Der Mann, der nie vergessen will: Supermemo

Alles was Lerntechniken und Lernstrategien betrifft, insbesondere aber nicht ausschließlich gehören hier auch die Anwendungen von Mnemotechnik herein.
Wie kann ich am besten für Prüfungen lernen, wie merke ich mir Namen, wie lerne ich Zahlen oder Formeln etc.

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Chris_Emc2
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Der Mann, der nie vergessen will: Supermemo

Beitrag von Chris_Emc2 »

Hi.
Ich habe einen interessanten Artikel in der NZZ gefunden über ein
Lernprogramm (Ebbinghaus/Spacing-Effekt), dass das zu lernende
immer genau dann abfragt, kurz bevor man es vergisst.
Ganz nach der Vergessenskurve von Ebbinghaus.
Das ist ja nichts neues, können ja viele Vokabeltrainer Programme.
Aber Supermemo von Piotr Wozniak kann den Schwierigkeitsgrad jedes Lerninhalts und die Vergessenskurve für jedes Item und jeden Nutzer separat berechnen.
Ich selber kenne kein Programm, dass das kann.

Hier der Link zu dem Artikel: http://www.nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b26 ... 10b19.aspx

Kennt jemand das Programm?
Oder ein ähnliches, das den Schwierigkeitsgrad jedes Lerninhalts und die Vergessenskurve automatisch und seperat anpasst?
Das wäre doch optimal zum erfolgreichen lernen!


Gruß,
Chris_emc²
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µBx
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Beitrag von µBx »

Ich habe gerade keine zeit den artikel zu lesen doch prinzipiell finde ich die idee welche hinter dem tool steckt sehr interessant. Ich frage mich allerdings wie diese tool die schwierigkeit der information bewertet, evtl wird der schwierigkeitsgrad vom benutzer eingegeben? Oder es gibt einen festen schwierigkeitsgrad für jeden aufgaben typus? Hmm eine tool zu entwickeln welches wenigstens die kurve von Ebbinghausen und einen vom user festgelegten schwierigkeitsgrad berhcksichtigt wäre vllt mal eine neue projekt idee für mich :)
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hallucino
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Beitrag von hallucino »

Der coder von dem Programm hat Jahrelange Selbstversuche gemacht, wie schwer die Wörter zu behalten sind.
(Anfangs alles noch auf Papier, Uhrzeit, Datum und ob er es vergessen hat)
Außerdem hat er die Wörter in verschiedenen Abständen wiederholt, 1 Tag, 2 Tage, 3 Tage usw...
Der Typ hat wirklich Ehrgeiz. :D
Chris_Emc2
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Beitrag von Chris_Emc2 »

@µBx: Also Programme gibt es ja genug, bei dem man den Wiederholungsrhythmus individuell einstellen kann.
Aber das ein Programm es individuell automatisiert anpasst, das kann
kein mir bekanntes Programm.
Also wenn du so ein Programm schreiben könntest - nur zu.
Mir scheint Supermemo hier in Deutschland auch nicht wirklich bekannt zu sein! Warum auch immer.

@hallucino: So viel Ehrgeiz in so ein Projekt/Programm zu stecken sollte
sich doch bezahlt machen!? Mir erscheint die Idee die dahinter steckt genial zu sein - zumindest die Umsetzung.
Aber getestet habe ich das Programm noch nicht!
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µBx
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Beitrag von µBx »

Hm ich habe so das Gefühl das es dann eher ein sehr individuelles Programm ist das man vllt nicht auf jeden beziehen kann :/.
Grenzen existieren nur in unserem Kopf.
hallucino
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Beitrag von hallucino »

