen?
ich habe mir für einen raum in dem ich ein paar sportrekorde speichern würde, überlegt, verschiedene sportgeräte zu stellen. dann würde ich mir für den weitsprung die bahn mit der grube vorstellen mit einem buch (96) das von einem schwein (0) über die bahn getragen wird. der rekord liegt also bei 9,60 m.
Aber mir fehlen weitere richtig gute gegenstände, wie bei dr.lecter z.b. "Er eilt auf einem interessant gemusterten Kelim-Läufer der Halle mit Webstühlen und Webereien entgegen. " "
Ah ... Der dritte Alkoven von der Tür auf der rechten Seite wird von einem Gemälde des heiligen Franziskus eingenommen, der einen Nachfalter an einen Star verfüttert. Auf dem Boden vor dem Bild ist in Lebensgröße ein Tableau in bemaltem Marmor arrangiert:"
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

"Hannibal" von Thomas Harris ist eine nette Phantasie. Sie beruht aber nach meiner Einschätzung auf keiner soliden mnemotechnischen Erfahrungsbasis. Es gibt heutzutage eine ganzes Genre, das sich pseudokundig über Mnemotechnik äußert. Schaut man genau hin, offenbart sich schnell, daß auf der Basis von Hören-Sagen geschrieben wird. Mnemotechnik erscheint hier als phantastische, magisch angehauchte Geistesbetätigung.
Wenn sich jetzt Mnemotechniker solche Ausbrüche dichterischer Phantasie als Vorlage nehmen, wird es spannend.
Ich für meinen Teil lese solche Bücher gar nicht erst. Nach zwei Seiten leg ich sie je nach Stimmung schmunzelnd oder weinend beiseite.
Der Ausdruck >Gedächtnispalast< ist sehr verführerisch. Ich möchte aber wirklich einmal gerne wissen, wer denn mal einen aufgebaut hätte. Gewiß nicht der Autor von Hanibal Lecter!

U.V.
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The Heel
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Beitrag von The Heel »

Sooo abwegig wie Sie einen Gedächtnispalast darstellen ist diese Möglichkeit gar nicht, ist sie doch nur die Verknüfpung von loci routen.
Mir erscheint ein Gedächtnispalast sogar als die beste Möglichkeit Allgemeinwissen dauerhaft zu speichern.

ps: Das buch beschäftigt sich nur an dieser stelle mit dem thema Gedächtnis. :wink:
boogey
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Beitrag von boogey »

Ulrich Voigt hat geschrieben:"Ich für meinen Teil lese solche Bücher gar nicht erst. Nach zwei Seiten leg ich sie je nach Stimmung schmunzelnd oder weinend beiseite.
Man kann doch auch mal einen Roman zur Entspannung lesen...
Also ich mach das eigentlich recht gern und finde das Buch nichtmal sooo schlecht.
daywalker
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Beitrag von daywalker »

@Heel: Ich danke dir für diesen interessanten Ausschnitt.

Der Gedächtnispalast wurde schon mehrmals thematisiert. Für mich sehe ich bei der Erschaffung eines solchen Palastes ein folgenschweres Problem, nämlich meine eingeschränkte Vorstellungskraft. Mir geht es jedenfalls so, dass es mir relativ schwer fällt einen Palast zu erbauen, der nur in meiner Phanasie besteht. Das heißt, dass ich keine Elemente von Häusern, Grundstücken usw. nehme, die ich bereits kenne, sondern Architekt spiele und etwas von neuem erschaffe, beispielsweise den Grundriss, die Einrichtung usw., im Prinzip wie ein Baukasten, aus dem man sich die benötigten Elemente einfach nimmt und zusammenbastelt. Es ist möglich, dass ich da vielleicht etwas unbegabt bin bzw. mein Vorstellungsvermögen noch nicht genug trainiert habe. Mich würde diesbezüglich besondern interessieren wie das bei Herr Voigt der Fall ist.
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

MacroX hat geschrieben:Der Gedächtnispalast wurde schon mehrmals thematisiert.
Auch auf den englischsprachigen Foren ist Gedächtnispalast (= memory palace) ein Dauerthema. Es ist aber weitgehend unklar, wozu man denn solch einen Palast überhaupt brauchen soll. Nach meinem Eindruck hat sich hier eine veritable fantasy-world-Phantasie eingeschlichen. Es erscheint vielen reizvoll, sich eine tolle Phantasie aufzubauen, in der sie dann herumlaufen können. Ohne einen ganz klaren praktischen Bezug ist das aber, vorsichtig gesagt, wertlos.
Wenn sich das Bedürfnis nach Phantasie verselbständigt, ist es mit der Mnemotechnik schnell vorbei. Wenn man etwa den Hanibal Lecter ernst nimmt und in der Richtung ernsthaft arbeiten wollte, wird man in eine Falle laufen und in Tränen enden.
Daher meine Frage: "Wer hat sich denn, bitte sehr, schon mal einen vollständigen Gedächtnispalast aufgebaut und damit gearbeitet???"

