Die Macht der Disziplin

Hier findet man Rezensionen über Bücher (und teilweise andere Medien), welche die Thematik des Boards betreffen.

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Andi
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Die Macht der Disziplin

Beitrag von Andi »

Die Macht der Disziplin: Wie wir unseren Willen trainieren können
Gebundene Ausgabe: 328 Seiten / Verlag: Campus Verlag; Auflage: 1 (16. Januar 2012) / 24,99 Euro

http://www.amazon.de/Die-Macht-Diszipli ... 56&s=books

von Roy Baumeister ist Francis Eppes Eminent Professor of Psychology an der Florida State University. Er ist einer der international bekanntesten Psychologen und Autor zahlreicher Bücher.
John Tierney ist Autor und Wissenschaftsjournalist.

Habe mir dieses Buch gekauft. Es klang sehr viel versprechend in Presse und Medien.
Sobald ich es durch habe, berichte ich hier mehr.
„Die Leistungsfähigkeit des Hirns nimmt zu, je mehr man es in Anspruch nimmt.“
Alfred Herrhausen (1930-1989), dt. Bankier
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Andi
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Re: Die Macht der Disziplin

Beitrag von Andi »

In diesem Zusammenhang:

28.11.2005 - Psychologie
Fleiß schlägt Grips

Studie: Selbstdisziplin wichtiger für gute Noten als der IQ
Selbstbeherrschung und Selbstdisziplin sind für den schulischen Erfolg Heranwachsender wichtiger als der Intelligenzquotient. Zu diesem Schluss kommen zwei amerikanische Psychologen nach zwei Studien mit mehr als 300 Jugendlichen. Je weniger impulsiv die 13- bis 14-Jährigen nach Berichten ihrer Eltern und Lehrer sowie nach den Ergebnissen einiger psychologischer Tests dabei waren, desto besser schnitten sie im nächsten Halbjahr in der Schule ab.
In ihrem ersten Test ließen die Wissenschaftler Eltern und Lehrer von 140 Schülern Fragebögen ausfüllen, in denen sie die Fähigkeit zur Selbstdisziplin bei den Kindern beurteilen sollten. Abgefragt wurde beispielsweise, wie gut die Kinder in der Lage waren, Regeln zu befolgen, impulsive Reaktionen zu unterdrücken oder ihr Verhalten anzupassen. Auch die Schüler selbst sollten Fragen beantworten wie: "Wieviel Fernsehen schaust Du täglich?" oder "Wann beginnst Du mit deinen Hausaufgaben?". In einem weiteren Versuch testeten die Psychologen außerdem, wie geduldig die Kinder waren und ob sie bereit waren, auf eine Belohnung zu warten.

Als die Forscher die Ergebnisse dieser Tests mit den schulischen Leistungen der Kinder ein halbes Jahr später verglichen, fanden sie einen deutlichen Einfluss der Selbstdisziplin auf das Abschneiden der Kinder: Die Schüler mit der besseren Selbstkontrolle hatten nicht nur im Durchschnitt bessere Noten, sondern fehlten auch seltener und schafften es, ihre Leistungen im Lauf des Jahres stärker zu verbessern.

Um diesen Zusammenhang mit dem Einfluss des Intelligenzquotienten auf die schulische Leistung der Kinder zu vergleichen, wiederholten die Forscher die Testreihe mit weiteren 164 Schülern und ergänzten sie durch verschiedene Intelligenztests. Das Ergebnis: Die Intelligenz hatte zwar einen Einfluss auf das Abschneiden der Kinder, doch der war nur etwa halb so groß wie der Einfluss der Selbstdisziplin.

Besonders in der heutigen Zeit, in der Kinder immer alles sofort haben wollen – und meistens auch bekommen –, lernen die meisten einfach nicht mehr, sich zu beherrschen, schreiben die Forscher. Und genau dieses Phänomen stehe den Ergebnissen nach dem schulischen Erfolg entgegen. Anstatt also die Qualität der Lehrer oder die der Schulbücher infrage zu stellen, sollte mehr Wert auf eine verbesserte Selbstdisziplin gelegt werden, so ihre Forderung.


