Rhetorik für mündliche Prüfungen

Alles was Lerntechniken und Lernstrategien betrifft, insbesondere aber nicht ausschließlich gehören hier auch die Anwendungen von Mnemotechnik herein.
Wie kann ich am besten für Prüfungen lernen, wie merke ich mir Namen, wie lerne ich Zahlen oder Formeln etc.

Moderatoren: Hannes, Boris

Antworten
Benutzeravatar
the.enormous.crocodile
Superbrain
Beiträge: 193
Registriert: Fr 08. Jan 2010, 0:43
Wohnort: Wien

Rhetorik für mündliche Prüfungen

Beitrag von the.enormous.crocodile »

Rhetorik und Dialektik sind die geschliffensten und fürchterlichsten Waffen des Wortes und des Geistes und dort geht gar nichts ohne das Präsenzwissen im Kopf - und zwar möglichst umfassend und möglichst souverän.

http://www.brainboard.eu/phpbb/viewtopi ... t=rhetorik
Einleitend ein Zitat aus einem per Suchfunktion gefundenen Beitrag. Da meine Prüfungen alle mündlich sind möchte ich jetzt auch an meiner Rhetorik arbeiten.

Über Tips und Erfahrungen wäre ich sehr dankbar. Vor allem auch in Kombination mit der Mnemotechnik.

Ich persönlich bin ein sehr ruhiger Mensch. Mein Problem liegt daher wohl dass ich bis jetzt meist "innerlich" gelernt (memoriert) habe. Es macht aber einen massiven Unterschied dieses Wissen dann praktisch zu artikulieren. Also quasi "den Mund aufzukriegen".

Passiv ist das Wissen durchaus da. Ein schriftlicher Test würde mit Sicherheit besser ausfallen.

Keine ausgefallene oder neue Technik ist wohl die hier als Simulgan-Technik bezeichnete.

http://www.rhetorik-seminar.ch/simulgan-technik.html

Eigentlich wollte ich Boris direkt anschreiben. Aber dieses Thema betrifft sicher auch den einen oder anderen hier im Forum.
Frederica
Superbrain
Beiträge: 314
Registriert: Mi 24. Jun 2009, 14:53
Kontaktdaten:

!

Beitrag von Frederica »

Hallo Crocodile,
ich würde einfach das Sprechen bzw. Formulieren von Antworten üben!

Also beim Lernen Fragen auf Karteikarten etc. formulieren, am besten so viele - schriftliche - dass Du sie nicht mehr alle kennst.
Und dann eine Karte ziehen und so schnell wie möglich unterschiedliche Antworten (mündlich) geben, also eine kurze, nur ein Stichwort/ Fachbegriff, eine ausführliche, eine knappe, aber ausreichende, eine erklärende; Dir weitere Gedanken machen - falls das gefordert ist: einen Gedanken zum Thema nachvolllziehbar entwickeln.

Und das würde ich jeden Tag bis zur Prüfung erst mal nur in kurzen Übungssitzungen machen (wenige Minuten), dann auch länger, am besten nach einiger Übung mit einem Lernpartner.
Dann könnt Ihr Euch auch gegenseitig abfragen, kritisieren, Lob aussprechen: Das hilft schon sehr.

An der Rhetorik würde ich nicht besonders feilen, falls die Prüfung nicht darauf abzielt.
An ganzen, am besten einigermaßen fließenden Sätzen - man darf auch mal stockend nachdenken - vollständigen Sätzen, wenn es geht, vollständigen Gedanken (also nicht "hierzu könnte man sagen, aber dazu gibt es noch zu sagen, und dieser Begriff kommt eigentlich aus einem anderen Themengebiet, nämlich....das besonders in jenen Aspekten...." :P

Wichtig ist auch das Üben von Pausen.

