Holger.Waldenberger hat geschrieben:1. Motivation
15 Minuten alle 2 Tage sind lächerlich. Die Wahrheit dürfte bei 1 Stunde+ pro Tag liegen. Ihr müsst ihm das mal in aller Ruhe verklickern, welche Konsequenzen ein Scheitern für ihn haben würde und dass ihr nicht aus Boshaftigkeit ihn zu irgend was nötigen wollt. Redet auch mit seinen Freunden, die müssen auf ihn einwirken.
Wenn du keine Zeit hast, musst du in Nachhilfelehrer, unter Umständen in mehrere, investieren.
Das würde ich gerade hier nicht machen.
Offenbar weiß der Junge, dass er sehr viel aufholen muss und vermutlich denkt er im Stillen auch mal an die Konsequenzen bzw. sieht schon einen nicht zu bewältigenden Berg von Arbeit vor sich. Ihm das jetzt nicht mal klar zu machen, kann zu noch mehr Stress und ggf. Blockaden führen (statt zu lernen denkt er immer wieder, dass er es nie rechtzeitig schaffen wird, den Stoff aufzuholen).
Ich würde gemeinsam mit ihm und der Tante nach Möglichkeiten suchen, ihn der englischen Sprache auszusetzen: Videos mit Untertitel, einfache Texte mit Vokabelteil, Lieder oder erst mal Zeilen/ Strophen übersetzen.
Vielleicht erst mal nach Liedern suchen, die er mag und die das Grundvokabular enthalten und ihm als Aufgabe geben, ein Lied mehrfahc am Tag zu hören, den Text mitzulesen, einzelne Zeilen zu übersetzen. Und dann mal einzelne Zeilen umschreiben (Wörter umstellen, ersetzen -> dem Satz eine andere Bedeutung geben usw.).
Oder in Videos eine kurze Sequenz mitsprechen. Wenn er das oft genug gemacht hat, einen Satz rausfischen und den umschreiben mit Worten, die er kennt (gleiche Bedeutung/ andere Bedeutung aber ähnliche Satzstruktur etc.).
Ich würde hier nicht über mechanisches Üben gehen, sei es nur mit Vokabeltrainer oder anderen Aufgaben. Wenn er die nicht macht, heißt das, dass er entweder keine Lust hat, keinen Erfolg sieht oder keinen wirklichen Sinn sieht.
Also würde ich erst mal an diesen Grundlagen arbeiten:
Wann hat er am Tag 15 min Zeit?
Wie und wo kann er in dieser Zeit Englisch lernen?
Kann er Leerzeiten nutzen, um mechanische Aufgaben zu wiederholen, z.B. kleine Vokabelliste mit sich rumtragen und in Wartezeiten ansehen; vorne eine Sprache, hinten eine andere Sprache, immer mal wieder überlegen, wie die Worte übersetzt werden. Oder Konjugationen, Zeiten etc. üben. Immer in kleinen Portionen und immer zur gleichen (Leer-) Zeit.
Was ich dringend empfehlen würde: Egal, was sonst läuft, eine halbe Stunde am Tag Englisch
hören.
Lieder, deren Texte er mitlesen kann und deren Übersetzung er kennt. Videos, deren Untertitel er mitlesen kann - erst auf Deutsch, später einzelne Sätze auch auf Englisch. Computerspiele nur noch auf Englisch spielen.
Dann kann man noch die Wörter auf Deutsch aussprechen, also "mountain" - "mo-uun-taa-iin". Das hilft vielleicht beim Merken der Rechtschreibung. Absichtlich mal das machen, was sonst verboten ist, die Wörter "falsch" aussprechen; nach Unterschieden zwischen deutscher und englischer Aussprache suchen - praktisch und ruhig übertrieben (mAUntE_In - mO-UUUntAAAA-IIIIn").
Einzelne Laute übersetzen: ou - au, ai - ei.
Ggf. später nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden suchen: "ou" in "thought" und "out".
Ich würde auch versuchen, seinen bevorzugten Lernweg herauszufinden und zu nutzen.
Wenn es geht, einfache Texte (Schulbuch ggf. aus der Schule ausleihen?) der unteren Klassen lesen und parallel hören. Und natürlich übersetzen. Aber immer wieder mitlesen und gleichzeitig hören, später mal mitsprechen. Übertrieben betonen (sowohl Wörter als auch Sätze). Sätze zum Lernen der Grammatik mal wörtlich übersetzen.
Wichtig wäre mir, ihn erst mal zu motivieren, die Aufgaben so zu stellen, dass er sie machen kann - sowohl zeitlich, also dass er genau weiß, wann er sie machen sollte und dass zu dem Zeitpunkt nichts anderes für ihn Wichtiges anliegt - als auch "psychologisch" - er muss wissen, dass er die Aufgaben leicht schaffen kann, und nicht den ganzen Tag daran denken, dass er die evtl. langwierige und unlösbare Aufgabe auch noch vor sich hat.
Ich würde bspw. Zettel mit ihm erstellen und abtippen, die wichtigen Lernstoff zeigen, und dann bspw. im Bad aufhängen (man sitzt auf Toilette oder putzt die Zähne und sieht immer wieder die gleichen Vokabeln, Übersetzungen, Sätze, Grammatikregeln).
Diese Zettel würde ich im Haus an Stellen aufhängen, an denen man sitzt und wenig zu tun hat, also bspw. im Bad, vor dem Schuhregal (beim Schuheanziehen drauf schauen), gegenüber vom Bett, ggf. gegenüber seinem Platz am Esstisch.
So sieht er die wichtigsten Begriffe täglich, und schaut auch öfter hin, weil er da sonst nicht viel anderes zu tun hat.
Eines noch: Ich würde unbedingt immer wieder kurze Texte, auch aktuelle die gerade im Unterricht vorkommen, mit ihm übersetzten oder für ihn übersetzen und ihm Schritt für Schritt die Übersetzung erklären. Ich kennen jemanden, der schnell nach der 5. Klasse den Anschluss verlor und sich dann bis zum Abi daran gewöhnt hatte, eigentlich keinen englischen Satz komplett zu verstehen, den Inhalt der Texte nicht zu verstehen, sondern immer nur eine ungefähre Ahnung zu haben.
Der hat sich später mal für Französisch exemplarische Antworten von guten Schülern vorschreiben lassen und diese auswendig gelernt und damit Zweien geschrieben.
Das soll keine Empfehlung sein, aber man könnte eine Antwort mit ihm auf Deutsch überlegen, ihn formulieren lassen, auf Englisch übersetzen und ihm auseinander setzen. Und dann beim nächsten Satz ihn einen Teil übersetzen lassen, bis er soweit ist, das alleine zu schaffen.
LG
Frederica