Angela Duckworth & Martin Seligman (Universität von Pennsylvania, Philadelphia): Psychological Science, Bd.16, Nr. 12, S. 939

ddp/wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel
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Flauwy
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Re: Die Macht der Disziplin

Beitrag von Flauwy »

Klingt ziemlich interessant. Bin auf dein Fazit gespannt. Ich habe mal von einer Studie gelesen, dass Menschen, die sich das Rauchen abgewöhnt haben, einen wesentlich stärkeren Willen haben, als Nichtraucher oder Raucher, die es nicht geschafft haben. Das klingt zwar sehr offensichtlich, aber angeblich wurde dieser stärkere Wille erst geweckt und war nicht schon vorher vorhanden.

Bezüglich der Schülerstudie kann ich nur sagen, dass ich einer von den Impulsiven war. Fleiß und Disziplin waren so ziemlich meine schlechteste Eigenschaft in der Schule. Das war nicht gerade förderlich. Glücklicherweise hat sich das verwachsen. Als Erwachsener kann ich meine Gefühle doch wesentlich besser im Zaum halten. Aber auch das hat noch ne Weile gedauert. Bei der Norddeutschen Meisterschaft 2004 (da war ich fast 24) habe ich noch meine Speed Cards auf den Boden geworfen, weil mir der Versuch misslungen war und bin schnurstracks nach Hause gegangen. Schon peinlich, wenn ich da heute dran denke. Hannes und Boris können sich da sicher noch dran erinnern. :twisted:

Preistipp: Das Buch kostet bei Amazon in der ebook-Version nur €18,99, statt 24,99.
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Andi
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Re: Die Macht der Disziplin

Beitrag von Andi »

Flauwy hat geschrieben: Preistipp: Das Buch kostet bei Amazon in der ebook-Version nur €18,99, statt 24,99.
Vielen Dank für den Tipp. Aber ich lese generell keine eBooks :twisted: , wenn es ne Druckfassung gibt auch wenn diese teurer ist. Ich finde zu viel Elektronik verdirbt irgendwie Geist und Gedächtnis. Mag vllt. ein wenig altmodisch erscheinen aber Spitzer u.a. und weitere Studien sagen eindeutig: Wer sich zu viel auf die elektronischen Medien verlässt, der lässt kognitiv nach – und das will doch keiner, oder doch?! :wink:
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Flauwy
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Re: Die Macht der Disziplin

Beitrag von Flauwy »

Ich bezweifle, dass durch digitale Bücher geistiger Verfall gefördert wird. ;)
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Andi
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Re: Die Macht der Disziplin

Beitrag von Andi »

Flauwy hat geschrieben:Ich bezweifle, dass durch digitale Bücher geistiger Verfall gefördert wird. ;)
Das nicht aber die Erinnerungsleistung. Siehe z.B. hier:

http://www.swr.de/odysso/-/id=1046894/n ... index.html
Intensive Mediennutzung verändert Wahrnehmungsgewohnheiten, Konzentration, Erinnerungsvermögen, Lernfähigkeit und soziale Kompetenz. Manch ein Wissenschaftler warnt, sie ließe uns verblöden, mache uns unfähig komplexere Zusammenhänge zu interpretieren oder schwäche zumindest wesentliche „Kontrollzentren“ unseres Gehirns.
„Wären Bildschirme nie erfunden worden, dann gäbe es allein in den
USA jährlich etwa 10.000 Morde und 70.000 Vergewaltigungen weniger [...].
Spitzer, Vorsicht Bildschirm! S 8.
„Aufgrund der Bildschirm-Medien wird es in Deutschland im Jahr 2020 etwa 40.000 Todesfälle
durch Herzinfarkt, Gehirninfarkt; Lungenkrebs und Diabetes-Spätfolgen geben; hinzu kommen
jährlich einige hundert zusätzliche Morde, einige tausend zusätzliche Vergewaltigungen und
einige zehntausend zusätzliche Gewaltdelikte gegen Personen.“
Manfred Spitzer. Vorsicht Bildschirm! Elektronische Medien, Gehirnentwicklung, Gesundhelt und
Gesellschaft Stuttgart 2005,S. 12.

