Um der sehr häufig gestellten Frage "Wie werde ich besser?" zu begegnen, liste ich mal die Faktoren auf, die entscheidenden Einfluß auf Verbesserungen haben. Als Beispiel verwende ich die Disziplin Speed Numbers. Ich hoffe daraus eine interessante Diskussion anregen zu können, aus der sowohl Einsteiger, als auch Fortgeschrittene ihre Erfahrung ziehen zu können. Eure Meinung ist mir demnach sehr wichtig, versucht sie jedoch bitte strukturiert und übersichtlich zu halten, damit man diesen Beitrag besser überschauen kann.
1. Das Zahlensystem
Bekannte Systeme:
- - 1-stellig (z.B. Zahlen-Form oder Zahl-Reim-System mit 10 Bildern)
- 2-stellig (z.B. Master-System (kurz: MS) oder 100er-Garderobe)
- 3-stellig (z.B. erweitertes MS mit 1000 Bildern oder Kapazitätserweiterung für das MS mit 10 Zuständen für die 100 Bilder)
- 4-stellig (z.B. Person-Objekt mit 200 Bildern oder gar extrem erweitertes MS mit 10000 Bildern)
- 6-stellig (Person-Verb-Objekt (kurz: PVO) auf der Basis des MS mit 300 Bildern)
Der Weltrekord von 333 Zahlen in 5 Minuten wurde mit einem 3-stelligem System erstellt und zwar von Ben Pridmore. Das spricht auf den ersten Blick ganz klar für dieses System. Man muß jedoch dabei beachten, mit welcher Leidenschaft Ben trainiert und wieviel Zeit er in sein Tarining investiert. Ich denke das relativiert das ganze wieder etwas.
Boris verwendet ein 4-stelliges P-O-System. In Cambridge hat er damit sehr gute 236 Zahlen geschafft. Wir wissen jedoch von seinen hervorragenden anderen Disziplinen, das da noch mehr gehen müßte.
Andi Bell verwendet ein 6-stelliges PVO-System und erreicht damit 280 Zahlen im Turnier.
Die große Frage ist nun, was ist effektiver? Die Tatsache, das man durch zunehmend größer werdende Cluster Routenpunkte (RPs) spart, ist denke ich dabei nur peripher interessant.
Dazu möchte ich das 2er, das 3er und das 6er näher beleuchten:
Beim 2er muß man am wenigsten lernen. Das führt dazu, das am einfachsten Myelin durch üben aufgebaut werden kann, wodurch die Übertragunsgeschwindigkeit zwischen den Neuronen von 1 Meter pro Sekunde auf bis zu 100 Meter pro Sekunde erhöht wird. Sprich die Erkennungsrate der 2-stelligen Zahl wird drastisch erhöht. Kurz gesagt, je öfter man an etwas denkt, desto mehr Myelin wird an den entsprechenden Axonen angelagert und man erinnert sich zunehmend schneller an diese Information (Lernen durch Wiederholung). Man spart also kostbare Zeit beim memorieren.
Beim 3er muß man zehn mal soviele Bilder lernen, wodurch die Myelinisierung erschwert wird. Sicherlich kann man diese durch sehr hartes Training ausgleichen, meiner Meinung aber nur sehr sehr schwer eine ähnliche Geschwindigkeit erreichen, wie bei 100 Bildern (2er). Bedenkt dabei bitte, das wir bei einem trainierten Gedächtnissportler Unterschiede im Millisekunden Bereich betrachten, die sich in 5 Minuten jedoch addieren und einige Zahlen ausmachen können. Nichtsdestotrotz bietet dieses System ein gewaltiges Potenzial.
