Eine Anwendung für das Binärsystem

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Wie kann ich am besten für Prüfungen lernen, wie merke ich mir Namen, wie lerne ich Zahlen oder Formeln etc.

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DocTiger
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Eine Anwendung für das Binärsystem

Beitrag von DocTiger »

Auf memoryXl.de gibt es eine Anleitung zum Auswendiglernen von Binärzahlen. Auf den ersten Blick mag es sinnlos und befremdlich erscheinen warum jemand sich diese Mühe machen sollte. Auf den zweiten Blick ist das dort gegebene Beispiel der Wegbeschreibung vielleicht nicht jedermann einleuchtend, nicht zuletzt weil es bei einer Kreuzung 3 statt 2 Möglichkeiten gibt. Ein praxisnahes Beispiel für (Tier)Mediziner will ich nun hier vorstellen.

Die Methode selbst ist sicherlich auch für Nichtmediziner interessant, solange sie mir die hier verwendeten "böhmischen Dörfer" verzeihen mögen.

Als ich das erste mal zur Virologie Prüfung antrat hatte ich das Problem mit der Ähnlichkeitshemmung. Ähnlichkeitshemmung entsteht zum Beispiel, wenn zu verschiedenen Schlüsselworten eine Kombination aus gemeinsamen Eigenschaften zugeordnet wird.

Symbolisch ausgedrückt :

A -> 1, 5, 7
B -> 1, 5, 4
C ->2, 5, 7 etc

Zunächst kommt man auf die Idee, diese Dinge stumpf auf Locilisten abzulegen. Auch hier greift die Ähnlichkeitshemmung. Bei sagen wir mal 50 Stichwörtern (Viren) liegen dann einzelne Schlüsselwörter (wie zum Beispiel das für "anzeigepflichtig") in meiner Gedächtniswelt herum, so dass diese Methode fehleranfällig und ganz schön unpraktisch wird.

In meinem Beispiel habe ich einige gemeinsame Eigenschaften der Viren ausgewählt, die für die wichtigsten Haustiere gefährlich sind. Nicht eingeschlossen sind die Viren der Fische und Kanninchen.

Und zwar 18 Stück:

Befällt:
Rind
Schaf/Ziege
Schwein
Pferd
Hund
Katze
Mensch

Eigenschaften:

Impfung möglich
Morbidität hoch
Mortalität hoch
Meldepflichtig
Anzeigepflichtig

Labor
Zellkultur üblich
Zythopathogener Effekt in Zellkultur
ELISA üblich
Neutralisationstest üblich
PCR üblich
IFT üblich

Ok. Ich habe also eine Matrix von Ja/Nein Antworten erstellt für eine Reihe von Viren, wofür ich übrigens GNumeric (sowas wie Excel nur billiger und schneller) benutze.

Beispiel: BRSV (das Bovine respiratorische Synzitialvirus)

Schema der Antworten in der Reihenfolge wie oben angegeben:
1 1 0 0 0 0
0 1 1 0 0 0
1 1 1 0 1 1

Jetzt wird vielleicht auch klar, warum ich ausgerechnet 3 x 6 also 18 Eigenschaften gewählt habe. Wie auf MemoryXL.de beschrieben, macht man aus je drei Binärstellen eine Ziffer, aus zwei Ziffern ein Masterbild. In meinem Fall waren dann 18 Stellen genau die richtige Kombination. Meine GNumeric Tabelle macht dann daraus die entsprechenden Masterzahlen:

1 1 0 0 0 0 60
0 1 1 0 0 0 30
1 1 1 0 1 1 72

Diese Masterzahlen legt man dann z Stellenusammen mit dem Virus auf einer Loci Liste ab oder kombiniert sie als Geschichte.

18 Eigenschaften mit 3 Bildern ist schon ziemlich effizient, wie ich finde. Es lohnt sich nur, wenn man dann auch mindestens 10-20 dieser Zeilen lernen muss, gerade auch weil man ja die Reihenfolge der Eigenschaften 100%ig draufhaben muss.

Und natürlich handelt sich bei all diesen Eigenschaften um Verallgemeinerungen. So ist ein PCR Nachweis bei jedem Virus theoretisch möglich, wenn auch nicht üblich. Oder ein Virus ist geringgradig gefährlich für eine zweite Tierart. Abweichungen von diesem Schema lerne ich dann separat auf der Lociliste wo der Virus abgelegt ist.

