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E. Wood: 'Mind and Memory Training' (Auch an Herrn Voigt)

Verfasst: Sa 11. Feb 2006, 23:47
von Pat
Hat jemand hier schon von diesem Buch, geschrieben 1936 von einem Briten in Indien, gehört?

Aus einem Post im wwbc weiß ich, daß jedenfalls Herr Voigt die Arbeit kennt.
Ich schätze Herrn Voigt als einen der wenigen Experten der Mnemotechnik
im Sinne geschichtlicher Grundlagen als auch im Sinne wirksamer und evolutiv entwickelter Methoden:
Deshalb speziell an ihn folgende Fragen:

1. Wie ordnen Sie Wood in den Gesamtkontext der Mnemotechnik ein, welche Bedeutung messen Sie ihm bei?
2. Wie beurteilen Sie seine Forderung, bei Geschichten oder ähnlichen Verknüpfungen nicht, wie es heute durchwegs (wohl auch zum Teil unreflektiert) gefordert wird, möglichst abstruse Verbindungen zu wählen, sondern im Gegenteil gerade nach logischen Beziehungen auf den vier Wegen der Assoziation (Bei ihm 'Roads of Thought') zu suchen?
3. Erwähnt er als erster etwas, was den Roads of Thought vergleichbar ist?
4. Wie sehen Sie die Erwähnung der Leistungen indischer 'Mnemoartisten'?
Bis zu welchem Grad hatten die Inder mnemotechnische Verfahren unabhängig von europäischen Untersuchungen entwickelt?

Übrigens kann ich mich an eine Stelle aus Yates' 'Art of Memory' erinnern, in der sie völlig ratlos über eine Aristotelesstelle, in der Worte augenscheinlich über logische Beziehungen verbunden werden, sinngemäß schreibt, die Bedeutung des Exzerpts sei unklar und es handle sich wohl um einen Übertragungsfehler bei einer Abschrift: Kennt man Woods 'Roads of Thought', so verliert die Wortfolge alle Unklarheit.

Yates scheint Wood schlicht übersehen zu haben, sonst hätte sie bemerkt, daß vergleichbare Prinzipien auch schon bei Aristoteles anklingen.

Frage 3 ist in diesem Zusammenhang derart zu verstehen, ob bereits jemand vor Wood eine derart klare logische Aufarbeitung der Methode (Er unterscheidet ja bei feinerer Unterteilung neun Roads) vorgenommen hat.

Freundliche Grüße,

Simon Reinhard

Verfasst: Sa 04. Mär 2006, 5:31
von Pat
Na super, niemand antwortet, nicht einmal U.V.

Verfasst: Di 07. Mär 2006, 21:29
von Martin
Hallo Simon,

ja ich kann mich auch an den Beitrag erinnern. In selbigem empfahl Dr. Voigt als leichten Einstieg in die Materie ein Buch von Harry Lorayne und als weiterführende Lektüre mit größerem Tiefgang das genannte Werk von Ernest E. Wood. Letzteres wurde Herrn Voigt Anfang der 1990er Jahre bei seinem Brasilienaufenthalt als das Buch schlechthin für Mnemotechnik empfohlen.
Leider habe ich Woods Ausführungen noch nicht gelesen, sodass ich weitere Anmerkungen nicht geben kann. Jedoch eine Kleinigkeit zur zweiten Frage: Die von Dir beschriebenen bzw. zitierten "abstrusen Verbindungen" sind vorwiegend in der mnemotechnischen Trivialliteratur anzutreffen. Arbeiten, welche sich um genauere Darstellungen auch in historischer Hinsicht bemühen, differenzieren sehr wohl und relativieren eindringlich diese Forderung nach "aberwitzigen" Verknüpfungen.
Vielleicht schickst Du Dr. Voigt eine PN oder E-Mail, damit er auf Deinen Beitrag aufmerksam wird. Er gibt hier dann gewiß seine Einschätzung zum besten, die mich natürlich ebenfalls sehr interessiert.