Ich meine, "außer mir selbst" natürlich: Auf www.likanas.de > Zahlen und in Esels Welt S. 233 findet man eine Anleitung zum Selberbasteln nicht etwa eines Gedächtnispalastes, sondern einer Gedächtnisstadt (bestehend aus 100 Phantasiehäusern zum Erlernen einer beliebigen Zahl von entweder 200 oder 400 oder 600 oder ... oder 5.000 Stellen). Das ist erprobt und funktioniert. Wenn ich nicht befürchten müßte, mit meinen Phantasien hiesige Befindlichkeit zu stören, würde ich vielleicht mal das eine oder andere Haus meiner Gedächtnisstadt hier konkret vorstellen.

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McS
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Beitrag von McS »

Ulrich Voigt hat geschrieben: ..., würde ich vielleicht mal das eine oder andere Haus meiner Gedächtnisstadt hier konkret vorstellen.
Das ist ein Angebot, das sicher nicht nur ich gern annehmen möchte. Als eine Art Leseprobe kann es sich ja auch verkaufsfördernd für Ihre Bücher auswirken ... :-)
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The Heel
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Beitrag von The Heel »

Natürlich sind wir alle an dem Angebot interessiert herr voigt. :wink:

Allerdings haben sich mich wohl falsch verstanden. Ich will keinesfalls einen Palast benutzen um darin zu "leben" sondern ausschließlich um darin wissen abzulegen.

Sie können uns hier ja gerne Alternativen dazu vorstellen wie man schnell und effizient Allgemeinbildung lernen kann.

@macro X

Ich glaube kaum, dass sich das vermeiden lässt. Mir ist schon aufgefallen, dass ich dann oft grundrisse von computerspielen wieder vor mir sehe. Allerdings ist das ganze nur eine sache der übung, denke ich mal. [/u]
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

The Heel hat geschrieben:Alternativen dazu [...], wie man schnell und effizient Allgemeinbildung lernen kann.
"Alternativen" - zu welchem konkreten Vorschlag denn?

"Allgemeinbildung": Mich persönlich interessiert das Erlernen und Speichern von Allgemeinbildung eigentlich gar nicht. Was mich interessiert, ist das Erlernen und Speichern von Spezialwissen.

U.V.
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

McS hat geschrieben:verkaufsfördernd für Ihre Bücher ...
Meine mnemotechnischen Bücher sind hier auf dem brainboard ausführlich vorgestellt. Wem das nicht genügt, den sollte man meines Erachtens in dieser Hinsicht in Ruhe lassen.

U.V.
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The Heel
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Beitrag von The Heel »

Bisher hört man von Ihnen nur, dass sie von Gedächtnispalästen nichts halten. Andere Alternativen zum Erlernen von Wissen (sei es für die Schule, Allgemeinbildung oder wie auch immer Sie es nennen wollen) haben sie uns bisher nicht präsentiert.
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

The Heel hat geschrieben: ... dass sie von Gedächtnispalästen nichts halten ...
Unter Mnemotechnisches Lernen > Gedächtnispalast hier auf dem brainboard kann man ganz im Gegenteil sehen, daß ich sehr empfehle, den Gedächtnispalast Matteo Riccis zu studieren.

Unter Anwendungen, Geschichte usw. > Geschichtsdaten stellte ich meinen Gedächtnispalst zum Erlernen von Geschichtsdaten vor.

Unter Anwendungen, Geschichte usw. > Ziffernmemorieren stellte ich meinen Gedächtnispalast zum Erlernen längerer Zahlen vor.

Soweit ich weiß, bin ich überhaupt der einzige Mnemotechniker, der zum Zahlenlernen einen Gedächtnispalast hat.

Ihr Urteil über mich ist einigermaßen merkwürdig.