Der Wert der Binärmethode im Arsenal des Studenten liegt in der Kompression vieler Daten in wenigen Bildern. Die Verallgemeinerung ist ein geringer Preis für die Effizienz. An den Stellen, wo man sich entscheidet "Extra" Details einzubauen, kann man natürlich jede andere Technik verwenden

Ich hoffe ihr findet diese Darstellung hilfreich!

Hier noch das Bild mit 12 Viren ausgefüllt:
Bild
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Klaus Horsten
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Beitrag von Klaus Horsten »

Ein ganz toller Beitrag!

Herzlichen Dank.

Das Wort "Ähnlichkeitshemmung" ist sehr treffend.

Die Idee, eine Matrix zu erstellen, und die Ja/Neins - das Zutreffen/Nichtzutreffen einer Eigenschaft - mit Binärziffern zu belegen, ist sehr innovativ und originell.

Man muss natürlich die Matrix selbst fest und sicher im Kopf haben.

Ein Tipp: Versuche, Personen aus dem Bekanntenkreis für Deine Zahlen zu nehmen. Dann verwende vielleicht Aspekte. Die Person ist die erste Zahl. Dann ist die Person zum Beispiel bekleidet oder fährt ein gewisses Auto oder ist in einem gewissen Gebäude = zweite Zahl. Dann hantiert sie mit etwas = dritte Zahl. Diese Methode wendet Ulrich Voigt an. Man braucht allerdings dann drei Garderoben. Du hättest allerdings dann nur 12 Situationen, in denen Personen etwas tun. Aber die Bilder haften sicherer.

Beispiel:
Jussel (=60 - mein ehemaliger Lehrer) schaut sich in der Nationalbibliothek (=20) DIAs (=Diarrhoe) von Lokomotiven (57) an.

Sobald von Diarrhoe die Rede ist, denke ich an die DIAs, die mein Lehrer in der Nationalbibliothek anschaut - er liebt alte Lokomotiven und hat eine Spielzeugeisenbahn zu Hause (=Lügengeschichte). Ach ja, ich vergaß: er leidet selber unter Diarrhoe und muss sprungartig den Platz verlassen ... Wir hören mehrmals die Spülung am Klo.

Mit den Aspekten hast Du immer eine genaue Ordnung: Du weißt, die Person ist die erste Zahl, der Ort die zweite, das Ding die dritte. Egal in welcher Reihenfolge nun diese drei Aspekte setzt: "In der Nationalbibliothek ist der Jussel mit den Dias von Lokomotiven" oder "Jussel in der Nationalbibliothek ..." ... - Du wirst die Zahlen immer in der richtigen Reihenfolge wissen.
PeterH
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Beitrag von PeterH »

Zum Verwenden von Binärzahlen als "Routenplaner": Man könnte ja auch ein System verwenden, bei dem die "0" für "Richtung beibehalten, geradeaus" steht; bei einer "1" weiß man, dass irgendwelche davon abweichenden Streckenführungen kommen. Folgt auf die 1 eine 0, heißt das "links", folgt eine 1, heißt das "rechts".
Alternativ kann man auch immer zwei Binärzahlen verwenden, um eine Information zu codieren: 00 = geradeaus, 10 = links (die 1 steht links), 01 = rechts (wo ist die 1?), 11 = unbenutzt/Ziel erreicht/was auch immer. Das hat den Vorteil, dass man wunderbar drei Zweierblöcke in ein Schlüsselwort packen könnte, was bei der ersten Methode nicht immer gewährleistet ist.

Abgesehen davon finde ich die Idee, Binärzahlen als Ja/Nein-Speicher zu benutzen, ebenfalls sehr gut - vielleicht können wir von der Steinzeit der Computertechnik (Lochkarten etc.) ja noch mehr lernen :wink:
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DocTiger
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Beitrag von DocTiger »

Danke für das Lob. Das Wort Ähnlichkeitshemmung stammt nicht von mir, das hab ich mal in einem Buch gelesen, müsste zwei Jahre her sein, ich weiß leider nicht mehr genau, welches es war.

Die Routentechnik mit "Kompression" finde ich interessant. Das muss ich mal demnächst ausprobieren. War ja eigentlich nur eine Nebenbemerkung von mir. Ich finde es für Wegbeschreibungen eigentlich praktischer, mir den Weg räumlich vorzustellen, wobei Google Earth auch unglaublich hilfreich ist!
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