Beste Grüße,
Martin

Re: E. Wood: 'Mind and Memory Training' (Auch an Herrn Voigt

Verfasst: Mi 15. Mär 2006, 19:44
von Ulrich Voigt
Pat hat geschrieben:1. Wie ordnen Sie Wood in den Gesamtkontext der Mnemotechnik ein, welche Bedeutung messen Sie ihm bei?
Woods historische Bedeutung liegt meines Erachtens darin, daß er den Bezug zur indischen Mnemotechnik bekannt gemacht hat.
Im übrigen vermittelt er ausgezeichnete Überlegungen zum Thema Aufmerksamkeit und Bewußtsein und intelligenten Einsatz von Gedächtnis.
Pat hat geschrieben:2. Wie beurteilen Sie seine Forderung, bei Geschichten oder ähnlichen Verknüpfungen [...] nach logischen Beziehungen auf den vier Wegen der Assoziation (Bei ihm 'Roads of Thought') zu suchen?
Positiv. siehe Esels Welt S. 86. Man sollte aber bei assoziativen Verbindungen nicht von Logik sprechen.
Pat hat geschrieben:3. Erwähnt er als erster etwas, was den Roads of Thought vergleichbar ist?
Natürlich nicht. Assoziation und ihre Klassifizierung bildet ein altes Thema. Wood hat auch keine neuen Arten herausgefunden.
Kritisch sehe ich, daß er keine klare Unterscheidung getroffen hat zwischen den Assoziationen, die einfach so geschehen (den natürlichen Assoziationen) und jenen, die zum Zwecke der Mnemotechnik gewollt werden (den künstlichen Assoziationen).
Dazu Esels Welt Kapitel 4 (Esels Assoziationen), wo eine vollständige Klassifizierung der künstlichen Assoziationen versucht wird.
Den Ausdruck Road of Thought finde ich sehr einprägsam aber unglücklich. Er verwischt den Unterschied zwischen Logik und Nicht-Logik.
Pat hat geschrieben: 4. Wie sehen Sie die Erwähnung der Leistungen indischer 'Mnemoartisten'?
Bis zu welchem Grad hatten die Inder mnemotechnische Verfahren unabhängig von europäischen Untersuchungen entwickelt?
Ich vermute, daß das sog. major system ursprünglich aus Indien stammt, wo man mit einstellig konstruierten Geschichten Zahlen memoriert hat.
Sicher bin ich mir aber nicht, ob der Ziffencode des Petrus Herigonus (Paris 1634) tatsächlich aus einer entsprechenden Quelle stammt. Es ist auch denkbar, daß die Europäer ganz unabhängig von Indien dieselbe Idee entwickelt haben. Die Ehre der Erfindung gebührt trotzdem den indischen Mnemonikern des Mittelalters.
Pat hat geschrieben: Übrigens kann ich mich an eine Stelle aus Yates' 'Art of Memory' erinnern, in der sie völlig ratlos über eine Aristotelesstelle [...]schreibt
Hier ist die Stelle (= Yates, Gedächtnis und Erinnern S. 39):
Oft geschieht es, daß einer sich im Moment nicht erinnert, aber nach dem Gewünschen suchen und es finden kann. Dies ist dann der Fall, wenn einer viele Anläufe nimmt, bis er schließlich den macht, aus dem das Zielseiner Suche folgt. Das Erinnern hängt wirklich von der potentiellen Existenz einer anreizenden Ursache ab ... Er muß aber den Ausgangspunkt zu fassen bekommen. Deshalb benutzen manche Orte zum Zweck des Erinnerns. Das hat seinen Grund darin, daß die Menschen rasch von einem Schritt zum nächsten übergehen; zum Beispiel von Milch zu weiß, von weiß zu Luft, von Luft zu Dampf; danach erinert man den Herbst, wenn man einmal annimmt, daß jene Jahreszeit erinert werden soll.
Aristoteles, de memoria et reminiscentia 425 a 8-16.

Über diese Stelle lesenswert:
Thomas von Aquin (um 1268), Komm. zu Aristot. de mem. in op. omn. tom. XIV 2, Cap. VI
Johann Heinrich Alsted, systema mnemonicum duplex (1610) III Cap. XXI De Memoria et Reminiscentia
Richard Sorabji, Aristotle on Memory, 1972
Ulrich Voigt, Esels Welt (2001) S. 113 ff., 138 ff.
und: www.likanas.de > Esels Welt > Philosophie.
Pat hat geschrieben:Kennt man Woods 'Roads of Thought', so verliert die Wortfolge alle Unklarheit.
Wieso?
Pat hat geschrieben:Yates scheint Wood schlicht übersehen zu haben, sonst hätte sie bemerkt, daß vergleichbare Prinzipien auch schon bei Aristoteles anklingen.
Nein, "anklingen" ist zu schwach. Aristoteles hat eine Klassifizierung aufgestellt, die bis in die Neuzeit als vollständig galt. Erst mit Leibniz und Hume kamen meines Wissens etweiternde Ideen auf. Wood hat hier nichts Neues entdeckt, dies auch nicht behauptet.
Pat hat geschrieben: Frage an Ulrich Voigt
Da es offenbar ist, daß es zu den gestellten Fragen in Esels Welt ausführliche Darlegungen gibt, stört es mich nicht wenig, daß man glaubt, mit mir unabhängig von dem Buch dazu diskutieren zu können. Das kommt mir so vor, als glaube man, daß ich so ganz nebenbei mitteilen könnte, was in dem Buch steht oder als ob man das, was in dem Buch dazu steht, überhaupt außer acht lassen könnte, jedenfalls setzt es voraus, daß Esels Welt diesbezüglich ein ganz überflüssiges Buch ist. Man glaube doch bitte nicht, daß ich Lust hätte, mich selbst zu zitieren!