The Heel hat geschrieben: Andere Alternativen zum Erlernen von Wissen ... haben sie uns bisher nicht präsentiert.
Wie ich gerade sagte, kümmere ich mich überhaupt nicht um Allgemeinwissen, sondern ausschließlich um Fachwissen. Geäußert habe ich mich bislang über folgende Themen:
Kalenderdaten / Lange Zahlen / Historische Fakten / Vokabeln / Chinesische Schriftzeichen.

Ihr Urteil über mich ist wirklich merkwürdig.

U.V.
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Boris
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Beitrag von Boris »

The Heel hat geschrieben:Bisher hört man von Ihnen nur, dass sie von Gedächtnispalästen nichts halten. Andere Alternativen zum Erlernen von Wissen (sei es für die Schule, Allgemeinbildung oder wie auch immer Sie es nennen wollen) haben sie uns bisher nicht präsentiert.
Wie kommst du denn dadrauf?
Ulrich Voigt hat doch zahlreiche Anwendungsbeispiele und sogar seine eigenen Anwendungen dargestellt?
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The Heel
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Beitrag von The Heel »

Der Ausdruck >Gedächtnispalast< ist sehr verführerisch. Ich möchte aber wirklich einmal gerne wissen, wer denn mal einen aufgebaut hätte.
Es ist aber weitgehend unklar, wozu man denn solch einen Palast überhaupt brauchen soll. Nach meinem Eindruck hat sich hier eine veritable fantasy-world-Phantasie eingeschlichen. Es erscheint vielen reizvoll, sich eine tolle Phantasie aufzubauen, in der sie dann herumlaufen können. Ohne einen ganz klaren praktischen Bezug ist das aber, vorsichtig gesagt, wertlos.
Wenn sich das Bedürfnis nach Phantasie verselbständigt, ist es mit der Mnemotechnik schnell vorbei. Wenn man etwa den Hanibal Lecter ernst nimmt und in der Richtung ernsthaft arbeiten wollte, wird man in eine Falle laufen und in Tränen enden.
Daher meine Frage: "Wer hat sich denn, bitte sehr, schon mal einen vollständigen Gedächtnispalast aufgebaut und damit gearbeitet???"

hieraus schloss ich, dass Sie von einem Gedächtnispalast nicht viel halten.

Ich habe bisher aber immer noch keine Antwort auf eine Alternative zum Erlernen von Allgemeinwissen bekommen :wink:
McS
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Beitrag von McS »

Ulrich Voigt hat geschrieben:
McS hat geschrieben:verkaufsfördernd für Ihre Bücher ...
Meine mnemotechnischen Bücher sind hier auf dem brainboard ausführlich vorgestellt. Wem das nicht genügt, den sollte man meines Erachtens in dieser Hinsicht in Ruhe lassen.
U.V.
Aua. Ich gehe davon aus, daß der Smiley am Ende des Satzes bei Ihnen nicht angezeigt wurde ...

Ich hoffe, Sie kommen doch noch auf Ihr Angebot zurück. Mich interessiert dabei insbesondere der Aspekt, ob oder inwieweit sich Gedächtnispalast und -stadt unterscheiden oder nur unterschiedliche Bezeichnungen für ein und die selbe Methodik sind.

McS
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smithers
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Beitrag von smithers »

Bis letzten Sommer war ich noch als Gastwirt tätig und kam auch kaum aus meiner Kneipe raus. Deshalb beschloss ich vor ca. 18 Monaten mir neue Routenpunkte zu erstellen, indem ich mir mein "Traumhaus" zusammenbastelte. Routenpunkte waren z. B. das Eingangstor, der Kiesweg, der kleine See, das Rosenbeet, die Eingangstreppe, das Billardzimmer usw. Das ging natürlich total schief, wegen
1. schlechter Organisation
2. unklarer Strukturierung und
3. meiner Faulheit, dieses Projekt konsequent auszubauen.
Nach einigen Wochen und wenigen zaghaften Versuchen verschwand mein "Traumhaus" wieder in meinem Hinterkopf......
Jetzt in "Freiheit" suche ich mir "reelle" Routenpunkte (Bibliotheken, Parkanlagen usw.). Die Diskussion hier über den "Gedächtnispalast" hat mir wieder Mut gemacht, es erneut zu probieren......
Mich interessiert, wie ihr eure Routenpunkte sucht und findet und wo.......
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Ulrich Voigt
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Beitrag von Ulrich Voigt »

