Schach-Lerntechnik(en)?

Alles was Lerntechniken und Lernstrategien betrifft, insbesondere aber nicht ausschließlich gehören hier auch die Anwendungen von Mnemotechnik herein.
Wie kann ich am besten für Prüfungen lernen, wie merke ich mir Namen, wie lerne ich Zahlen oder Formeln etc.

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Check
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Schach-Lerntechnik(en)?

Beitrag von Check »

Ich bin Clubspieler in einem Schachverein ( 1700 Elo) und nach dem Lesen des Buches eines angesehenen Schachpsychologen (Munzert) recht zuversichtlich, daß ich durch Zurückgreifen auf eine umfangreiche mentale Schachpositionsbibliothek meine Spielstärke erheblich verbessern kann. Es wurde bereits in den 20er Jahren bewiesen, daß das Gedächtnis von Schach-Großmeistern dem des Amateurs in keiner Weise überlegen ist, jedoch ein entscheidender Unterschied vorliegt: Im Gegensatz zum Amateur können Großmeister spielend Schachpositionen vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis transferieren, viele von ihnen sind Eidetiker, d. h. sie besitzen ein photographisches Gedächtnis. Es besteht offenbar eine direkte Korrelation zwischen eingespeicherten Schachposition und Spielstärke. Außerdem wurde entdeckt, daß sie sich nicht die Position von jeder Figur einprägen, sondern "Cluster" abspeichern, also mehrere Figuren mit ihren Zusammenhängen als ganzes merken, zB, wie siehts im Zentrum aus, ist der König rochiert, befindet sich ein Läufer in Fianchettostellung usw.

Meine Frage wäre, ob es zum Einen Methoden gibt sich ein "photographisches Gedächtnis" anzueignen, sowie wie eine geeignete methode aussieht, sich schnell und langfristig Schachstellungen einzuprägen. Soweit ich weiß gabs mal bei Wetten, dass... jemanden, der sowas recht beeindruckend vorzeigte.

Würde mich über zahlreiche Anregungen freuen
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Flauwy
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Beitrag von Flauwy »

Meine Frage wäre, ob es zum Einen Methoden gibt sich ein "photographisches Gedächtnis" anzueignen...
Ich bezweifle dass es möglich ist für einen Erwachsenen, ein Fotographisches Gedächtnis zu erlernen. Dazu ist die Art des Denkens und des Erinnerns zu stark geprägt, selbst Mnemotechnik hilft da nicht weiter. Ein Fotpgraphisches Gedächtnis würde bedeuten (korrigiert mich, wenn ich falsch liege), etwas mit einem Blick zu erfassen und fehlerfrei aus dem Kopf wiederzugeben. Mnemotechnik jedoch erfordert eine Verankerung der Informationen an Punkten, auf die man jederzeit wieder zugreifen kann, ein kreativer Prozess, der bei einem Fotographischen Gedächtnis, wenn überhaupt (was ich nicht glaube) automatisch passiert.
Bei Kindern sieht die Sache schon ganz anders aus. Durch Anwendung von Mnemotechniken lernen sie Informationen besser zu verarbeiten, während ihr Gehirn noch im Wachstum ist. Eine Automatisierung tritt bei ihnen eher ein, als bei Erwachsenen.
Und dennoch sollte man zwischen einem fantastischen Gedächtnis der Sorte Bunk oder Stenger und einem Fotographischen Gedächtnis unterscheiden. Denn ein Mnemotechniker muß sich schon etwas einprägen wollen, um es behalten zu können, es sich also "bewußt" machen. Ein Fotographisches Gedächtnis speichert meines erachtens eher unbewußt.
Meine Frage wäre, ...wie eine geeignete methode aussieht, sich schnell und langfristig Schachstellungen einzuprägen.
Dominic O'Brien hat in seinem Buch "Der einfache Weg zum besseren Gedächtnis" (siehe auch Brainboard Buchvorstellungen) das Thema Schach mal angeschnitten. Dabei werden den 64 Feldern des Schachbretts Personen zugeordnet (basierend auf dem Dominic-System). Den Figuren werden ebenfalls Personen zugeordnet. Springer auf c3 wäre im Dominic-System: Lancelot (Springer) jongliert den Spazierstock von Charlie Chaplin (c3). Dieses Bild wird dann auf der Route plaziert.
Das Problem dabei sind die Routen. Man bräuchte für jedes Spiel eine neue. Ich würde eher empfehlen ohne Routen zu arbeiten und stattdessen Geschichten aus den Zügen zu machen. Diese würden zwar nach und nach wieder verblassen, aber der Vorteil im Spiel wäre, dass einem alte Spielzüge wieder durch den Verlauf des momentanen Spiels (und der damit erstellten Geschichte) wieder vor Augen geführt werden würden.
Schwierig wird es allerdings, sich einen Überblick über bereits gespielte Partien zu machen, da man zwar die einzelnen Züge im Kopf hat, aber die Aufstellung dabei rekonstruieren muß, was ich für ziemlich aufwendig halte. Nichtsdestotrotz würde sich von Spiel zu Spiel eien Art Karte an günstigen Spielzügen herauskrstallisieren, die dann im Spiel sehr von Vorteil sein kann.
Wahrscheinlich ist es sinnvoller, sich Cluster zu memorieren, also bestimmte Konstellationen von Figuren, die wiederum bestimmte Zugmöglichkeiten eröffnen, oder Bedrohungen darstellen, die man sonst nicht auf einen Blick entdecken würde.

Alles in Allem muß an einen Praxistauglichen Konzept noch gearbeitet werden, um es wirklich schnell und einfach umsetzten zu können und vor allem, um einen Spielerischen Nutzen daraus zu ziehen.
Mephisto
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Photographisches Gedächtnis für Schach

Beitrag von Mephisto »

Die Antwort auf die Frage ist nach allem, was ich über das Thema weiß und verstanden habe ein klares "nein".
Die gute Nachricht. Das ist auch nicht notwendig.
Kaum ein sogenannter oder vermuteter Eidetiker hielt einem ernsthaften Test stand.
Ich habe vor vielen Jahren Russisch studiert und konnte so trotz eher bescheidener Schachkünste eine ganze Reihe von Großmeistern kennenlernen. Kein einziger hatte auch nur annähernd so etwas wie ein photographisches Gedächtnis. (Nach meiner Einschätzung aber alle ein überdurchschnittlich gutes!)
Trotz aller Eröffnungsbibliotheken etc. bleibt Schach ein Strategiespiel. Und trotz des vielbemühten "Remistodes" ein sehr komplexes, sodaß sich bis zu gewaltigen Spielstärken erfolgreich Verbesserungen erarbeiten lassen. Viel Glück!
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