Wie Mnemotechnik in die Schulen kommt

Mnemotechniken und Lerntipps für Kinder und in der Schule

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Horkas
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Wie Mnemotechnik in die Schulen kommt

Beitrag von Horkas »

Ich weiß nicht, wie andere Freunde des BrainBoards das sehen, für mich jedenfalls ist das Reich der Schule mnemotechnisches Entwicklungsland. Im ansonsten umfassenden Wikipedia-Artikel zum (schulischen) Lernen kommt das mnemotechnische Lernen beispielsweise bisher nicht einmal vor. Dabei könnten alle Kinder in der Schule nur profitieren, würden ihnen ihre Lehrer im normalen Unterricht beiläufig und integriert in das allgemeine Lernen die Möglichkeiten der Mnemotechnik so allmählich wie nachhaltig vermitteln mit dem Ziel, dass die Kinder alsbald lernen, selbstständig mit diesen geistigen Werkzeugen fürs gute Gedächtnis umzugehen. Namentlich die schwerpunktmäßig das selbstständige Lernen fördernden Schulen könnten dadurch einen Entwicklungsschub erreichen, dass sie die Mnemotechnik als normale Lerntechnik in ihre Arbeit integrieren.

Beim Stöbern im Schatz verstreut vorkommender schulbezogener Informationen hier im Board fällt auf, dass es da schon eine Menge an speziellem Stoff gibt, den LehrerInnen in ihre Arbeit integrieren können. Auch gute Ideen sind da zu finden, an und mit denen man in seiner schulischen Arbeit weiter machen kann. Dazu kommen die Erfahrungen vieler Schüler und Studenten, die indirekt und oft recht spät zur Mnemotechnik gestoßen sind und nahezu übereinstimmend bedauern, dass man ihnen dieses Wissen und Können nicht in der Schule vermittelt hat.

Es geht mir dabei ganz ausdrücklich nicht um das Spezialgebiet des Gedächtnissports, sondern um die Nutzung der Techniken für ein allgemein besseres und nachhaltigeres Lernen in der Schule und durch die Schule.

Kurz und gut: Es wäre wichtig, die betreffenden Informationen, die sich hier verstreut finden, mit diesem Thema zusammen zu bringen. Ich bitte euch, die Brainboarduser, mit eigenen Infos dazu beizutragen, damit mehr Mnemotechnik in die Schule kommt.

Von allgemeiner Arbeit mit Mnemotechnik an der Schule habe ich selbst keine Spuren entdeckt, wohl aber von einigen „Highlights“:

Auf ein schönes Beispiel zu einer Odysso-Sendung über Stefan Bütows Arbeit im SWR hat Boris im Board hingewiesen: http://www.brainboard.eu/phpbb/viewtopi ... =22&t=2547

Nacanada arbeitet an seiner Schule mit Mnemotechnik und weist hier auf seine Homepage mit Beispielen hin:
Nacanada hat geschrieben:„Meiner Meinung nach gehören Mnemotechniken in die Nähe der 5. Klassen. Die Schüler in diesem Alter lieben "alberne", fantasievolle Geschichten und die Techniken kommen ihnen vor wie Zaubertricks. Das Problem: Mnemotechniken müssen trainiert, trainiert, trainiert werden. Dieser Aufgabe nimmt sich der Gedächtnissport an. Da es aber kaum Trainingsmaterial in Papierform gibt, habe ich mal einiges zusammengestellt. Interessierte Lehrer finden Vorschläge, Anregungen und Unterrichtsmaterial von der Vertretungsstunde bis zu einer AG auf meiner Internetseite:
http://findet-mnemo.jimdo.com
Hier berichtet thhi als Vater von seinen Erfahrungen mit einer Schul-AG:
http://www.brainboard.eu/phpbb/viewtopi ... =22&t=2895

Gruß
Horst Kasper
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David Loye
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Mindman
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Re: Wie Mnemotechnik in die Schulen kommt

Beitrag von Mindman »

Dabei könnten alle Kinder in der Schule nur profitieren, würden ihnen ihre Lehrer im normalen Unterricht beiläufig und integriert in das allgemeine Lernen die Möglichkeiten der Mnemotechnik so allmählich wie nachhaltig vermitteln mit dem Ziel, dass die Kinder alsbald lernen, selbstständig mit diesen geistigen Werkzeugen fürs gute Gedächtnis umzugehen.
Das klingt zwar gut, aber meinen Erfahrungen nach benötigt man auf jeden Fall vorher die Vermittlung und Übung der grundlegenden Techniken und der Motivation diese auch zu benutzen. Erst dann kann man sie "beiläufig" im Unterricht festigen, indem man sie in den eigenen Fächern integriert und auf den facheigenen Stoff anwendet. Ich hatte die Techniken in einer kürzeren Version im Fach Biologie in einer 10. Klasse am Gymnasium versucht einzuführen (Routentechnik, Geschichtenmethode, Schlüsselwortmethode für Fachwörter, Merksprüche und Merkwörter). Ich hatte jedoch zur Einführung der Techniken nur zwei Schulstunden Zeit und danach zur Anwendung leider auch zu wenig. Zu Beginn benötigt man unbedingt mehr Zeit. Wenn die Techniken nicht ordentlich gelernt und verstanden werden, dann werden sie falsch angewandt und die Motivation sinkt durch den mangelnden Anwendungserfolg.
Als Hauptproblem, neben der mangelnden intensiven Übungszeit, sehe ich die mangelnde Motivation das Ganze auch weiterhin zu benutzen, d. h. den zu lernenden Stoff mittels der Mnemotechniken zu lernen und nicht auf die normale, übliche Weise. Ich hatte damals einen anonymen Fragebogen ausfüllen lassen. Mindestens die Hälfte der Schüler meiner damaligen 10. Klasse gaben an, dass sie eher wieder ihre alte Lernmethode benutzen würden, da das ja auch so immer geklappt hätte und einfächer wäre. Interessant und spaßig fanden sie aber das Thema Gedächtnistechniken. Für die Vorbereitung der Klassenarbeit haben nur ca. 2/5 der Schüler die Techniken genutzt. Als Grund gaben sie mangelnde Zeit an. Von den 5 Jungs unter den 22 Schülern hat kein Einziger die Techniken zur Vorbereitung genutzt. Vielleicht zu "uncool"? Ca. die Hälfte der Schüler hatte vor die Techniken in Zukunft für das Lernen in der Schule zu nutzen, viele gaben jedoch auch an, dass deren Anwendung kompliziert, umständlich oder riskant sei. Fazit: Das Vertrauen in die Techniken fehlte und vor allem die Übung in der Anwendung und damit auch die Qualität beim Anwenden. Ich hatte die Techniken dann aus verschiedenen Gründen im folgenden Unterricht nicht weiter eingeübt.