Das 6er ist quasi ein Hybrid zwischen dem 2er und dem 3er und unterscheidet sich von dem 4er nur unwesentlich. Man hat 100 Personen, 100 Verben und 100 Objekte, die im besten Fall miteinander assoziert werden, wodurch das Lernen reduziert wird (z.B. 20=Nase --> Pinocchio - schnauben - Nase). Der Vorteil dieses großen Clusters ist der relativ geringe Lernaufwand im Vergleich zum 3er, der Nachteil jedoch ist die Tatsache, das man eine Szene merkt und keine Einzelbilder. Die Gefahr, das man einzelne Teile vergisst ist omnipräsent, läßt sich im Training jedoch langsam reduzieren. Ein weiterer Nachteil ist, das die Kreativität eingeschränkt ist, durch die feste Szenen-Vorgabe - das wird aber im gleichen Moment wieder zum Vorteil, da man so wieder etwas Zeit spart.
Was nun besser ist, sei jedem selbst überlassen. (174185 wird entweder zu Theke/Ratte/Falle oder zu Tiger/Teufel oder zu Barkeeper beißt in eine Falle). Wer viel Zeit investieren möchte, sollte jedoch wahrscheinlich das 3er-System wählen, oder was meint ihr? Ich arbeite mit dem 6er.
Wir können also DREI wichtige Faktoren beim Zahlensystem festhalten:
1. Je kleiner der Cluster, desto schneller und sicherer hat man das Bild im Bewußtsein, desto mehr RPs brauch man aber auch (es sei denn man speichert mehrere Cluster auf einem RP und verklumpt diese zu einem großen Cluster, wodurch jedoch auch wieder Verwechslungen auftreten können - kam die Kette oder die Mumie zuerst?!?).
2. Je öfter man seine Bilder trainiert, um so mehr Myelin wird aufgebaut und die Übertragung nimmt RAPIDE zu.
3. Je größer der Cluster, desto weniger RPs brauch man und umso weniger Gesamt-Zeit wird beim Assoziieren von Bildern und RPs verbraucht.
2. Die Routen
Bei den Routen gilt das gleiche wie bei den Zahlenbildern: Je öfter man sie durchgeht, um so schneller und sicherer kann man sie wieder abrufen.
Routenpunkte kann man generell in 3 verschiedene Varianten unterteilen, wobei es hier vorerst egal ist, ob diese real oder erdacht sind:
- - Räume/Plätze/Orte (z.B. Küche/Fußballplatz/London)
- Objekte/Personen (z.B. Lampe/Gerhard Schröder)
- Teilobjekte/Körperteile (z.B. Glühbirne-Ständer-Schalter-Kabel)
Eine Frage, die relativ häufig auftaucht ist noch, ob man zuerst die Zahl übersetzt, oder den nächsten RP ins Bewußtsein holt. Ich übersetze zuerst und gehe dann zum RP. Mich interessiert brennend wie ihr das macht und was ihr meint was sinnvoller ist.
3. Das Assoziieren
Wir kommen zum wahrscheinlich wichtigsten Punkt des Merkens: Dem Assoziieren.
Hier lassen sich folgende Faktoren auflisten:
- - Kreativität (wie schnell kann ich mir etwas überlegen, was zwischen dem Zahlenbild und dem RP passiert)
- Verarbeitungskanal (sehe ich das Bild auch wirklich vor meinem inneren Auge? Oder höre bzw. fühle ich es, da manche Menschen weniger visuell als auditiv bzw. kinästhetisch sind?)
- Vertrauen auf das eigene Gedächtnis (wie lange verharre ich innerlich bei einer bereits fertigen Assoziation, da ich denke sie weiter verfestigen zu müßen, bevor ich sie mir wirklich merke?)
- Wiederholung (schaue ich mir die Assoziationen noch einmal an, nachdem ich sie alle durchgegangen bin und nehme damit einen relativ großen Zeitverlust in kauf?)