µBx hat geschrieben:Hm ich habe so das Gefühl das es dann eher ein sehr individuelles Programm ist das man vllt nicht auf jeden beziehen kann :/.
nzzfolio.ch hat geschrieben:Seine grösste Herausforderung war das Englische. Wozniak mochte sich nicht mit jenem gebrochenen, halbgaren Englisch zufriedengeben, über das so viele Studenten nicht hinausgelangen. Er schuf eine analoge Datenbank, bei der jeder Eintrag aus einer auf Papier geschriebenen Frage und der richtigen Antwort bestand. Jedes Mal, wenn er ein Wort, einen Ausdruck oder eine Tatsache repetierte, notierte er sich das Datum und ob er die Information bereits vergessen hatte. Am Ende jeder Sitzung zählte er die in Erinnerung gerufenen und die vergessenen Einheiten. 1984, hundert Jahre nach Ebbinghaus’ zweitem Experiment mit Unsinnssilben, enthielt Wozniaks Datenbank 3000 englische Wörter und Ausdrücke und 1400 Fakten aus dem Bereich der Bio­logie, allesamt mit einer kompletten Lerngeschichte.
Das Programm kann für jeden User mit jedem einzelnen Eintrag automatisch solch eine Datenbank erstellen. Da es prüft, ob du die Information schon vergessen hast oder noch im Gedächtnis hast, passt es sich quasi deinem Lernverhalten an und kann so auch die Schwierigkeit bewerten.

Je länger du das Programm benutzt, umso besser funktioniert es für dich.
nzzfolio.ch hat geschrieben:1985 teilte er seine Datenbank in drei gleich grosse Teile und lernte jeden dieser Teile nach einem anderen Zeitplan auswendig: Die einen Daten nahm er sich alle fünf Tage vor, die anderen alle achtzehn Tage, bei den dritten vergrösserte er die Intervalle zwischen den Lernsitzungen, sobald er die richtigen Antworten wusste.

Das Experiment bewies, dass Wozniaks erste Vermutung zu einfach war. Bei keiner der drei Datengruppen zeigten sich im Vergleich zu den naiven Lernmethoden, die er sonst anwandte, signifikante Verbesserungen. Aber er liess sich nicht entmutigen und unternahm immer raffiniertere Untersuchungen zu den Lernintervallen. Er verkürzte das zweite Intervall auf zwei Tage, dann versuchte er es mit vier Tagen, mit sechs Tagen und so fort. Er änderte das dritte Intervall, dann das vierte und fuhr fast ein ganzes Jahrzehnt lang damit fort, seine Lernerfolge zu testen und zu messen.
[...]
Die Revolution der Personal Computer war in den Ver­einigten Staaten schon recht weit fortgeschritten, als Wozniak endlich einen Amstrad PC 1512 in die Finger bekam, der auf halblegalem Wege aus Hamburg importiert worden war. Mit diesem Hilfsmittel gelang ihm ein weiterer wesentlicher Fortschritt in Supermemo: Er konnte den Schwierigkeitsgrad jedes Lerninhalts und die Vergessenskurve für jedes Item und jeden Nutzer separat berechnen.

nzzfolio.ch hat geschrieben:Alle seine frühen Berechnungen führte er von Hand auf Papier aus. Im Rechenzentrum der Technischen Universität Posen «hatten wir einen einzigen Grossrechner polnisch-russischer Bauart mit Lochkarten», erinnert sich Wozniak.
:lol: :lol:

Edit:
Chris_Emc2 hat geschrieben: So viel Ehrgeiz in so ein Projekt/Programm zu stecken sollte
sich doch bezahlt machen!?!
Dieses Programm benutzen leider nicht so viele Leute, es wird auch nicht teuer verkauft. Stand irgendwo in dem Artikel... Außerdem gibt es auch Raubkopien davon.
Viel Geld wird er damit nicht machen...

Entschuldigt die vielen Quotes, der Artikel ist ziemlich lang. :D
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Mindman
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Beitrag von Mindman »

Das Programm kann für jeden User mit jedem einzelnen Eintrag automatisch solch eine Datenbank erstellen. Da es prüft, ob du die Information schon vergessen hast oder noch im Gedächtnis hast, passt es sich quasi deinem Lernverhalten an und kann so auch die Schwierigkeit bewerten.
Genau! Das ist grundsätzlich nicht so schwer zu programmieren. Man wertet eben genau so immer die User-Eingaben aus. Wenn einer oft was nicht weiß, dann wird der Wiederholungsrhytmus verkürzt, wenn er dauernd alles weiß, dann wird er länger. Und ziemlich schnell hat sich automatisch der für einen selbst beste Wiederholungsrhythmus eingestellt.
Haben wir eine Gedächtnisförderung?
Und wenn ja - warum nicht?
Chris_Emc2
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Beitrag von Chris_Emc2 »