Die Frage ist jetzt: Ist es der falsche Zeitpunkt erst in der 10. Klasse damit anzufangen? Sollte man viel weiter unten beginnen? Oder doch erst begleitend zum Abitur (für das Gymnasium gesprochen)? Letzteres würde Sinn machen, da viele Schüler den großen Lernstress erst in den zwei Abi-Jahren erfahren und da es gleichzeitig eine Vorbereitung für die große Stofffülle im Studium wäre.

Soweit meine Gedanken und Erfahrungen.

Gruß,
Mindman
Haben wir eine Gedächtnisförderung?
Und wenn ja - warum nicht?
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Re: Wie Mnemotechnik in die Schulen kommt

Beitrag von Horkas »

Mindman hat geschrieben: ... meinen Erfahrungen nach benötigt man auf jeden Fall vorher die Vermittlung und Übung der grundlegenden Techniken und der Motivation diese auch zu benutzen. Erst dann kann man sie "beiläufig" im Unterricht festigen, indem man sie in den eigenen Fächern integriert und auf den facheigenen Stoff anwendet.

Ich stimme dir voll zu. Es braucht ein sorgfältiges Verfahren, um eine spezielle Technik wie etwa Loci den Kindern individuell verfügbar zu machen. Ich habe in einem anderen Thread beschrieben, wie ich das mit einer 6. Klasse und dem Thema Wortarten (deutsche Grammatik) gemacht habe: http://www.brainboard.eu/phpbb/viewtopi ... 909#p21909

Ich bin mir sicher, dass das exemplarische Lernen eines wichtigen Inhalts (wie hier mit der Speicherung der zehn Wortarten) die Locitechnik als überaus nützlich und hilfreich erlebbar macht, so dass das konkret erfahrene Prinzip auch bei einer neuen Gelegenheit für eine gute Lernmotivation sorgt. Wenn ein Kind in der fünften Klasse zum Beispiel gemerkt hat, dass es sich leicht 10 Vokabeln in der ersten Fremdsprache mit Hilfe der Körperliste (oder auch einer Zwanzigerroute) und entsprechenden Assoziationen merken kann, dann wird es das selbstständig praktizieren.

Welche Fächer unterrichtest du? Wenn nicht die Fremdsprache, würde es sich anbieten, die Kooperation mit den betreffenden KollegInnen zu suchen. Du führst die Technik ein, dein Kollege wendet sie beim Vokabellernen an.