U.V.
www.likanas.de

Verfasst: Sa 18. Mär 2006, 0:55
von Pat
Vielen Dank, Herr Voigt.

Ich freue mich sehr über Ihre ausführliche Antwort.

Mein Fragen, das sich in Ihren erfahrenen Augen vermutlich als Naivität darstellen muß, erfolgte aber gerade aus dem Antrieb unschuldiger Wissensgier.

Ich nahm, wie mir nun bewußt ist zu Unrecht, an, daß Ihre vormaligen Selbstzitate den Schluß zuließen, es sei Ihre gewollte Art, sich zu jenem Thema auch in Bezug auf ihr Buch zu äußern.

Es ist mir jedoch gewiß verständlich, daß Erkenntnisse, in langer Arbeit angesammelt, nicht einfach so verteilt werden können.

Zudem ist die Arbeit des Wissenschaftlers zwar eine im Kern ideelle,
die Notwendigkeit der wirtschaftlichen Gegebenheiten aber eine faktische.

Das Schicksal Ihres vorzüglichen Verlages hängt ja am Schicksal des vorzüglichen Verlegten.

Ich werde mir nun also bald ein Exemplar Ihres Buches leisten und dieses ausführlichst studieren.

In der Hoffnung, darauffolgend mit Ihnen über den Inhalt des Textes diskutieren zu können, verbleibe ich, Erinnern und Vergessen im richtigen Maße wünschend,

Simon Reinhard

Verfasst: Sa 18. Mär 2006, 14:13
von Ulrich Voigt
Pat hat geschrieben:Antrieb unschuldiger Wissensgier.
Irgendwann kommt man an den Punkt, wo die unschuldige Neugier insofern nicht mehr nur unschuldig ist, als sie in Kontakt gerät mit einer Umwelt von ebenfalls Neugierigen und mit einer mehr oder weniger komplexen Sachlage von bereits vorliegenden Fragestellungen und Erkenntnissen.
Ich orientiere mich da an den in der Wissenschaft üblichen Maßstäben. Zwar entsteht Wissenschaft aus elementarer (meinetwegen kindlicher) Neugier, sie entwickelt sich dann aber als Komplex von kommunizierenden Gedanken.
Als ich anfing, mich wissenschaftlich für Mnemotechnik zu interessieren, stellte ich zu meinem Erstaunen fest, daß eigentlich die gesamte Literatur des 20. Jahrhunderts den Charakter von Kochbuchliteratur hat: Die Leute haben sich eine Technik angeeignet, die sie erklären und fertig. Sie selbst haben schon gar keine Ahnung mehr, woher die Technik denn stammt. Das wäre nicht weiter tragisch, wenn das gesamte System hinreichend kommunizieren würde, aber eben das ist nicht der Fall. Man tritt also in aller Unschuld auf der Stelle.
Das war nicht immer so. Bis ins spätere 19. Jahrhundert hinein war den Autoren mnemotechnischer Bücher sehr wohl klar, worin sich ihre Technik von der Tradition unterschied. Fortschritt versuchten sie dadurch zu erzielen, daß sie alte Verfahren verbesserten oder dadurch, daß sie alte durch neue Verfahren ersetzten oder dadurch, daß sie alte Verfahren auf neue Sachgebiete anwendeten.
Mit dem 20. Jahrhundert hat sich das drastisch verändert. Der Fortschritt (sofern man bei Kochbüchern denn von Fortschritt reden darf) bestand jetzt entweder darin, daß man alles Alte ausblendete und so tat, als würde man neu erfinden (bzw. sich dies in aller Unschuld einbildete) oder indem man alte Verfahren mit neuen Namen belegte. Ein desolates Bild, das mich damals sehr gestört hat.
Das Kapitel 1 von Esels Welt heißt Maßstäbe und nicht etwa Esels Maßstäbe: Die Botschaft ist die, daß wir Mnemoniker von heute mit unseren Maßstäben doch bitte nicht hinter das 19. Jahrhundert zurückfallen sollten, sondern dort wieder anknüpfen müssen, wo unsere Vorgänger offenbar den Faden verloren haben.
Damit ist jedenfalls der Maßstab gemeint, mit dem ein Buch wie Esels Welt zu messen ist.
Indem nun aber Esels Welt diesem Maßstab tatsächlich genügt (!), entsteht eine neue Sachlage. Denn damit steht ein Maßstab an Wissenschaftlichkeit fest, mit dem füglich alle mnemonischen Bücher bewertet werden dürfen, die nach dem Jahr 2001 (dem Erscheinungsjahr von Esels Welt) erschienen sind. Sie können sich einfach nicht mehr so leicht wie vordem darauf berufen, daß nun einmal die Kochbuchliteratur unser Vorbild sei.
Dasselbe gilt für alle mnemotechnischen Bücher zur Kalenderthematik, die nach 2004 (dem Erscheinungsjahr von Das Jahr im Kopf) erschienen sind.
es sei Ihre gewollte Art, sich zu jenem Thema auch in Bezug auf ihr Buch zu äußern.
Bücher müssen für sich selbst sprechen. Ich schreibe hier (wie auch auf anderen Foren) nur deshalb ganz gerne, weil und insofern sich meine Gedanken weiterbewegen.
Es ist mir jedoch gewiß verständlich, daß Erkenntnisse, in langer Arbeit angesammelt, nicht einfach so verteilt werden können.
Nein, es geht darum, daß diese Erkenntnisse zu komplex sind, als daß man sie auf einem Forum so leicht mitteilen könnte. Du unterschätzt einfach das Objekt, das keineswegs so leicht eben mal über den Tisch gereicht werden kann.
die Notwendigkeit der wirtschaftlichen Gegebenheiten
Na ja, natürlich will ich meine Bücher verkaufen. Wie soll man denn sonst Bücher unter die Menschen bringen?