Wenn einer oft was nicht weiß, dann wird der Wiederholungsrhytmus verkürzt, wenn er dauernd alles weiß, dann wird er länger.
ja, wenn das Programm das von alleine macht und dann extra für jede Vokabel, wäre das perfekt.
Nur anscheinend kann das nur Supermemo.
In vielen anderen Programmen wie VTrain, jMemorize etc. können zwar global die
Intervalle händisch geändert werden, aber das ist sehr statisch und nicht
für jede einzelne Vokabel nutzbar - eben global !
Und das ist das Manko!!!

Hat jemand von euch eine 30 Tage Testversion von Supermemo2008 oder 2006 gefunden?
Ich würde es gerne mal testen und mit anderen vergleichen.
Aber wo keine Testversion, da auch kein vergleich :-(

Gruß,
Chris_emc²
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Mindman
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Beitrag von Mindman »

ja, wenn das Programm das von alleine macht und dann extra für jede Vokabel, wäre das perfekt.
Verstehe ich nicht, wie soll das denn für jede Vokabel extra gehen??? Und macht das überhaupt Sinn? Bis das Programm für diese eine Vokabel herausgefunden hat welcher Wiederholungsrhythmus ideal ist, dann ist die doch schon lange gelernt. Außerdem glaube ich nicht, dass sich die ideale Wiederholungszeit im Schnitt so viel ändert, natürlich bezogen auf gleichartige Lernstoffe. Man sollte dies also für jede Lerndatei einstellen bzw. feststellen lassen können. Japanisch ist ja schon bedeutend schwerer zu lernen als Englisch.
Haben wir eine Gedächtnisförderung?
Und wenn ja - warum nicht?
Chris_Emc2
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Beitrag von Chris_Emc2 »

Ist doch ganz klar: Bestimmte Vokabeln/Wörter kann man sich sehr gut merken wie z.B. house und andere wiederum nicht: perspicacious.
Da liegt es nahe, den Wiederholungsrhytmus anzupassen.

Ich habe übrigens noch ein (Freeware-)Programm gefunden, dass
die gleiche herangehensweise haben soll: Mnemosyne.
Kann mich nur noch daran erinnern, dass der Wiederholrhytmus für
mich nicht logisch war!
Werde es aber nochmal testen.

Gruß,
Chris_emc²
DivineTraube
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Beitrag von DivineTraube »

Ein algorthmische Bestimmung des optimalen Wiederholrythmus halte ich bei Vokabeln ebenfalls für sinnlos. Wenn man eine Vokabel bei der ersten Wiederholung nicht kann, dann wird sie eben ein zweites Mal angezeigt. Wenn man sie dann immernoch nicht kann, dann hilft das Pauken durch Wiederholung ganz offenbar nicht und das Lernkonzept an sich krankt.

Aber wenn ich lese, wie diese Wozniak Monate im Vorraus längere Textpassagen in sein System einspeist, damit sie irgendwann zufällig wieder an die Oberfläche gespült werden, dann muss ich überdies auch noch an dem Verstand des Schöpfers von Supermemo zweifeln. Wenn ich eines Wissenlücke stopfen will - dann tue ich das sofort. Ich höre oder lese: perlokutiver Sprechakt, denke hui, was war das noch, lese dann ein wenig über Sprechakttheorie und bin schlauer. Und wenn ich das irgendwann nochmal lese oder mit jemandem darüber rede, dann verfestigt sich die Erinnerung. Falls nicht, dann war es ohnehin unwichtig, ergo einer Wiederholung weder bedürftig noch wert.