Mit nebenbei meinte ich, dass man zuerst einmal bei jeder passenden Gelegenheit mit den Grundtechniken arbeiten sollte. Neue Lerninhalte etwa können mit Assoziationen aller Art leichter verfügbar machen (Schlüsselwort, Reim, Geschichte). Als es damals galt, sich den Namen des neun UNO-Generalsekretärs Ban zu merken, fiel mir ein: "Wie eine Banane mit einer Kirsche im Mund schwebt der Mond (Moon) über der UNO in New York." Da behalte ich leicht Ban Ki Moon im Gedächtnis. Kinder haben Freude, neue Inhalte in witziger Form zu umkleiden. Das kann man von klein auf zum "Denk-Sport" machen. Kinder suchen selbst nach neuen Inhalten wie schwierigen Namen (Zeitung, Fernsehen, Radio). "Weiß jemand was Neues?" zu Beginn der Stunde als Aufwärmer, würde ganz locker zum Spiel mit der Materie führen. Im elementaren Musikunterricht war zum Beispiel das Notenlernen immer eine trockene Angelegenheit. Mit einem kleinen Wettbewerb zu den Notenlinien und den Zwischenräumen ging das ganz locker: Wer findet den schönsten Spruch zu E-G-H-D-F? Da sprudelten Sätze wie: "Elly geht heulend durch Freiburg" oder "Ein Ganove hat das Fieber" usw. Face-Lifting stand schnell für die Zwischenräume. Auch die altbekannten Eselsbrücken können variiert werden. Ich denke, dass diese Beispiele genügen, um das Vorgehen zu verdeutlichen.
Mindman hat geschrieben:Die Frage ist jetzt: Ist es der falsche Zeitpunkt erst in der 10. Klasse damit anzufangen? Sollte man viel weiter unten beginnen? Oder doch erst begleitend zum Abitur (für das Gymnasium gesprochen)? Letzteres würde Sinn machen, da viele Schüler den großen Lernstress erst in den zwei Abi-Jahren erfahren und da es gleichzeitig eine Vorbereitung für die große Stofffülle im Studium wäre.
Ich denke, es ist nie zu früh und nie zu spät. Das Alter spielt vielleicht bei der Herangehensweise und hinsichtlich des Verständnishorizonts der Schüler gewiss eine Rolle. Im Prinzip ist Mnemotechnik immer angebracht, wenn die Motivation stimmt. Die ist - wenn man nicht als Lehrer die Nase anrennen will - sicher sehr sehr wichtig. "Erst der Mann, dann der Ball", lautet bekanntlich eine alte Fußballweisheit Sepp Herbergers. Sie gilt gewiss auch für das Erlernen der Mnemotechnik. Ohne Lust und ohne sie als sinnvoll zu empfinden, kommt sie nicht an. Und ohne Mühe geht nichts. Mühe aber, so sind die Kids eben, wird nur als lohnend empfunden, wenn es auch Spaß macht. Das alte Problem des schulischen Lernens eben. Und dann die Geduld des Lehrers beim Marathon über eine Schulzeit. Im Idealfall verabreden sich zwei oder drei Lehrer(innen) auf die Betreuung einer Klasse über Jahre (mit Kenntnis und Förderung durch die Schulleitung) und gehen die Sache gleich von mehreren Ecken aus, aber gemächlich und in ständiger Kooperation an. Wenn der Idealfall nicht gegeben ist, wird es etwas schwieriger, wenn auch nicht unmöglich. Ich würde, wäre ich in deiner Situation, immer irgendwo die Mnemotechnik im Spiel halten, wenn auch nicht gleich im systematisch angelegten Kursus. Die Gefahr, dass deine guten Erfahrungen verschütt gehen, ist sonst im Lehrerberuf immer gegeben.

Viel Spaß
Horst
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Re: Wie Mnemotechnik in die Schulen kommt

Beitrag von ernesto »

Das Desinteresse in den Schulen kommt daher, da immer seltener auswendig gelernt werden muss, sondern es auf Verstehen von Zusammenhängen und den großen Bogen ankommt. Und es gibt immer weniger Fächer, in denen Reihen oder Listen oder ähnlich linearer Stoff gepaukt werden muss! Und an den Unis geht das natürlich weiter .. Gab ein paar Zeitungsartikel in den letzten Tagen dazu und bin durch einen Alert hier gelandet!
ernesto
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Re: Wie Mnemotechnik in die Schulen kommt

Beitrag von Horkas »

ernesto hat geschrieben:Das Desinteresse in den Schulen kommt daher, da immer seltener auswendig gelernt werden muss, sondern es auf Verstehen von Zusammenhängen und den großen Bogen ankommt. Und es gibt immer weniger Fächer, in denen Reihen oder Listen oder ähnlich linearer Stoff gepaukt werden muss!
Wahrscheinlich wird sich in einiger Zeit herausstellen, dass das Verpönen des "Faktenlernens" und die (lern-)zeitraubende Pflege des großen Blabla (große Zusammenhänge verstehen) ein großer Irrtum der Pädagogik war. Wie ist das zum Beispiel mit der Fremdsprache? Da muss ich doch die Vokabeln drauf haben, wenn ich mich unterhalten oder einen Text lesen will. Mit Mnemotechnik sind sie leichter zu lernen.

Gestern war ein gewisser Joachim zum Super-Champion-Quiz im ZDF angetreten, der zuerst einmal seine Begeisterung für Wissen bekundet hat, von Publikum und Quizmaster bestaunt wie ein kleines Wunder. Eine Ausnahme, dass ein junger Mann so eine Einstellung hat. Wie oft schon sind bei Quizsendungen in letzter Zeit junge Leute mit Abitur aufgetreten, die zwar mit tollen Noten (sogar Einserabi) aufwarten konnten, im schlichten Allgemeinwissen sich aber als totale Nieten entpuppten. Da läuft irgend etwas ziemlich schief in unserem Schulsystem.

Was mich noch interessieren würde: Über welchen Google-Alert bist du auf das Brainboard gestoßen?

Gruß
Horkas
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Re: Wie Mnemotechnik in die Schulen kommt

Beitrag von ernesto »

Horkas hat geschrieben:1. Wie ist das zum Beispiel mit der Fremdsprache? Da muss ich doch die Vokabeln drauf haben, wenn ich mich unterhalten oder einen Text lesen will. Mit Mnemotechnik sind sie leichter zu lernen.
2. Was mich noch interessieren würde: Über welchen Google-Alert bist du auf das Brainboard gestoßen?
ad 1) Mit Vokabeln lernt man heute keine Fremdsprache mehr!
ad 2) Lernen lernen
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Re: Wie Mnemotechnik in die Schulen kommt

Beitrag von Horkas »

ernesto hat geschrieben: ad 1) Mit Vokabeln lernt man heute keine Fremdsprache mehr!
Das mit den Vokabeln war ja nur ein mögliches Beispiel. Ich nehme dann einmal den Begriff Weltwissen. Damit steht es schlecht bei der überwiegenden Mehrheit der jungen Generation. In dieser Tatsache kommt die Folge der das konsequente Lernen mit Kampfbegriffen wie Pauken oder "sinnloses Auswendiglernen" diskreditierenden Vertretern des pädagogischen Mainstream überdeutlich zum Ausdruck. Dabei braucht es in sehr vielen Bereichen des heutigen Lebens wirklich solides Faktenwissen. Im Bedarfsfall hilft es nicht zu "wissen, wo ich es finde, wenn ich es brauche", zumal viele gar nicht wissen, dass sie nichts wissen. Manche Leute sind nicht einmal in der Lage, sich die vierstellige PIN ihrer Bankkarte sicher zu merken.