McS hat geschrieben:inwieweit sich Gedächtnispalast und -stadt unterscheiden
"Palast" bedeutet, daß man sich ein großes geschlossenes Anwesen vorstellt. So etwas scheint Matteo Ricci vorgeschwebt zu haben: Alle chinesischen Schriftzeichen hätten dann einen gemeinsamen Ort, der allerdings unterteilt ist in Zimmer, Ecken, Gärten, Pavillions, etc.
"Stadt" bedeutet, daß man eine Anzahl von Gebäuden und Plätzen und Straßen als Grundlage nimmt. Alle chinesischen Schriftzeichen befänden sich dann ind derselben Stadt.
"Landschaft" bedeutet, daß man über ein großes Gebiet Örter verteilt. Gedächtnislandschaft ist ein Begriff, den ich mir gerade ausgedacht habe.

Das alles folgt derselben Logik. Man kann auch mischen, indem man die Gebäude einer Stadt in Räume unterteilt oder in eine Landschaft Paläste hineinsetzt.

Für lange Zahlen benutze ich eine Gedächtnisstadt aus 100 "Häusern".
Für chinesiche Zeichen benutze ich eine Gedächtnislandschaft aus ca. 700 Örtern.

Smiley = :)

U.V.
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Beitrag von Ulrich Voigt »

McS hat geschrieben:Aua
Naja, nehmt`s mir ruhig übel, aber ich seh mich nicht gern in der Rolle des Kartoffelverkäufers. Das wär ich ja nur höchstens dann, wenn meine Bücher irgendeine Konkurrenz hätten. 8)

U.V.
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Beitrag von Ulrich Voigt »

Ulrich Voigt hat geschrieben:eine Gedächtnisstadt aus 100 "Häusern".
"100" deshalb, weil ich zweistellig arbeite.
"Häuser" aus mehreren Gründen: Es ist leichter, sich Hausnummern zu merken als Zimmernummern / Häuser geben die Option auf weitere Unterteilungen / Häuser sind geeignete Behälter für vieles / Häuser bilden natürliche Einheiten.

Die Häuser lege ich auf eine Route. Je 100 Häuser bilden einen Distrikt.

Für die 5.000-stellige Zahl, die durch 25-malige Wiederholung der Abfolge 00 01 02 03 ... 97 98 99 entsteht, benutze ich eine Phantasiestadt ohne jede Verankerung in der Realität.

Für die ersten 5.000 Stellen der Kreiszahl Pi benutze ich 100 Häuser im Dreieck Grindelallee - Rutschbahn - Grindelhof in Hamburg (= Pi-Distrikt Nr. 0).

Für die zweiten 5.000 Stellen der Kreiszahl Pi benutze ich 100 Häuser im Viereck Grindelallee - Hallerstraße - Grindelhof - Rutschbahn in Hamburg (= Pi-Distrikt Nr. 1).

Für die ersten 10.000 Stellen der Kreiszahl Pi benutze ich 200 Häuser im Dreieck Grindelallee - Hallerstraße - Grindelhof in Hamburg (= Pi-Distrikte Nr. 0-1).

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Beitrag von Ulrich Voigt »

Ulrich Voigt hat geschrieben:Häuser sind geeignete Behälter für vieles
Die Mnemotechniker der Antike schufen sich Örter, auf die sie dann pro Information jeweils ein Bild imaginierten. So ist es weitgehend geblieben. Mnemotechnik erscheint danach vor allem als eine Technik des Singulars, bei der der Plural nur als Summe auftaucht.
Ich wiederum vertrete den Plural. Wenn ich eine Mnemotechnik der Zahlen entwerfe, dann will ich immer gleich eine 50-stellige Zahl "auf einen Schlag", wenn ich eine Mnemotechnik des Vokabellernens angehe, dann will ich immer gleich ein paar Dutzend von Vokabeln "auf einen Schlag".
Meine Zauberworte heißen Klumpenmethode und Scheinklumpenmethode.
Aus dieser Vorgabe erhellt, daß die antiken Ratschläge zur Gestaltung mnemotechnischer Örter für mich nicht gelten. Sie sind zu eng, zu sehr auf das einzelne imago konzipiert. Ich brauche große Örter, wirkliche Lebensräume.
Ich bin nicht wirklich der erste Mnemotechniker, der so arbeitet, ich beziehe mich auf Vorgänger im 17. Jahrhundert, namentlich auf Johannes Buno. Buno hat sich die Sache aber nicht theoretisch klar gemacht.

U.V.
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