Ist ja auch klar, das lesen auf Tablets (z.B. eBooks) lässt die Augen schneller ermüden, die haptische Komponente fehlt. Ähnliche Studien gibt’s ja bereits zur Handy-Nutzung

http://www.shortnews.de/id/681949/Gehir ... dygebrauch
Die niederländische Radboud University gibt vor, eine von Forschern erstellte Studie beweise eine Verlangsamung der Gehirnaktivität bei häufigem Benutzen eines Handys. Das berichtete brainclinics.com.

Ein Vergleich zwischen 100 Handynutzern, die ihr Gerät normal oft gebrauchen, mit 100 Nutzern, die das Handy jahrelang häufig nutzten, und ebenso 100 Personen ohne Handygebrauch ergab eine langsamere Gehirnarbeit bei Vieltelefonierern.
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Hansolka
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Re: Die Macht der Disziplin

Beitrag von Hansolka »

Seit der Erfindung des Automobils ist die Anzahl der Verkehrstoten rasant angestiegen. Die Amish (z.B.) haben das erkannt und nutzen konsequent ihre Kutschen.

Ich werde wohl meine eBooks löschen müssen, damit ich nicht verblöde. Ich muß mir nur noch eine Alternative zu meiner elektronischen Quellensuche einfallen lassen.

Ich wurde erleuchtet! Ich liebe Dogmatiker! :evil:
=================
Enzyklopädie der Wochentagsberechnung * Melencolia I - Magic Squares for the Mental Entertainer * Smart Methods for 4x4, 5x5 and 6x6 Magic Squares * 172 A4-pages * version 3.40
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Flauwy
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Re: Die Macht der Disziplin

Beitrag von Flauwy »

Andy, bei deiner ersten Quelle habe ich diese Aussage am Ende gefunden, die alles wieder relativiert:

[quote=""Wie digitale Medien unser Gehirn verändern""]Virtuell oder real – auf die Mischung kommt es an

Forscher wie Gerald Hüther plädieren deshalb für ein ausgewogenes Verhältnis digitaler und realer Alltagsbeschäftigungen, bei dem direkte Kontakte und Gespräche ebenso einen festen Platz haben, wie körperliche Bewegung. Die Mischung macht’s. Gut also, dass Familie Finco im echten Leben genau so zuhause ist, wie in der virtuellen Welt. [/quote]

Wie Paracelsus schon gesagt hat: "Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei." Von daher würde ich ganz entspannt bleiben. Ich habe übrigens schon zahlreiche Bücher auf dem iPad gelesen, darunter Schinken wie Der Schwarm sowie das komplette Lied von Eis und Feuer (5 fette Bücher in Printformat). Das hat mehr Spaß gemacht, als mit einem Buch aus Papier, da es viel angenehmer zu halten ist.

Bezüglich Manfred Spitzer habe ich nur diese Kritik zu seinem Werk gefunden: Vorsicht Bildschirm? Wie man sich gegen populistische Thesen zur Wirkung von Fernsehen und Computer wappnet

In diesem Sinne habe ich keine weiteren Fragen, Euer Ehren und gehe mein 1.000er-System auf meinem iPad lernen. :mrgreen:
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AndreasF
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Re: Die Macht der Disziplin

Beitrag von AndreasF »

mal ne ganz andere Frage: kann man in diesen Book-Readern Textstellen markieren und kommentieren?
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Flauwy
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Re: Die Macht der Disziplin

Beitrag von Flauwy »

Ja, kannst du. Du kannst sogar die Markierungen von anderen Leuten sehen, wenn du magst. Ist ganz interessant, weil man so auf coole Zitate stößt, die man vielleicht überlesen hätte. Man kann auch direkt nachschlagen, was ein Wort bedeutet. Das ist besonders bei Englischen Büchern praktisch.
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Andi
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Re: Die Macht der Disziplin