Die vielfältigen Möglichkeiten, die in der Mnemotechnik liegen, erschließen sich im übrigen nach meiner Erfahrung erst richtig, wenn man sie mit einer gewissen Selbstverständlichkeit nutzt. Deshalb schon sollten die Kinder in der Schule die Mnemotechnik kennen lernen.

Ich habe eine zugegeben etwas einfache Erklärung, warum das bei den meisten Kollegen Lehrer nicht funktioniert: Lehrer lernen nicht, sie lassen lieber lernen. Und das hat Folgen für ihre Schüler, die es ihnen gerne nachmachen, wo immer es geht.
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Re: Wie Mnemotechnik in die Schulen kommt

Beitrag von ernesto »

Horkas hat geschrieben: Das mit den Vokabeln war ja nur ein mögliches Beispiel.
Ich kann nur auf die Beispiele antworten, die du nennst.
Was um alles in der Welt soll nun grade "Weltwissen" mit Mnemotechnik gelernt werden? Grad das lernt man doch wohl eher nicht in der Schule, sondern im Leben, im Alltag.
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Re: Wie Mnemotechnik in die Schulen kommt

Beitrag von Horkas »

ernesto hat geschrieben:Was um alles in der Welt soll nun grade "Weltwissen" mit Mnemotechnik gelernt werden? Grad das lernt man doch wohl eher nicht in der Schule, sondern im Leben, im Alltag.
Ich nehme mal Wikipedia zu Hilfe:
"Weltwissen beschreibt das einem Individuum verfügbare allgemeine Wissen, Kenntnisse und Erfahrungen über Umwelt und Gesellschaft. Es bezeichnet die in jedem lebenden Organismus gespeicherten Informationen über die Welt, in der er lebt und ohne die dieser Organismus nicht überleben könnte. Das Weltwissen ermöglicht es, neue Tatsachen einzuordnen und entsprechend zu handeln, auch wenn detaillierte Informationen fehlen. Zum Weltwissen gehören zum Beispiel Hintergrundwissen und enzyklopädisches Wissen."
Weltwissen ist mir als Begriff sympathischer als der eher verschwommene von der Allgemeinbildung und dies zu fördern scheint mir die besondere Aufgabe der Schule. Was sonst!

Im Gegensatz zu manchen Insidern von Schule bin ich der Meinung, in den Schulen könnte, müsste mehr und besser gelernt werden, frage mich, warum die Erkenntnisse der Hirnforschung nicht stärker in diese Richtung interpretiert werden. Und da könnte die Mnemotechnik eine wichtige Rolle spielen.
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Re: Wie Mnemotechnik in die Schulen kommt

Beitrag von ernesto »

Horkas hat geschrieben:1. "Weltwissen beschreibt das einem Individuum verfügbare allgemeine Wissen, Kenntnisse und Erfahrungen über Umwelt und Gesellschaft. (…)"
2. (…) warum die Erkenntnisse der Hirnforschung nicht stärker in diese Richtung interpretiert werden. Und da könnte die Mnemotechnik eine wichtige Rolle spielen.[
zum 1. Das "Weltwissen" im Wesentlichen über mnemotechnische Methoden zu lernen scheint mit absurd - sry. Dazu braucht man in der Regel wohl einen direkten Zugang. Das Enzyklopädische im Weltwissen sitzt heute im Internet. Dabei geht es um Knowhow, das kritisch nutzen zu können.
Zum 2. Also die Hirnforschung hat bisher nichts Substanzielles in Bezug auf Lernen hervorgebracht, was nicht schon lange bekannt war. Dass man das nicht in den Schulen umsetzt, ist eine andere Sache.
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Re: Wie Mnemotechnik in die Schulen kommt

Beitrag von Horkas »

ernesto hat geschrieben:zum 1. Das "Weltwissen" im Wesentlichen über mnemotechnische Methoden zu lernen scheint mit absurd - sry. Dazu braucht man in der Regel wohl einen direkten Zugang. Das Enzyklopädische im Weltwissen sitzt heute im Internet. Dabei geht es um Knowhow, das kritisch nutzen zu können.
"Im Wesentlichen" habe ich nicht gesagt, aber Mnemotechniken in ihrer Vielfalt zur Stützung des Wissenserwerbs einzusetzen, halte ich für eine überaus nützliche und effektive Möglichkeit, die in die Schule hereinzuholen wichtig wäre. Ich will versuchen, es etwas an Beispielen zu erläutern, damit du verstehst, wie ich das und was konkret ich meine:

1. Wenn eine junge Frau beim Fernseh-Quiz sich ihres bayerischen Einserabiturs rühmt und wenig später scheitert, weil sie eingestehen muss, (angeblich) noch nie etwas vom Schwarzwald gehört zu haben, und wenn im zeitlichen Zusammenhang damit wenig später an gleicher Stelle ein junger Mann (Student) daran scheitert, dass in seinem Kopf die Donau in die Ostsee mündet, dann zeigt das, welch verheerende Folgen die Verteufelung des Faktenwissens für das Weltwissen der Leute hat: Schule hat versagt! Da hilft auch kein Googeln. Wer nicht weiß, was er nicht weiß, fragt auch nicht danach. Und im Alltag sind die Computer oft nicht da, wenn man sie bräuchte. Die Externalisierung des Wissens hilft nicht nur nicht, sie gaukelt eine gefährliche Sicherheit im Wissen vor, führt aber in Wirklichkeit zu einem extremen Verlust an nützlichen, manchmal gar unverzichtbaren gespeicherten Informationen.