Interessant wäre es, wenn irgendwo wissenschaftlich erörtert würde, wie die optimalen Zeitabstände durch den Apparat an statistiker Methodik, gestützt auf empirische Daten, berechnet werden können. Aber alles was Supermemo zu tun scheint, ist die Fähigkeit zum individualisierten Spacing Effekt zu reklamieren, ohne seine Methoden einer wissenschaftlichen Analyse zu öffnen. Und so etwas darf man nicht ernstnehmen.
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DocTiger
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Beitrag von DocTiger »

Ich hab ja im Moment einen kleinen Zwist mit dem Leitnersystem, was sich nicht von dem System bei Supermemo unterscheidet, er nennt es nur anders. Eventuell gibt es den Unterschied, dass Supermemo den Zeitpunkt "vor dem Vergessen" wirklich trifft, was ich anzweifle.

Die nächste Annahme bei Supermemo ist, dass wirklich genau der Zeitpunkt vor dem Vergessen optimal ist. Wann genau vergessen wir etwas? Wir können diesen Zeitpunkt sehr schlecht bestimmen, ein ähnlicher Effekt wie bei Schrödinger's Katze...

Und was genau bedeutet "vergessen" in diesem Kontext? Das vollständige vergessen oder nur den Zeitpunkt (falls es ihn gibt) an dem wir die Zuordnung nicht mehr tätigen können? Wir haben meistens Effekte wie "es liegt mir auf der Zunge". Oder "Achja". Ich habe den Eindruck, eine Wiederholung nach diesem Zeitpunkt, also wenn wir Stoff gerade vergessen haben, ist optimal und besser als kurz vorher.

Arbeitstechnisch scheint mir effektiver, Stoff in kurzen Sprints bis zum Erbrechen zu pauken, mit gewissen Abständen die uns durch die Motivation vorgegeben werden. Wir können viel Stoff in kurzer Zeit "aufsaugen", und wenn das langfristig halten soll, wiederholen wir es eben. Gezielt auf Prüfungen/Tests hinarbeiten ist der erste aber wichtigste Schritt, sich danach noch damit beschäftigen der zweite.

Dann ist Sprachenlernen ein Sonderfall in der Lerntechnik. Das Lernziel ist, ohne Zeitverzögerung oder Denkaufwand Vokabeln erinnern zu können. Noch mehr: Diese Vokabeln in unser Sprachbildungssystem zu integrieren. Ich glaube man muss die wichtigsten Vokabeln ein paar Tausend bis zehntausend mal wiederholen (beim Lesen, Sprechen, Hören) bis man eine Sprache flüssig beherrscht. Bei mir war es zumindest so bei Englisch.

Zu der Frage ob man den Zeitpunkt vor dem Vergessen bestimmen kann: Vermutlich ja. Aber nicht für den einzelnen oder nicht für jede Vokabel/Information. Man muss eine Verteilung anpassen, die vermutlich eine skalierte Poissonverteilung ist. Am Besten noch ein bayesianischer Ansatz um die Verteilung anhand anderer Lernenden vorherzusagen bevor genügend spezielle Daten vorhanden sind.

Gerade bei Vokabeln in größerem Ausmaß stellt sich das Problem der Ähnlichkeitshemmung. Die Merkzeit einer Vokabel hängt vom Abstand zur letzten Wiederholung ab, vom "Zustand" vor der letzten Wiederholung und von der Ähnlichkeit der seitdem gelernten Information. Bei Mandarin überwiegt der letzte Faktor in der Regel, und der ist einfach verteufelt schwer zu modellieren, erst Recht mit nur den Daten eines einzigen Lerners.

Also ich wäre schon interessiert an solchen Modellen, aber anscheinend braucht man eine Plattform wo möglichst viele den identischen Stoff lernen, und vorzugsweise eine Stoffmenge von 1-2000 Vokabeln.
Lerntechnik Praxis: http://bit.ly/8ONmbS
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Mindman
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Beitrag von Mindman »

Also die Website von Supermemo ist irgendwie für die heutige Zeit ziemlich gruselig. Es drängt sich da bei mir der Verdacht auf, dass da die Zeit etwas stehengeblieben ist.

Irgendwie kommt mir der Urheber des Programms auch etwas manisch vor, zumindest nach dem, was im Artikel steht.
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