Und wieder ein Anfänger ...
Verfasst: Do 21. Nov 2013, 17:00
Hallo zusammen,
lese seit einiger Zeit in diesem Forum mit und wollte mich an dieser Stelle für die vielen interessanten Beiträge bedanken. Einiges was man in Bücher zum Thema Mnemotechnik findet hat doch einen gewissen "Marketingcharakter". Man gewinnt den Eindruck, dass alles super einfach ist und jeder in zwei Wochen Gedächtnisweltmeister werden kann. Viele Detailprobleme der Praxis werden nicht thematisiert. Zu diesen Themen findet man hier tolle Anregungen.
Kurz zu mir: Mein Zugang zum Thema Mnemotechniken erscheint mir rückwirkend betrachtet fast schon naiv. Habe als Schüler ein Buch in die Hand bekommen in dem die Geschichtentechnik beschrieben wurde. Diese hat mir über die Jahre gute Dienste geleistet. In Unkenntnis anderer Techniken habe ich sie für das Non-Plus-Ultra gehalten. Allerdings kam es mir schon immer komisch vor, dass ich bspw. zum memorieren von Skripten extrem lange Geschichten erfinden musste. Als ich dann auf die Loci-Methode und das Major-System gestoßen bin, hatte dies einen richtigen Hallo-Wach-Effekt.
Wenn man als berufstätiger Vater versucht sich weiterzubilden, stößt man häufig auf das Problem der fehlenden Zeit. Vor diesem Hintergrund kann ich es nicht mehr akzeptieren, mühsam Erlerntes zu vergessen. So bin ich also nach einer gewissen Pause wieder beim Thema Mnemotechnik gelandet. Ich würde mir in diesem Feld gerne ein solides Fundament aneignen; nicht zuletzt, um es an meine Tochter weiterzugeben. Es ist mehr als fahrlässig, dass Mnemotechniken nicht in der Schule gelehrt werden. Selbst einfache Erkenntnisse hinsichtlich notwendiger Wiederholungen von Stoff bleiben unberücksichtigt. Millionen Schüler, ich eingeschlossen, verließen und verlassen die Schule in der Gewissheit, einen Großteil des Gelernten schon bald nicht mehr parat zu haben.
Zugegebenermaßen haben ich die Loci-Technik und das Major-System zwar in Grundzügen verstanden aber noch immer ein paar weiße Flecken. Wäre toll, wenn ich zu einigen Punkten ein paar Anregungen erhalten könnte:
Texte lernen:
Versuche mich daran, Texte wortwörtlich auswendig zu lernen. Sicherlich ist dies nicht immer sinnvoll. Ich habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass dies in einigen Situationen (mathematische Definitionen, Gesetze, Zitate) notwendig oder zumindest hilfreich ist. Übe derzeit mit folgender Methode:
Schritt 0: Mit dem Text vertraut machen
Schritt 1: Identifiziere einige wenige Schlagwörter, die eine grobe Idee von dem Inhalt vermitteln.
Schritt 2: Lege diese Schlagwörter auf einem oder mehreren Loci-Punkten ab.
Schritt 3: Reduziere den Text auf die Anfangsbuchstaben der enthaltenen Wörter.
Schritt 4: Bilde aus jeweils drei aufeinander folgenden Buchstaben einen visualisierbaren Satz nach dem Muster Subjekt-Prädikat-Objekt
Schritt 5: Lege jeweils einen Satz auf einem Loci-Punkt ab
Schritt 6: Wiederholung nach: einer Stunde, einem Tag, einer Woche, einem Monat, drei Monaten, sechs Monaten
Mich würde interessieren, wie Ihr dieses Vorgehen bewertet. Möglich, dass ich hier zu kompliziert unterwegs bin. Letztlich macht man aus einem Text nur einen neuen, gleich langen, vielleicht besser visualisierbaren Text. Zudem stellt sich die Frage, wie gut die Anfangsbuchstaben als Gedächtnisimpuls sind.
Meine bisherigen Erfahrungen sind, dass man sich mit der Methode die Texte gut initial einprägen kann. Problematisch wird es, wenn man Passagen gut beherrscht, beim mentalen Aufsagen - ohne Rückgriff auf das Loci-Fangnetz - durch den Text galoppiert und dann plötzlich ins Stocken gerät. In diesen Fällen ist es meistens schwer zu wissen, in welcher der Mini-Geschichten/Routenpunkte man sich befindet. Außerdem tue ich mich schwer, wenn ein Satz aus dem Text innerhalb einer Story endet oder beginnt. Blöderweise ist unsere Sprache nicht ordnungsgemäß in Dreiblöcke unterteilt worden. Längere Wiederholungsintervalle habe ich auch noch nicht hinter mir.