2. Immer wieder passiert es in letzter Zeit, dass Autofahrer sich blind auf ihr Navy verlassen und irgendwo in der Pampa oder 300 Kilometer entfernt von ihrem Ziel landen. Es fehlen inzwischen bei vielen Menschen die "Karten im Kopf". Da könnte Mnemotechnik mithelfen.

3. An der Kasse im Supermarkt sitzt eine junge Frau und sagt mir den Rechnungsbetrag von 26,41 Euro. Ich gebe ihr 40 Euro und einen Cent. Sie sitzt wie versteinert da, hat wohl vergessen, die entsprechende Taste zu drücken, die ihr den Differenzbetrag anzeigt. Sie ist völlig blockiert, kann das Wechselgeld nicht im Kopf ausrechnen. Ich erlöse sie mit der freundlichen Bitte um 13 Euro und 60 Cent. Da lächelt sie mich dankbar an und gibt mir den Betrag. Der Taschenrechner beendete das Kopfrechnen! Hier hilft natürlich keine Mnemotechnik, sondern nur schlichte Übung.

4. Wie oft hören wir heute den saloppen Spruch: Was soll ich mir das überhaupt merken, ich vergesse es doch gleich wieder! Oder so ähnlich - mit einem gewissen Stolz in der Stimme.

5. Auch nach den neuesten Zahlen haben letztes Jahr wieder 50000 junge Leute Deutschlands Schulen ohne jeden Abschluss verlassen. Nach wie vor gelten rund 20 Prozent aller Fünfzehnjährigen hierzulande als potentielle Analphabeten, weil sie weder richtig lesen, noch schreiben, noch rechnen können. Mnemotechnik macht, wie wir wissen, nicht gescheiter, aber sie bringt die Gehirne auf Trab, und daran scheint es in vielen Schulen zu mangeln.

Diese Beispiele zeigen m.E. überdeutlich die Gefahr einer schleichenden Verblödung der Menschen trotz mindestens neunjährigem Schulbesuch. Dahinter steckt auch die Vostellung, mehr zu können, wenn man sein Gehirn schont, als wenn man es intensiv fordert. "Use it or lose it", sagen die Auguren nicht von ungefähr. Die Schulen sollten mehr Ehrgeiz entwickeln, ihre Klientel zu Usern ihrer Möglichkeiten zu trainieren. Mnemotechnik könnte da viel bewirken!!

Kurz und gut: Es gibt viele Gründe, Mnemotechnik in die Schule zu holen. Wenn das bisher nicht im wünschenswerten Maß geschieht, dann vielleicht auch deshalb, weil es dazu vielfach am Vertrauen in ihre entsprechenden Möglichkeiten, an der Beherrschung der Techniken durch die Lehrer und vielleicht da und dort auch ein wenig an der notwendigen Fantasie fehlt, wie sie geschickt genutzt werden kann.
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Re: Wie Mnemotechnik in die Schulen kommt

Beitrag von ernesto »

ad 1. Für einen Fernsehquiz mag es ja nützlich sein, aber man kann nicht das wesentliche Weltwissen über Mnemotechnik erwerben, das nannte ich absurd. Denn das liefe letztlich auf eine Verdoppelung des notwendigen Wissens hinaus. Heute genügt übrigens das Smartphone, um Wissen bereit zu haben - Lehrer werden heute ja von ihren Schülern damit kontrolliert.
ad 2. Und fürs Autofahren braucht man eine gute Karte - aber nicht im Kopf, denn die müsste man auch immer ändern wie man das Navi halt aktualisieren muss.
Die anderen Argumente haben nicht wirklich was mit dem Thread zu tun - außerdem halte ich das Argument der Verblödung für falsch. Die Kids heute haben halt anderes Wissen als es einem aussterbenden Bildungsbürgertum wünschenswert erscheint.
Für ein paar Eselsbrücken reicht es ohnehin allemal, aber sich das meiste Schulwissen über Mnemotechniken anzueignen scheitert an der Praktikabilität.
Mich wundert es nicht, dass man Lehrer und Schüler nicht dafür begeistern kann. Dann müssten ja die guten Mnemotechniker unter den Erfolgreichen überrepräsentiert sein. Oder kennt einer einen erfolgreichen Mnemotechniker in Wissenschaft oder Politik, die tauchen doch nur in Wettbewerbern und Quizshows auf. Wie schauts mit Mensa aus? BTW: Die einzigen erfolgreichen Mnemotechniker in einem mnemotechnisch fernen Bereich kenne ich von der Bühne, aber das ist ja deren tägliches Handwerkszeug.
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Re: Wie Mnemotechnik in die Schulen kommt

Beitrag von Horkas »

ernesto hat geschrieben: Die Kids heute haben halt anderes Wissen als es einem aussterbenden Bildungsbürgertum wünschenswert erscheint.
Ein wirklich überzeugendes Totschlagargument. Soll doch die Donau in den Indischen Ozean fließen! So kann man an den tatsächlichen Problemen wunderbar vorbeikommen ohne auf Argumente ernsthaft eingehen zu müssen. Schade!
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Re: Wie Mnemotechnik in die Schulen kommt