Die Kreativität läßt sich ziemlich gut trainieren. Jeder der sich mit Gedächtnissport beschäftigt, wird am Anfang die Erfahrung gemacht haben, das es oft nicht reicht, das Lasso auf den RP zu legen. Hinterher weiß man nur noch, das da was drauf lag, aber nicht mehr was es war. Deshalb kommt man schnell drauf, das Lasso anderweitig mit dem RP zu assoziieren (z.B. es drum herum wickelt, den RP am Lasso aufhängt oder das Lasso auf dem RP tanzen läßt).
Der Verarbeitungskanal ist schon schwieriger zu trainieren. Am Anfang waren meine Bilder keine Bilder. Es waren nur Ideen in einem schwarzem Raum, bestenfalls habe ich den RP gesehen, aber meistens habe ich auch diesen mehr als Idee im Kopf gehabt und nicht ein klares Bild vor dem inneren Auge gesehen. Das Resultat war, das ich vieles wieder vergessen hatte. Also mußte ich üben, mir meine Zahlenbilder und RPs vor dem inneren Auge aufmalen zu können, damit ich überhaupt in der Lage war, mir die Assoziationen bildlich vorzustellen. Ich habe gehört, das Katharina Bunk ihre Kartenbilder (bzw. ihre Personen, die sie für die einzelnen Bilder hat) eher "hört" als sieht und das ihre Personen an den einzelnen RPs etwas sagen. D.h. sie verarbeitet das ganze auf einem anderen Kanal. Diesen Kanal muß man jedoch erstmal für sich finden, denn möglicherweise ist das bildliche für einige gar nicht so vorteilhaft. So möge man mir verzeihen, das ich grundsätzlich von Bildern spreche, ein anderer vielleicht aber nur Töne hört.
Ein ganz heikler Punkt ist das Vertrauen in sein eigenes Gedächtnis. Um letztlich den Sprung zu schaffen, schneller und schneller zu werden, muß man sich auch trauen. Für mich perönlich eine äußerst schwierige Sache, die sich nur langsam einstellt. Ich weiß, ich kann etwa 150-170 Zahlen memorieren in 5 Minuten, ohne große Schwierigkeiten. Dabei ist meine Fehlerquote akzeptabel, vor allem da man vergessene Bilder oftmals wieder rekonstruieren kann. Wenn ich jedoch schneller sein möchte, muß ich mich an JEDEM EINZELNEN RP zwingen, etwas kürzer meine frische Assoziation zu betrachten. Das fällt mir persönlich unglaublich schwer und damit stehe ich, wie ich aus Erfahrung weiß nicht alleine da. Vielen Leuten fällt es schwer, einfach darauf zu vertrauen, getroßt eine Sekunde schneller pro Bild zu sein. Man ertappt sich jedesmal dabei, das man doch lieber noch die Assoziation dreht und wendet, bis man meint das es passt, obwohl man effektiv gar nichts mehr verändert hat, sondern einfach nur eine Sekunde länger auf das Bild gestarrt hat. Man könnte auch sagen, es fehlt einem der Mut, schneller zu werden.
Und letztlich sei die beliebte Wiederholung erwähnt, die sehr eng mit dem Punkt Vertrauen verknüpft ist. Wir wissen alle aus Erfahrung, das durch eine Wiederholung das Erinnerte gefestigt wird. Das wurde hier in meiner Auflistung auch nochmal mehr als deutlich und ist ein physikalischer Fakt, der durch die Myelinisierung entsteht. Jedoch kostet die Wiederholung SEHR VIEL ZEIT, selbst wenn man schon sehr schnell ist, verschenkt man dadurch möglicherweise einiges an Potenzial. Lieber ein wenig mehr Kreativität in die Assoziationen fließen lassen und dafür bei einer kurzen Disziplin wie Speed Numbers auf die Wiederholung verzichten.
So, ich bin am Ende mit meinem Latein und muß meinen Artikel erstmal auf mich selber wirken lassen. Vielleicht fällt mir ja dann noch etwas ein, was ich vergessen habe. Ich bin gespannt, was ihr zu ergänzen oder zu verbessern habt.
Liebe Grüße
Florian