Hallo Simon und der Rest der Interessierten!
Mal zurück zum Gedächtnispalast, wie ich ihn angedacht habe:
Insofern waren meine Einwände nicht so zu verstehen, dass der Gedächtnispalast an sich schon den Fehler der Unveränderbarkeit und damit Starrheit in sich trägt. Ich habe mich ja so geäußert, dass er vielmehr veränderungsbedürftig ist, um die übliche Grundkonzeption zu korrigieren
Gut, dann habe ich dich in dieser Hinsicht falsch verstanden.
Allerdings bedarf das dann auch einer nicht unerheblichen kreativen Anfangsleistung, weil das übliche Bild eines Gebäudes, an dem sich die Vorstellung orientiert, nun sehr ebenmäßig und unorganisch ist.
Richtig! Für "Unkreative", die keinen Spaß daran haben verrückte, unnormale Sachen zu machen, wäre das schwierig.
Zur Stadt:
Sind es dann noch Gebäude? Wäre es nicht vorteilhafter, statt der zweidimensionalen Gleichförmigkeit der Ebene "Stadt" gleich Gegenstände aus einem Zimmer zu nehmen, die in verschiedener Höhe aufgebaut sind (der Bär auf dem Bett, das Fahrrad an der Tür, der Stuhl am Tisch) und die dann Eingänge erhalten und ein Innenleben. Statt in einer Stadt oder einem Zimmer könnte man die Gegenstände auch gleich auf einer externen Route plazieren. Allerdings halte die Plazierung in einem dafür typischen Zimmer (Bär im Kinderzimmer, weitere Spielsachen etc...) für eleganter, weil man einem Ortkomplex hat, der alle Einzelorte bereits zwanglos beinhaltet und leicht ergänzt werden kann. Die Stadt (mit einer Stadtmauer) hat natürlich im Gegensatz zum Zimmer oder zur Route wieder das Angenehme des Palastes: Die Abgeschlossenheit, Andersweltlichkeit.
Hm... also bei mir ist die Stadt ganz und gar nicht zweidimensional, sondern dreidimensional. Wobei bei mir die Stadt eigentlich nur dazu dient, die einzelnen Häuser zusammenzuhalten (ähnlich einem zentralen Platz, der z. B. fünf davon abgehende Straßen als Routen vereint). Die einzelnen Gebäude habe ich nciht von außen mit Gegenständen belegt, obwohl der Gedanke eigentlich auch reizvoll ist. Aber die Farbe,
Form, Größe, das Material eines Hauses in der Stadt steht durchaus in Verbindung mit dem "Thema" des Hauses.
Und wir müssen zwei Dinge auseinander halten, meines Erachtens nach:
Erstens die Kreativleistung sich eine Stadt im Kopf auszudenken.
Zweitens die Benutzung einer Stadt, eines Hauses an sich, statt einer Route (die man sich ja auch komplett im Kopf ausdenken könnte).
Zu zweitens: Der Vorteil einer Stadt kommt meines Erachtens nur dann voll zum Tragen, wenn es um das langfristige Erinnern kompletter Themen/Wissensgebiete geht. Und da ist der Gedanke einer Stadt bzw. eines Hauses besonders reizvoll, da ich dann weiß: ah ja, das Haus mit der äußeren Form Nutellaglas, da drin geht's nur um das Thema Nährstoffe. Suche ich in meinem Gedächtnis also etwas zu den Nährstoffen, dann weiß ich genau wo ich suchen muss. Die Stadt oder das Haus gibt also eine Art Überstruktur für einzelne Überthemen. Auch die innere Struktur sollte so gestaltet werden, dass sich schon eine gewisse Struktur ergibt. Also: der eine große Vorteil eines Gedächtnishauses/-stadt ist die Strukturiertheit von viel Wissen.
Zu den Gegenständen:
Das Problem, das ich damit hätte, wäre, dass es einem nicht erspart bleibt, bei jedem Gegenstand erst ein Innenleben zu finden, das sich sowohl "in sich selbst" genügend unterscheidet als auch im Vergleich zu den anderen Innenlebengestaltungen. Damit meine ich nicht primär die optische, sondern die räumliche Gestaltung, die innere Struktur.
Ja, das ist wohl richtig. Der höhere Aufwand lohnt sich jedoch, da es ja um's langfristige Behalten geht.