Beitrag von ernesto »

Horkas hat geschrieben: … ohne auf Argumente ernsthaft eingehen zu müssen.
Tue ich doch die ganze Zeit:
- Mnemotechnisches Vokabellernen hilft wenig beim Sprachenlernen.
- Straßenkarten im Kopf müssten genauso oft geändert werden wie Navis aktualisiert. Ich finde es absurd, sich in einer fremden Stadt mit Mnemotechnik orientieren zu wollen!
- Die Menge an Schulwissen, die gelernt werden soll, würde durch Mnemotechnik praktisch verdoppelt.
- Wo sind die großen Mnemotechniker im praktischen Leben erfolgreicher als andere (Schauspieler hab ich ja ausgenommen!).
Ich denke, meine Argumente waren sehr klar formuliert und nicht schlicht mit der unbeweisbaren Feststellung einer "schleichenden Verblödung".
BTW: Auch ist das oft vorgebrachte Argument einer Gedächtnisschulung durch Mnemotechnik wissenschaftlich widerlegt, da prakisch kein Transfer stattfindet. IMHO sind Mnemotechniken ein nettes Beiwerk beim Lernen von eher linearem Stoff (Knochen des Menschen, Präsidenten der USA, Einkaufszettel usw.), letztlich angesichts der Fülle von lebensnotwendigem Weltwissen eine nette Abwechslung - so sehen es vermutlich die hier ja angesprochenen Lehrer und Schüler.
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Re: Wie Mnemotechnik in die Schulen kommt

Beitrag von Horkas »

Hallo Ernesto,
gehe ich recht in der Annahme, dass du selbst keine Mnemotechnik praktizierst? Dann würde ich manches von dem verstehen, was du hier gegen Mnemotechnik in der Schule einwendest. Allerdings würde das auch bedeuten, dass du die Dinge eher vom Hörensagen her beurteilst als aus eigener Erfahrung.
ernesto hat geschrieben: - Mnemotechnisches Vokabellernen hilft wenig beim Sprachenlernen.
Ich bin kein Fremdsprachenlehrer. Aber Vokabeln lernen mit Hilfe der Locitechnik funktioniert bei mir gut. Warum soll das dann bei anderen nicht so sein, so die denn die Technik beherrschen? Vielleicht könnten andere Mitglieder des Board das sogar eingehender belegen können.
- Straßenkarten im Kopf müssten genauso oft geändert werden wie Navis aktualisiert. Ich finde es absurd, sich in einer fremden Stadt mit Mnemotechnik orientieren zu wollen!
Das habe ich auch nicht behauptet. Ich denke aber, dass fehlendes geographisches Grundwissen immer wieder Navinutzer in der Pampa
landen lässt, weil ihnen die Kategorien fehlen zu beurteilen, ob das Gerät sie richtig leitet. Das ist so, wie wenn man sich wegen fehlender praktischer Orientierung im Zahlenraum um Zehnerpotenzen vertun kann, ohne es zu merken. Erst vor wenigen Wochen ist hier in der Nähe auf einer engen Schwarzwaldlandesstraße ein finnischer Vierzigtonner im Abgrund gelandet, weil sich der Fahrer ohne zu überlegen von der Autobahn weg auf eine Abkürzung über Nebenstraßen ins Wiesental hat lenken lassen. Hätte der Fahrer mehr Ahnung und einen Blick in die Karte getan, hätte ihm auffallen müssen, dass er da über einen 1000m hohen Pass gelenkt wird, wo er das Gebirge im Tal hätte umfahren müssen. Immer wieder passiert es auch, dass Leute hier in Müllheim in Baden landen, wo ihr Ziel doch etwa 500 km weiter nördlich in Mülheim an der Ruhr gewesen wäre. Meine Meinung ist: Mit einer soliden geographischen Grundbildung im Kopf (zu der Mnemotechnik beitragen könnte) würden die Leute weniger solcher Irrtümer erleben. Sie wären einfach klüger.
- Die Menge an Schulwissen, die gelernt werden soll, würde durch Mnemotechnik praktisch verdoppelt.
Da musst du etwas völlig falsch verstanden haben. Ich kann mir mit Hilfe der Locitechnik Sachen sicher merken, die ich sonst nicht ohne riesigen Lernaufwand speichern könnte. Schau dir vielleicht mal das folgende Beispiel an, auf das ich an anderer Stelle hier im Thread schon verwiesen habe: http://www.brainboard.eu/phpbb/viewtopi ... 909#p21909
- Wo sind die großen Mnemotechniker im praktischen Leben erfolgreicher als andere (Schauspieler hab ich ja ausgenommen!).
Das ist nicht zu widerlegen, spricht aber auch nicht gegen die Mnemotechnik. Von John F. Kennedy war allerdings bekannt, dass er sich sehr gezielt mit Hilfe von Fotos sehr gut neue Namen merkte. Und das ist ja eine der Techniken.
Ich denke, meine Argumente waren sehr klar formuliert und nicht schlicht mit der unbeweisbaren Feststellung einer "schleichenden Verblödung".
Das habe ich dir auch nicht unterstellt.
Auch ist das oft vorgebrachte Argument einer Gedächtnisschulung durch Mnemotechnik wissenschaftlich widerlegt, da prakisch kein Transfer stattfindet.