Beitrag von Andi »

@Hansolka:
Hansolka hat geschrieben:Ich wurde erleuchtet! Ich liebe Dogmatiker! :evil:
Ich sprach nie von einem Dogma. Ich habe nur für mich persönlich entschlossen mehr Abstand zu den elektronischen Medien zu halten. Viele Nachteile (wie oben angeführt) sprechen für ein Nichtbenutzen. Und die Geschichte zeigt ja auch: Früher waren die Menschen nicht blöder, ganz im Gegenteil – auch ohne iPhone, iPad, eBooks und den ganzen Rest.

@ Flauwy: Das Paracelsus-Zitat passt hier super. So sehe ich dies auch. Nur bleibt die „Dosis“ halt relativ. 6 Stunden Fernsehen am Tag ist nun mal Gift.
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Flauwy
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Re: Die Macht der Disziplin

Beitrag von Flauwy »

Dazu fällt mir etwas anderes ein, das mir heute Morgen bewusst geworden ist: Ich kann mich an keinen einzigen Traum erinnern, in dem ich ein elektronisches Gerät bedient habe, wenn man das Auto einmal ausklammert. Als Gadget-Fan finde ich das sehr ungewöhnlich. Zwar habe ich schon gelesen, dass Elektronik im Traum nicht funktioniert, aber ich habe es nicht einmal ausprobiert. Es ist fast so, als begebe ich mich im Traum in eine Welt, in der solche Utensilien völlig unbekannt sind.

So, nun sind wir sogar mit unserem Off-Topic off-topic. :mrgreen:
Pat
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Re: Die Macht der Disziplin

Beitrag von Pat »

Ich finde es immer wieder interessant, wie leicht sich Leute von vermeintlichen Experten überzeugen lassen. Spitzer ist aus meiner Sicht ein hauptsächlich auf Medienwirkung und Vermarktung bedachter Autor, der sich aus der von ihm sicher beherrschten Welt der Hirnforschung allzuoft aufmerksamkeitsheischend hinauswagt in Gebiete, in denen er sich stillschweigend selbst Kompetenz zuschreibt. Seine Thesen sind oftmals von einer derart simplistischen Pseudokausalität, dass man sich fragt, wie das jemand überhaupt ernstnehmen kann. Dieses Muster zieht sich durch viele seiner (nichtwissenschaftlichen) Veröffentlichungen und ist sicher nicht zufällig.

Man wird klar trennen müssen zwischen dem Hirnforscher Spitzer und dem Soziologen/Lernpsychologen/Pädagogen Spitzer. Was auffällt: Nur im erstgenannten Feld besitzt Spitzer eine durch Studium erworbene Qualifikation und hat sich durch Veröffentlichungen Ansehen erworben. In den drei Feldern Soziologie/Lernpsychologie/Pädagogik ist er ein absoluter Amateur, genau wie jeder von uns. Es muss jedem klar sein: Was immer Spitzer zu einem dieser Gebiete sagt, sagt er nicht als wissenschaftlicher Autor, nicht einmal als populärwissenschaftlicher, sondern als jemand, der diese Felder sozusagen in seiner Freizeit kommentiert.

Er maßt sich dabei kraft seiner neurobiologischen Kenntnisse auch eine nicht gegebene Kompetenz in den anderen Bereichen an, was der Scharlatanerei schon recht nahekommt und wohl durch eine gewisse Geltungssucht gespeist wird: Sicher hat er gemerkt, dass er im Vergleich zur wissenschaftlich fundierten Hirnforschung wesentlich mehr Anfragen zu den drei genannten Gebieten erhält, zu denen er nach Ansicht der Anfragenden vermeintlich Auskunft geben kann, weil es sich um "praktische Folgen der Hirnforschung" handele. So wird ihm zugestanden, zu allem, was irgendwie mit dem Gehirn zu tun zu haben scheint, eine große Weisheit zu orakeln. Dies ist aber, wie wohl einige hier wissen, Unsinn, weil es eine Sache ist, auf einer MRT-Darstellung minimale Schwankungen im Hirnfluss zu deuten, und eine völlig andere, dann aus diesen Deutungen plötzlich sehr weitreichende und teilweise vollkommen absurd klingende, der Empirie im Sinne der Lebenserfahrung klar widersprechende Schlüsse zu ziehen.