U.V.
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Verfasst: So 19. Mär 2006, 0:23
von Pat
Ich bedanke mich abermals für Ihre Antwort.

Der Nachteil vieler wissenschaftlicher Erdbeben ist derjenige, daß die, die durch sie erschüttert werden sollten, in eigener tektonischer (hier tektonisch-mnemonischer) Abgestumpftheit nicht einmal die epizentralen Wellen wahrzunehmen in der Lage sind.

Da zwar mein Interesse und mein Ziel weit über das populäre Geschreibe hinausgeht, mein Blick bis jetzt aber nur die Oberfläche des Sees gestreift hat (Ich bezeichne wohlgemerkt die populäre Literatur nicht als Teil des Wassers, sondern mit dem Streifen der Oberfläche des Sees sind die bisherigen Kontakte mit wahrer, also älterer Literatur gemeint), stellte sich mir der neugesetzte Standard aus der Entfernung nicht als solcher dar. Je mehr ich erfahre, desto mehr sehe ich aber. Bald werde ich mehr sehen.

Ich denke nicht, daß ich das Objekt unterschätze.

Ich weiß zwar wohl, daß ich eine diesbezügliche Aussage wegen meiner Unkenntnis über den wahren Umfang des Objekts nicht in Gewißheit treffen kann, ich bin mir aber meiner Ahnung gewiß.

Ich ahne, daß ich vor etwas Großem stehe, und ich ahne (Aus dem Vergleich mit ähnlich Komplexem, das anfangs zu simpel erschien), daß es sich hier wirklich um eine Kunst handelt, deren Geheimnisse sowohl in den Methoden als auch (Wenn nicht gerade) in den feinsten Feinheiten liegen, in den Abwägungen und im Gleichgewicht.

Ich beschäftige mit mehr als den heutigen Methoden.
Ich bin natürlich naiv, da ich bestimmt die Entwicklung von Methoden versuche, die so wohl schon längst gefunden worden sind.
Ich bin aber im Begriff, der Notwendigkeit zu folgen, meinem derartigen Defizit ein Ende zu bereiten.

Route und Ort, Zahl und Bild sind bestenfalls die erste Stufe höherer, weitaus umfassender Prinzipien, die sich mir in Gänze erst noch erschließen müssen.