Kannst du das mit einer klaren Quelle belegen? Ich erlebe bei der Nutzung der Techniken täglich das Gegenteil.
IMHO sind Mnemotechniken ein nettes Beiwerk beim Lernen von eher linearem Stoff (Knochen des Menschen, Präsidenten der USA, Einkaufszettel usw.), letztlich angesichts der Fülle von lebensnotwendigem Weltwissen eine nette Abwechslung - so sehen es vermutlich die hier ja angesprochenen Lehrer und Schüler.
Wissen entsteht ja in einem lebenslangen Prozess. Was davon lebensnotwendig ist und was nicht, interessiert das Gehirn beim Lernen nicht. Ich habe als Lehrer oft genug erlebt, dass Schüler fragten: Wozu soll ich das überhaupt lernen? Das brauche ich doch nicht. Mit Mnemotechnik kommen viele Inhalte ganz einfach ins Gedächtnis, mit denen sich die Lernenden ohne sie echt schwer tun. Das ist meine langjährige Erfahrung, und wenn ich den Schülern geholfen habe, die Sachen leichter präsent zu haben, waren sie dem Lernen weniger abgeneigt.

Gruß
Horkas
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Re: Wie Mnemotechnik in die Schulen kommt

Beitrag von ernesto »

Ich habe so ziemlich alle Mnemotechniken ausprobiert, die es gibt - nur die Paläste habe ich mir erspart, denn die Zeit, die ich zum Erarbeiten einsetzen hätte müssen, stehen in keiner Relation zum Ertrag, zumal ich ja keine Prüfungen über lineare Stoffe mehr ablegen hätte müssen.
Du verdrehst mir das Wort: Ich rede davon, dass man heute mit Vokabeln keine Sprache mehr lernt - Stichwort Immersion!
Wie man sich als LKW-Fahrer mittels Mnemotechnik vor dem Verirren in einem fremden Land schützen kann, das musst du mir erst einmal vorhupfen.
Ja, der gute JFK muss für vieles herhalten.
Ich rede von der schlechenden Verblödung, die du Schülern unterstellst ... noch nie hatten Schüler in Bezug auf Umfang ein so großes WIssen wie heute!
Adrian Owen et al: Putting brain training to the test. 
Nature. in dieser wohl umfangreichsten Studie wird eindeutig gezeigt, dass kaum ein lateraler Transfer von erlernten kognitiven Fertigkeiten stattfindet.
So, aber jetzt ist Schluß. Das ist doch alles kalter Kaffee und alles längst bekannt.
Mnemotechniker sind, wie ich hier in anderen Threads gelesem habe, ohnehin nicht zu überzeugen ...
Ist eine nette Spielerei, mit der man sich Telefonnummern oder vielleicht ein paar Listen merken kann, aber für meinen Einkaufszettel (ist ein sehr häufig propagiertes Beispiel) ist mir das zu mühsam, den steck ich lieber in die Tasche. Und warum ich mir die Namen aller Leute auf einer Party merken muss, erschließt sich mir nicht. Die drei vier wichtigen merke ich mir, weil ich motiviert bin, sie mir zu merken. Diese Übungen werden auch deshalb in der Schule kaum Anklang finden, denn warum soll ich mich als Schüler anstrengen, mir eine Methode zu erarbeiten, mit der ich Wissen, das mir sowas von egal ist, leichter lernen kann.
Horkas
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Re: Wie Mnemotechnik in die Schulen kommt

Beitrag von Horkas »

ernesto hat geschrieben:Ich habe so ziemlich alle Mnemotechniken ausprobiert, die es gibt.
Schade, du musst da irgendwas falsch gemacht haben, wenn du keine echten Erfolge erzielen konntest und sich in dir Ablehnung breit gemacht hat. Ich nehme zur Kenntnis: Du gehst mit der Sache heute "Das-geht-nicht-weil-Argumente" sammelnd um.
Adrian Owen et al: Putting brain training to the test. 
Nature. in dieser wohl umfangreichsten Studie wird eindeutig gezeigt, dass kaum ein lateraler Transfer von erlernten kognitiven Fertigkeiten stattfindet.
Danke für den Hinweis, ich werde ihm nachgehen.
So, aber jetzt ist Schluß. Das ist doch alles kalter Kaffee und alles längst bekannt.
Mnemotechniker sind, wie ich hier in anderen Threads gelesem habe, ohnehin nicht zu überzeugen ...

Was heißt hier "Schluss"! Also mir kannst du in dreißig Jahren gewachsene positive Erfahrung, die ich persönlich wie als Lehrer gesammelt habe, nicht austreiben. Ja, die Mnemotechnik ist als eine der fünf Säulen der Rhetorik seit (mindestens) 2500 Jahren gepflegt worden, also wirklich "längst bekannt".
Ist eine nette Spielerei, mit der man sich Telefonnummern oder vielleicht ein paar Listen merken kann, aber für meinen Einkaufszettel (ist ein sehr häufig propagiertes Beispiel) ist mir das zu mühsam, den steck ich lieber in die Tasche.
Mein "papierloser Einkaufszettel" ist mein Körper (als Liste im Kopf). Da ist überhaupt nichts "mühsam". Eine Spielerei? Der Gedächtnissport vielleicht, dem hier viele frönen, nicht aber das Lernen mit diesen Techniken. Das geht vielleicht spielerisch, aber ernsthaft.