Major-System:
Was ich toll finde, ist das man sich mit dem Major-System Informationen mit einer Ordnungsstruktur lernen und abrufen kann. Während ich bei der Loci-Methode das Gefühl habe, dass die Inhalte mit der Zeit ins "natürliche" Gedächtnis einsickern und die Listen wieder verwendbar sind, habe ich diesen Erfahrung beim Major-System nicht gemacht. Habe bspw. die 25 größten deutschen Unternehmen mit dem MS gelernt. Nun sind die ersten 25 Major-Stellen belegt. Habe die Liste mehrfach wiederholt. Über die Bildverknüpfung könnte ich ableiten, dass RWE auf Platz 14 ist. Diese Information "RWE ->14" scheint aber nicht ins normale Gedächtnis überzugehen. Ist das normal? Liegt es daran, dass mir die Erfahrung fehlt?
Loci:
Bin mit der Organisation und dem Übergang von Loci-basierter Erinnerung in natürliche Erinnerung überfordert. Angenommen ich hätte zwanzig Routen mit jeweils hundert Punkten und würde jeden Tag eine Route mit neuem Wissen befüllen. Dann wären nach zwanzig Tagen alle Routen belegt. Gebt Ihr die Routen erst dann wieder frei, wenn alle Wiederholungen (wie bei Schritt 6 oben) abgeschlossen sind? Dann wäre in meinem Beispiel ziemlich lange Sendepause. Vertraut Ihr ab einer bestimmten Wiederholung voll Eurem natürlichen Gedächtnis? Falls ja, was ist, wenn etwas nach drei Monaten etwas vergessen wurde? Muss man dann diese Fakten ohne Loci memorieren? Die Routenbelegung ist in diesem Fall vergessen oder überschrieben. Benötigt man eine Route auf der man sich merkt, was wo gespeichert wurde?
Sehe ich es richtig, dass bei einem Gedächtnispalast keine Überschreibungen mehr vorgenommen werden? Man setzt einen Inhalt an eine Ort und wiederholt die Belegung dieses Ortes. Auf das natürliche Gedächtnis vertraut man gar nicht.
Sorry, Beitrag ist vielleicht etwas lang geworden.
lese seit einiger Zeit in diesem Forum mit und wollte mich an dieser Stelle für die vielen interessanten Beiträge bedanken. Einiges was man in Bücher zum Thema Mnemotechnik findet hat doch einen gewissen "Marketingcharakter". Man gewinnt den Eindruck, dass alles super einfach ist und jeder in zwei Wochen Gedächtnisweltmeister werden kann. Viele Detailprobleme der Praxis werden nicht thematisiert. Zu diesen Themen findet man hier tolle Anregungen.
Kurz zu mir: Mein Zugang zum Thema Mnemotechniken erscheint mir rückwirkend betrachtet fast schon naiv. Habe als Schüler ein Buch in die Hand bekommen in dem die Geschichtentechnik beschrieben wurde. Diese hat mir über die Jahre gute Dienste geleistet. In Unkenntnis anderer Techniken habe ich sie für das Non-Plus-Ultra gehalten. Allerdings kam es mir schon immer komisch vor, dass ich bspw. zum memorieren von Skripten extrem lange Geschichten erfinden musste. Als ich dann auf die Loci-Methode und das Major-System gestoßen bin, hatte dies einen richtigen Hallo-Wach-Effekt.
Wenn man als berufstätiger Vater versucht sich weiterzubilden, stößt man häufig auf das Problem der fehlenden Zeit. Vor diesem Hintergrund kann ich es nicht mehr akzeptieren, mühsam Erlerntes zu vergessen. So bin ich also nach einer gewissen Pause wieder beim Thema Mnemotechnik gelandet. Ich würde mir in diesem Feld gerne ein solides Fundament aneignen; nicht zuletzt, um es an meine Tochter weiterzugeben. Es ist mehr als fahrlässig, dass Mnemotechniken nicht in der Schule gelehrt werden. Selbst einfache Erkenntnisse hinsichtlich notwendiger Wiederholungen von Stoff bleiben unberücksichtigt. Millionen Schüler, ich eingeschlossen, verließen und verlassen die Schule in der Gewissheit, einen Großteil des Gelernten schon bald nicht mehr parat zu haben.
