Hiho!
Auch wenn ich das Buch der Fam. Michelmann nicht gelesen habe, erahne ich die Argumentationsweise:
Es gibt eine bestimmte Verteilung der versch. Sehzellen auch der Netzhaut und irgendwo gibts da auch nen Punkt, an dem das Sehen besonders scharf ist. Das Auge sorgt dafür das die Hornhaut so verformt wird, daß der Punkt in der Umgebung, der uns grade interessiert in diesem Scharf-Seh-Punkt fokussiert wird.
Ich vermute, daß die Michelmanns dann sagen, daß die Größe dieses Punktes nunmal begrenzt ist und die physikalischen Hintergründe bzgl. Lichbrechung und Fokussierung dann eben das scharf gesehene Gebiet abhänig von der Entfernung vom Auge begrenzt.
Das ist auch sicherlich so.
Allerdings fallen mir da auf Anhieb 2 Einwände ein:
1. Wer kann wirklich genau sagen, daß die Größe des Scharfsehpunktes konstant ist? Möglicherweise läßt sich der ja durch ausgiebes Training vergrößern... Man dachte früher auch, daß der Mensch ab dem Erwachsen-Werden keine neuen Gehirnzellen mehr bilden kann und quasi mit denen zurecht kommen muß, die er dann hat, und so quasi auch alte Informationen überschrieben werden. Allerdings wurde mittlerweile nachgewiesen, daß sehr wohl neue Gehirn-Zellen gebildet werden können - warum dann nicht auch Sehzellen?
2. Ok, es gibt einen Scharfsehpunkt. Das sehen wir alles scharf und können es am detailliertesten aufnehmen. Aber genau im "detailliertesten" liegt der Knachpunkt: wenn wir bekannte Dinge sehen, daß müßen wir nicht erst jedes kleine Detail analysieren, um zu erkennen, was uns da grade vor der Nase rumspringt. Wir müssen und nicht anschauen, was für Füsse und wie viele hat das Ding vor mir, welches Fell, wie sieht das haargenau (scharf) aus. Nein, wir wissen vom ersten draufgucken, ob das ein Pferd oder vieleicht ein hübsche Frau ist, die es vieleicht lohnt sich dann doch genauer anzugucken
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Wir nehmen also auch ganz massiv Informationen auf, die wir mit dem Auge nur unscharf sehen, bzw. uns reichen oftmals ein paar wenige Details, um das Ganze zu erkennen.
Genauso ist es bei Wörtern, die wir kennen. Die müssen wir nicht Buchstabe für Buchstabe lesen um dann zu wissen, was sie bedeuten, sondern können sie auch als Komplett-Bild erkennen. Weiter geht es dann hin zu allgemeinen Phrasen und typischen Satz-Aufbauten. Die kennen wir auch. Wir wissen genau, wie (deutsche) Sätze aufgebaut sind und können zumindest die ganzen Füll-, VerbindungsWörter und Personalpronomen und weiß der Teufel was noch alles einfach so ergänzen, ohne daß wir diese Wörte detailliert lesen müßten.
Durch Erfahrung und Wissen können so auch aus unscharfen Sehen Informationen extrahiert werden.
Und hier ist der Punkt, wo m.E. die Blickweiten-Normalisierung ansetzt: beim normalen Lesen konzentriert man sich auf die einzelnen Buchstabe und Wörter so sehr, man engt also seine Wahrnehmung so stark ein, daß man das Drumherum nicht mehr wahrnimmt. Wenn man sich aber nun darin schult, eben diese (unnötige) Einschränkung der Wahrnehmung wieder zurück zu nehmen; quasi nicht mehr 5cm vor der Leinwand hängt, sondern 5 Schritte zurück geht und von dort sich das Bild als gesamtes anschaut, dann erhöht man somit die Fläche, auf der man Informationen wahrnimmt. Und das ohne, daß sich notwendigerweise der Scharf-Seh-Punkt vergrößern müßte, sondern einfach durch eine geänderte Wahrnehmung.
jm2ct
Ansgar.