Über seine fehlende Kompetenz täuscht er nahezu immer auf dieselbe Weise hinweg: Er tritt zunächst als Hirnforscher auf, äußert sich zu einer medizinisch-anatomischen Gegebenheit des Gehirns und geht sodann unmerklich über zu den gesellschaftlichen und soziologischen Implikationen, die er, sehr oft in recht primitiver und übervereinfachender Weise, aus seiner Datenlage abzuleiten meint. Das ist in dieser Form, und da wird mir Boris vielleicht beipflichten, nicht seriös zu leisten. Das liegt daran, dass es sich stets um multifaktorielle Ursachenzusammenhänge handelt und das menschliche Handeln im Rahmen dieser Ereignisketten nicht auf "ein Ding - eine Wirkung" reduziert werden kann.

Wieso hat er damit Erfolg? Weil Übervereinfachung Erfolg hat und schon immer hatte. Der Mensch will sich in seiner Welt sicher fühlen, er will Stabilität. Um diese Stabilität subjektiv erfahren zu können, benötigt er ein inneres Modell der Welt, das es ihm (aus seiner Sicht) erlaubt, Vorhersagen zu treffen und Zusammenhänge nach Ursache und Wirkung zu verbinden, so dass möglichst wenig Unverstandenes oder Unvorhergesehenes zurückbleibt. Die Komplexität, die der durchschnittliche Mensch bereit ist in sein Weltbild aufzunehmen, ist aber begrenzt. Einfache, möglichst noch primitiven Gefühlsbahnen folgende Erklärungsmodelle haben einen Wettbewerbsvorteil und damit, wenn man so will, einen Evolutionsvorteil als "meme", weil sie ohne großen Aufwand in bestehende, bekannte Alltagszusammenhänge inkorporiert werden können. Schwarz-Weiß-Denken ist weniger anstrengend als dauernd feine Fallunterscheidungen zu machen.

Es ist kein Wunder, dass nahezu alle Ideologien der Weltgeschichte einen sehr simplen Aufbau haben, das ist das Geheimnis ihres Erfolges: Ein klares, gefühlsbetontes Weltmodell, das es jedem schnell erlaubt, in den immergleichen Bahnen zu denken und alle kommenden Phänomene ohne Aufwand einzuordnen. Dass diese Einordnung oft unzutreffend ist, bleibt ohne Auswirkung, weil sich die Denksysteme selbst natürlich gegen solche vermeintlichen Widerlegungen absichern.

Nun tut Spitzer das Gleiche: Durch diese stark vereinfachten (und falschen) Kausalzusammenhänge gibt er den Menschen zum Einen das Gefühl, an den Erkenntnissen der Hirnforschung teilzuhaben und deren Wahrheiten auch im täglichen Leben unwiderlegbar wahr anwenden zu können, und zum anderen sind diese falschen Wahrheiten noch so einfach gehalten, dass sie wieder ein sehr einfaches Denkmuster erlauben ("Bildschirme sind schlecht!" Bitte ... Uga-uga dort böse!). Ich halte es für wichtig, diese Bauernfängerei und ihre Methode so wie ich sie sehe, einmal aufzuzeigen: 1. Kompetenzanmaßung in einem nur vermeintlich nahestehenden Gebiet, das aber völlig anders ist 2. Die Komplexität der Realität wird vermieden, es werden simpelste (und damit in den meisten konkreten Situationen falsche) Schlussfolgerungen präsentiert, um ein möglichst großes Publikum anzusprechen.