Zugegebenermaßen haben ich die Loci-Technik und das Major-System zwar in Grundzügen verstanden aber noch immer ein paar weiße Flecken. Wäre toll, wenn ich zu einigen Punkten ein paar Anregungen erhalten könnte:
Texte lernen:
Versuche mich daran, Texte wortwörtlich auswendig zu lernen. Sicherlich ist dies nicht immer sinnvoll. Ich habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass dies in einigen Situationen (mathematische Definitionen, Gesetze, Zitate) notwendig oder zumindest hilfreich ist. Übe derzeit mit folgender Methode:
Schritt 0: Mit dem Text vertraut machen
Schritt 1: Identifiziere einige wenige Schlagwörter, die eine grobe Idee von dem Inhalt vermitteln.
Schritt 2: Lege diese Schlagwörter auf einem oder mehreren Loci-Punkten ab.
Schritt 3: Reduziere den Text auf die Anfangsbuchstaben der enthaltenen Wörter.
Schritt 4: Bilde aus jeweils drei aufeinander folgenden Buchstaben einen visualisierbaren Satz nach dem Muster Subjekt-Prädikat-Objekt
Schritt 5: Lege jeweils einen Satz auf einem Loci-Punkt ab
Schritt 6: Wiederholung nach: einer Stunde, einem Tag, einer Woche, einem Monat, drei Monaten, sechs Monaten
Mich würde interessieren, wie Ihr dieses Vorgehen bewertet. Möglich, dass ich hier zu kompliziert unterwegs bin. Letztlich macht man aus einem Text nur einen neuen, gleich langen, vielleicht besser visualisierbaren Text. Zudem stellt sich die Frage, wie gut die Anfangsbuchstaben als Gedächtnisimpuls sind.
Meine bisherigen Erfahrungen sind, dass man sich mit der Methode die Texte gut initial einprägen kann. Problematisch wird es, wenn man Passagen gut beherrscht, beim mentalen Aufsagen - ohne Rückgriff auf das Loci-Fangnetz - durch den Text galoppiert und dann plötzlich ins Stocken gerät. In diesen Fällen ist es meistens schwer zu wissen, in welcher der Mini-Geschichten/Routenpunkte man sich befindet. Außerdem tue ich mich schwer, wenn ein Satz aus dem Text innerhalb einer Story endet oder beginnt. Blöderweise ist unsere Sprache nicht ordnungsgemäß in Dreiblöcke unterteilt worden. Längere Wiederholungsintervalle habe ich auch noch nicht hinter mir.
Major-System:
Was ich toll finde, ist das man sich mit dem Major-System Informationen mit einer Ordnungsstruktur lernen und abrufen kann. Während ich bei der Loci-Methode das Gefühl habe, dass die Inhalte mit der Zeit ins "natürliche" Gedächtnis einsickern und die Listen wieder verwendbar sind, habe ich diesen Erfahrung beim Major-System nicht gemacht. Habe bspw. die 25 größten deutschen Unternehmen mit dem MS gelernt. Nun sind die ersten 25 Major-Stellen belegt. Habe die Liste mehrfach wiederholt. Über die Bildverknüpfung könnte ich ableiten, dass RWE auf Platz 14 ist. Diese Information "RWE ->14" scheint aber nicht ins normale Gedächtnis überzugehen. Ist das normal? Liegt es daran, dass mir die Erfahrung fehlt?
Loci:
Bin mit der Organisation und dem Übergang von Loci-basierter Erinnerung in natürliche Erinnerung überfordert. Angenommen ich hätte zwanzig Routen mit jeweils hundert Punkten und würde jeden Tag eine Route mit neuem Wissen befüllen. Dann wären nach zwanzig Tagen alle Routen belegt. Gebt Ihr die Routen erst dann wieder frei, wenn alle Wiederholungen (wie bei Schritt 6 oben) abgeschlossen sind? Dann wäre in meinem Beispiel ziemlich lange Sendepause. Vertraut Ihr ab einer bestimmten Wiederholung voll Eurem natürlichen Gedächtnis? Falls ja, was ist, wenn etwas nach drei Monaten etwas vergessen wurde? Muss man dann diese Fakten ohne Loci memorieren? Die Routenbelegung ist in diesem Fall vergessen oder überschrieben. Benötigt man eine Route auf der man sich merkt, was wo gespeichert wurde?
Sehe ich es richtig, dass bei einem Gedächtnispalast keine Überschreibungen mehr vorgenommen werden? Man setzt einen Inhalt an eine Ort und wiederholt die Belegung dieses Ortes. Auf das natürliche Gedächtnis vertraut man gar nicht.
Sorry, Beitrag ist vielleicht etwas lang geworden.