Weißt du was? Wir müssen uns hier nicht zusammenraufen, weil du nicht an die Segnungen der Mnemotechnik glaubst und ich mir meine guten Erfahrungen nicht klein reden lasse. Stellen wir das einfach fest. Und ich gehe weiter der rhetorischen Frage nach, wie Mnemotechnik in die Schule kommt.
Zu allen wirklichen Abenteuern gehört, dass man einen Schatz sucht.
David Loye
ernesto
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Re: Wie Mnemotechnik in die Schulen kommt

Beitrag von ernesto »

Horkas hat geschrieben: Mein "papierloser Einkaufszettel" ist mein Körper (als Liste im Kopf). Da ist überhaupt nichts "mühsam"
Ach der gute Einkaufszettel, der in allen diesbezüglichen Shows so gut ankommt mit den Spaghetti in den Ohren und den Bierflaschen auf der Nase oder der Marmelade in den Socken ...
Weißt du, wenn ich im Laufe einer Woche mir auf einem in der Küche immer an derselben Stelle liegenden Zettel aufschreibe, was ich beim nächsten Einkauf im Supermarkt einkaufen muss (der umfasst manchmal bis zu dreißig Artikel!), dann muss ich eine Sekunde investieren, wenn ich den vor dem Losfahren in meine Brieftasche stecke. Wie lange brauchst du, um dir dann einzuprägen, dass es in dieser Woche nicht der Grappa von der Santa Cristina, den ich vor zwei Wochen gekauft hatte, sondern der von Umaro sein soll, nicht 25 dag Schinkenspeck wie vorige Woche, sondern 40 dag, weil ich Besuch erhalten werde. Ich brauche nur die eine Sekunde des Einsteckens ,,, Glaub mir, ich erspare mir sehr viel Lebenszeit, wenn ich diese Dinge organisiert betreibe, also etwa den Einkaufzettel nach der Struktur des Supermarktes gestalte - ich hab mir einfach gemerkt, wo was im Supermarkt steht (das ist mein Weltwissen), ganz ohne Mnemotechnik sondern schlicht durch die unbewusste Motivation, dass es mir dann beim Einkaufen leichter fällt, schneller durch die Regale zu kommen. Sry, ich hab auch eine gute Körperliste, sogar mit bis zu den 50 Orten, wobei ich praktischerweise auch die Bekleidung drin habe, nur würde mir nie einfallen, die für einen EInkaufszettel zu benutzen. Ich hab sogar einmal die Handyvariante probiert, aber da ist ein strukturierter Zettel einfach überlegen. Und sag mir jetzt bitte bloß nicht, dass du gar keinen EInkaufszettel führst, sondern im Laufe der Woche alles gleich in deine Körperliste einordnest ... das geht garantiert schief, denn die Überschneidungen von Woche zu Woche sind einfach zu interferent.
Horkas
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Re: Wie Mnemotechnik in die Schulen kommt

Beitrag von Horkas »

Jetzt wird es doch noch konstruktiv! Bei mir läuft das mit dem Einkaufen so: In grauer Vorzeit, also bis vor etwa vier Jahren, habe ich meinen wöchentlichen Einkauf mit einem klar nach Stationen gegliederten Mind Map vorbereitet, wie du mit einem bereit liegenden Zettel, also noch lange, nachdem ich lernend mit mnemonischen Techniken (zum Beispiel in der Schule) gearbeitet habe. Nachdem ich dann Gregor Staubs System adaptiert hatte, nahm ich seine Baumliste, ergänzend die Körperliste. Die Baumliste enthielt die gewohnten Routineartikel, die Körperliste die Extras. Inzwischen ist der Supermarkt die gewohnte Loci-Einkaufsstrecke, auf der ich kaum je was vergesse, die Extras speichere ich ohne große zusätzliche Assoziationen mühelos auf der Körperliste. Ab und zu, wenn besondere Umstäönde vorliegen, nehme ich sicherheitshalber einen Zettel. Zuletzt vor vielleicht sechs Wochen.

Interferenzen kenne ich bei der Nutzung der Listen nicht; denn die Körperliste nutze ich parallel zu allen möglichen anderen Zwecken. Das ist ja der Vorteil von Loci, dass man wegen der wechselnden Assoziationen die Inhalte nicht durcheinander bringt. Ich kann zum Beispiel am Radio die stündlichen Nachrichten hören und die sechs oder sieben Inhalte auf der Körperliste speichern, während ich auf dem imaginären Körperlisteneinkaufszettel schon mehrere Merkposten belegt habe. Für besonders wichtige Inhalte, die es langfristig zu behalten gilt, nehme ich aber besondere Loci-Routen wie in dem Beispiel, auf das ich dich kürzlich hingewiesen habe. Vielleicht schaust du es dir das Beispiel aus meinem Unterricht nochmal an: http://www.brainboard.eu/phpbb/viewtopi ... 909#p21909
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David Loye
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Re: Wie Mnemotechnik in die Schulen kommt

Beitrag von ernesto »

Ja Horkas, du hast recht, wenn du bereit bist so viel Lebenszeit auf so einfache Dinge wie einen Einkaufszettel zu investieren - abgesehen davon, dass ich diese ganzen Beispiele nur auf dem Papier aber nicht im RL für überzeugend halte. Ich bleib bei meiner Methode und du bei deiner. Nur: ich habe noch nie etwas vergessen, was auf meinem Einkaufszettel stand, ganz abgesehen davon, dass ich den Zettel meist nicht brauche, denn ich habe mir durch das Schreiben ohnehin praktisch alles gemerkt - da genüg ein Check vor der Kassa.
Und dein Beispiel für die Wortarten halte ich für verschwendete Lernzeit - immerhin kamen die Kids an die frische Luft.
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