In einer Zeit voller Narren gibt es viele Weisen, aber wer erkennt?

Ich halte den Gegenstand unseres gemeinsamen Interesses, den sie schon so viel besser kennen als ich, für eine der faszinierendsten Betätigungen des menschlichen Geistes.
Wenige Dinge fesseln mich so sehr, auch wegen des innewohnenden Versprechens der Möglichkeiten.

Die Mnemotechnik des 19. Jahrhunderts, wie sie in Woods Buch anklingt, und wie ich sie in ihrem Buch klingen hören werde, ist aber wohl nicht am Ende des Weges angelangt gewesen.

Wie weit die Erkenntnis der Mnemotechnik mit ihrem Buch vorangeschritten ist, werde ich bald wissen.


Die bloße Neugier weicht dem Willen (Nicht dem Wunsch),
mehr zu wissen und dem Unbekannten abzuringen.

Man fühlt sich wie ein Goldgräber vor einer lange unbehackten Ader,
die auch ein früherer Goldrausch nicht erschöpft hat.
Die alten Pläne muß man natürlich erst noch studieren, und auch den neuesten, der zu Neuem führt.

Man schürft aber nun nicht alleine und das ist gut.


Mit freundlichen Grüßen,

Simon Reinhard

Verfasst: So 19. Mär 2006, 11:02
von Ulrich Voigt
Pat hat geschrieben:Man schürft aber nun nicht alleine und das ist gut.
Richtig! Mir aus der Seele gesprochen!

U.V.
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Verfasst: So 19. Mär 2006, 13:23
von Ulrich Voigt
Pat hat geschrieben:Der Nachteil vieler wissenschaftlicher Erdbeben ist derjenige, daß die, die durch sie erschüttert werden sollten, [nichts davon wahrnehmen].
Das mag so sein, aber nicht auf lange Sicht. Die Maßstäbe nämlich, von denen hier die Rede ist, sind ja nicht etwa meine persönlichen Phantasien, sondern einfach die in der wissenschaftlichen und technischen Literatur seid eh und je üblichen. Niemand kann dem auf Dauer ausweichen.
Die Mnemotechnik des 19. Jahrhunderts [...] ist aber wohl nicht am Ende des Weges angelangt gewesen.
Natürlich nicht! Und ich habe auch nicht sagen wollen, daß im 20. Jahrhundert nichts Neues herausgekommen sei: Esels Welt S. 30.
Die Mnemotechnik des 19. Jahrhunderts.
Während der Arbeit an Esels Welt wurde mit allmählich klar, daß hinter dem "vergessenen" (aber aktuellen) 19. Jahrhundert ein "noch vergesseneres" (und noch aktuelleres) 17. Jahrhundert steht, dessen Mnemotechnik im 19. Jahrhundert nur bedingt wieder aufgenommen worden ist. Johannes Buno, Winckelmann und Matteo Ricci sind aber für meine eigene Arbeit als Mnemotechniker viel wichtiger als Aretin, Kästner und Reventlow und sogar wichtiger als Aimé Paris.
Wood hatte keine wirkliche Kenntnis der Mnemotechnik des 17. Jahrhunderts. Das Problem ist, daß diese hauptsächlich deutschsprachig ist und dazu noch in einem durchaus nicht ganz einfachen Deutsch geschrieben. Ein (der?) Höhepunkt der gesamten Geschichte unserer Kunst ist aus diesem Grunde außerhalb Deutschlands nicht wahrgenommen worden, was dadurch noch "unterstützt" wurde, daß die (schwerpunktmäßig ebenfalls deutschen) Mnemotechniker des frühen 19. Jahrhunderts (die nämlich sehr wohl in ganz Europa bekannt wurden) etwas zu schnell glaubten, sich über jene Vorgänger aus dem 17. Jahrhundert erheben zu können.
Der hauptsächliche Unterschied zwischen der Mnemotechnik des 17. und des 19. Jahrhunderts ist aber der, daß man im 19. Jahrhundert dazu überging, nur noch ganz einfache Themen zuzulassen, ursprünglich um die Leser nicht zu überfordern und sich nicht durch zu hohe Ansprüche ins Abseits zu manövrieren, schließlich ging es darum, eine geächtete Technik wieder salonfähig zu machen, dann - aus Gewohnheit. Natürlich gibt es dazu dann rühmliche Ausnahmen, es ist aber die Trivialität des Lernobjekts bis heute soz. mainstream geblieben, neuerdings sogar noch verstärkt durch den Gedächtnissport.
U.V.
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