Damit hat aus meiner Sicht nahezu alles, was Spitzer so außerhalb seines Kompetenzbereichs verlautbart, keinen höheren Wert, als würde man es hier im Forum stolz geschrieben lesen. Darum sollte man es aus meiner Sicht auch so behandeln wie in allen anderen Fällen, in denen jemand, der in einem Gebiet keine Kompetenz besitzt, plötzlich als vermeintlicher Experte auftritt: Man ignoriert ihn verdientermaßen. In keinem Fall sollte man Teile seines Lebens nach diesen übermütig in die Welt gesetzten Thesen ausrichten.

Beste Grüße

Simon
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DocTiger
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Re: Die Macht der Disziplin

Beitrag von DocTiger »

Gehirnforschung hat für mich auch immer eher was von Marketing, als von sinnvollen Hinweisen. Das ist nicht notwendigerweise moralisch anzuprangern, denn sie glauben auch an die Nachricht die sie übermitteln wollen, da ist es nur verständlich dass sie sich bemühen diese Nachricht möglichst gut zu verkaufen. Gehirnforschung hat für den Laien eine extreme Faszination und Überzeugunskraft, ähnlich wie die Quantentheorie mit der man heutzutage auch fast alles verkauft. Einen gewissenhaften Verkäufer erkennt man nicht an den Verkaufsmethoden, sondern daran wie stark er selbst an sein Produkt glaubt.

Eine Sache aus der Gehirnforschung hat für mich aber sehr wohl einen Reiz: Die Entwicklung des präfrontalen Kortex scheint bei Kindern den akademischen/wirtschaftlichen Erfolg vorherzusagen, und unter Umständen ist diese Entwicklung ein guter Proxy um pädagogische Techniken in schnellerer Folge zu evaluiieren als wenn man 20-30 Jahre zwischen Maßnahme und Wirkung warten muss.

Ein Problem bei den MRT Studien allgemein scheinen die Kosten und Verfügbarkeiten zu sein. Preise von 200-400€ pro Proband sind happig, und daher sind diese Studien nicht selten noch spärlicher mit Stichproben gesegnet, als es in der Pädagogik und Lernpsychologie eh schon üblich ist. Beim lernen gibt es tausende Parameter, die man nicht messen kann und dann will jemand mit einem MRT und einer handvoll Probanden die Welt erklären...
captchris
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Re: Die Macht der Disziplin

Beitrag von captchris »

Es ist schon etwas ganz anderes, ob man ein E-Book über einen Tablet-PC oder über einen e-ink Reader liest. Da gibt es dann keinen Unterschied mehr zu einem richtigen Buch.
Der einzige Nachteil: Auch ein Reader braucht wie ein Buch Licht von oben, weil das Display nicht beleuchtet ist.

Gruß
Chris
Frederica
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Re: Die Macht der Disziplin

Beitrag von Frederica »

Andi hat geschrieben:
Flauwy hat geschrieben: Preistipp: Das Buch kostet bei Amazon in der ebook-Version nur €18,99, statt 24,99.
Vielen Dank für den Tipp. Aber ich lese generell keine eBooks :twisted: , wenn es ne Druckfassung gibt auch wenn diese teurer ist. Ich finde zu viel Elektronik verdirbt irgendwie Geist und Gedächtnis. Mag vllt. ein wenig altmodisch erscheinen aber Spitzer u.a. und weitere Studien sagen eindeutig: Wer sich zu viel auf die elektronischen Medien verlässt, der lässt kognitiv nach – und das will doch keiner, oder doch?! :wink:

OT

Ich lese auch (noch) keine E-Books.
Allerdings teils aus dem gegenteiligen Grund:
Ich weiß im Regal, welches Buch wo steht und dass ich Buch xy (gelesen) habe.
Auf dem E-Bookreader würde ich vermutlich vergessen, dass ich Buch xy habe und es mir noch einmal kaufen, wenn der Kauf schon lange her ist...
Denn da müsste ich die entsprechende Datei ja erst mal finden.

