Wenn ich es richtig sehe, ist die Verwendung des mnemotechnischen Begriffs der Verortung in Verbindung mit den Erkenntnissen der Hirnforschung missverständlich, weil es im Gehirn ja weder einen Ort noch ein Abbild gibt. Er verführt zu falschen Vorstellungen. Unser Ortsgedächtnis ist vielmehr ein Netzwerk aus Neuronen, sogar jede ortsbezogene Information ist eines. Und es gleicht einem Wunder, dass wir es erleben, als gäbe es Bilder oder gar Landkarten im Kopf. Dennoch funktioniert es lerntechnisch fantastisch, so dass wir uns seiner Routen bildend bedienen können. Fast alle Mitglieder und Besucher dieses Forums kennen das Phänomen wahrscheinlich und sehr viele nutzen es in ihrem Alltag beim Lernen.Ulrich Voigt hat geschrieben:Das Problem ist nämlich, dass das Verorten unseres Wissens, wenn es in zu großem Maßstab geschieht, all dem widerspricht, was die moderne Hirnforschung sagt. Unser Lernen geschieht nicht so sehr topologisch-statisch, als vielmehr vernetzend-dynamisch.
Ob sich der Lernende in Ausnutzung dieser menschlichen Fähigkeit zum Aufbau eines imaginierten Gedächtnispalastes - also einer sehr komplexen Anwendung des Prinzips - erfolgreich bedienen kann, ist eine ganz andere Frage. Ulrich Voigt meint nein.
Wodan wollte als Teilnehmer einer Vorlesung in russischer Geschichte wissen, wie man sich die vielen Informationen besser merken kann. Ich empfahl einen Gedächtnispalast mit klaren Zuordnungen und Strukturen und denke, dass das funktionieren kann. Er wird ja nach Bedarf allmählich aufgebaut und erweitert.
Ein Scenario im schulischen Kontext könnte ich mir so vorstellen: Ein Deutschlehrer übernimmt eine fünfte Klasse mit dem Ziel, diese bis zur Klasse 10 zu unterrichten. Er macht in Klasse fünf und sechs die Kinder nebenbei mit den elementaren Mnemotechniken vertraut. Ab Klasse sieben werden die verstreuten Informationen (z.B. in Grammatik und Rechtschreiben) peu à peu in einen Gedächtnispalast eingebaut, dessen „Architektur“ gemeinsam und für alle nutzbar gestaltet wird, so dass Repetitionen und Erweiterungen des Wissens jederzeit an vorhandene Vorstellungen anknüpfen können. Wäre ich nicht ein viel zu alter „Esel“(der leider längst das staatliche Gnadenbrot genießt), ich würde hier eine Wette wagen und das Lernexperiment machen. Es gibt für mich nur einen Weg, eine Theorie zur Lerntechnik zu bestätigen oder zu widerlegen: den praktischen Beweis des Funktionierens oder Scheiterns. Mein Optimismus, gespeist aus langjährigen positiven Erfahrungen, ist groß genug, dass ich vom Funktionieren überzeugt bin.