Es bedarf also einer größeren Vorinvestition, um die Räume unterschiedlich zu machen. Und das ist auch dann nötig, wenn man nicht mit einem gleichförmigen Haus beginnt.
Die Notwendigkeit zu sagen "Ich mache das jetzt anders" zeigt einen Bezugspunkt: Anders als es sonst ist, anders als die Gleichförmigkeit. Gerade dass erst Fantasie nötig ist, um funktionierende Räume zu erschaffen, zeigt das aus meiner Sicht.
Dito.
Trotz der größeren Anfangsinvestition wird aber keine größere Erinnerbarkeit erreicht. Dadurch erscheint dieser Ansatz insgesamt weniger effektiv.
Wie schon gesagt, dass müsste erst mal untersucht werden. Aber aus meiner Sicht ist auch der Ansatz bzw. das Ziel unterschiedlich. Bei den Routen geht es den meisten vor allem um eins: schnell merken können, schnell wieder reproduzieren (z. B. Gedächtnissport, kurzfristig für Prüfung usw. ). Ein Gedächtnispalast soll aber eine Art langfristiges mnemotechnisch geschickt erstelltes Nachschlagewerk mit Gedächtnishaken sein.
Jetzt aber zu
erstens (siehe oben):
Wer Routen benutzt nimmt normalerweise schon vorhandene Routen (Straßen, Wege, Zimmerroute, Körperroute) oder auch virtuell fertige Routen (Spiele, Sims, virtuelle Welten...). Ich stelle mir jedoch den Entwurf einer Gedächtnisstadt so vor, dass ich die Umwelt (Inneres der Gebäude z. B., Gegenstände, Farben usw.) während des "Bauens" an meinen Lernstoff anpassen kann. Oder umgekehrt, ich baue die STadt so, wie es mein Lernstoff erfordert. Passt an einer Stelle mein Lernstoff mehr zu einem kleinen Zimmer, dann baue ich ein kleines Zimmer. Habe ich viele Details zu einem Unterthema, dann baue ich mir was, mit vielen unterschiedlichen "Haken", die jedoch auch wieder in sich an das zu merkende angepasst werden können. Die Stadt bzw. das Haus wächst also "organisch" mit, je mehr ich gerade mnemotechnisch neu ablege, desto größer wird das Haus.
Vorteil also: direktes Anpassen des Lernstoffs an die Struktur des Lernhakens (vice versa).
Wichtig auch: Es muss ein Zwischending werden zwischen Struktur (bestimmte, aber wenige, gleichartige Strukturen in jedem Gebäude) und kreativem Unterschied (jedes Haus ist innen und außen anders).
Ich frage mich aber auch, ob es nicht stoffabhängig ist, ob ein Palast / Stadt besser geeignet ist.
Ich muss ein
Beispiel machen:
Mein Beispiel ist das Auswendiglernen des Periodensystems. Nicht nur Ordnungszahlen oder Atommassen der einzelnen Elemente, sondern auch die wichtigsten Reaktionen der Elemente, die wichtigen Eigenschaften, Oxidationsstufen usw. Nun ist das Periodensystem aber sowieso schon so schön in Elemente eingeteilt. Daher würde ich eine Periodensystem-Stadt erstellen, in der die einzelnen Häuser genau für jeweils ein Element stehen. Es könnte also ein Natrium-Haus geben in Form einer Natter, ein Mangan-Haus in Form einer Manga-Figur, ein Silizium-Haus in Form eines Wafers (Chip)... Man könnte sogar Stadtviertel machen, um sich in der Stadt besser zurechtzufinden (Metalle / Nichtmetalle oder Hauptgruppen o. ä.). In jedem Haus gäbe es im Eingängsbereich die Grundwerte der einzelnen Elemente. Und zwar nicht immer so, dass in jedem Eingangsbereich eine, ähnlich aussehende Lampe ist, an der ich dann die Atommasse (Major!) festmache. Nein. Aber z. B. in jedem Eingangsbereich gibt es irgendwo ein Tier und an diesem ist die Masse "angehakt". Da jeder Eingangsbereich aufgrund der eigenwilligen Häuserform sowieso schon unterschiedlich ist, dürft auch die Unterscheidbarkeit gut sein.
Soweit mein Beispiel bzw. das, was ich bei einer Diskussion des "Gedächtnispalastes" immer im Kopf habe.
Viele Grüße,
Mindman