Ich finde E-Books aus 3 möglichen Gründen für mich interessant:
1. Platz, d.h. ich würde mir evtl. Bücher als E-Books kaufen, die ich schon haben, wieder lesen möchte, aber nicht ständig, die also im Regal Platz wegnehmen, weil sie nur selten genutzt werden (die ich aber trotzdem behalten möchte),
2. mittelmäßiges Interesse bei günstigen E-Books, also Bücher, die mich schon interessieren, die die Bücherei nicht hat, und die als E-Book deutlich günstiger sind und
3. Preis - s. 2., für den Fall, dass das E-Book deutlich günstiger ist.
25 zu 19 € wäre mir zu teuer; bei 25 zu 10 € würde ich drüber nachdenken.

Allg. finde ich viele E-Books zu teuer, wenn man bedenkt, dass man oft nur eine reine Textdatei bekommt.
Die sollte, finde ich, für einen durchschnittlichen Roman (500 S.) unter 10, besser noch um die oder unter 5 € liegen (wenn der Papierroman 8 bis 10 € kostet).
Also mindestens ca. die Hälfte, wenn nicht weniger kosten.
Vielleicht bin ich zu geizig.
Aber ich finde, dass ich mit dem Papierbuch noch mehr "Zusatzwerte" bekomme und dass der Druck doch wesentlich teurer ist als die Datei (Druck, Bindung, Logistik, Lagerung).
Das schlägt sich zur Zeit meist so gar nicht im Preis nieder.

Ich persönlich kann am Bildschirm schlechter lesen, da ich schneller ermüde und mich nicht so gut zurecht finde; beim Buch merke ich mir oft so ungefähr intuitiv/ "haptisch" die Seite, beim E-Book müsste ich vermutlich zahlreiche Lesezeichen setzen; wobei man ja meist erst später weiß, welche Seite man noch mal nachschlagen wollte.

LG
Frederica
Horkas
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Re: Die Macht der Disziplin

Beitrag von Horkas »

Mir fällt hier immer wieder eines auf: Ein spannendes Thema wird eröffnet, zunächst nahe am eigentlichen Inhalt diskutiert. Dann kommt irgend ein Beitrag, der(meist nebenbei) einen Schlüsselreiz auslöst und die Diskussion läuft ins Irgendwo. Schade.

Hier sollte es ja um die Macht der Disziplin gehen. Über Flauwys E-Book-Hinweis ging die Chose zu Spitzers Internetnutzerschelte usw. Hansolka ironisierte den Stand gekonnt. Half aber nichts.

Also Andi: Wie weit bist du in deiner Lektüre vorangeschritten? Kann man impulsiv Veranlagte unter den Schülern und wie zu Disziplinierten erziehen, auch wenn sich in denen alles gegen die Abrichtung sträubt? Eine jahrhundertalte Diskussion in Neuauflage? Ohne Fleiß kein Preis? Alte Schule, ewig jung?
Zu allen wirklichen Abenteuern gehört, dass man einen Schatz sucht.
David Loye
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AndreasF
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Re: Die Macht der Disziplin

Beitrag von AndreasF »

Frederica hat geschrieben:Ich finde E-Books aus 3 möglichen Gründen für mich interessant:
1. Platz, d.h. ich würde mir evtl. Bücher als E-Books kaufen, die ich schon haben, wieder lesen möchte, aber nicht ständig, die also im Regal Platz wegnehmen, weil sie nur selten genutzt werden (die ich aber trotzdem behalten möchte),
2. mittelmäßiges Interesse bei günstigen E-Books, also Bücher, die mich schon interessieren, die die Bücherei nicht hat, und die als E-Book deutlich günstiger sind und
3. Preis - s. 2., für den Fall, dass das E-Book deutlich günstiger ist.
25 zu 19 € wäre mir zu teuer; bei 25 zu 10 € würde ich drüber nachdenken.
Sehe ich genauso. Selbst wenn man bei EBooks auf 10 Euro heruntergehen würde, wären die Margen immernoch gut. Ich würde für mich persönlich noch einen 4. Punkt ergänzen:

4. die Möglichkeit, Kommentare direkt im Text zu hinterlassen, sodass ich beim Lernen z.B. meine Schlüsselwörter oder Mnemonikbilder direkt im Text hinterlassen könnte ...
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