Man glaubt oft, in der Prüfung müsse man ohne Punkt und Komma reden, das stimmt nicht.
Man kann auch kurz nachdenken - das vielleicht auch sagen: Darüber muss ich kurz nachdenken, das ist meist keine Schande.
In seinem Vortrag darf man Pausen machen, etwa nach der Einleitung, bevor man etwas Wichtiges sagt; das Wichtige darf man zu rhetotischen Zwecken auch wiederholen, nur sollte man nicht allzu oft ein Wort wiederholen.
Z.B.
Also, ich habe jetzt über den Begriff der Strukturierung gesprochen.
Die Struktur ist ein ganz zentrales Thema beim Aufbau einer Rede.
Mit der Struktur kann man die Bedeutung eines Inhaltes betonen."
- Dann ist aber auch Schluss! :wink:

Was Du üben kannst:

- mündlich Fragen beantworten
- schnell auf den Punkt kommen
- ausführlicher erklären
- Fachbegriffe verwenden, erklären können
- Probleme aufzeigen ("das Thema ist in der und der Situation problematisch durch....")
- bekannte Lösungsansätze auf unbekannte Probleme anwenden = kurz die wichtigsten Begriffe dazu parat haben, nennen, erklären können, ein Beispiel finden, die Begriffe/ Lösungen darauf anwenden
- Pausen machen
- laut nachdenken ("man geht so und so vor. Aber, wenn ich Punkt x bedenke, müsste man eigentlich erst.... Also, dann geht man doch eher so und so vor. An Punkt x hatte ich anfangs nicht gedacht."
Das wird einem oft eher verzeihen, als wenn man hektisch versucht, einen Denkfehler zu vertuschen & die Prüfer merken, dass man sich nur verheddert hatte.)
- vor dem Antworten überlegen
- Fragen (auch imaginären) unterschiedlichen Menschen erklären.
Jemand hat mal gesagt, wenn man ein Fachthema seiner Großmutter erklären kann, die gar keine Vorkenntnisse hat, dann beherrscht man es.
In der Prüfung werden möglicherweise auch tiefere Kenntnisse oder Vorkenntnisse abgefragt, so dass man Fachbegriffe anwenden, aber auch auf einfachem Niveau erklären muss, um zu zeigen, dass man sie oder die Konzepte verstanden hat.
Dabei lohnt es sich eventuell vorher sich vorzustellen, dass man das Thema seinem Professor, einem Mitprüfling oder auch seinem Freund, Nachbarn, einem Kind erklärt - damit trainiert man, das Thema auf allen möglichen Niveaus präsentieren zu können.
Auch und vor allem, seine Fachkenntnisse in den Vortrag mit einfließen zu lassen, sei es, indem man viele Fachbegriffe benutzt und Fachkonzepte nennt, oder indem man beides ausführlicher erklärt (Gegensatz).

Wichtig ist auch sich Fragen zu stellen, wie

- was ist der Kernpunkt des Themas?
- Womit hat das Thema zu tun?
- Was sind die zentralen Begriffe/ Probleme/ Fragestellungen/ Anwendungen etc. des Themas/ der Frage?
- Warum muss ich das wissen (wo wende ich das an)?

Eine Frage kann man gut beantworten, wenn man eine ganz knappe Antwort, eventuell nur ein Wort, und gleichzeitig auch eine ausführlichere, sehr ins Detail gehende Antwort finden kann.
Beide Antworten kannst Du zum Beispiel beim täglichen mündlichen - nicht gedanklichen! - Training üben; am besten in der "Stellung" (stehend/ sitzend) und vielleicht sogar in der Kleidung, die Du auch in der Prüfung trägst; die Situation ist dann nicht mehr ganz so neu.

"Rhetorik" kann man auch im alltäglichen Gespräch üben:
Was hat der jetzt gesagt (Zusammenfassung)?
Wie kann ich ihm das kurz erklären?
Wie kann ich ihm das detailliert auseinandersetzten?
Habe ich gezielt auf seine Frage geantwortet/ hat er gezielt auf meine Frage geantwortet?
Warum habe ich ihn gerade nicht verstanden/ warum habe ich ihn sofort verstanden?
Was weiß er (nicht)?
Wie viel Vorwissen vermittle ich ihm?
Wie drückt er sich aus (Sprachebene/ Stil)?
Wie drücke ich mich aus, was kommt gut an, was weniger gut?

So etwas kann einen auch auf so eine Prüfung vorbereiten, weil man Gedsprochendes und Informationsvermittlung bewusster wahrnimmt.


Falls es für Dich natürlich ist:
Du darfst auch in der Prüfung mit Gestik und Mimik arbeiten!:wink:

LG
Frederica
Benutzeravatar
DocTiger
Superbrain
Beiträge: 1663
Registriert: Di 11. Sep 2007, 7:12
Kontaktdaten:

Beitrag von DocTiger »

In der Regel wird nicht erwartet, einen mehrminütigen Vortrag zu halten ohne Vorbereitungszeit. Meistens hat man Zeit, sich Stichpunkte zu machen.

Das wichtigste was ein Prüfer hören will (auch wenn er das selbst nicht glaubt) sind die Fachbegriffe, möglichst alle davon. Meistens hakt ein Prüfer eine mentale Liste solcher Punkte ab die er gerne höhren will (er hat dieselbe Frage ja schon hunderte male gestellt). Prüfer wollen das nicht unbedingt wahrhaben aber wie sollen sie das Wissen eines Prüflings beurteilen, wenn er "nur" zehn bis fünfzehn Minuten für ein Thema hat. Auch der Prüfer muss sich an die Stichpunkte erinnern und bewerten was fehlt. Also auch eine Gedächtnisleistung.

Das Zweitwichtigste ist der Zusammenhang, also dass die Fachbegriffe in richtiger Relation genannt werden. Sonst entsteht ein mentales "Autsch" an das er sich bei der Notenfindung erinnert.

Ansonsten ist Rhetorik relativ irrelevant. Subjektive Eindrücke sind bei mündlichen prüfungen wichtiger als sie sein sollten, aber man kann glaube ich sich nicht bewusst verbessern. Manche Prüfer werden auch "kompensieren", also zum Beispiel wenn sie den Eindruck haben angeflirtet zu werden, manche Dinge kompensatorisch schlechter zu bewerten um ein gerechtes Bild abzuliefern.

Es gibt Menschen die glauben durch Rhetorik sich in Prüfungen besser verkaufen zu können. Sie mögen sogar Erfolg haben, aber liegt es wirklich an Verkaufskünsten?

Das Wissen was ein Prüfer über das Thema hat ist um mehrere Größenordnungen umfassender. Der Prüfer weiß also genau, was der Prüfling nicht sagt, er wird erkennen, dass das eine oder andere nicht verstanden wurde, und vermutlich erkennt er jedes "Manöver", weil er von oben auf das Schlachtfeld herab blicken kann und nicht zuletzt weil er exakt dieselbe Frage schon hunderte male beantwortet gehört hat.
Benutzeravatar
the.enormous.crocodile
Superbrain
Beiträge: 193
Registriert: Fr 08. Jan 2010, 0:43
Wohnort: Wien

Beitrag von the.enormous.crocodile »

Der Titel des Thread ist vielleicht etwas irreführend. Es ist eigentlich weniger die Rhetorik gemeint sondern vielmehr wie ich das passive Wissen dann aktiv herausholen und aktiv anwenden kann.

Wenn ich zuhause nur durch lesen lerne werde ich bei der Prüfung schwieriger den Mund aufbekommen als wenn ich mir beim Abfragen selbst schon die Antworten laut vorsage.

Danke für die Antworten. Waren beide sehr hilfreich!
Benutzeravatar
DocTiger
Superbrain
Beiträge: 1663
Registriert: Di 11. Sep 2007, 7:12
Kontaktdaten:

Beitrag von DocTiger »

ja, ich fand es auch hilfreicher, "vortragsorientiert" statt "verständnisorientiert" zu lernen. Das zwingt mich, genau zu planen woran ich mich aktiv erinnern muss. Ansonsten kommt man da nie von alleine drauf.
Antworten